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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1128 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2024
Bossong, Nora

Reichskanzlerplatz (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser historische Roman beschert uns Einblicke in eine Zeit des Umbruchs und gleichzeitig in das Leben der 1901, als Johanna Maria Magdalena Behrend (zunächst) unehelich geborenen Tochter eines Dienstmädchens. Als ihre Mutter in zweiter Ehe den jüdischen Kaufmann Richard Friedländer heiratet und der das Mädchen adoptiert, wächst sie in einem bürgerlichen Umfeld auf. 44 Jahre später wird sie im Führerbunker ihre sechs Kinder vergiften und anschließend Selbstmord verüben. Der geneigte Leser wird nun wissen, von wem die Rede ist, nämlich von Magda Goebbels, geschiedene Quandt.

Wir lernen die junge Johanna Maria Magdalena Friedländer kennen, die mit knapp 19 Jahren den verwitweten Industriellen Günther Quandt (und seine Söhne) heiratet und den gemeinsamen Sohn Harald bekommt. Doch recht bald langweilt sie das komfortable Leben und Madame Quandt, wie man sie nennt, betrügt ihren Mann mit wechselnden Liebhabern.

Wenig später, nach der, für sie lukrativen, Scheidung (1929) von Günther Quandt, zieht sie in eine Wohnung am Reichskanzlerplatz und schließt sie sich gänzlich der NSDAP an. Dort erregt sie die Aufmerksamkeit von Joseph Goebbels und Adolf Hitler. Als Ehefrau des Propagandaministers wird sie nun Magda genannt und, nachdem sie in schneller Abfolge, insgesamt sechs weitere Kinder zu Welt bringt, zur Vorzeigemutter des Reiches hochstilisiert.

Als sich Goebbels 1938 in die tschechische Schauspielerin Lida Baarová (1914-2000) verliebt und eine Menage à trois von Magda verlangt, wendet sich Magda an Hitler, der Goebbels eine Scheidung verbietet.

Meine Meinung:

Die Erzählweise ist recht ungewöhnlich gewählt, denn es ist der fiktive, schwule Hans Kesselbach, der als Ich-Erzähler fungiert. Kesselbach ist mit Hellmuth Quandt in dieselbe Klasse gegangen, beide schwärmen für die schöne Madame Quandt, die nur wenige Jahre älter ist. Er beginnt eine Affäre mit ihr, um seine Homosexualität zu vertuschen, die in Deutschland verboten ist .

Immer wieder kreuzen sich die Lebenswege von Hans Kesselbach und Magda Goebbels. Dass Magda Goebbels keinen Finger für vom Regime bedrohte Menschen rührt, ist an jener Stelle zu lesen, als sich völlig ungerührt, ganz nebenbei erzählt, dass ihr Stiefvater Richard Friedländer sei im KZ Buchenwald an einer „Lungenentzündung“ verstorben. Ein jüdischer Stiefvater passt so gar nicht in das Leben der fanatischen Vorzeigemutter.

„Siehst du Hans, es wird niemand bevorzugt, auch wir nicht. Wir essen unseren Eintopf und zahlen unseren Teil.“ (S. 249)

Dieser historische Roman lässt zahlreiche reale Prominente aufmarschieren. Von Auwi, dem Sohn des ehemaligen Kaisers über zahlreiche Größen des NS-Regimes bis hin zu zahlreichen Verfolgten.

Der Roman kommt ohne direkte Rede aus, was mich diesmal eigenartigerweise nicht allzu sehr gestört hat. Geschickt sind die Lebensläufe der realen Personen mit jenen der fiktiven verquickt. Eine Biografie der Magda Goebbels ist dieser historische Roman nicht. Wer eine solche lesen möchte, muss zu anderen Büchern greifen.

Interessant ist, wie sich der fiktive Hans Kesselbach durch die für Homosexuelle höchst bedrohliche Zeit laviert. Dabei kann er deutlich sehen, wie es den gleichgeschlechtlich Liebenden ergeht. Eine pro-Forma-Hochzeit, die für ihn nützlich sein könnte, lehnt er recht lange ab.

Der Schreibstil ist eindringlich und zeichnet ein gelungenes Bild jener Zeit.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 09.10.2024
Hanke, Kathrin

Ruth Blaue - Die Axtmörderin mit dem Madonnengesicht (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Autorin Kathrin Hanke, die bereits mehrere True-Crime-Krimis über Frauen, die gemordet haben, geschrieben hat, entführt ihre Leser nach Schleswig-Holstein und erzählt die Lebensgeschichte von Ruth Blaue, die als „Axtmörderin mit dem Madonnengesicht“ in die Kriminalgeschichte eingeht.

Ruth wird als ältestes von drei KIndern des Ehepaares Heine 1914 in Breslau geboren. Ab 1930 macht sie in der Klinik von Eppendorf eine Ausbildung zur Laborantin, wo sie den charismatischen Assistenzarzt Wolfgang Trautmann kennen und lieben lernt. Der sieht in der naiven Ruth, ein willfähriges Opfer für seine eigenen Pläne, zumal er eine hohe Mitgift erwartet. Kurz nach der Heirat entdeckt er, dass Ruth sich einer Urkundenfälschung und UNterschlagung schuldig gemacht hat und lässt die (für Ruth toxische) Ehe annullieren. Von einander los kommen sie aber nicht, weil Ruth ihrem nunmehrigen Ex-Mann nach wie vor hörig ist und der sie nach Strich und Faden ausnützt. Sie kommt mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt.

Ihr zweiter Ehemann, der Marineleutnant John Blaue ist ebenfalls ein Reinfall, denn der gründet während seiner Dienstzeit eine Zweit-Familie in Norwegen. Als er dann letztlich nach Kriegsende nach Deutschland zurückkehrt, hat Ruth längst mit dem bildenden Künstler Horst Buchholz einen anderen Lebenspartner. Eine Zeitlang geht die Menage à trois, man lebt wegen der Wohnungsnot in einem Haus zusammen, gut. Dann beschließt Ruth, dass ihre Ehemann verschwinden muss.

Was sich genau an jenem 14. November 1946 abspielt, wird letzten Endes nie restlos geklärt werden. Ob Ruth selbst die Axt geschwungen hat oder doch Horst, der als Bildhauer im Gebrauch dieses Werkzeuges geübt war. In einem Aufsehen erregenden Prozess wird Ruth Blaue 1955 des gemeinschaftlichen Mordes an ihrem Ehemann schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Buchholz hat kurz vor Prozessbeginn trotz aller Sicherungsmaßnahmen in seiner Zelle Selbstmord begangen.

Meine Meinung:

Anhand der noch vorhandenen Gerichtsakten versucht Kathrin Hanke die Ereignisse, die zu diesem brutalen Mord geführt haben, nachzuzeichnen. Es scheint, dass Ruth eine psychisch beeinträchtige Person gewesen sein könnte, die sich in einer Traumwelt geflüchtet hat. Es gibt, um sie wegen der Urkundenfälschung und Unterschlagung vor dem Gefängnis zu bewahren, von den Eltern in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten. Ob die ausschließlich Gefälligkeitsgutachten waren oder doch eine psychische Störung diagnostiziert haben, ist nicht mehr zu klären. Sicherlich hat die toxische Beziehung zu Wolfgang Trautmann einen Bruch in ihrem Leben hinterlassen.

Die Autorin erzählt die Lebensgeschichte der Ruth Blaue detailliert ohne jedoch voyeuristisch zu wirken. Dafür hat sie, wie schon in ihren anderen Büchern, eine Menge Recherchearbeit geleistet.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem sehr gut recherchierten Roman, der bis zur letzten Seite fesselt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.10.2024
Brodnig, Ingrid

Wider die Verrohung


ausgezeichnet

Mit diesem, nur 176 Seiten starken, Buch hat Ingrid Brodnig ein informatives wie beeindruckendes Plädoyer für mehr Sachlichkeit in der Sprache geschrieben.

Das Buch zeigt, mehrmals plakativ anhand von zwei Personen wie aggressive und laute Stimmen Emotionen schüren und Meinungen polarisieren, was unsere Gesellschaft und Demokratie bedroht. Die angeführten Beispiele stammen, erraten, von Donald Trump und Herbert Kickl.

In sieben Kapiteln werden nicht nur die Mechanismen dieser (und ähnlich gestrickter) Politiker und Parteien beleuchtet, die nicht davor zurückschrecken, mit Fake News gezielt Emotionen und Empörung auslösen, um ihre (manchmal krausen) Ideen an ihre potenziellen Fans zu bringen, sondern auch praxisnahe Strategien herausgearbeitet, damit diese Propaganda als solche entlarvt werden und Maßnahmen dagegen ergriffen werden können.

Kapitel 1: Eskalation als Geschäft
Kapitel 2: Kalkulierte Wut und emotionale Achtsamkeit
Kapitel 3: Gegen politischen „Bull Shit“ - in Sozialen Medien und klassischen Medien
Kapitel 4: Was gegen Spaltung hilft
Kapitel 5: Rhetorik als Waffe und Reaktionsmöglichkeiten
Kapitel 6: Die Verzerrung der Wirklichkeit
Kapitel 7: Beharrlich für Demokratie eintreten

Fazit:

Gerne gebe ich diesem klugen Buch, das uns Demokratieliebhabern zahlreiche Strategien, Werkzeuge und Tipps in die Hand gibt, um auf die Emotionalisierung und Fake News besser antworten zu können, sowie ermutigt, beharrlich für Demokratie einzutreten, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 08.10.2024
Schwarzkopf, Margarete von

Der Tote im Vulkan


ausgezeichnet

In diesem 8. und wie Autorin Margarete von Schwarzkopf bekanntgibt, dem letzten aus der Reihe rund um die Kunsthistorikerin und Hobbyermittlerin Anna Bentorp, dürfen wir in nordische Mythen, die eng mit der Geschichte des heutigen Irlands und Islands verknüpft sind, eintauchen.

Worum geht’s?

Da die Welt der Kunsthistoriker recht klein ist, kennt man sich untereinander, weshalb Anna mit zahlreichen Vertretern zumindest in telefonischen Kontakt steht bzw. deren Publikationen kennt. So ist ihr auch der in seiner Branche nicht unumstrittene Markus Hannemann ein Begriff, der vor einigen Jahren während einer Recherchereise auf der isländischen Insel Grímsey verschwunden ist. Er soll, wie Gerüchte sagen, aus der isländischen Nationalbibliothek ein frühmittelalterliches Buch „Book of Thor“ von Corran McSlaughty, eines Mönches des Klosters Saint Columban entwendet haben. „Book of Thor“ wird ähnlich wie das „Book of Kells“ als Rarität der mittelalterlichen Klosterbibliotheken bezeichnet und ist von unschätzbaren Wert.

Und genau dem mysteriösen Verschwinden dieses Kunsthistorikers geht einer von Annas Freunden, der Schriftsteller Heinz Kröger, nach. Wenig später ist Kröger, der sich in der letzten Zeit vorrangig der True Crime-Literatur verschrieben hat, tot, ertrunken wie es scheint.

Anna Bentorp macht ihrem Spitznamen alle Ehre und beginnt ihrerseits sowohl zu Krögers Tod als auch zu Hannemanns Verschwinden zu recherchieren. Dabei wird sie von ihren vergangenen Ermittlungen sowie ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt und Heinz Kröger wird nicht der einzige Tote bleiben.

Meine Meinung:

Da ich alle Anna-Bentorp-Krimis kenne, sind mir die vielen kurzen Rückblick sowie die Zusammenhänge klar. Quereinsteiger in diese Reihe werden das eine oder andere Mal mit den Blitzlichtern aus den Vorgängern konfrontiert, die nicht immer gleich einzuordnen sind. Ich empfehle zum besseren Verständnis die sieben Vorgänger zu lesen.

Wir treffen jedenfalls zahlreiche Protagonisten aus den anderen Fällen wieder: KHK Hans Schumann, Annas irische Freundin Deidre, ihren on/off-Freund Richard, Desmond Casey sowie Quasselstrippe Harald Frostauer. Dazu kommen zahlreiche neue Personen, deren Absichten nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Natürlich darf auch Anna Bentorps 91-jährige Mutter mit ihren Zitaten aus der Literatur und den guten Ratschlägen für ihre Tochter nicht fehlen.

Je tiefer Anna in ihre Nachforschungen eintaucht, umso gefährlicher und komplexer wird die Sache. Sie kommt einer großangelegten politischen Verschwörung allzu nahe, und gerät nicht nur einmal in akute Lebensgefahr.

Geschickt verquickt Margarete von Schwarzkopf die Geschichte des mittelalterlichen irischen Mönchs, die in großen Zügen kursiv dargestellt wird, mit der irischen Unabhängigkeitsbewegung.

Der Schreibstil liest sich leicht und flüssig und fesselt von der ersten bis zur letzte Seite. Die Handlung ist sehr komplex und die unterschiedlichen Handlungsstränge werden letztlich gut auseinandergedröselt und erneut zusammengeführt. Ich hatte recht bald mehrere Theorien entwickelt, wovon sich nicht alle, aber doch einige, am Ende als ans Ziel führend herausgestellt haben.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem spannenden und historisch sehr interessanten Krimi gelesen, der mich richtig gut unterhalten hat 5 Sterne.

Bewertung vom 08.10.2024
Rossbacher, Claudia

Steirerzorn


ausgezeichnet

In ihrem 14. gemeinsamen Fall bekommen es Sandra Mohr und Sascha Bergmann nicht nur mit einem aktuellen, sondern auch mit Verbrechen der Vergangenheit zu tun. Achtung! Dieser Krimi ist nichts für Zartbesaitete.

Christian Zwettler, ein begeisterter Hobby-Fotograf bricht, nachdem er unbefugt ein verlassenes Gehöft am Reinischkogel betreten hat, um Fotos von diesem Lost Place zu machen, auf einer Falltüre ein und landet schwer verletzt neben einer gefesselten, verwesten Frauenleiche im Keller.

Recht bald stellt sich heraus, dass dieses Gebäude in den 1970er-Jahren als Erziehungsheim für angeblich schwererziehbare Mädchen gedient hat. Doch im Dorf will sich niemand so genau an diese Jahr erinnern.

In einem zweiten Handlungsstrang entführt uns Claudia Rossbacher in just in diese Zeit. Wir erleben anhand von ihren Tagebucheintragungen hautnah mit, wie die dreizehnjährige Gitti aus Wien in dieses Heim kommt und welchen Torturen sie und die anderen Mädchen ausgesetzt worden sind.

Meine Meinung:

Krimiautorin Claudia Rossbacher hat sich in diesem Krimi eines Themas angenommen, über das lange geschwiegen worden ist: Die Zustände in Kinderheimen und die brutalen sexuellen Übergriffe, denen die Schutzbefohlenen beiderlei Geschlechts ausgesetzt waren. Die Erziehungsmethoden, durch Gewalt, Demütigung, Einschüchterung und Erniedrigung manifestieren, wurden bis in die 1990er-Jahre praktiziert. Das Personal vom Direktor abwärts wusste von den Misshandlungen, war oft daran beteiligt und förderte sie sogar. Das Personal rekrutierte sich lange aus Personen, die bereits in NS-Kinderheimen tätig war.

Der Autorin gelingt es sehr gut die grauenhaften Zustände zu beschreiben, weshalb dieser Krimi vielleicht nicht von allen Lesern gemocht werden wird. Mit diesem Krimi gibt Claudia Rossbacher den zahlreichen Opfern dieser Erziehungsheime eine Stimme.

Die sonst übliche humorvolle Zusammenarbeit zwischen Mohr und Bergmann tritt diesmal ebenso in den Hintergrund, wie das komplizierte Privatleben der beiden Ermittler.

Die unterschwellige Drohung von Hubert, jenem ehemaligen Freund von Sandra, der für sich alle Rechte beansprucht, aber einer Partnerin diese nicht einräumt, könnte ein Hinweis auf eine weitere Fortsetzung geben.

Der Krimi lässt uns wieder in eine schöne Ecke der Steiermark eintauchen und macht Appetit, die kulinarischen Genüsse selbst auszuprobieren. Besonders im Herbst bietet die Gegend um den Reinischkogel und Stainz zahlreiche Feste.

Das Cover mit dem zerbrochenen Spiegel, in dessen herzförmig ausgesparten Zentrum das Bild eines der verrosteten Stahlrohrbetten steht, passt sehr gut zu dem bedrückenden Inhalt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der den Opfern dieser Erziehungsheime eine Stimme verleiht, 5 Sterne.

Bewertung vom 06.10.2024
Kilga, Marlene

Der Tod kommt nach Vorarlberg


ausgezeichnet

„Der Tod kommt nach Vorarlberg“ ist der 5. Teil der Reihe rund um die Abteilungsinspektorin Fleur Günther und den Chefinspektor Heinrich Finster und spielt wie die Vorgänger in und um die schöne Stadt Feldkirch.

Im Zuge der Hysterie um Bären und Wölfe sorgt eine Sichtung eines angeblichen Eisbären für gehörige Aufregung. Eisbären mitten in den Alpen? Nicht der ursprüngliche Lebensraum dieser Gattung. Aus Zoo oder Zirkus ist auch keiner abgängig.

Doch bevor Günther und ihr Kollege Schwärzler die beiden Mountainbiker, die den Eisbären gesehen haben wollen näher befragen können, werden sie zu einem Toten gerufen. Und der wird nicht der einzige bleiben, dessen Tod untersucht werden muss.

Blöderweise ist der gemeinsame Chef, Heinrich Finster, auf Kur und so muss Fleur die Ermittlungen alleine koordinieren. Zusätzlich sorgen die Gegner der sogenannten „Feldkircher Spinne“, einem geplanten unterirdischen Straßenkreuz, das für den oberirdischen Autoverkehr eine Erleichterung bringen soll, für ziemlichen Aufruhr, zumal sie von Reichsbürgern unterstützt, die jedoch ihre ganz eigenen Ziele verfolgen.

Daneben gibt es noch geheime, verdeckte Ermittlung gegen Wilderer, die für Spannungen innerhalb der Familien der Ermittler sorgt.

Meine Meinung:

Wie schon die Vorgänger habe ich auch diesen Krimi sehr gerne gelesen, zumal es wenige Krimis aus dem Ländle, also aus Vorarlberg gibt. Die Stadt Feldkirch kenne ich ganz gut und das Verkehrsaufkommen in den engen Gassen der Stadt ist schon ein echtes Problem für die Bewohner. Ob das unterirdische Tunnelsystem, das von vier Seiten, also von Tisis, Altenstadt, Tosters und der Felsenau zu einem unterirdischen Kreisel vorangetrieben wird, wirklich bis 2030 fertiggestellt werden kann. wage ich ein wenig zu bezweifeln. Jedenfalls eignet sich dieses Mega-Projekt hervorragend als Kulisse eines Krimis, ebenso wie die Diskussionen um Bär und Wolf. Da geraten andere Themen wie Wilderei oder Schmuggel ziemlich in den Hintergrund.

Der Krimi ist sehr komplex und beschäftigt sich auch mit den Verwandten der Ermittler, die mitunter eine ganz andere Einstellung zu Bären, Wölfen, Wilderei oder der Spinne haben.

Wie schon in den Vorgängern trifft man sich gerne bei Martha in der „WEIN.LESE“, einem Mix aus Buchhandlung und Weinstube.

Die zahlreichen Charaktere sind wieder sehr gut herausgearbeitet. Manche davon sind, aus unterschiedlichsten Gründen in eine Dimension abgeglitten, die selbst kaum mehr beherrschen und sie zum Spielball anderer machen.

Der Schreibstil ist gewohnt flüssig bis rasant. Nach zahlreichen, mitunter erstaunlichen Wendungen, erfährt der Leser eine schlüssige Aufklärung.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem vielschichtigen Krimi 5 Sterne.

Bewertung vom 06.10.2024
Meier, Stephan R.

Riviera Express - Schatten über Triora


gut

In seinem zweiten Fall bekommt es Commissario Tomas Gallo mit der Vergangenheit von Triora zu tun, das als Hauptstadt der Hexen gilt. Im 16. Jahrhundert hat die Inquisition rund 200 Frauen (und wenige Männer) wegen Hexerei angeklagt und hinrichten lassen. Jedes Jahr gedenkt Triora am 31. Oktober dieser Frauen mit einem opulenten historischen Fest, das als Gegenpol zum kommerziellen Halloween gedacht ist.

Doch zunächst macht sich am Vorabend diesem Spektakel eine Gruppe von Jägern auf, um Wildschweine, die Triora, das idyllische Hinterland der Blumenstadt Sanremo verwüsten, zu erlegen. Dann liegt einer erschossen im Dickicht, ein weiteres Mitglied der Gruppe fehlt. Ein typischer Jagdunfall, wie er recht häufig in der alkoholgeschwängerten Luft vorkommt? Oder vorsätzlicher Mord?

Tomas Gallo beginnt akribisch zu ermitteln. Ihm zur Seite stehen, wie schon im ersten Fall, unter anderem der ehemalige Rallye-Pilot Benzina sowie Inspettore Rubbano, das wandelnde Lexikon. Die Jäger sind ein sturer Haufen aus dem wenig herauszubekommen ist. Man verpfeift keinen aus der Gruppe.

Beinahe gleichzeitig verschwindet eine junge Frau, die sich intensiv für alte Heilpflanzen, die hier besonders gut gedeihen und bereits im Mittelalter bekannt waren, interessiert.

Während Gallo und sein Team fieberhaft ermitteln, tauchen kryptische Botschaften auf, die weitere Opfer ankündigen. Muss das Kostümspektakel abgesagt werden?

Meine Meinung:

Wie schon im ersten Band („Dynamit in der Villa Nobel“) ist auch dieser Krimi ziemlich komplex. Er bietet neben dem eigentlichen Kriminalfall auch Einblick in die Geschichte der Region, was mir sehr gut gefällt. Allerdings wird die Spannung durch zahlreiche, einige Seiten lange, in kursiver Schrift gehaltener Einschübe, unterbrochen. Diese detailreichen Intermezzi dienen als Hintergrundinformationen, die den Verdacht der Leser in zwei Richtungen lenken und zudem andeuten, wer das eigentliche Ziel der Rache sein könnte. Die hätten meiner Meinung nach gekürzt werden können - zu lang, zu ausführlich. Im Gegensatz dafür ist dann die Auflösung mit allen Drumherum in nur knapp sieben (von 336!) deutlich zu kurz geraten.

Was mir noch aufgefallen ist: Der gesamte Krimi spielt am 31. Oktober von etwa 2 Uhr nachts, als der Jäger tödlich getroffen wird, und endet am selben Abend. In den geschätzten 18-20 Stunden dazwischen werden die Jäger verhört, der flüchtige Jäger sowie die Kräutersammlerin gesucht, zahlreiche Kilometer Berg auf und Berg ab zurückgelegt, Dutzende Telefonspräche mit Pharmafirmen geführt, das Internet durchforstet und dann taucht noch Sonia, das Gspusi von Tomaso auf mit der dann Süßholz geraspelt wird. Auch der Bürgermeister, der Staatsanwalt sowie die Carabineri und Hundestaffel werden informiert bzw. angefordert und eingewiesen - und Gallo erledigt das meiste selbst. Irgendwie geht sich das meiner Meinung nach zeitlich nicht aus.

Und ja, das Rendezvous mit Sonia fällt dann auch noch aus. Das wird wohl nichts mehr werden mit den beiden.

Fazit:

Ich befürchte, das war es wohl mit mir und Tomaso Gallo, der eigentlich Tommaso Galimberti della Casa heißt und der letzte Spross einer alten Adelsfamilie ist, und zum Leidwesen seiner Mutter den bürgerlichen Beruf eines Commissario ergriffen hat. Leider wieder nur 3 Sterne.

Bewertung vom 06.10.2024
Althoff, Doris

Der mörderische Verrat am IJsselmeer


ausgezeichnet

Seit den Morden am IJsselmeer in deren Folge auch Wallis Windsbraut, die deutsche Kriminalhauptkommissarin, die eigentlich ein gemächliches Sabbatical hier in Nordholland verbringen will, zu den Verdächtigen gezählt hat, ist ein halbes Jahr vergangen. Wallis hat es sich gemütlich in ihrem Häuschen am Strand eingerichtet. Sie betreut tagsüber einen Hund aus dem Tierasyl und überlegt, diesen ganz bei sich aufzunehmen. Doch just dieser Hund führt sie einer Leiche, deren Todesursache zunächst unklar ist, und nicht der einzige Tote bleiben wird ....

Wieder gerät sie in die Ermittlungen der niederländischen Politie. Während Chief Gerritsen ihr nichts an Zeug flicken will, ist Fleur van den Berg ziemlich von der Rolle. Schon wieder mischt diese Deutsche mit ihrem Leichenwagen in einem Mordfall mit! Wieso kommt diese Windsbraut ihr, Fleur, und ihrer Karriere immer in die Quere? Fleur kann leider nicht klar denken, denn sie ist ungewollt schwanger und der Kindesvater - nun ja, das ist eine eigene Geschichte.

Meine Meinung:

Ich habe mich wieder über diesen schwarzhumorigen Krimi, in dem ein ausgedienter Leichenwagen eine tragende Rolle spielt, unterhalten gefühlt. Neben dem Leichenwagen spielt diesmal ein Hund die Hauptrolle.
Diesmal finden auch ernste Themen wie die ungeplante Schwangerschaft von Fleur van den Berg Eingang in den flotten und humorvollen Krimi.

Autorin Doris Althoff macht es spannend, was die Tätersuche betrifft. Diesmal habe auch ich ein wenig länger gebraucht, die Hinweise richtig zu deuten. Ich habe kurzfristig jemanden anders in Verdacht gehabt.

Der Schreibstil ist locker und flüssig. Jedes der fünfzig Kapitel trägt eine deutsche und niederländische Überschrift. Und überhaupt kommen zahlreiche niederländischen Redewendungen im Text vor. Das wird vielleicht den einen oder anderen Leser im Lesefluss stören. Solche Einschübe gefallen mir recht gut, machen sie doch einen Roman so richtig authentisch.

Fazit:

Auch der zweite Fall hat mich sehr gut unterhalten, wofür er 5 Sterne erhält.

Bewertung vom 04.10.2024
Pungs, Nadine

Frühling in Saudi-Arabien


sehr gut

Nadine Prungs ist unter anderem Reiseschriftstellerin und hat sich in dieser Rolle nach ihren beiden Büchern „Der verlorene Schleier“ und „Meine Reise ins Morgenwunderland“ nach Saudi-Arabien aufgemacht. Mehrere Monate ist sie alleine durch den Golfstaat gereist. Dabei hat sie vor allem die weibliche Seite des Königreichs kennengelernt. So trifft sie sich mit einer feministischen Koranlehrerin und erhält Einblick in einige Familien, die Neues mit Altem zu verbinden wissen. Interessant ist, dass sie immer wieder „weitergereicht“ wird. Eine Familie kennt eine andere interessante Familie usw.. Dabei lässt sie die Frauen selbst zu Wort kommen und das eine oder andere Mal erhält sie überraschend offene Antworten auf ihre Fragen.

Ihre Reise führt sie von der Hafenstadt Dschidda bis zur Hightech-Metropole Riad, von der antiken Schatzkammer al-’Ula bis zur heiligen Stadt Medina. Die Gegensätze könnten nicht größer sein. So trifft sie auf ein Mitglied des Königshauses und wenig später auf einen kleinen jemenitischen Jungen, der aus seiner Heimat geflohen ist. Sie taucht in die Geschichte und die politischen Verwicklungen eines Landes ein, das sich zwischen Abgeschlossenheit und Weltoffenheit, Beduinenromantik und futuristischer Städteplanung, Tinder und Todesstrafe hin und her bewegt.

Interessant sind auch die Gespräche mit Taxi-Fahrern oder Hotelangestellten, die meist Gastarbeiter oder illegale Einwanderer sind, die ihre Ausweisung befürchten müssen. Gleichzeitig träumen viele davon, ausreichend Geld zu verdienen, um ihre in Bangladesh oder Indien daheim gebliebenen Familien unterstützen zu können. Dieser Traum scheint inzwischen ein wenig verblasst zu sein, denn die Lebenshaltungskosten steigen schneller als die Löhne. Erstmals müssen auch Steuern bezahlt werden, um die vielen staatlichen Projekte zu finanzieren.

Aktuell wird das Königreich de facto von Kronprinz Mohammed bin Salman (im Allgemeinen ehrfürchtig nur MbS genannt), der seinen kranken Vater vertritt, regiert. Er hat sich die Modernisierung des Landes auf seine Fahnen geheftet. Sein liebstes Steckenpferd ist der Feminismus. So dürfen Frauen nun seit 2017 selbst Auto fahren, brauchen keinen Vormund mehr und dürfen alleine reisen. Auch wenn solches von der Regierung verordnet und gebilligt worden ist, sind diese Lockerungen noch nicht in allen Regionen und Köpfen der Menschen angekommen, weshalb bei Verstößen gegen die staatlichen Anordnungen Strafen ausgesprochen werden. Das Klima der Angst ist also beibehalten worden, nur trifft es jetzt auch Männer, die dadurch völlig verunsichert sind. Dieser staatlich verordnete Feminismus geschieht allerdings nicht aus Nächstenliebe den Frauen gegenüber, sondern hat handfeste wirtschaftliche Gründe: Man ist auf die Arbeitskraft der Frauen angewiesen.

Die bange Frage bleibt, was passiert, wenn MbS nicht mehr der mächtige Mann ist oder sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen drastisch verschlechtern?

Grundsätzlich hat mir der Blick hinter die Kulissen dieses Staates, der sich bislang Jahrzehnte einer Modernisierung verschlossen hat, recht gut gefallen. Einige ihrer Geschichten hören sich ein wenig geschönt an. So scheint sie als Frau und Ausländerin nie blöd angesprochen worden. Aber, kann man das glauben?

Fazit:

Ein interessanter Reisebericht, bei dem für mich persönlich, einiges nach 1.000 und einer Nacht klingt. Deshalb bewerte ich dieses Buch mit 4 Sternen.

Bewertung vom 02.10.2024
Mende, Claudia

Wir sind anders, als ihr denkt


ausgezeichnet

Viele Menschen aus Europa begegnen Frauen aus der arabischen Welt mit einen Gefühl des Bedauerns, des Mitleids und auch des Argwohns. Viele können sich nicht vorstellen, dass es unter diesen Frauen Absolventinnen von Universitäten, Pilotinnen, Politikerinnen und Managerinnen gibt.

„Femininismus ist keine westliche Erfindung und die Unterdrückung von Frauen ist keine arabische Spezialität.“ (Nawal al Saadawi (1931-2021), S. 33)

Dieses Sachbuch von Claudia Mende zeigt uns, dass die festgefahrenen Meinung mit denen die Frauen der arabischen Welt betrachtet werden, längst nicht mehr gültig sind. In neun Kapiteln lässt sie diese Frauen selbst zu Wort kommen. Diese Kapitel sind:

Die Anfänge: Hoda Shaarawi und der Aufbruch der Frauen
Staatsfeminismus: Frauenrecht von oben
Die Arabellion von 2011 - eine neue Etappe
Knackpunkt Familienrecht - Bastion des Patriarachts
Sexuelle Selbstbestimmung
Gewalt gegen Frauen: „Ihr müsst uns besser schützen“
Feministischer Islam
Der Westen und die Frauenrechte: Koloniale Lasten
Veränderte Lebenswelten: Frauen auf dem Vormarsch und was ist mit den Männern?

Mit dem Ausblick „Welche Zukunft für den arabischen Feminismus?“ endet dieses interessante Buch.

Als 2011 von Tunesien ausgehend, die als „Arabischer Frühling“ bezeichnete Frauenbewegung in der arabischen Welt um sich greift, glaubten viele, nun hätten es die Frauen geschafft, Bevormundung, Burka und Patriarchat hinter sich zu lassen. Doch leider sitzen nun die Autokraten wieder fest im Sattel. So manche Reform wurde stillschweigend wieder rückgängig gemacht.

Andere Regierungen wie Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) von Saudiarabien wiederum haben versucht, den Feminismus (oder was Männer darunter verstehen) „von oben herab“ zu verordnen, was auch nicht immer ganz klappt. So dürfen Frauen nun seit 2017 selbst Auto fahren, brauchen keinen Vormund mehr und dürfen alleinr reisen. Auch wenn solches von der Regierung verordnet und gebilligt worden ist, sind diese Lockerungen noch nicht in allen Regionen und Köpfen der Menschen angekommen, weshalb bei Verstößen gegen die staatlichen Anordnungen Strafen ausgesprochen werden. Das Klima der Angst ist also beibehalten worden, nur trifft es jetzt auch Männer, die dadurch völig verunsichert sind. Dieser staatlich verordnete Feminismus geschieht allerdings nicht aus Nächstenliebe den Frauen gegenüber, sondern hat handfeste wirtschaftliche Gründe: Man ist auf die Arbeitskraft der Frauen angewiesen.

Die bange Frage bleibt, was passiert, wenn MbS nicht mehr der mächtige Mann ist oder sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen drastisch verschlechtern?

Fazit:

Gerne gebe ich diesem interessanten Sachbuch über den arabischen Feminismus, das auch mir neue An- und Einsichten gewährt hat, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.