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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1229 Bewertungen
Bewertung vom 28.06.2023
Lane, Soraya

Die verlorene Tochter / Die verlorenen Töchter Bd.1


ausgezeichnet

Nur eine Sommerromanze?

„Bevor Sie sie aufmachen, sollten Sie sich vergewissern, dass Sie die Vergangenheit wirklich aufdecken wollen. Wenn man erst einmal Bescheid weiß, kann das einiges verändern.… Manche Geheimnisse bleiben besser im Verborgenen.“ (S. 26) Als Lily nach 4 Jahren in Neuseeland wieder nach London kommt, findet sie die Einladung einer Kanzlei vor. Dort wird ihr als Nacherbin ihrer Großmutter eine Schachtel ausgehändigt, die beim Abriss eines privaten Heims für ledige Mütter gefunden wurde. Lilys Großmutter wurde direkt nach der Geburt zur Adoption freigegeben, hat das aber nie erfahren. In der Schachtel findet Lily ein Programm der Mailänder Scala von 1946 und ein handgeschriebenes Rezept auf italienisch. Da ihr nächster Job als Kellermeisterin sie sowieso nach Italien führt, beschließt sie, vor Ort Nachforschungen anzustellen.

„Sie war diejenige, die das Glück ihrer Familie wenden sollte. Das Gewicht der Welt ihrer Familie lastete auf ihren Schultern, und manchmal drehte sich ihr bei dem Gedanken der Magen um, genau so schmerzhaft wie sonst, wenn ihr Körper nachts verzweifelt nach Nahrung schrie.“ (S. 30) Seit frühester Kindheit bekommt Estée sehr viel Ballettunterricht und sehr wenig zu essen. Ihre Mutter ist überzeugt, dass Estée das Talent zur Primaballerina hat, wenn sie nur hart genug dafür arbeitet. Als sie 1938 in die Ballettschule der Mailänder Scala aufgenommen wird, scheint das Ziel fast erreicht, aber dann beginnt der zweite Weltkrieg.

„Hast du manchmal das Gefühl, dass dein ganzes Leben für dich entschieden wurde?“ (S. 66) Die ProtagonstInnen haben viel gemeinsam. Lily hat sehr an ihrem verstorbenen Vater gehangen, ist sich in Italien aber plötzlich nicht mehr sicher, ob sie ihren Beruf gewählt hat, weil sie es so wollte, oder weil er von einem eigenen Weingut geträumt und ihre Ausbildung bis ins kleinste Detail geplant hatte. Außerdem verliebt sie sich in Antonio, den Sohn ihres Arbeitgebers, dabei hat sie bisher Beruf und Privatleben strikt getrennt. Aber vielleicht ist das mit ihnen ja auch nur eine Sommerromanze?
Estée hat das Ballett immer geliebt, aber das extrem harte Training und die lieblose Behandlung durch ihre Mutter lassen sie an diesem Traum zweifeln. Ihr Leben ist von Verzicht geprägt. Sie darf kein Gramm zunehmen und keinen Freund haben. Dass sie sich schon in frühester Jugend verliebt hat, weiß niemand. Als sie erste Erfolge an der Scala feiert, meldet sich ihre Jugendliebe nach Jahren der Trennung bei ihr und sie verbringen einen unvergesslichen Sommer. Aber auch sein Weg ist ihm durch seine Familie vorherbestimmt.

„Die verlorene Tochter“ ist eine solide, leicht vorhersehbare Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen, die mir zum Ende hin leider etwas zu pathetisch und gewollt dramatisch wurde. Die Entscheidung, die Lilys Urgroßmutter dazu brachte, ihr Kind wegzugeben, fand ich etwas überstürzt, da sie sich ohne nachzuprüfen auf nur einen Fakt gestützt hat. Dafür haben mir das Setting und das italienische Flair sehr gut gefallen. Für mein vollkommenes Glück diesbezüglich hat mir nur noch das geheime Familienrezept gefehlt, das letztendlich für die Auflösung gesorgt hat und oft erwähnt wurde.

Bewertung vom 26.06.2023
Riebe, Brigitte

Das Haus der Füchsin / Eifelfrauen Bd.1


ausgezeichnet

Die eigenwilligen Frauen der Familie Fuchs

„Lisbeth ist tot. Das Haus Nummer achtzehn wartet auf Sie, soll ich ausrichten.“ (S. 41) An Johannas 21. Geburtstag taucht plötzlich eine Fremde in der Villa ihrer Eltern auf und sagt ihr, dass sie das Haus ihrer bis dato unbekannten Tante in der Eifel geerbt hat. Elisabeth war die jüngste Schwester ihres Vaters und wurde von der gesamten, sehr weitläufigen Familie totgeschwiegen. Gegen den Rat ihrer Eltern fährt Johanna nach Altenburg. Schon bei der ersten Besichtigung fühlt sie sich angekommen. Das kleine Haus mit der blauen Tür und der dazugehörige Hof vermitteln ihr sofort ein Gefühl von Heimat. Außerdem spürt sie eine Verbindung zu Lisbeth und der Füchsin, die nachts ihren Garten besucht, ist sie doch die Personifizierung ihres Nachnamens „Fuchs“. Gegen den Rat ihrer Eltern zieht sie dorthin. „Ich will mich spüren, herausfinden, was mir liegt, was ich möchte. Lisbeths Haus birgt so viele Geheimnisse. Die will ich am liebsten alle ergründen.“ (S. 65)

Johannas Entscheidung spaltet die Familie. Ihre Eltern und ihr Bruder Georg wenden sich von ihr ab, während dessen Zwillingsbruder Christoph und andere Verwandte sie für ihren Mut zum einfachen Leben bewundern und unterstützen.

Das Leben auf dem Dorf ist nicht einfach. Die Einwohner betrachten die „verwöhnte Bürgerstochter“ mit Misstrauen, keiner traut ihr zu, den kleinen Hof, zu dem u.a. auch Hühner, Ziegen und ein Nutzgarten gehören, betreiben zu können. Johanna, die sehr behütet aufgewachsen ist, muss plötzlich einen Haushalt führen. Zum Glück lernt ihre Nachbarin Kätt sie bei allem an. Sie werden Freundinnen und kommen zusammen bald noch einem weiteren Familiengeheimnis auf die Spur.

Johanna wird Lisbeth immer ähnlicher. Beide haben die schützende Hülle ihrer Familie verlassen und ein selbstbestimmtes, freies Leben ohne die Bevormundung eines Vaters oder Ehemanns gewählt. Außerdem ist sie vom ersten Augenblick an von den Tonfiguren und Zeichnungen begeistert, die Lisbeth geschaffen hat. Auch darin eifert sie ihr nach, muss aber lange üben, bis sie den Werkstoff Ton begreifen und in die gewünschten Formen bringen kann. Doch dann feiert sie erste Erfolge als Künstlerin. Durch die Füchsin begegnet sie ihrer großen Liebe und muss feststellen: „Für die Liebe braucht man immer Mut, sonst wird das nichts.“ (S. 172)

Die Geschichte beginnt 1920. Familie Fuchs lebt in dem durch Frankreich besetzten Gebiet und die politischen Ansichten der Einzelnen sind sehr verschieden. Obwohl sie (z.T. konvertierte) jüdische Angehörige haben, schließt sich Georg schon der früh den Nationalsozialisten an und wird ein sehr strammer Verfechter derer Ideologie. Dazu tragen auch die sich rapide verändernde politische und wirtschaftliche Lage (Weltwirtschaftskrise, Inflation) bei.

Brigitte Riebe hat mich wieder von der ersten Seite an in den Bann dieser extrem bewegenden und fesselnden, gut recherchierten Familiengeschichte gezogen. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es an nur 2 Tagen verschlungen. Sie beschreibt Johannas Hof, ihr Leben und die Eifel so bildlich, dass das Buch beim Lesen wie ein Film in meinem Kopf mitlief.
Johanna ist eine starke, mutige und unkonventionelle Frau, die für ihr eigenes Glück und das ihrer Wahlfamilie auf vieles verzichtet – aber eben nicht auf Liebe, ihre Freiheit und Unabhängigkeit. 5 Sterne für dieses #lesehighlight.

Bewertung vom 20.06.2023
Inchauspé, Jessie

Der Glukose-Trick - Das Praxisbuch


ausgezeichnet

Der Essig-Trick

Jessie Inchauspé verspricht in ihrem Praxishandbuch ein „Vier-Wochen-Programm gegen Heißhunger und Stimmungstiefs für ein Leben voller Energie“. Ich habe mich zwar nicht sklavisch an die Ernährungsvorschläge gehalten, aber mein Ziel – ich wollte weniger naschen – trotzdem erreicht. Ich hatte vor allem am Nachmittag regelmäßig Appetit auf Süßes und habe dann neben einem Stück Kuchen oder Keksen auch noch Schokolade oder Gummibärchen gegessen und zum frühen Abend oft noch Obst und Gemüse geknabbert. Seit ich ihren Tipp befolge und mittags ein Glas Wasser mit Apfelessig trinke, sind diese Gelüste weg. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist die kühlende und durststillende Wirkung des Getränks bei diesen sommerlichen Temperaturen – und schmecken tut es mir mit dem Apfelessig der Feldmann-Manufaktur auch noch. Außerdem regelt es die Verdauung. Also eine absolute Win-Win-Situation.

Eins vorweg, ist es keine Diät, was die Biochemikerin Jessie Inchauspé entwickelt hat, sondern eine Ernährungsumstellung, um den Blutzucker auszugleichen. Mit den tollen Rezepten im Buch und ihren kleinen Tricks ist es mir problemlos gelungen, innerhalb von 4 Wochen meinen Heißhunger und den „süßen Zahn“ in den Griff zu bekommen.
In der ersten Woche soll man sich an ein herzhaftes Frühstück gewöhnen. Das mache ich schon seit Jahren, ich backe sogar das Sauerteig-Vollkornbrot dafür selber.
In der zweiten Woche kommt der Esslöffel Essig dazu. Man kann ihn wie ich in Wasser oder anderen Getränken zu sich nehmen oder aber beim Kochen, z.B. im Salatdressing, verwenden. Auch dafür sind sehr abwechslungsreiche Rezepte enthalten.
Ab der dritten Woche soll man als Vorspeise zum Mittag- und / oder Abendessen Gemüse essen. Das habe ich jahrelang so gemacht, brauche es dank des Essigs aber nicht mehr, weil ich weniger Appetit habe.
Und auch die Bewegung nach dem Essen, an die man sich in der vierten Woche gewöhnen soll, habe ich Dank meines Hundes die letzten 15 Jahre schon sehr konsequent umgesetzt.
Man sieht also, bei mir hat der Essig-Trick die entscheidende Veränderung bewirkt.

Aber ich habe nicht nur meine „Fressattacken“ in den Griff bekommen, sondern bin auch nicht mehr den ganzen Tag müde, eine Folge meiner Autoimmunerkrankung. Ich mache zwar nachmittags noch ab und an kleines Powernapping, bin danach aber wieder fit. Vor der Umstellung war danach der restliche Tag gelaufen. Auch diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben sich schon deutlich gebessert.

Für mich war Jessie Inchauspés Vier-Wochen-Programm ein voller Erfolg!

Bewertung vom 19.06.2023
Gosling, Sharon

Lighthouse Bookshop


ausgezeichnet

Wie ein Licht in dunkler Nacht

… weist der Leuchtturm in Newton Dunbar, mitten in Schottland und weit weg vom Meer, allen Hilfesuchenden und Heimatlosen den Weg zu einem sicheren Ort. Eigentlich betreibt Cullen hier einen Buchladen inkl. Antiquariat, aber er hat auch ein Händchen für verlorene Seelen, bietet ihnen Shortbread und Kaffee und ein Ohr zum Zuhören, ohne sie zum Reden zu drängen. Vor 5 Jahren ist Rachel bei ihm gestrandet, als ihr alter Bulli den Geist aufgab. Cullen hat ihr einen Job und ein rundes Dach über dem Kopf gegeben. Seit kurzem kommt der verletzte Kriegsreporter Toby jeden Tag, um hier in Ruhe seine Memoiren zu schreiben. Fast zeitgleich taucht Gilly im Leuchtturm auf, ein junges Mädchen auf der Suche nach einem trockenen Plätzchen. Zum „Inventar“ gehören auch Cullens Freund Ron, der sich mit ihm erbitterte Schachduelle liefert, und sein Hund Bukowski. Und Edie und Ezra, die zwar direkt nebeneinander wohnen, aber seit 15 Jahren zerstritten sind, ohne dass jemand weiß, warum.
Eines Tages bricht Cullen zusammen, seine letzten Worte an Rachel sind: „In der Decke. Hinter … der Tapete. Wusste nicht, was ich tun sollte. Egoistisch, aber … wollte den Laden behalten …“ (S. 79) Wie soll es jetzt nach seinem Tod weitergehen? Er hat keine Erben und kein Testament gemacht. Sein Anwalt sagt, dass der Turm wahrscheinlich zusammen mit dem restlichen Anwesen verkauft wird. Um das zu verhindern, geht Rachel Cullens Worten nach und entdeckt ein uraltes, wunderschönes und beeindruckendes, aber auch tragisches Geheimnis.

Für Rachel war der Turm das einzige Zuhause, das sie je hatte. Sie erkennt sofort, dass Gilly eine ähnliche Biographie haben muss wie sie, auch wenn sich beide beharrlich weigern, darüber zu reden.
Toby steht vor einem Umbruch, weil ihn mit seiner Verletzung keine Agentur je wieder in ein Krisengebiet schicken wird. Außerdem hat Albträume von dem, was er im Krieg erlebt hat und ist überzeugt, vor Jahren Schuld auf sich geladen zu haben, die er sich nicht vergeben kann.
Edie liebt ihren Blumengarten, den Ezras Ziege regelmäßig zerstört, und die Holzschnitte, die sie anfertigt und die ihren Unterhalt und ihre Unabhängigkeit bedeuten. Als Ezra vor Jahren in das Haus nebenan zog, hatte sich kurz eine Freundschaft und vielleicht auch mehr angebahnt, aber dann ist etwas passiert, über dass sie beide nicht reden, auch nicht miteinander.
Doch so zerstritten sie zum Teil auch sind, sind sie sich auch einig, dass sie den Leuchtturm, den Buchladen und Gilly retten wollen.

Sharon Gosling hat mit dem, was Rachel entdeckt, ein einmaliges Setting und eine zweite Ebene geschaffen, die mir sehr gut gefallen und für extreme Spannung gesorgt hat. Weil Rachel Hilfe braucht, weiht sie Toby in ihre Entdeckung ein und bittet ihn um Unterstützung. Das schweißt sie zusammen, wenn auch nicht so, wie sich Toby insgeheim erhofft.

Schon „Fishergirl´s Luck“ hat mich letztes Jahr verzaubert und auch „Lighthouse Bookshop“ ist ein besonderes, sehr vielschichtiges Buch. Nicht nur der Leuchtturm und sein Standort sind außergewöhnlich, auch die Protagonisten haben alle eine ungewöhnliche Vergangenheit oder ein Geheimnis.
Es ist eine berührende Geschichte von Freundschaft und Liebe, von Hoffnung und (der Suche nach) Heimat, vom Schweigen und Erahnen, vom Zusammenhalt und dass man sich manchmal nur auf seine Stärken besinnen muss.

Bewertung vom 17.06.2023
Kruse, Tatjana

Wenn schon tot, dann unter Palmen


ausgezeichnet

Lösegeld für meine Frau?

„Just in dem Moment, als ich mich auf dem Parkplatz des Golfclubs zu meinem Porsche hinunterbeugte, hielt hinter mir ein Lieferwagen.“ (S. 7)
Was, wenn der Ehemann kein Lösegeld für seine entführte Frau zahlen will, weil ihre Nachfolgerin eh schon in den Startlöchern steht? Wer die Krimis von Tatjana Kruse kennt, kann sich vielleicht denken, wie die Geschichte weiter- bzw. ausgehen wird. Mit gewohnt bissigem wunderbar schwarzen Humor nimmt die Handlung ihren Lauf.

Die Ausgangsidee erinnert an den großartigen Film „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“, aber Tatjana Kruses Variante ist mindestens genauso unterhaltsam. Das liegt auch an der ungewöhnlichen graphischen Gestaltung der Bücher der Viertelstundenbibliothek, die mir ausnehmend gut gefällt.

Wenn ihr auf der Suche nach Büchern für Nicht-Leser, Kaum-Leser oder Gern-Leser seid, die schon alles von Tatjana Kruse gelesen haben, möchte ich Euch diesen Kurzkrimi ans Herz legen.

Bewertung vom 16.06.2023
James, Molly

Das Beste kommt zum Kuss


ausgezeichnet

Der perfekte erste Kuss

„Im Grunde ist es also ein Riesen–Spoiler–Alarm für die Beziehung. Und ich soll dann auf Basis diesen kurzen Blicks auf das Ende entscheiden, ob ich den ganzen Film sehen will?“ (S. 23) Seit Amy 14 ist, weiß sie von ihrem Familienerbe: Wenn sie einen Mann zum ersten Mal küsst, sieht sie das Ende der Beziehung. Bisher hat ihr jeder erste Kuss schlechte Visionen beschert, also hat sie die Suche irgendwann aufgegeben. Doch inzwischen sind ihre FreundInnen fast alle in festen Händen oder glückliche Singles mit Affären, und Amy sehnt sich nach einem Partner, zu dem sie nach Hause kommen und mit dem sie ihr Leben teilen kann. Also lässt sie sich auf der Hochzeit ihrer besten Freundin auf einen Deal ein. Sie wird alle Männer küssen, die ihr gefallen, vielleicht ist Mr. Right ja dabei. Am nächsten Tag hat sie einen üblen Filmriss und die undeutliche Erinnerung an drei Küsse, einen davon mit dem Mann ihres Lebens. Sie weiß nur leider nicht mehr, wen sie geküsst hat. Also muss sie mithilfe ihrer Freunde die drei möglichen Kandidaten ermitteln und sich mit ihnen treffen.

„Das Beste kommt zum Kuss“ ist eine herrlich schräge, zuckersüße RomCom, die ich kaum aus der Hand legen konnte und mir sehr gut als Film vorstellen kann.
Amys Freunde sind ein kleines bisschen crazy und unterstützen sie bei ihrer Suche und den Dates mit den verrücktesten Ideen – und Kostümen. Dabei kommt es zu einigen amüsanten Missverständnissen und sehr unterhaltsame Situationen („Ich bin auch nur ein Mädchen, das auf einem Bett liegt und einen Jungen fragt, ob er ihm einen Matratze verkaufen will.“ (S. 8)).
Doch die Geschichte hat auch ernste Seiten. Da ist zum einen Amys Sehnsucht nach einer eigenen Familie. Ihre Mutter hat sich damals auf ihren Mann eingelassen, obwohl sie von vornherein wusste, dass die Beziehung nicht halten würde. Diesen Kompromiss möchte Amy nicht eingehen. Außerdem ist ihre Mutter dement und lebt im Pflegeheim. Die Tage, an denen sie ihre Tochter erkennt, werden weniger und Amys Sorgen größer. Diese Schwierigkeiten erzählt Molly James aber mit genau der richtigen Portion Gefühl und Leichtigkeit und ohne falschen Pathos.

„Du suchst in diesen Männern die Antwort auf alles, aber eigentlich musst du dich nur selber prüfen. Wenn du mit ihnen zusammen bist, dann frage dich: Wie fühle ich mich mit diesem Menschen?“ (S. 234) Am Ende hört Amy auf das, was ihre Freunde raten. Aber ob sie ihren Traummann damit wirklich findet, verrate ich natürlich nicht. Viel Spaß beim Selberlesen!

Bewertung vom 14.06.2023
Baumheier, Anja

Die Buchverliebten


ausgezeichnet

Angst vor der Liebe

„… letztendlich haben die Bücher mir das Liebste in meinem Leben genommen.“ (S. 216) Seit 20 Jahren trauert Gesa um ihre große Liebe, den finnischen Schriftsteller Onni. Sein Tod hat ihr die Freude am Lesen genommen, trotzdem verkauft sie seit über 40 Jahren Buchversicherungen. Doch auch damit könnte es bald vorbei sein, denn „Bücher sind tot … Leider.“ (S. 23). Wenn sie nicht ganz schnell neue Kunden akquiriert, muss sie gehen, sagt ihr Chef. Ihr Zwillingsbruder bringt sie mit Ole Oevermann zusammen, der eine Buchhandlung mit Antiquariat betreibt und auch zu wenig Kunden hat. Zusammen entwickeln sie neuen Mut und eine Idee, um Gesas Kündigung abzuwenden und Oles Laden zu retten.

Gesa ist überzeugt, nicht für die Liebe gemacht zu sein. Zwei Partner haben sie betrogen, Onni ist früh gestorben. Sie tröstet sich mit ihrer Arbeit und der Liebe zu Marzipankartoffeln. Wenn sie sich das Herz ausschütten muss, sind ihre Eltern und ihr Zwillingsbruder für sie da, der in der Liebe ebenfalls kein Glück hat. Außerdem redet sie mit einem ausgestopften Kuukkeli (einem finnischen Unglückshäher, der eigentlich ein Glücksbringer ist), den Onnis Familie ihr zum Trost geschenkt hatte. Aber dann lernt sie Ole kennen, der auch ein Trauma und fast zur gleichen Zeit wie sie seine Frau verloren hat. Erst durch ihren Verlust er zum Lesen gekommen. „Mir bedeuten Bücher alles, Literatur ist mein Lebenssinn.“ (S. 55) Ole ist hilfsbereit, rücksichtsvoll und fürsorglich und scheint ernsthaft an Gesas Dilemma interessiert zu sein und daran, eine Lösung für sie beide zu finden. Sie könnte sich in ihn verlieben, wenn sie nicht solche Angst vor der Liebe hätte, vor einer neuerlichen Enttäuschung. Ole sucht nicht nach der Liebe, die zu seiner Frau war genug für ein ganzes Leben. Doch irgendetwas an Gesa bringt sein Herz zum Schwingen. Er sieht sie nicht nur als Zweckgemeinschaft, sondern erhofft sich mindestens eine tiefe Freundschaft, vielleicht auch mehr. Wenn er seine Gefühle nur begreifen und in Worte fassen könnte. Und außerdem: „Liebe gibt es auch in der Freundschaft, oder nicht?“ (S. 325)

„Die Buchverliebten“ ist ein leiser Roman, getragen von Gesas und Oles Trauer um ihre Liebsten, aber auch mit einem immer wieder durchschimmernden Quäntchen Hoffnung auf Heilung und Veränderung. Mir gefiel die Vorstellung, dass ein ganz ähnlicher Schicksalsschlag sich so verschieden auswirken kann. Gesa hat er von der Literatur entfernt, Ole ihn zu ihr hingeführt.
Es ist ein Buch über die Liebe zu Büchern und zur Literatur das nachhallt und zum Nachdenken anregt. Anja Baumheier hat mit Gesa und Ole zwei ganz besondere Antihelden geschaffen, deren Geschichte einem sofort ans Herz gehen und zu dem ihr poetischer Schreibstil ganz wunderbar passt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2023
Jacobson , Jette

Das Glück ist nur eine Insel entfernt


sehr gut

Minijob mit Meerblick

„Also willst du dir damit Deine Jugend zurückholen?“ (S. 110) Rosalies Ex-Mann ist pikiert, als die über 50jährige den Studentenjob auf Amrum übernimmt, den eigentlich ihre Tochter bekommen hatte, die dann aber lieber nach Australien gereist ist. Doch da Rosalie nach ihrer Scheidung eh noch in der (Selbst-)Findungsphase ist und nicht weiß, was sie in Zukunft machen will, wird sie für die nächsten 4 Wochen als Gesellschafterin dem blinden Theo die Zeit vertreiben, während sein Partner verreist ist. Dumm nur, dass Theo gar keine Hilfe will und sie sofort zurückschicken will. Aber da hat sich Rosalie schon in die Insel verliebt und will unbedingt bleiben. „Von hier sollte sie sich nicht so einfach vertreiben lassen.“ (S. 41)

„Das Glück ist nur eine Insel entfernt“ ist ein sommerleichter Frauenroman für entspannte und gleichzeitig pickelnde Stunden, denn Rosalie friert nicht nur leicht, auch Insulaner Justus macht ihr wohlige Gänsehaut. Doch erst einmal muss sie Theo dazu bringen, dass sie bleiben darf. Der Mittdreißiger kommt nämlich bestens allein zurecht, hat eine Haushalthilfe und seinen Hund Marwin – was soll er da noch mit einer „Zeitvertreiberin“?! Zum Glück ist Rosalie ziemlich taff und kann sich durchsetzen. Bald fühlt sie sich in Amrum heimisch und knüpft neue Freundschaften. Außerdem entdeckt sie ihre Kreativität wieder. Kann und will sie sich auf Amrum den Jugendtraum einer eigenen Accessoire-Linie erfüllen?

Hinter den Pseudonym Jette Jacobson steckt die österreichische Autorin Isabella Archan, die mit den beiden skurrilen Ladenbesitzern Irmi und Lorenz ein bisschen Heimat auf die Insel verpflanzt hat. Davon abgesehen dreht sich alles um Rosalie und Amrum. Die hat neben ihrem Minijob ausreichend Zeit, sich in die Nordseeinsel und den charmanten Justus zu verlieben. Aber ihre Vergangenheit lässt sie nicht ganz los und 30 Jahre Ehe lassen sich nicht einfach abstreifen, auch wenn man sich auseinander gelebt hatte. Zumal ihr Ex das Talent hat, sich in den ungünstigsten Momenten zu melden. Aber was wäre eine neue Liebe ohne Hindernisse?

Ein schönes Buch für den Strand, mit Wellenrauschen im Ohr, Sand unter den Füßen und einem Krabbenbrötchen und Kaffee in Reichweite – oder lieber Tote Tante und Friesentorte?

Bewertung vom 11.06.2023
Martens, Merle

Hörst du das Meer rauschen


ausgezeichnet

Oma Hanni haut ab

Ausgerechnet am 4. Jahrestag findet Fee heraus, dass ihr Freund sie betrügt, dabei reden sie schon länger über eine Hochzeit und Kinder. Während sie die Trennung plant, verschwindet ihre Oma Hanni. Sie hat nach fast 50 Jahren endlich ihren Mann verlassen. In Hannis Sachen entdeckt Fee eine Telefonnummer von Juist, und obwohl ihr Opa der festen Überzeugung ist, dass seine Frau ganz schnell von allein zurückkommt, fährt Hanni auf gut Glück auf die Insel. Dort findet sie nicht nur Hanni, sondern auch ein altes Geheimnis und vielleicht sogar eine neue Liebe …

Fee ist enttäuscht, als sie den Betrug ihres Freundes entdeckt, hat aber zum Glück eine Familie und eine beste Freundin, die sie auffangen, und mit der Suche nach Hanni auch eine Aufgabe, die sie von ihrem Kummer ablenkt. Und Töwerland, Zauberland, macht seinem Namen alle Ehre. Sie ist sofort von der Insel und seinen Bewohnern fasziniert.
Fee und ihre Eltern hatten schon viel früher damit gerechnet, dass sich Hanni von Opa Siggi trennt, der in den letzten Jahren immer mürrischer und herrischer geworden ist. Er ist ein Mann alter Schule und der Überzeugung, dass seine Frau ohne ihn nicht lebensfähig ist. Doch Hanni beweist allen das Gegenteil und es hat auch einen Grund, dass sie ausgerechnet nach Juist abgehauen ist.

„Hörst Du das Meer rauschen“ ist ein wunderbar stimmungsvoller, romantischer Sommerroman mit einer klitzekleinen Prise Magie, der Lust auf Juist und Urlaub an der Nordsee macht. Ich habe mich sofort in der Geschichte wohlgefühlt und bin mit Hanni und Fee auf Juist angekommen, hatte Appetit auf dicken, ofenwarmen Rosinenstuten und frisch gebackene Madeleines.

Ich mochte Fee und ihre Familie sehr, aber Hanni hat mich nachhaltig beeindruckt. Mit über 70 gesteht sie sich ein, dass ihre Ehe gescheitert ist, gibt ihr eingefahrenes Leben auf und wagt einen Neuanfang. Endlich soll es mal nur um sie und ihre Bedürfnisse gehen. Auch das über alte Liebesbriefe integrierte Geheimnis hat mir ausgesprochen gut gefallen. Ein Buch, dass Hoffnung und Mut für Neuanfänge macht und zeigt, dass es nie zu spät und man nie zu alt ist, um nach der wahren Liebe zu suchen.

Bewertung vom 08.06.2023
Chatwin, Thomas

Vier Schafe und ein Todesfall / Cosy Cornwall Crime Bd.1


ausgezeichnet

Chloes Geheimnis

„Wenn ihr wüsstet, wie nah ich euch die ganze Zeit war.“ (S. 69)
Kate feiert gerade mit der ganzen Familie Doyle Grandma Emilys 85. Geburtstag, als ein Anruf kommt. Vier Schafe aus der Herde von Kates Partner David fehlen, dafür ist überall Blut. Die Spuren führen zur Strandvilla eines ehemaligen Verlegers und seiner Leiche – und zu Kates Tante Chloe, die vor 30 Jahren nach London verschwunden ist und den Kontakt zur Familie abgebrochen hatte. Und obwohl die Doyles seitdem nie wieder von ihr gehört haben, traut ihr niemand einen Mord zu.

„Vier Schafe und ein Todesfall“ ist der Auftakt der neuen Cornwall-Krimi-Reihe von Thomas Chatwin und lebt vor allem von den eigenwilligen Familienmitgliedern der Doyles. Die sind nämlich nur auf den ersten Blick normal, auf den zweiten hat jeder von ihnen eine besondere Vergangenheit, einen außergewöhnlichen Beruf oder ein nicht alltägliches Hobby.
Emily führt ein strenges Matriarchat und hat die Familie fest im Griff. Ihr verstorbener Mann war Richter, von ihm hat sie die Leidenschaft für Kriminalfälle geerbt und die eine oder andere alte Akte, die sie heimlich immer wieder liest. Sie traut der ermittelnden Beamtin nicht viel zu und verlässt sich lieber auf ihre eigenen Nachforschungen, für die sie sämtliche Beziehungen spielen lässt, diverse Gefallen einfordert und alle Verwandten und Bekannten einspannt.
Kate ist Journalistin und hat nebenbei einen True-Crime-Podcast, David war vor seinem Leben als Schaffarmer Forensiker und ihr Vater ist Kunsthistoriker, hat nach seinem Studium aber 4 Jahre für dem MI5 gearbeitet. Damit sind sie doch geradezu prädestiniert, den wirklichen Mörder zu finden!

Der Fall ist sehr spannend und voller überraschender Wendungen. Die Doyles müssen ihre Erkenntnisse und Ansichten über Chloe mehrfach revidieren, denn nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint.

Ich mag den Humor mit dem Thomas Chatwin seine Figuren ausgestattet hat, die kleinen Seitenhiebe und Sticheleien, mit denen sie sich necken. Sie sind eine tolle Familie, um deren Zusammenhalt ich sie ein bisschen beneidet habe.

Die kornische Küste und die Schaffarm als Schauplatz haben mir gut gefallen. Besonders die Schafe habe ich mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Eigenarten ins Herz geschlossen. Ich mochte, wie sie immer wieder Ruhe in Kates plötzlich so aufregendes Leben gebracht haben und hoffe, dass sie auch in den nächsten Bänden der Reihe wieder auftauchen.