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Glüxklaus
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Franken

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Insgesamt 629 Bewertungen
Bewertung vom 20.06.2022
Maury, William;Cazenove, Christophe

Power Sisters 01


sehr gut

Wie Schwestern nun mal so sind: gemein, hinterhältig, nur manchmal nett, aber ziemlich witzig

Marine und Wendy sind manchmal die besten Schwestern und meistens die schlimmsten, erleben miteinander selten den Himmel und oft die Hölle auf Erden. Ihr Alltag besteht aus zahlreichen kleinen Abenteuern und nichts läuft bei ihnen ohne Komplikationen ab: Schminken, ins Bett gehen, ein Volksfestbesuch, ein Spaziergang, der Schulweg, Aufräumen, Chillen im Park, Fotografieren, Verkleiden….Mit den beiden Schwestern wird es garantiert nicht langweilig.

William Maury hat sehr ausdrucksstarke, bunte Comicbilder voller Dynamik in individuellem Stil gezeichnet. Die Gesichter der beiden Schwestern sprechen oft Bände. Die Comics erstrecken sich über jeweils eine Seite, enthalten ein bis neun Einzelbilder. Jeder Comic hat eine unauffällige Überschrift in Bildform, oben rechts ist jeweils ein sehr kleines Schwarz-Weiß-Bild platziert, das die Geschichte in einem einzigen Motiv zusammenfasst.
Das Titelbild der sich umarmenden Schwestern im Vordergrund - im Hintergrund ist der Schatten der beiden während eines Kampfes zu sehen - könnte passender nicht sein.
Die Sätze in den Sprechblasen sind von William Maury und Texter Christophe Cazenove in verständlicher Umgangssprache formuliert, teils kommen dabei comictypisch auch lautmalerische Wörter vor. Die Schrift ist in Comicschriftart gedruckt und recht klein.
Das Buch richtet sich an Kinder ab neun, zehn Jahren.

Wer Schwestern oder Töchter hat, weiß wovon Zeichner William mit seinen Bildern erzählt. Der Illustrator ist selbst Vater zweier Töchter, die ihn zu der Comicreihe und diesem ersten Band „Powersisters - Krieg und Frieden“ inspirierten. Marine und Wendy sind grundsätzlich sicher sehr liebenswerte Mädchen, die aber durchaus in der Lage sind, der Schwester das Leben zur Hölle zu machen und das auch immer wieder gerne tun. Die kleinen Alltagsepisoden sind ziemlich gemein und böse, aber nicht zu gemein und zu böse, sondern eher herrlich gemein und böse. Voller Schadenfreude, nicht immer ernst zu nehmen, aber trotzdem irgendwie auch ziemlich realistisch. Schwestern lieben und hassen sich, können nicht mit und genausowenig ohne einander. Das zeigen die vielen kleinen Bildergeschichten überdeutlich.
Dass die Eltern kaum im Ganzen zu sehen sind, sondern nur Teile ihres Körpers oder ihre Schatten, gefällt mir. Hier stehen die Schwestern im Mittelpunkt und niemand stiehlt ihnen die Show, schon gar nicht langweilige Erziehungsberechtigte.
Ein witziger, grellbunter, kurzweiliger Comicspaß für Schwestern und alle, die die seltsamen Mysterien der Schwesternschaft besser verstehen wollen.

Bewertung vom 18.06.2022
Jensen, Svea

Nordwestnacht / Soko St. Peter-Ording Bd.3


sehr gut

Mord unter Filmleuten - nordisch-ruhiger Regionalkrimi mit spannendem Finale

„Ihr Schauspieler seid so ein verlogenes Volk, hatte ein ehemaliger Liebhaber einmal gehöhnt. Groß rumtönen, dass ihr euch nicht unbehelligt in der Öffentlichkeit bewegen könnt, aber wehe, es erkennt euch keiner.“

Die Dreharbeiten der neuesten Episoden einer Fernseh-Küstenkrimireihe in Sankt Peter Ording stehen unter keinem guten Stern. Aufnahmeleiter Tim Förster wird ertrunken, an den Pfahl eines Strandrestaurants gefesselt, aufgefunden. Er wurde offensichtlich ermordet. Dann verschwindet auch noch die neue, junge Hauptdarstellerin Julia Manshardt spurlos. Eigentlich soll der Fall von der Flensburger Mordkommission bearbeitet werden. Doch deren Kapazitäten sind ausgelastet und so werden Henrik Norberg und Anna Wagner von der Soko Sankt Peter beauftragt, sich der Sache zu widmen. Nils Scheffer, der emotional in den Fall involviert ist, soll sie unterstützen. Ob das gutgehen kann?

Autorin Svea Jensen schreibt gut verständlich und in klaren Sätzen. Sie schildert überwiegend chronologisch, was gerade passiert. Selten werden Rückblenden eingeschoben, wenn sich Personen an Vergangenes erinnern. Diese Passagen entwickeln die Aufklärung des Falls entscheidend weiter. Manche Formulierungen, vor allem wenn es um die Beschreibung von privaten Beziehungen geht, wirken auf mich etwas unbeholfen und sperrig, verwendet die Autorin doch auffallend häufig die gleichen Ausdrücke, um freundschaftliche Verbindungen zu erklären.
Das Cover mit dem großen Titelzug vor einem sich am Strand spiegelnden Leuchtturm in der Dunkelheit ist sofort aufgrund seiner Ähnlichkeit zu den Vorgängern als Band der Reihe zu erkennen.

Anna Wagner und Hendrik Norberg harmonieren als Team sehr gut. Anna Wagner hat viel Geduld mit anderen, ist aufgrund ihrer ruhigen, ausgleichenden Art beliebt bei anderen. Sie bricht oft das Eis in stockenden Gesprächen. Norberg ist ebenfalls eher introvertiert, zeigt manchmal Schwierigkeiten im Umgang mit anderen und hat Angst davor, sich anderen aufzudrängen. Dann wirkt er recht steif und unnahbar. Er kann durchaus auch emotional, stur und aufbrausend werden, wenn ihm etwas wichtig ist. Henrik und Anna ergänzen sich perfekt, sind daher so erfolgreich in ihrer Zusammenarbeit. Henrik würde gerne wie früher in der Mordkommission arbeiten, muss sich aber nach dem Tod seiner Frau allein um die beiden Söhne kümmern, was seinen Wunsch unmöglich macht. Denn die Arbeit bei der Mordkommission fordert zeitliche Flexibilität, die Norberg nicht leisten kann. Nils Scheffer, Annas Assistent, berät die Filmcrew fachlich in Sachen Polizeiarbeit. Er hat einen Faible für die Hauptdarstellerin entwickelt, was seiner Objektivität schadet. Ein Problem, das Anna und Hendrik vor besondere Herausforderungen stellt. Die haben es zudem mit der langjährigen Hauptdarstellerin der Küstenkrimireihe Christina Hallversen zu tun, die offensichtlich fürchtet, aufs Abstellgleis geschoben zu werden, sich äußerst verdächtig verhält und unbeherrscht und unberechenbar erscheint. Ihr Charakter wird zwar etwas klischeehaft überzeichnet, Hallversens Reaktionen sind aber grundsätzlich trotzdem realistisch.

Hängen der Mord an Tim Förster und das Verschwinden der Hauptdarstellerin Julia Manshardt zusammen? Und wer steckt dahinter?
„Nordwestnacht“ liest sich zunächst ruhig und nimmt erst nach und nach Fahrt auf, wenn es zu immer mehr entscheidenden Enthüllungen kommt. Die Aufklärung, das Finale mit den sich überschlagenden Ereignissen, entwickelt sich dann überaus spannend, reißt derart mit, dass es schwer fällt, das Buch zur Seite zu legen. Der Fall ist nachvollziehbar und logisch konstruiert, die Lösung kommt nicht unbedingt überraschend, ist aber stimmig. Mir gefallen an der Reihe nicht nur die packenden, durchdachten, eher „klassisch aufgebauten“ Mordfälle, sondern auch die nordisch-unaufgeregte Atmosphäre und die sich behutsam verändernden privaten Beziehungsgeflechte der Hau

Bewertung vom 17.06.2022
Serle, Rebecca

In fünf Jahren


sehr gut

„Du irrst dich, was die Liebe angeht. Du meinst, sie muss eine Zukunft haben, um etwas zu bedeuten, aber das muss sie nicht. Sie ist das Einzige auf der Welt, das per se eine Daseinsberechtigung hat. Bei der Liebe ist es nur wichtig, dass sie existiert. Hier. Jetzt. Liebe braucht keine Zukunft.“

Alles scheint perfekt in Dannies Leben. Das Vorstellungsgespräch bei ihrem Traumarbeitgeber läuft optimal und Dannie ist ziemlich sicher, dass sie den Job als Firmenanwältin bei der Top-Kanzlei bekommt. Als Sahnehäubchen macht ihr ihr langjähriger Freund David einen akribisch geplanten Heiratsantrag. Was könnte da besser sein? Doch dann hat Dannie in der Nacht einen mehr als realistischen Traum von sich in fünf Jahren. Ein Traum, der alles verändert und in Frage stellt. Ist es wirklich nur ein Traum?

Rebecca Serle erzählt aus Dannies Perspektive in der ersten Person Präsens. Der Schreibstil ist recht flüssig und unkompliziert zu lesen. Dass Dannie stets erwähnen muss, welche Marke ein Kleid hat, aus welchem Laden das Take-away-Essen stammt oder in welchem Restaurant man sich trifft, empfand ich als ein wenig nervig. Wenn sie Situationen beschreibt, wirkt es auf mich oft so, als erfasse sie die wirklich wesentlichen Dinge nicht und richte stattdessen ihr Augenmerk auf eher nebensächliche Aspekte. Dass sie auf diese Weise erzählt, passt aber sehr gut zu ihr und ihrer Sicht aufs Leben.

Dannie hat haargenaue Vorstellungen von ihrem Leben. Während Dannie ihre Zukunft und ihre Karriere plant, hat sich das Leben aber womöglich längst klammheimlich selbstständig gemacht und ihrer Kontrolle entzogen. Dannie ist karrierefixiert und ordnet alles andere ihrer Arbeit unter. Dass sie genau nach Plan lebt, liegt vermutlich am frühen Tod ihres Bruders Michael, den sie immer noch nicht verwunden hat. Dannies Verlobter David fügt sich perfekt in Dannies Leben ein. Ihre beste Freundin Bella hingegen ist vollkommen anders als sie: spontan, leichtfüßig, sprunghaft, sie fängt vieles neu an und bringt selten etwas zu Ende. Bella liebt und genießt das Leben wie keine Zweite. Bellas und Dannies Lebenseinstellungen unterscheiden sich fundamental voneinander. Dannie tut alles für ihren Traumjob, bringt große Opfer. Bella kann das nicht nachvollziehen, fasst es so zusammen: „Ich finde, Opfer zu bringen, ist genau das Gegenteil von Selbstverwirklichung. Wenn du deine Träume verwirklichen willst, dann solltest du aus dem Vollen schöpfen und dich nicht kasteien.“

Der Roman beginnt wie eine klassische Liebesgeschichte. Doch er entwickelt sich im Verlauf bis zum Schluss ganz anders weiter, als ich erwartet habe. Auch wenn mir Hauptfigur Dannie nicht sympathisch ist und ich so gar nicht verstehen kann, wie sie ihr Leben führt und welche Prioritäten sie setzt, hat mich ihre Geschichte absolut gefesselt. Ich konnte den Roman nicht zur Seite legen, bis klar wurde, was genau denn nun ihr ominöser Traum vom Anfang bedeutet. Das Ende kommt dann wirklich überraschend. Ich mag gerne glauben, dass Dannie möglicherweise die Dinge nach den Erfahrungen, die sie gemacht hat, etwas anders beurteilen wird. Unter Dannies oberflächlicher Fassade mit Markenklamotten, ihrem berechenbaren „Workaholic-Yuppie-Verhalten“ verbirgt sich eine eindrucksvolle und lesenswerte Geschichte, die wesentlich mehr zu bieten hat, als es zunächst den Anschein hat. Eine Geschichte über Liebe, Schicksal, Freundschaft, Pläne, Lebenseinstellungen und das Leben selbst, das sich um unsere Pläne, Träume und Wünsche oft wenig kümmert. Eine Geschichte, die nicht so schnell verdaut ist wie ein Gericht vom Takeaway-Laden an der Ecke, eine, die nicht nur vorbeistreift, sondern nachhallt und nachdenklich stimmt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.06.2022
Mueller, Dagmar H.

Der kleine Raubdrache


ausgezeichnet

Originelles, buntes, urkomisches, aber wenig märchenregelkonformes Vorlesevergnügen

Der kleine Drache besucht die Drachenschule, um vom großen, alten Drachenlehrer zu lernen, wie man vorschriftsmäßig Prinzessinnen raubt. Doch das macht längst nicht so viel Spaß, wie man annehmen könnte. Stundenlang müssen Drachen still und untätig auf der Lauer liegend auf herannahende Kutschen warten und dann kann so ein Kampf mit Prinzen oder Rittern durchaus schmerzhaft sein. So richtig begeistert ist der kleine Drache von der Aussicht, ein Raubdrache zu werden, also nicht. Und dann läuft bei seiner ersten Prinzessinnenrauberei so einiges überhaupt nicht nach Plan und auch die zweite hat mehr als einen Haken. Ob der kleine Drache trotzdem für ein vorschriftsmäßiges Ende sorgen kann?

Autorin Dagmar H. Müller erzählt kindgemäß, anschaulich und lebendig. Sie verwendet viel wörtliche Rede, dadurch lässt sich die Geschichte sehr flüssig und abwechslungsreich vorlesen. Die drolligen, bunten Bilder von Sabine Rothmund illustrieren den Handlungsverlauf sehr motivierend und passend. Besonders die treffenden und witzigen Gesichtsausdrücke der Figuren sorgen für viel Spaß beim Lesen.
Die Geschichte eignet sich zum Vorlesen für Kinder ab fünf Jahren, zum Selberlesen für Kinder ab acht Jahren.

Ausnahmslos liebenswerte Figuren - einige davon mit herrlich amüsanten Namen- treten hier auf den Plan. Sie präsentieren sich dabei oft so ganz anders, als sie es ihrem Ruf nach tun müssten. Da ist zunächst der pfiffige, aufgeweckte kleine Drache, der manches hinterfragt und aus dem Bauch heraus ganz ohne Handbuch oft goldrichtig reagiert. Der brummige Drachenlehrer ist im Herzen längst nicht so streng, wie er nach außen wirken möchte. Prinzessin Poppy weiß durchaus, wie sich eine Prinzessin zu verhalten hat, ist bis über beide Ohren verliebt und muss gerade deshalb auch immer wieder über ihren Schatten springen. Sie und Prinzessin Caramella, die sich so gar nicht prinzessinenkonform benimmt, stellen im Drachenreich so einiges auf den Kopf. Und dann gibt es noch Prinz Harik, einen ziemlich ängstlichen und eher untypischen Prinzen.

„Glück ist, wenn alle gewonnen haben“. Ob es am Ende trotz aller Hindernisse und Turbulenzen zu einer Win-Win-Situation für alle kommt?
„Das vorschriftsmäßige Rauben von Prinzessinnen“ hält sich an keine Vorschrift der klassischen Prinzessinnenentführung. Drachen sind hier nicht echt gefährlich und furchteinflössend und Prinzessinnen gar nicht mal so hilflos. Mut heißt hier nicht todesmutig und mit großem Selbstbewusstsein zu kämpfen, sondern erhält eine ganz andere, recht bemerkenswerte Bedeutung. Außerdem wird sehr schön gezeigt, wie sich bedingungslose Liebe auch äußern kann.
Dagmar H. Müller hat eine schräges, originelles, phantasievolles, chaotisches und dabei sehr spannendes Drachen-Prinzessinnenabenteuer erfunden, die von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt. Ein ausgesprochen lustiger Vorlesespaß mit wunderbaren Charakteren für alle Drachen-, Prinzessinnen- und Abenteuerfans! Märchenhafter Stoff, der großes Potential für die kommende, von uns schon jetzt heiß ersehnte Fortsetzung bietet.

Bewertung vom 16.06.2022
Sten, Camilla

Das Haus der stummen Toten


sehr gut

Ein altes Haus und die Geister der Vergangenheit - düster und atemberaubend spannend

„Ich bin es so leid, Angst zu haben.“

Eleanor erlebt Unvorstellbares: Als sie ihre Großmutter Vivianne besuchen möchte, findet sie diese tot, ermordet, vor. Der Täter hält sich noch im Haus auf, begegnet Eleanor sogar noch, doch die junge Frau ist aufgrund ihrer Gesichtsblindheit nicht in der Lage, ihn zu identifizieren. Monate danach fahren Eleanor und ihr Freund Sebastian auf das Gut Solhöga, das Vivianne Eleanor vererbt hat. Gemeinsam mit ihrer Tante Veronika und dem Notar Rikard sollen vor Ort alle Details zur Erbschaft geklärt werden. Doch im Haus geht es nicht mit rechten Dingen zu. Irgendjemand scheint sich dort heimlich zu verstecken und die Anwesenden zu jagen. Was geht hier vor?

Camilla Sten schreibt abwechselnd auf zwei Ebenen. Sie schildert chronologisch aus Eleanors Sicht in Ich-Form, wie Eleanor die Ermordung ihrer Großmutter erlebt und was aktuell auf dem Gut passiert. Der zweite Erzählstrang umfasst die Tagebucheinträge des polnischen Hausmädchens Annuschka. Annuschka verbringt Mitte der 1960er Jahre Zeit mit ihren Arbeitgebern Vivianne und Evert auf Solhöga. Erst später wird klar, wie beide Handlungsstränge wirklich zusammenhängen. Die einzelnen Kapitel sind recht kurz, der ständige Perspektivwechsel erhöht immer wieder die Spannung.

Die Figuren kamen mir nicht nah. Zwar gewährt Eleanor den Lesern durch die Erzählweise in der ersten Person Einblick in ihre Gedanken und Gefühle. Dennoch wirkt sie auf mich seltsam fremd, distanziert und wenig greifbar. Dass die Personen meist keine Identifikationsfiguren sind, schafft eine kalte, unheimliche Atmosphäre. Die Leser sind bloße Beobachter, fühlen sich zwar nicht als Teil der Handlung, können sich der unangenehmen Stimmung dennoch nicht entziehen. Mit Eleanor, die aufgrund ihrer Gesichtsblindheit im sozialen Umgang stark beeinträchtigt und anderen hilflos ausgeliefert ist und nicht weiß, wem sie vertrauen kann, hatte ich durchaus Mitleid. Nicht nur sie hat Schwierigkeiten, die anderen Personen richtig einzuschätzen. Ich hatte es auch. Alle Charaktere haben etwas Dubioses. Niemand ist hier mit sich und den Umständen im Reinen: Weder Eleanor, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befindet, noch die unerbittliche, unberechenbare Vivianne oder Veronika, die eigentlich gar nicht da sein sollte. Genausowenig der blasse, rationale Sebastian, der Unvorhersehbares hasst, oder Notar Rikard, der ein Geheimnis zu hüten scheint, und schon gar nicht Annuschka, die nicht die sein darf, die sie wirklich ist.

Ein Haus, in dem die Geister der Vergangenheit wohnen und in dem ein unbekannter, gefährlicher Feind lauert. Tödliche Geheimnisse, die kurz vor der Enthüllung stehen. Eine hilflose, unberechenbare Hauptfigur und Personen, die sich äußerst unwohl fühlen.
Eine schrecklich Vorstellung, hier involviert sein. Aber genau diese Atmosphäre stellt Camilla Sten in „Das Haus der stummen Toten“ überdeutlich und fast spürbar dar. Sie hält ihre Figuren und die Leser in der Szenerie gefangen. Gleichermaßen wirkt das alles furchtbar abstoßend und fesselnd-faszinierend. Man möchte sofort schreiend wegrennen und sich gleichzeitig nicht von der Stelle rühren und weiter stumm beobachten, kann man sich doch einfach nicht vom Geschehen lösen und muss einfach erfahren, wie es weitergeht.
Ein atemberaubend spannender, über weite Teile geschickt und raffiniert konstruierter Thriller, der mich in seinen Bann gezogen hat. Die Auflösung ist zwar nachvollziehbar und erklärt vieles, nicht alles, ist aber für mich nicht hundertprozentig logisch und befriedigend. Einerseits wirklich überraschend, andererseits doch vorhersehbar und ein bisschen enttäuschend. Dennoch kann ich das Buch allen, die Thriller mit viel Nervenkitzel und frostiger Atmosphäre mögen, weiterempfehlen.

Bewertung vom 01.06.2022
Schweikert, Ulrike

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm / Friedrichstraßensaga Bd.1


sehr gut

Ein folgenreiches Beziehungsdreieck - packend erzählter historischer Roman mit spannender Figurenkonstellation

Seit ihrer Kindheit sind Luise, Robert, Johannes und dessen Schwester Ilse eng befreundet. Doch der Erste Weltkrieg, in dem Johannes und Robert an der Front für Deutschland kämpfen, ändert alles. Johannes gilt nach Kriegsende als vermisst, Robert ist seit dem Krieg völlig verändert. Als Robert 1920 den Auftrag bekommt, an der Neugestaltung des Bahnhofs Friedrichstraße mitzuarbeiten, fasst er sich ein Herz und macht Luise einen Heiratsantrag. Doch es gelingt ihm nicht, die schlimmen Erfahrungen der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Über der Beziehung zu Luise liegt daher ein Schatten. Und dann taucht plötzlich Johannes wieder auf…

Autorin Ulrike Schweikert erzählt flüssig und klar aus der Sichtweise ihrer verschiedenen Figuren in der dritten Person. Sie schildert verschiedene zentrale Momente aus dem Leben ihrer Protagonisten, erläutert aber immer wieder auch historische und gesellschaftliche Ereignisse, die ihre Figuren miterleben und die sie prägen. Sprecherin Sabine Arnold liest gut betont, beherzt-resolut und mit angenehm klingender Stimme. Ihrem fesselnden Vortrag hörte ich gerne zu.

Die Hauptfiguren sind ganz unterschiedlich. Luise ist eine mitfühlende und leidenschaftliche Frau. Sie hat Spaß an ihrem Beruf als Sekretärin bei der Polizei, arbeitet gerne direkt am „Puls der Zeit“, mag es das Leben der Stadt „in sich aufzusaugen“. Robert wirkt etwas ernster als sie, ist er doch von den Erfahrungen des ersten Weltkriegs sehr beeinflusst und leidet an Schuldgefühlen. Sein aus Kindertagen bester Freund Johannes kehrt verwundet aus dem Krieg zurück. Die Pläne seiner Jugend gehören nun der Vergangenheit an, er muss sich völlig neu orientieren. Johannes Schwester Ilse bewegt sich in der Kulturszene Berlins, hat Kontakte zu vielen Kulturschaffenden wie Claire Waldoff, Marlene Dietrich oder Erich Kästner. Sie hat ein besonders Talent für Mode. Dann gibt es noch Ella aus dem Hinterhaus, die nie richtig zum engen Freundeskreis dazugehörte, nicht so begütert aufwuchs wie die anderen, sich um ihren Bruder Paul, der auf die schiefe Bahn gerät, kümmern muss und die stets finanzielle Sorgen plagen.
Die vielfältige, abwechslungsreiche Personenkonstellation mit ihren konfliktbehafteten Beziehungen umfasst Figuren aus verschiedenen Schichten und Kreisen, das gestaltet die Geschichte sehr interessant.

Autorin Ulrike Schweikert nimmt ihre Hörer mit auf eine Reise ins Berlin der 20er und 30er Jahre, lässt die pulsierende, facettenreiche Stadt lebendig werden. Sie fängt die Atmosphäre der Metropole treffend ein, gibt Einblick in die schillernde Kulturszene und vermittelt gleichzeitig, welche politischen und gesellschaftlichen Fragen die Leute damals bewegten. Vor diesem Hintergrund entwickeln sich die komplexen Beziehungen ihrer Hauptfiguren weiter, die alle von den Ereignissen ihrer Zeit geprägt sind. Männer und Frauen müssen sich nach den aufwühlenden Ereignissen „neu finden“. Wie auch ihre Roman um die Berliner Charité hat mich die Autorin mit dem Auftakt „Novembersturm“ aus der Reihe „Berlin Friedrichstraße“ überzeugt. Mir hat das Aufeinandertreffen aus realen und fiktiven Charakteren, die vielfältigen Figuren, ihre interessanten Geschichten und die Einbindung historischer Ereignisse gut gefallen. Ein Schmöker ganz nach meinem Geschmack, ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 31.05.2022
Mattera, Julia

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach


sehr gut

Vom behutsamen Umgang mit Gemüse und Menschen - kleiner kulinarischer Wohlfühlroman mit schöner Botschaft

„Man ist nie allein, wenn man in der Lage ist, der Natur zu lauschen.“

Elsa und ihr Bruder Robert führen im Elsass einen renommierten Gasthof. Robert kennt nichts anderes als seinen Hof, ist leidenschaftlicher Koch, besitzt einen prächtigen Gemüsegarten und hält Hühner. Er hegt und pflegt sein Gemüse mit großer Hingabe, geht mit ihm feinfühliger um als mit Menschen. Als Elsa Fatima und ihren Sohn Hassan als Aushilfen für den Gasthof einstellt, ist Robert zunächst wenig begeistert, stören die beiden doch die gewohnten Abläufe. Schließlich lässt Robert sich auf die neuen Bekanntschaften ein. Und dann stößt noch Fatimas Freundin, die englische Journalistin Maggie, dazu, die erreicht, was bisher niemand vermochte. Sie macht Robert neugierig auf das Leben außerhalb seiner eigenen Welt. Ob Robert sich hinaus wagt?

Autorin Julia Mattera erzählt in klarer, ausdrucksstarker Sprache im Präsens. Der Text ist in 18 Kapitel (und einen Epilog) gegliedert. Die verheißungsvollen Kapitelüberschriften wie „Cocas und anderes Ungemach“ verraten dabei nicht zuviel und fassen den Inhalt der folgenden Textabschnitte auf kreative Weise zusammen.

Robert ist eine sehr spezielle Hauptfigur, wirkt er doch recht verschroben und eigenbrötlerisch. Er lebt abgeschottet, schätzt die Berechenbarkeit seines Alltags, geht in seiner Arbeit auf. Den Zutaten seines Essens lässt er besondere Aufmerksamkeit angedeihen, er behandelt sein Gemüse mit Sensibilität und besonderem Respekt. Mit Menschen kann er längst nicht so gut umgehen. Was seiner Schwester Elsa nicht gelingt, Robert aus seinem Schneckenhaus zu locken, schaffen schließlich Fatima, ihr Sohn Hassan und vor allen Dingen Maggie.
Für Robert, den Einzelgänger, ist Maggie ein echter Lichtblick. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend, sie ist von „unglaublicher Lebensfreude beseelt“. Mit Maggie ist alles heiterer und bunter, doch das mag sich Robert anfangs nicht eingestehen. Obwohl sie so unterschiedlich sind, auf fast gegenteilige Art auf Menschen zugehen, scheinen Robert und Maggie eine besondere Verbindung zu haben. Insgesamt sind Maggie und Robert durchaus liebenswerte, sympathische, aber auch etwas zu „plakative“ und übertriebene, fast naive Charaktere.

Was Achtsamkeit bedeutet, lehrt Robert seine Leser auf besondere Weise. Er bringt auch den kleinsten Dinge Wertschätzung entgegen, ist mit Tieren und Pflanzen überaus geduldig und aufmerksam. Er lässt sich nicht hetzen, geht im Moment auf.
Robert muss aber erst lernen, dass man nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch Menschen behutsam behandeln kann.
Julia Mattera lässt ihre Charaktere so sein, wie sie sind. Das imponiert mir . Robert muss sich nicht ändern und verstellen. Er braucht nur einen kleinen Schubs, ein kleines bisschen Mut und Vertrauen, um seine Stärken, auch anderen zeigen und weitergeben zu können. Zuwendung überträgt sich auf andere, wird intensiver, wenn man sie teilt, heißt es im Buch.
Die Figuren haben wie Maggie viel Bedeutsames zu sagen: „Man trägt die Erinnerung an das Haus seiner Kindheit immer in sich. Sie verlässt uns nicht, wenn wir auf Reisen gehen und wenn. Wir uns alleine fühlen. Der Zauber der Sehnsucht besteht darin, dass sie niemals erlischt.“ Die Geschichte enthält viele solcher schöner, fast poetischer Passagen.
Dass es bereichernd ist, Menschen und Dingen Wertschätzung entgegenzubringen, ist eine elementare Botschaft des Romans. Allerdings wird sie mir zu oft direkt im Gespräch formuliert. Ich hätte mir mehr subtile Hinweise zwischen den Zeilen gewünscht. Auch ohne die Figuren ständig direkt und mitunter recht platt den Sinn der Handlung erklären zu lassen, wäre es sicher auch möglich gewesen, den Lesern etwas dezenter zu vermitteln, worum es hier geht.
Wie Robert in der Tätigkeit des Kochens aufgeht, seine Einstellung zum Essen gefällt mir, regt zum Nachmachen an. Genuss ist bei Robert nichts Be

Bewertung vom 25.05.2022
Thilo

Madame Kunterbunt und das Geheimnis der Mutmagie / Madame Kunterbunt Bd.1


sehr gut

Unterricht mal anders - kunterbuntes, magisches Schulabenteuer mit einzigartiger Lehrerin

„Sie ist wie ein lebender Pinsel und macht nicht nur die Welt ein bisschen bunter. Die Menschen in ihrer Nähe werden auch fröhlicher.“

In der Nacht vor dem ersten Schultag nach den Ferien beobachtet Nicky etwas sehr Merkwürdiges im Garten des bisher leerstehenden Nachbarhauses. Mitten in der Nacht scheint eine Gestalt einen Regenbogen heraufzubeschwören. Am nächsten Tag erleben Nicky, ihr Cousin Nick und die anderen Kinder der Klasse 3a eine weitere Überraschung. Ihre neue Lehrerin Madame Kunterbunt ist die neue Nachbarin von Nicky und Nick und sie ist so ganz anders als alle anderen Lehrer. Ihre Worte klingen wie die schönste Melodie. Sie erfüllt jeden Raum mit guter Laune, bringt auch die schüchternsten Kinder zum Reden und macht das Leben viel bunter und zauberhafter. Ihre zwei geheimen Begleiter die Chamäleons Cilly und Rosso haben magische Fähigkeiten, müssen aber leider immer streiten. Eines Tages eskaliert die Situation. Ob nun zur Abwechslung einmal die Klasse Madame Kunterbunt helfen kann?

Autor Thilo erzählt lebendig, kindgemäß, humorvoll und anschaulich. Wenn er die einzigartige Madame Kunterbunt beschreibt, trifft er schöne, passende sprachliche Vergleiche, malt mit Worten ein bezauberndes Bild von ihr. Bille Weidenbach hat zur Geschichte kleine ansprechende Schwarz-Weiß-Illustrationen gezeichnet, die die Seiten motivierend und abwechslungsreich gestalten. Die Schrift ist etwas größer gedruckt als normal, der Zeilenabstand ist etwas weiter. So ist der Text angenehm zu lesen. Das Buch richtet sich an Kinder ab acht Jahren zum Selberlesen und ist für jüngere Kinder ab sechs Jahren zum Vorlesen geeignet.

Madame Kunterbunt ist -wie schon ihr Name verspricht- eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit, die auf ihre Schüler eingeht, ihnen Selbstvertrauen vermittelt und jeden Tag gute Laune verbreitet. Sie drückt sich lustig und unterhaltsam aus, sagt z.B. oft „Brat mir doch einer einen Storch“ oder nennt die Kinder „Kinderinnen und Kinder“, für mich eine erfrischende, amüsante Formulierung. Ihre Schüler mögen Madame Kunterbunt sehr, sie ist aber nicht bei allen Mitmenschen gleichermaßen beliebt.
Die Chamäleons Cilly und Rosso haben ebenfalls eine drollige Art zu sprechen. Sie sorgen für zauberhafte Überraschungen, aber auch für allerhand Turbulenzen. Nicky und ihr Cousin Nick sind nette, aufgeweckte, neugierige Kinder, mit denen sich die Leser bestimmt gut identifizieren können. Dass ihre Namen so ähnlich klingen, stellte für mich beim Vorlesen eine größere Herausforderung dar.

Madame Kunterbunt macht die Schule zu einem besonderen, farbenfrohen und sehr lebenswerten Ort. Jeder Schultag mit ihr ist anders, aber stets aufregend, phantastisch und zauberhaft. Eine solche Lehrerin, die die Kinder so liebevoll bestärkt, hätte wohl jedes Kind gerne. Doch auch Madame Kunterbunt ist nicht unfehlbar und kann von ihren Schülern noch etwas lernen. Neben den Themen Selbstbewusstsein, Freundschaft und Zusammenhalt wird auch das Thema Streit auf differenzierte Weise betrachtet. Die Handlung nimmt erst gegen Ende so richtig Fahrt auf, der Mittelteil hat für mich ein paar Längen. Dennoch ein lesenswertes, unterhaltsames, humorvolles Schulabenteuer mit originellen, ungewöhnlichen Charakteren und einer ordentlichen Prise (Mut-)Magie.

Bewertung vom 24.05.2022
Skilton, Tash

Morgen schreib ich dir ein Happy End (eBook, ePUB)


gut

Charmante Grundidee, nicht ganz überzeugende Umsetzung

Miles und Zoey verhalten sich wie Hund und Katz, aber eine wichtige Gemeinsamkeit teilen sie doch. Sie haben beide einen ungewöhnlichen Job: Sie arbeiten als Ghostwriter für eine Partneragentur und unterstützen Menschen, die online auf Partnersuche gehen, dabei, in Chats, das Richtige zu schreiben. Beide sind allerdings bei unterschiedlichen Agenturen beschäftigt und wissen nicht um den Job des anderen. Als sie beide auf dasselbe potentielle Paar angesetzt werden, entwickelt sich alles ziemlich chaotisch, kompliziert und vielleicht auch romantisch….

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Miles und Zoey in Ich-Form geschrieben. Viele Kapitel beginnen mit einer Email von Zoeys und Miles Chefs Clifford und Leanne an ihre Mitarbeiter. Wiederholt werden auch Chatverläufe abgedruckt, was den Erzählstil abwechslungsreich gestaltet.

Miles ist Romantiker, steckt aber gerade in einer Krise. Seine Verlobte, mit der eigentlich eine Familie gründen wollte, hat ihn verlassen und bekommt nun das Kind eines anderen. Nicht einfach für Miles, darüber hinwegzukommen. Zoey wohnt erst seit kurzem in New York, sie hadert mit der Stadt, stammt sie doch ursprünglich aus Los Angeles. Dass sie ihren letzten Job verloren hat, nagt an ihr. Überhaupt hat sie Angst davor, nicht genug zu sein und abgelehnt zu werden, was aber nur in wenigen Momenten wirklich nachvollziehbar dargestellt wird.
Wenn Zoey und Miles aufeinandertreffen, zum Beispiel beim Kampf um einen besonderen Tisch im Stammcafe, ist Ärger vorprogrammiert. Beide wissen nicht, dass sie viel mehr gemeinsam haben, als sie denken.
Leider schafften es die Protagonisten nicht, mich für sich einzunehmen. Sie waren mir nicht so sympathisch, nicht so nah, wie ich das gerne gehabt hätte.

Die Geschichte erinnert ein wenig an den wunderbaren Film „Email für Dich“, allerdings ist sie ein bisschen moderner und ein bisschen komplizierter. Mir gefällt die charmante Grundidee dahinter durchaus. Die Umsetzung hat mich aber nicht komplett überzeugt, der Funke wollte einfach nicht recht überspringen. Das Ganze spielt in New York. Für Miles „eine Stadt, die dich hart rannehmen, Dich brechen, dich kaltstellen kann - sowohl metaphorisch , als auch rein meteorologisch-, und Dich doch immer wieder, unwiderruflich in ihren Bahn zieht.“ Die Liebe, die Miles für New York empfindet, war für mich trotz seiner schönen Worte nur schwer nachzufühlen. Die Geschichte kam mir außerdem zu spät in Fahrt, plätscherte lange Zeit vor sich hin. Die Persönlichkeiten der Hauptfiguren rissen mich nicht richtig mit, der Plot war insgesamt doch recht vorhersehbar. Ich hatte mir mehr echtes, tieferes Gefühl erwartet, das zu mir als Leserin auch wirklich direkt durchdringt, und kann den Roman daher nur mit Abstrichen empfehlen.

Bewertung vom 22.05.2022
Iland-Olschewski, Barbara

Ungeheuer weckt man nicht / Sea Monsters Bd.1


sehr gut

Ein phantastisches Freundschaftsabenteuer voller Magie und Spannung

Finn lebt auf der Insel Haimsend und mag die Sonne nicht. Er wurde bei sonnigem Wetter einmal von einer kräftigen Welle erfasst und wäre dabei fast ertrunken, wenn ihn nicht der Fischer Connor gerettet hätte. Als die anderen Inselkinder Finn und Poppy, die gerade erst auf die Insel gezogen ist, überreden, auf der kleinen Felsengruppe vor der Insel, dem Verbotenen Fleck, zu übernachten, passiert etwas extrem Gefährliches und gleichzeitig Unglaubliches. Die Felsen entpuppen sich als Seeungeheuer, das jahrelang schlief und nun wieder erwacht ist. Finn gelingt es, eine besondere Verbindung zu dem Geschöpf aufzubauen. Zunächst will dem Jungen niemand glauben, doch dann kommt es zu einer hochdramatischen Situation.

Barbara Iland-Olschewski erzählt klar, kindgemäß, lebendig und gut verständlich in der Vergangenheit. Timo Grubing hat zur Geschichte passende, ansprechende und motivierende Bilder gezeichnet, die wichtige Aspekte der Handlung darstellen. Die Schrift ist normal groß gedruckt und recht gut lesbar. Die Kapitel haben eine übersichtliche Länge und teilen das Buch in Leseabschnitte ein, die die Kinder nicht überfordern. Kinder ab neun Jahren werden die Geschichte ohne Probleme selbstständig lesen können.

Finn hat es nicht leicht. Wegen eines furchteinflössenden Erlebnisses hat er Angst vor dem Meer, die anderen Kinder hänseln ihn deswegen. Statt zu spielen, liest Finn lieber Comics, flüchtet sich in fremde Welten. Fischer Connor hat Verständnis für Finn. Er versucht, Finn Schritt für Schritt unter Leute zu bringen. So hofft er darauf, dass Finn sich mit Poppy anfreundet, die mit ihren Eltern neu auf der Insel ist und ihre alte Heimat sehr vermisst. Als beide Kinder unfreiwillig auf dem Verbotenem Fleck festsitzen, werden sie durch diese Erfahrung eng miteinander verbunden.
Neben echten Menschen wartet das Buch noch mit ausgesprochen beeindruckenden, phantastischen Figuren auf.

Finn lässt sich nicht träumen, wie sich sein Leben in kürzester Zeit ändert. Er erlebt ein außergewöhnliches, die Vorstellung übersteigendes Abenteuer, stellt sich dabei seiner größten Angst und erfährt verschiedene Arten von Freundschaft. Manchmal braucht Freundschaft keine Worte und manchmal schweißen gemeinsame Erlebnisse für immer zusammen. Der Schauplatz der Geschichte, eine kleine schottische Insel, ist faszinierend und steckt voller Geheimnisse. Der runde, stimmige Aufbau der Geschichte hat mich überzeugt. Das erste Kapitel bezieht sich auf das letzte, dazwischen steigt der Spannungsbogen kontinuierlich und wird erst zum Ende hin aufgelöst.
Ein magisches Freundschaftsabenteuer für alle, für die es nicht dramatisch und geheimnisvoll genug sein kann.