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Lunamonique
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Bremen

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Insgesamt 416 Bewertungen
Bewertung vom 24.04.2018
Wahrheit gegen Wahrheit
Cleveland, Karen

Wahrheit gegen Wahrheit


ausgezeichnet

„Wahrheit gegen Wahrheit“ ist das Debüt von Autorin Karen Cleveland. Der Thriller wird mit Charlize Theron in der Hauptrolle verfilmt. Eine Entdeckung lässt das bisherige Leben von Viv wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

CIA-Spionageabwehranalystin Vivian Miller will mit einem speziellen Algorithmus das Agentennetzwerk russischer Schläfer enttarnen. Das könnte ihre langersehnte Beförderung bedeuten. Zusammen mit Kollege Omar vom FBI fiebert sie auf den entscheidenden Tag hin. Viv gelingt der Zugriff auf den Computer eines russischen Agentenbetreuers. Als sie einen Ordner mit fünf Fotos öffnet, wird alles, an das sie bisher geglaubt hat, in Frage gestellt.

Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Viv erzählt. Sie ist mit Software-Entwickler Matt 10 Jahre glücklich verheiratet und hat mit ihm vier Kinder. Der Einstieg mit dem Prolog weist auf eine ausweglose Situation hin. Was ist Viv gezwungen zu tun? Ein Rückblick, zwei Tage zuvor, lässt die Ereignisse Revue passieren. Von Anfang an baut sich Spannung auf. Vivs Recherchen steuern auf einen ersten Erfolg zu. Was wird sie finden? Die Wahrheit ist schockierend. Noch besteht Hoffnung auf eine Erklärung. Es fällt leicht, mit Viv mitzufühlen. Ehe, Familie, alles steht auf dem Spiel. Die Wende ist effektvoll inszeniert. War alles auf einer Lüge aufgebaut? Beide Hauptfiguren haben Persönlichkeit. Nicht ganz passen will zu Viv ihre Naivität. Sie besitzt Feingefühl, Intelligenz, eine gute Kombinationsgabe. Wie war es möglich, sie solange zu täuschen? Matt wird immer undurchsichtiger. Welche Rolle spielt er wirklich? Nicht nur für Viv lassen sich Lüge und Wahrheit schwer auseinander halten. Spekulationen werden in Gang gesetzt. Die Hoffnung kommt auf, dass Matt alles wieder gerade biegen wird. Bald wird klar, Viv ist die Stärkere von beiden. So richtig überzeugend wirken Matts Aktionen nicht. Ist seine Hilflosigkeit nur vorgegaukelt? Wer hat die Fäden wirklich in der Hand? Diese Frage zieht sich durch die Geschichte. Nichts scheint sicher. Das Undurchschaubare hält die Spannung bis zum Ende auf einem hohen Niveau. Ein bisschen rar geraten sind die Actionszenen. Eine Überraschung ändert wieder alles. Die Eiseskälte und Verschlagenheit eines Gegnern hätte überzeugender wirken können. Der Plot ist raffiniert gestrickt. Achterbahnemotionen bis zur letzter Seite und ein Ausklang, der es in sich hat.

Der Titel ist effektvoll in Szene gesetzt und zieht zusammen mit den wenigen Details die Blicke aufs Buch. Hohe Erwartungen werden geweckt. „Wahrheit gegen Wahrheit“ ist ein fesselndes Verwirrspiel. Gerne hätte der Thriller im letzten Drittel noch ein paar mehr Seiten haben können. Wird es eine Fortsetzung geben? Das Potential wäre da. Auch die Neugierde auf die Verfilmung ist geweckt.

Bewertung vom 21.04.2018
Ich wollte nur Geschichten erzählen
Schami, Rafik

Ich wollte nur Geschichten erzählen


ausgezeichnet

„Ich wollte nur Geschichten erzählen“ ist das neueste Werk vom vielfach ausgezeichneten Autor Rafik Schami. Ein sehr persönliches Buch mit einem besonderen Anliegen.

„Unser Leben ist keine stetige Linie. Es ähnelt eher einem Mosaikgemälde. Je näher man kommt, umso sichtbarer werden die Bruchlinien, umso charaktervoller die einzelnen Steine.“ Das Mosaik der Fremde beginnt am 19.3.1971 mit Rafik Schamis Ankunft in Frankfurt. Er erzählt, wie es ihm als Exilautor ergangen ist, von seiner Sehnsucht nach Damaskus und vielem mehr.

Der Papierschatz im Gepäck, Kurzgeschichten, moderne Märchen, Romane, sichert Rafik Schami das Überleben in Deutschland. Seine Werke in arabischen Verlagen veröffentlichen zu können, stellt sich über lange Zeit als Illusion heraus. Rafik Schami erzählt von seinem ungewöhnlichen Weg, Hindernissen und Herausforderungen, den ersten Schritten zum Erfolg. Er gewährt sehr persönliche Einblicke in sein Leben als Exilautor, den drohenden Verlust seiner neuen Heimat, Angst, Trauer, Verlust, Einsamkeit. Die Sehnsucht nach Damaskus, Freunden und Familie prägt sein Schreiben. Ihm ist es ein Anliegen, über die Lebensbedingungen in einer Diktatur, die Ereignisse und Veränderungen in Syrien aufzuklären. Personenkult, Korruption und Gehorsam, der Verlust von Würde und Freiheit. Es geht um das Verstehen, was vor sich geht und wie hilflos sich die Menschen fühlen, die in Sicherheit sind. Der Autor erzählt mit viel Herzenswärme aus seinem Leben, vom Entschluss, in einer anderen Sprache zu schreiben, um in einem deutschen Verlag zu veröffentlichen. „Im Exil zu schreiben, führt zu einer Metamorphose der Heimat – weg von einem geographisch definierten Land, das man verloren hat, hin zu einem geistigen Haus der Sprache und der Erinnerung.“ Die Vielschichtigkeit und der Reichtum an Informationen wird durch die unterschiedlichen Kapitellängen in Mosaikformen unterstrichen. Rafi Schami hat sich ein eigenes Damaskus-Archiv aufgebaut, von dem er zerrt. Die Hoffnung seiner Mutter, ihn wieder in seiner Heimat willkommen heißen zu können, erfüllt sich nicht. Es sind nicht nur die Schicksale, die berühren. Das Buch regt zum Nachdenken an. An Kritik wird nicht gespart. Gerne hätte es zusätzliche Kapitel über Wegbegleiter/ Begegnungen geben können. Auch das Thema „Swallow Editions“ kommt zu kurz. Sehr gelungen ist das Bild des purzelnden Puzzles. Die 25 persönlichen Ratschläge sind ein besonderes Highlight. Rafik Schami spricht einem aus der Seele. Seine Gedanken und Lebenserfahrungen bereichern. Es geht um Respekt, Menschlichkeit, ums Wachrütteln. „Durch den Roman versuche ich zurückzukehren. Und nur beim Erzählen fühle ich, dass ich die Stadt nie verlassen habe und sie mich auch nicht.“ Bewundernswert, dass der Autor seinen Erfolg nutzt, um Familien in Damaskus zu helfen. „Kultur der Völker“ als Schul(doppel)stunde, eine tolle Idee, die hoffentlich die Verantwortlichen erreicht. Gehässigkeiten, Feindseligkeiten, Missgunst und Neid, wichtig, dass auch unschöne Dinge zur Sprache kommen und mit viel Ehrlichkeit auf den Punkt gebracht werden. Gelungen ist auch der arabische Spruch als Ausklang: „Geduld und Humor sind zwei Kamele, mit denen du jede Wüste überqueren kannst...“

Das Cover hat etwas Märchenhaftes. Es entführt in eine andere Welt. Das Unnahbare ist plötzlich erreichbar. Die Mosaik-Details und Sehnsucht in Farben passen sehr gut zum Inhalt. Auch im Nachhinein rührend ist der Titel, der einen bedeutsamen Wunsch zusammenfasst. Ein sehr schönes, stilvolles Cover! „Ich wollte nur Geschichten zählen“ bringt nicht nur den Menschen Rafik Schami nahe sondern alles, was ihm am Herzen liegt.

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Bewertung vom 15.04.2018
NACHTWILD
Phillips, Susan Elizabeth

NACHTWILD


sehr gut

Nach ihrem Debütroman „Wenn die Nacht anbricht“ ist der Thriller „Nachtwild“ das neueste Werk in deutscher Übersetzung von Autorin Gin Phillips. Eine Mutter und ihr Sohn geraten in eine Ausnahmesituation.

Joan und ihr vierjähriger Sohn Lincoln sind spät dran und eilen zum Zooausgang. Erst im letzten Moment erkennt Joan die Gefahr, die von einem Amokläufer ausgeht. Sie ergreift mit Lincoln die Flucht. Ist der Schütze hinter ihr her? Wo können sie sich einigermaßen sicher vor dem Angreifer verstecken?

Der Einstieg in die Geschichte mit Lincolns überbordender Phantasie ist sehr gelungen. Mit der Wende und unmittelbaren Gefahr steigt die Spannung. Die Ereignisse wirken sehr real. Es fällt leicht, mit Joan mitzufiebern. Sie wird alles tun, um ihren Sohn zu beschützen. Beklemmende Geschehnisse, Schicksale, eine persönliche Nachricht, das erste Buchdrittel ist packend inszeniert. Die Hilflosigkeit von Joans Ehemann Paul wird deutlich. Joan ist auf sich allein gestellt und muss die richtigen Entscheidungen treffen. Warum sind wenige Minuten vor Toresschluss noch so viele Menschen im Zoo? Warum zieht die Polizei vor Ort trotz eindeutiger Hinweise/Geräusche auf dem Gelände viel zu lange die falschen Schlüsse? Ein paar Ungereimtheiten tauchen auf. Der erste Perspektivenwechsel kommt überraschend. Es findet mindestens ein Rückblick statt, da inzwischen schon eine Stunde Zeit vergangen ist. Nicht sehr überzeugend ist die Gegenseite. Verhalten, Motiv, Kaltblütigkeit, der Spaß am Morden, alles wirkt etwas zu konstruiert. Joan und Lincoln dagegen haben Persönlichkeit. Es lässt sich nachvollziehen, wie schwer es ist, ein Kind ruhig zu stellen. Nur eine Frage der Zeit, bis Lincoln nicht mehr mitspielt. Jedes Geräusch, jeder Fehler kann den Tod bedeuten. Mutterliebe und eine innige Mutter-Sohn-Beziehung stehen im Mittelpunkt der Geschehnisse. Das Ausmaß des Dramas berührt. Jedes Lebewesen im Zoo ist der Willkür eines Mörders ausgesetzt. Mit jeder Veränderung der Situation steigt die Spannung. Das Tempo ist nicht wie erwartet durchgehend hoch. Abschweifungen bremsen aus. Detaillierte Beschreibungen lassen das Zoogelände vorm inneren Auge Formen annehmen. Erst langsam wird das Ausmaß der Bedrohung deutlich. Welcher Plan steckt dahinter? Am meisten Eindringlichkeit hat das Beklemmende, die Hilflosigkeit der Opfer der lauernden Gefahr gegenüber. Auf den letzten Seiten nimmt der Thriller noch einmal Fahrt auf. Es geht sehr emotional zu. Taschentuch nicht vergessen.

Das Cover hinterlässt mit wenigen Mitteln Eindruck. Titel und flammend rotes Detail haben eine hohe Intensität. Eine effektvolle Gestaltung, die gut zum Inhalt passt. Bei „Nachtwild“ stechen besonders Anfang und Ende hervor. Der Mittelteil lässt zeitweise etwas nach. Vielleicht hätte die Erhöhung des Tempos und mehr verzwickte Situationen dem Thriller die erwartete, durchgehende Energie verleihen können. Trotz kleiner Mankos die Idee ist originell und erschreckend realistisch. Mitreißende Spannung und zwei gelungene Hauptfiguren.

Bewertung vom 08.04.2018
Ein Reif von Bronze / Die Königs-Chroniken Bd.2
Rother, Stephan M.

Ein Reif von Bronze / Die Königs-Chroniken Bd.2


ausgezeichnet

Nach „Die Königs-Chroniken – Ein Reif von Eisen“ ist „Die Königs-Chroniken – Ein Reif von Bronze“ Band 2 der Fantasy-Reihe von Stephan M. Rother.

Kaum hat der Stammesfürst Morwa die Völker des Nordens vereint, droht die Zerstörung seines Lebenswerkes. Morwen flüchtet. Er wird verdächtig, den Tod seines Bruders Morleif in Auftrag gegeben zu haben. Der Zweitälteste Mornag wird als Erbe des Reichs von Ord bestimmt. Morwen versammelt einen Teil des Heeres, um gegen seinen Vater Morwa zu kämpfen.

Der Prolog mit dem Angriff auf Salinunt macht die Schrecken des sechs Jahre andauernden Krieges deutlich. Die Geschichte wird aus Sicht von Teriq, Leyken, Sölva, Bjorne und Pol erzählt. Jeder erlebt seine ganz eigenen Herausforderungen, muss ums Überleben kämpfen. Für alle spitzt sich die Lage dramatisch zu. Der kleinste Fehler reicht aus, um Verheerendes nach sich zu ziehen. Besonders die Schwestern Leyken und Ildris stechen als Hauptfiguren heraus. Ihre Schicksale reißen am meisten mit. Leykens Lage in Gefangenschaft scheint aussichtslos. Was hat man mit ihr vor? Ildris` magische Fähigkeiten sorgen immer wieder für überraschende Wendungen. Ist ihr Schicksal längst besiegelt? Vieles ist nicht vorhersehbar. Gleich mehrere Handlungsstränge sorgen gleichzeitig für Spannung. Immer wieder wird die Neugierde auf das Anschlusskapitel geweckt. Nicht nötig wären einige Wiederholungen und Zusammenfassungen im Laufe der Geschichte gewesen. Die Geschehnisse klären sich stets von selbst. Verwirrung kommt nur selten auf und hält nicht lange an. Wege kreuzen sich, mit denen nicht zu rechnen war. Originell ist die machtvolle Esche, die leicht unterschätzt wird. Das Rätselhafte und Mystische begleitet über lange Strecken. Nur langsam setzen sich die Puzzlesteine zusammen. Welche gemeinsame Aufgabe haben zwei der Hauptfiguren zu leisten? Die Bedrohung wächst ins Unermessliche. Steht das Ende schon fest? Ein bisschen kurz ist der Showdown geraten. Zu hoch wurden die Erwartungen geschürt. Die Auflösung wirkt etwas zu phantastisch, hat aber auch Überzeugendes. Jede der Hauptfiguren hat seine eigene wichtige Rolle in der Geschichte. Das Rätsel um Ildris erhält eine überraschende Auflösung. Was steht Leyken bevor? Spekulationen nehmen zu. Fesselndes und Magisches in gleich mehrere Richtungen. Auch der Cliffhanger ist gelungen. Band 3 wird wieder einiges Dramatisches aufweisen können.

Mit Feuer und ungewöhnlichem Detail erregt das Cover Aufmerksamkeit. Der Seriencharakter ist gelungen. Auffällig ist auch der Titel in Szene gesetzt. „Die Königs-Chroniken – Ein Reif von Bronze“ entführt mit seiner eigenen Sprache in eine andere Welt. Ungewöhnliche Ideen und Fäden, die nur langsam zusammenlaufen, Band 2 weiß zu überzeugen und bringt mehr Klarheit. Neue offene Fragen stellen sich ein. Unmöglich den nächsten Band zu verpassen.

Bewertung vom 04.04.2018
Das Eis
Paull, Laline

Das Eis


gut

Nach ihrem Debütroman „Die Bienen“ ist „Das Eis“ das neueste Werk von der Autorin Laline Paull. Klimawandel und Eisschmelze, in der Arktis taucht eine Leiche auf spektakuläre Weise auf.

Bei einer Arktis-Expedition kommt der britische Umweltschützer Thomas Harding ums Leben. Seine Leiche gibt der Gletscher erst Jahre später frei. Sean Cawson wird verdächtigt, Schuld am Tod seines besten Freundes zu sein. Eine gerichtliche Anhörung soll die Wahrheit aufdecken.

Der Einstieg mit Kreuzfahrtpassagieren, die alles daran setzen einen Eisbären zu sehen, wirkt real und macht deutlich, wie wir Menschen auf peinliche Weise Grenzen überschreiten. Autorin Laline Paull zeigt auch in diesem Roman wieder ihr Herz für die Natur- und Tierwelt. Eisbären, die vom Aussterben bedroht sind, eine Walroßjagd aus Sicht von Mensch und Tier, diese Szenen in freier Wildbahn berühren. Besorgniserregende Veränderungen der Arktis, das Verschwinden der Gletscher, und damit eines besonderen Zaubers der Natur, macht sprachlos. Die Geschichte hat einerseits etwas Eindringliches und erzählt von unwiederbringlichem Verlust, legt den Finger auf die Wunde. Andererseits kann die Hauptfigur nicht so recht überzeugen. Sie wirkt wie Beiwerk zu den Erzählungen. Einen charismatischerer Eindruck hinterlässt der Tote. Tom war beliebt, setzte sich mit Charme und Persönlichkeit für den Naturschutz ein. Warum musste er sterben? Das ist der rote Faden der Geschichte. Erst mit der gerichtlichen Anhörung kommt etwas Spannung auf. Was ist damals geschehen? Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat aus einem Arktis-Expeditions-Abenteuer. So manches, was berühmte Polarforscher erleben, ist schwer zu ertragen. Die Grausamkeit der Natur und der Menschen wird gegenüber gestellt. Sean leidet unter den Ereignissen in der Eishöhle. Nur langsam setzen sich die Puzzlesteine der Wahrheit zusammen. Erst zum Schluss kommt der Roman richtig in Fahrt. Zu spät. Auch wenn die Natur mitreißt, Gefahren für die Arktis berühren, die Geschichte plätschert zu lange dahin. Der Schluss ist gut in Szene gesetzt. Die Einschübe hätte es nicht gebraucht. Eines hat der Roman erreicht, er macht betroffen und regt zum Nachdenken an.

Die Szene in der Eishöhle zieht alle Blicke aufs Buch. Der Titel hätte auffälliger gestaltet werden können. Sehr gut gewählt sind die Farben. Passend zum Titel und Inhalt. „Das Eis“ erfüllt nicht ganz die hohen Erwartungen, aber es entführt in eine unwirkliche Welt, die es zu schützen gilt. Auch wenn es für ein Umdenken schon recht spät ist. Autorin Laline Paull greift mit ihren Romanen interessante Themen auf. „Das Eis“ hätte packender sein können, macht aber mit stiller Wut und einem Anflug von Resignation auf die Probleme aufmerksam.

Bewertung vom 01.04.2018
Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)
Lehnberg, Stefan

Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)


sehr gut

Nach „Durch Nacht und Wind – Die kriminalistischen Werke des Johann Wolfgang von Goethe“ ist „Die Affäre Carambol“ Band 2 der Krimireihe von Schauspieler, Regisseur und Autor Stefan Lehnberg.

1801, Geheimrat von Goethe und Hofrat Schiller reisen in Goethes Heimatstadt Franckfurth. Gefälschte Briefe, zwei tote Stadträte, Goethe und Schiller werden gebeten, die mysteriösen Todesfälle und Vorkommnisse aufzuklären. Nach anfänglichem Widerstand beginnen sie mit den Nachforschungen.

Das Vorwort von Friedrich von Schiller bereitet auf dramatische Ereignisse vor. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Schiller erzählt. Eigentlich ist nur ein kurzer Aufenthalt in Franckfurth geplant. Allein die Hinreise entpuppt sich schon als Abenteuer. Mit dem was dann kommt rechnet keiner der beiden Dichter. Geschichtlicher Hintergrund, zwei berühmte Persönlichkeiten und eine frei erfundene Handlung, die Idee zur Krimireihe um Goethe und Schiller ist originell. Goethes Eigenarten und Schillers Festhalten an den wahren Begebenheiten bringen Humor ins Spiel. Bis aufs kleinste Details war viel Recherche notwendig, um Zeit und Geschehnisse real wirken zu lassen. Die beiden Hauptfiguren wagen sich Hals über Kopf ins Ungewisse und erleben ein gefährliches Abenteuer nach dem anderen. Schreibstil und Sprache sind der Zeit angepasst. Es fällt leicht, sich in Schillers und Goethes Leben zurecht zu finden. Selbst eine Kutschfahrt wird zur Herausforderung. Unterhaltsam sind gerade die Tücken, und das nichts und niemand unfehlbar ist. Schiller trägt wesentlich mehr Blessuren davon als Goethe. Sein Freund zeigt immer wieder schauspielerisches Talent. Verschwörung, Verräter, ein kaltblütiger, intelligenter Gegner, die Gefahr für Schiller und Goethe steigt. Dank einer ersten, erfolgversprechenden Spur zieht das Tempo an. Mit brenzligen Situationen und Verfolgungsjagden kommt Spannung auf. Schocksekunden und Wendungen, so manche Überraschung wird effektvoll in Szene gesetzt. In Lebensgefahr wachsen Goethe und Schiller über sich hinaus. Mehr als einmal erscheint alles aussichtslos. Auch die Liebe kommt in Band 2 nicht zu kurz. Das Ende lässt sich nicht vorausahnen. Eine Überraschung ist gut verpackt. Schmunzeln und Entsetzen wechseln sich ab. Auch wenn eine Auflösung etwas lang gerät, unterhaltsam und mitreißend bis zum Schluss.

Das kleinere Buchformat ist ungewöhnlich. Die Gestaltung passt perfekt zur Krimireihe. Titel und Ermittler wecken die Neugierde. „Die Affäre Carambol“ erfüllt die hohen Erwartungen und lässt Schiller und Goethe in neuem Licht erscheinen. Es macht Spaß, mit ihnen mitzufiebern und Goethes Schachzüge zu bestaunen. Die beiden Dichter taumeln von einem Desaster ins nächste. Liebenswerte Charaktere und besondere Persönlichkeiten. Zusammen sind sie ein unschlagbares Ermittlerteam, was oft auch eine Prise Glück braucht, um Rätsel zu lösen.

Bewertung vom 29.03.2018
Summ, wenn du das Lied nicht kennst
Marais, Bianca

Summ, wenn du das Lied nicht kennst


ausgezeichnet

„Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ ist der Debütroman von Bianca Marais. Eine bewegende Geschichte über Trauer, Verlust und Freundschaft.

Die Eltern der neunjährigen Robin werden grausam getötet. Tante Edith, die eigentlich als Stewardess um die Welt reist, nimmt die Waise bei sich auf. Für Robin will sie ihr Leben umkrempeln, scheitert aber an der Jobsuche. Eine Freundin vermittelt ihr die Xhosa-Frau Beauty Mbali als neue Maid.

1976, Johannesburg, Südafrika, der Einstieg mit Robins Hüpfkasten-Spiel auf der Straße hält das unbeschwerte Leben des Mädchens, das trotz kleinem Sturz tapfer sein will, fest. Sie wird von ihren Eltern und ihrer Maid Mabel geliebt. Währenddessen erhält die 49jährige Beauty Mbali einen beunruhigenden Brief von ihrem Bruder Andile aus Soweto, der sich Sorgen um Beautys Tochter Nomsa macht. Sie wohnt bei ihm, während sie auf die Morris Isaacson Highschool geht. Zwei Handlungsstränge, zwei Schicksale. Robin muss den Verlust geliebter Menschen verkraften. Beauty macht sich auf die gefährliche Suche nach ihrer verschwundenen Tochter. Durch besondere Umstände kreuzen sich die Wege der beiden Hauptfiguren. Robin mit ihrer imaginären Zwillingsschwester Cat berührt. Für ihre verstorbene Mutter möchte sie stark sein, aber die Trauer lässt sich nicht ewig verdrängen. Das Mädchen lernt, was es heißt in Zeiten der Rassentrennung zu leben. Hass, Wut, Vorurteile, Gewalt, Robin muss Geheimnisse bewahren, um sich und ihre Lieben zu schützen. Die stolze Beauty beeindruckt mit Mutterliebe und Kampfgeist. Sie lässt ihre zwei kleinen Söhne zurück, um die Schwester zu suchen und nach Hause zu bringen. An diesem Ziel hält sie trotz aller Herausforderungen und tödlichen Gefahren fest. Eine besondere Nebenfigur ist Maggie, die mit ihrem Ehemann ein Doppelleben führt, Schwarzen Unterschlupf bietet, ihnen Papiere und Arbeit verschafft. Ein weißer Engel, der für viele der letzte Rettungsanker ist. Es geht um Mut, Überwindung der Angst, Zusammenhalt gegen alle Regeln. Mit einer verhängnisvollen Entscheidung im letzten Buchdrittel wendet sich die Geschichte. Ereignisse überschlagen sich und erschüttern. Lässt sich ein Fehler wieder gut machen? Lauernde Gefahren und Alleingänge sorgen von Anfang bis Ende für eine permanente Spannung. Ein packendes Debüt, das öfters zu Tränen rührt. Zum Schluss gibt es eine Karte mit den wichtigsten Schauplätzen, Worterklärungen und die Autorin erzählt Persönliches, wie der Roman entstanden ist.

Das Cover passt gut zu dem exotischen Handlungsort und hat eine stille Anziehungskraft, fernab von schrillen, leuchtenden Farben und effektvollen Details. Es setzt ein Statement für die Natur und den besonderen Zauber von Südafrika. Der Titel hat etwas Herzerwärmendes und Persönliches. „Summ, wenn du das Lied nicht kennst“ entwickelt sich schnell zum Pageturner und klingt noch lange nach. Die Geschichte wirkt sehr real. Der Leser ist ganz nah dran am Geschehen und wird von den Ereignissen mitgerissen. Ein sehr empfehlenswertes Buch. Nicht nur die Hauptfiguren bleiben im Gedächtnis.

Bewertung vom 22.03.2018
Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1
Fölck, Romy

Totenweg / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.1


sehr gut

„Totenweg“ bildet den Auftakt zur Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn-Krimireihe von Romy Fölck. Ein ungelöster Mordfall lässt Frida und Bjarne nicht mehr los.

Frida Paulsen war 13 Jahre alt, als ihre beste Freundin Marit ermordet wurde. Kriminalhauptkommissar Bjarne Havenkorn glaubt, dass Frida ihm damals Wichtiges verschwiegen hat. Ein weiteres Verbrechen veranlasst die junge Polizistin Frida in ihren Heimatort zurückzukehren. Alte Wunden werden aufgewühlt.

Rückblick, Hamburg 1998, Bjarne Haverkorn wird an einen Leichenfundort gerufen. Der Einstieg hat etwas Beklemmendes. Es lässt sich nachvollziehen, dass der Kriminalhauptkommissar den Mord an dem 14jährigen Mädchen nicht mehr vergisst. Zeitsprung, über 18 Jahre nach dem Mord an Marit, Frida arbeitet im Streifendienst und studiert an der Hamburger Polizeiakademie. Ein Anruf verändert alles. Wer hat es auf Fridas Vater abgesehen? Was ist das Motiv? Warum hat Frida damals geschwiegen? Kennt sie den Mörder von Marit? Diese Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die beiden Hauptfiguren werden mit ihren persönlichen Miseren dargestellt. Frida und Bjarne sind dabei, ihr Leben zu verändern und haben mit Altlasten zu kämpfen. Was ist die richtige Entscheidung? Bjarne ist dem Neuanfang näher als Frida. Der Mord an Marit verfolgt sie bis heute. In welcher Zwickmühle die 13jährige gesteckt hat, wird erst im Laufe der Geschichte deutlich, und es kommt mehr Verständnis für ihr Handeln auf. Das Erzähltempo ist langsam. Puzzlesteine setzen sich zusammen. Eine überraschende Wendung schockiert. Hier zeigt der Plot seine Raffinesse. Eine lauernde Bedrohung sorgt für Spannung. Wer steckt dahinter? Spekulationen werden in Gang gesetzt. Einschübe mit Rückblenden und Perspektivwechsel verdichten die Story. In der zweiten Buchhälfte erhöht sich das Tempo. Die Ereignisse überschlagen sich. Kleine Pannen-Wiederholungen, wie ein in entscheidenden Momenten fehlendes Handy, sind etwas zu konstruiert und nicht mehr schlüssig. Beide Hauptfiguren zeigen trotz Professionalität Schwächen. Das macht sie einerseits menschlich, andererseits wirkt die Kombination zu geballt. Die Irreführung geht nicht ganz auf. Zu schnell fällt die Mutmaßung auf den Täter. Gerne hätte die Auflösung noch ein Schippe raffinierter sein können. Der Schluss widmet sich letzten Fragen und Erklärungen. Zwar ist die Geschichte damit rund, große Neugierde auf den nächsten Band wird mit dem Ausklang nicht geweckt.

Titel und Coverdetails passen sehr gut zum Inhalt. Das Düstere und Beklemmende stimmt auf einen spannenden Krimi ein. „Totenweg“ überzeugt erst mit der zweiten Buchhälfte. Ab der effektvollen Wende erscheint der Krimi in einem anderen Licht. Ein bisschen zu viel Anziehungskraft wird Frida angedichtet. Das Team Bjarne und Frida muss sich erst noch entwickeln. Die Hintergründe aus der Vergangenheit sind gelungen. Gerne darf es in den Folgebänden noch packender zu gehen.

Bewertung vom 15.03.2018
Der Schlüssel des Salomon / Tomás Noronha Bd.2
Dos Santos, José R.

Der Schlüssel des Salomon / Tomás Noronha Bd.2


gut

„Der Schlüssel des Salomon“ ist der Folgeroman von „Das Einstein Enigma“. Autor José Rodriguez dos Santos schickt Universitätsprofessor Tomás Noronha in ein neues Abenteuer rund um Wissenschaft und Forschung.

CIA-Wissenschaftsdirektor Frank Bellamy kommt unter mysteriösen Umständen an einem ungewöhnlichen Ort ums Leben. Ein Stück Papier in seiner Hand weist auf Professor Tomás Noronha als Täter hin. Die CIA will ihn zur Strecke bringen. Tomás erkennt im letzten Moment die Gefahr und flüchtet.

Die Geschichte beginnt 2014 mit der Vorgeschichte zu Frank Bellamy. Trotz Intelligenz, besonderem Spürsinn und Vorsicht gerät er in eine Falle. Was ist passiert? Seine letzte Nachricht stellt Rätsel auf, denn sie ist nicht so eindeutig wie von der CIA hingestellt. Durch Perspektivwechsel erfährt der Leser wer hinter dem Mordauftrag steckt. Auch auf das Motiv gibt es Hinweise. Spannung kommt mit der Jagd auf Professor Tomás Noronha auf. Privates macht die Hauptfigur sympathisch. Kurze Kapitel sorgen für einen guten Lesefluss. Das Tempo wird durch lange wissenschaftliche Erklärungen ausgebremst. Auch wenn Themen wie Bewusstseins-Entstehung, Auswirkungen des Bewusstseins auf die Realität, Experimente und Studien faszinieren, gerät die Handlung in der ersten Buchhälfte über lange Strecken ins Hintertreffen. Ein bisschen erinnert die Hauptfiguren-Konstellation an „The Da Vinci Code – Sakrileg, wobei der Thriller wesentlich mehr Tempo und Action bietet. Es ist das eigensinnig Sture, was Seniorenheims-Leiterin Maria Flor im Laufe der Geschichte interessant macht. Tomás und Maria sind oft zu sehr mit der Wissenschaft beschäftigt, als Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Tomás überzeugt mit besonderer Kombinationsgabe. Maria wirkt nicht ebenbürtig, sondern eher wie das hübsche Anhängsel, das noch wichtige Funktionen in der Story hat. Ein mysteriöses Geschenk und eine Überraschungseffekt zum Schluss sorgen für etwas Raffinesse. Ein Gegner will sich nicht so richtig in die Geschichte integrieren. Insgesamt wirkt alles zu konstruiert. Tatsächlich ist die erfundene Handlung nur dazu gedacht, um dem Leser über erstaunliche, wissenschaftliche Entdeckungen zu informieren. Das ist schade. Interessante Forschungsergebnisse schließen eine packende Handlung nicht aus. So stellt sich Unzufriedenheit ein und über Einiges wird schneller hinweg gelesen. Trotz allem, die geballten Forschungs-Kenntnisse beeindrucken.

Titel und Pentakel haben magische Anziehungskraft. Mit dem Feuer ist das Amulett effektvoll in Szene gesetzt. Störend wirkt der rote Balken unten auf dem Cover mit dem Hinweis auf den Autorenerfolg. „Der Schlüssel des Salomon“ ist für alle begeisterten Leser von „Das Einstein Enigma“ ein Muss. Wer sich nicht gerne mit wissenschaftlichen Dingen auseinander setzt, sollte zu einem anderen Buch greifen.