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Benutzername: 
Lunamonique
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Bremen

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Insgesamt 416 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2018
Die Liebesbriefe von Montmartre
Barreau, Nicolas

Die Liebesbriefe von Montmartre


sehr gut

Nicolas Barreau ist das Pseudonym von Autorin Daniela Thiele, der Programmleiterin des Thiele Verlags. Mit „Das Lächeln der Frauen“ gelang ihr der internationale Durchbruch. In „Die Liebesbriefe von Montmartre“ müssen Julien und sein Sohn einen schweren Schicksalsschlag verkraften.

Hélène stirbt mit 33 Jahren an Krebs. Die Trauer des Schriftstellers Julien Azoulay ist übermächtig. Er bringt kein Wort mehr zu Papier. Dabei hat er seiner Frau versprochen, ihr nach ihrem Tod 33 Briefe zu schreiben.

Im Prolog steht der Friedhof Montmartre im Vordergrund. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Julien erzählt. Die Trauer seines vierjährigen Sohnes Arthur liegt eher im Verborgenen. Julien dagegen findet nicht so schnell ins Leben zurück. Freunde, Familie und sein Verleger versuchen alles, um ihn aus seiner Lethargie zu reißen. Nur zu den Besuchen auf dem Friedhof kann sich Julien aufraffen. Bis ihn eine Begegnung nach und nach verändert. Die Themen „Abschied, Verlust und Trauer“ werden herzerwärmend umgesetzt. Juliens Schmerz lässt sich nachvollziehen. Die Geschichte hat einerseits etwas Reales, andererseits auch etwas Überzeichnetes und Kitschiges. Hélène wird mit einem Engel verglichen. Sie scheint keine Fehler gehabt zu haben. Außer ein paar Erinnerungen wird nicht viel über ihre Person und ihr Leben offenbart. Die Sprache entführt in eine andere Zeit. Für viel Atmosphäre sorgt der Handlungsort Montmartre. Die Begeisterung der Autorin schwappt auf den Leser über. Bald werden Spekulationen in Gang gesetzt. In wen verliebt sich Julien? Es entsteht die Hoffnung, dass er sich für eine bestimmte Person entscheidet. Der Verwirrspiel wirkt etwas zu inszeniert. Fehler und Begegnungen sollen in die Irre führen, aber die Auflösung lässt sich schnell erahnen. Originell ist die Idee mit den Zeichen der Liebe und wie sie ihren Adressaten erreichen. Ein weiblicher Charakter überzeugt am meisten. Von ihr entsteht am ehesten ein greifbares Bild. Juliens Begriffsstutzigkeit erscheint etwas überzogen. Auch wenn ihm die Trauer den Blick vernebelt. Gerne hätte es noch mehr Pariser Flair sein können. Der Epilog am Ende rundet die Geschichte ab und verleiht dem Prolog am Anfang mehr Sinn und Gewicht.

Titel und Cover-Szene ziehen die Blicke aufs Buch. Gelungen ist die Farbauswahl. Die Gestaltung stimmt auf eine berührende Liebesgeschichte ein. Sehr passend ist das Buchformat. Es animiert dazu, unterwegs zu lesen. „Die Liebesbriefe von Montmartre“ entführen an einen ungewöhnlichen Handlungsort und wecken Reiselust. Das Traurige rückt mit dem Auftauchen einer ganz besonderen Protagonistin in den Hintergrund.

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Bewertung vom 24.08.2018
Achtung, gruselig! / Tiergeister AG Bd.1
Iland-Olschewski, Barbara

Achtung, gruselig! / Tiergeister AG Bd.1


ausgezeichnet

„Tiergeister AG – Achtung gruselig!“ ist Band 1 der Kinderbuchreihe rund um Rauhaardackel Arik und seine Freunde. Inzwischen ist schon Band 2 „Tiergeister AG – Kaninchen-Alarm!“ von Autorin Barbara Iland-Olschewski erschienen.

Dackel Arik hat sich im Wald verlaufen und landet in einer Grube. Gottseidank tauchen nach einer Weile vier Tiere auf. Erst als Arik aus seiner misslichen Lage befreit ist, merkt er, dass mit seinen neuen Freunden etwas nicht stimmt.

Der Einstieg mit dem Dackel, der unfreiwillig ausgebüxt ist und sich nachts im Wald verlaufen hat, wirkt real. Warum findet Arik nicht zurück nach Hause? Diese Frage wird erst später beantwortet und das Ergebnis leuchtet ein. Die Geschichte hat einen traurigen Hintergrund, der aber bald vergessen ist. Zu originell sind Ariks Freunde und ihre gemeinsamen Erlebnisse. Autorin Barbara Iland-Olschewski hat sich eine phantasiereiche, ungewöhnliche und mitreißende Geschichte ausgedacht. Dank seinem Schlamassel landet Arik an einer ganz besonderen Schule und erweist sich als schlau und einfallsreich. Die Herausforderungen haben es aber auch in sich. Alles ist neu und teils auch sehr unheimlich. Außerdem gibt es gleich mehrere Probleme zu lösen. Sind Kinder wirklich gefährlich für verblichene Haustiere? Arik kann das nicht glauben. Er vermisst seine Menschenfreunde, obwohl seine neuen Kumpels alles dafür tun, damit er sich schnell einlebt. Kurze Kapitel sorgen für einen guten Lesefluss. Die kindliche Sprache ist leicht verständlich und lässt keine Hürden aufkommen. Untermalt wird die abenteuerliche Geschichte von Stefanie Jeschkes witzigen bis kuriosen Illustrationen. So entsteht eine noch bessere Vorstellung von den Hauptcharakteren. Chamäleon Plato überzeugt zusätzlich mit unterhaltsamen Ausrufen wie „Tomato Salata!“. Er ist das skurrilste Geistertier. Klar, dass bald eine Tiergeister AG gegründet wird, denn die Fünf haben so Einiges vor. Nicht immer laufen ihre Abenteuer nach Plan. Lehrerin Modesta trumpft mit einem ganz besonderen Talent auf. Viele neue Ideen lassen sich in diesem Buch finden. Die Geschichte ist rundum gelungen und hat einen hohen Unterhaltungswert. Arik und Co bieten viel Potential für weitere Bände.

Das Cover zeigt Arik, der sich im dunklen Wald gruselt. Die Tiere in seinem Schatten unterstreichen den Humor. Aufmerksamkeit erregt auch der Titel. Eine tolle, kreative Gestaltung! „Tiergeister AG – Achtung gruselig!“ spricht Mädchen und Jungs ab 8 Jahren an. Arik teilt die Angst mit vielen Kindern vor einem dunklen Wald. Das Thema wird außergewöhnlich und sehr humorvoll umgesetzt. Im günstigsten Fall kann das Buch auch ein bisschen über den Verlust eines Haustiers hinweg trösten. Vielleicht ist es wie Arik in der Geisterklasse gelandet und erlebt viele neue, wundersame Abenteuer.

Bewertung vom 22.08.2018
Vier Tage in Kabul / Amanda Lund Bd.1
Tell, Anna

Vier Tage in Kabul / Amanda Lund Bd.1


ausgezeichnet

„Vier Tage in Kabul“ bildet den Auftakt zur Anna Lund-Thrillerreihe von Anna Tell. Ein undurchsichtiger Fall bereitet der Unterhändlerin Kopfzerbrechen.

Die schwedische Kriminalkommissarin Anna Lund soll in Afghanistan eine internationale Einsatztruppe aufbauen. In Kabul verschwinden zwei schwedische Diplomaten spurlos. Eine Entführung wird vermutet. Verhandlungsspezialistin Anna übernimmt die Ermittlungen vor Ort. Die Zeit drängt.

Der direkte Einstieg mit dem Einsatz gegen die Rebellen ist gelungen. Obwohl Anna nicht am Kampfgeschehen teilnehmen soll, ist sie mittendrin. Kurze Kapitel sorgen für einen guten Lesefluss. Undurchsichtig wird es mit einem Mord und dem rätselhaften Vermissten-Fall. Anna begibt sich in brenzlige Situationen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die dringende Geheimhaltung macht sie misstrauisch. Steckt mehr hinter den Ereignissen? Erst nach und nach setzen sich die Puzzleteile zusammen. Das Tempo bleibt auf einem guten Niveau. Anna ist eine interessante Hauptfigur. Ihr Mut, Gerechtigkeitssinn und ihre Kombinationsgabe beeindrucken. Weil auch kleine Schwächen offenbart werden, wirkt sie nicht wie ein Übermensch. Persönliches bleibt Randgeschehen und nimmt nicht zu viel Raum ein. Der Plot ist gut gestrickt. Das anfangs Unübersichtliche lässt alle Möglichkeiten zu. Die Vier-Tage-Einteilung des Thrillers unterstreicht den Zeitdruck, der auf Anna und ihrem Team lastet. Wer treibt ein falsches Spiel? Bald überschlagen sich die Ereignisse. Die Gefahren in Afghanistan werden greifbar. An jeder Straßenecke kann der Tod lauern. Kurze Einblicke in andere Perspektiven erhöhen die Spannung. Die Geschichte wirkt sehr real. Unterschiedliche Interessen treffen aufeinander. Wem kann Anna trauen? Der Thriller reißt mit und hat ein paar Überraschungen parat. Eine Auflösung zum Schluss wird effektvoll in Szene gesetzt. Allein der Ausklang ist nicht so gelungen. Ein zu kurz geratener Epilog, der keine große Wirkung hat, setzt unter einen packenden Thriller einen fast belanglosen, schon erahnten Schlusspunkt. Sehr schade. Hier wäre mehr drin gewesen.

Das Cover hebt sich von der Masse ab, ist kreativ und erregt Aufmerksamkeit. Es passt sehr gut zum Thriller mit einem ungewöhnlichen Handlungsort. „Vier Tage in Kabul“ erfüllt alle Erwartungen und weckt das Interesse an den Folgebänden. Anna und ihr Chef Bill bleiben im Gedächtnis. Eine Thrillerreihe die packende Storys mit real wirkenden Hintergründen garantiert.

Bewertung vom 28.07.2018
Guten Morgen, Genosse Elefant
Wilson, Christopher

Guten Morgen, Genosse Elefant


sehr gut

In „Guten Morgen, Genosse Elefant“ von Autor Christopher Wilson gerät der zwölfjährige Juri Romanowitsch Zipit in eine gefährliche Lage, die ihm jederzeit das Leben kosten könnte.

Juris Vater Zoo-Veterinär Professor Roman Romanowitsch Zipit soll im geheimen Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit einen Genossen behandeln. Generalsekretär Josef Petrowitsch findet Gefallen am Jungen mit dem freundlichen Gesicht und erklärt ihn zu seinem Lieblingstrottel. Jederzeit können die Launen des Mannes aus Stahl Juris Tod bedeuten.

„Papa sagt, mein Aussehen ist ein Betrüger, ein schamloser Lügner. Er sagt, dass ich – auch wenn ich in vieler Hinsicht ein gutes Kind bin, sehr freundlich – halb so gut bin, wie mein Gesicht es andeutet.“ Fremde Menschen vertrauen Juri persönliche, geheime und unnötige Sachen an. Autor Christopher Wilson hat sich eine besondere Hauptfigur ausgedacht. Durch einen Unfall ist Juri langsam und vergesslich, in Spielen wie Dame aber ein Ass. Mit seiner ehrlichen, direkten Art und allerlei neugierigen Fragen geht er ohne Hemmungen auf Menschen zu. Er wird unterschätzt, als Trottel hingestellt. Andererseits kann er nur mit einem Lächeln unbewusst Dinge aus Fremden herauskitzeln, die sie niemandem erzählen wollten. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Juri erzählt. Er spricht den Leser auch mal persönlich an. Mit seinem Vater Roman lebt Juri in einer Personalwohnung im Hauptstadtzoo. 1954 in der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken sind alle der Willkür der Staatssicherheit ausgeliefert. Mit dem Geheimauftrag für Roman beginnt die Ungewissheit. Bald ist Juri auf sich allein gestellt. Was mit seinem Vater passiert ist, bleibt Zeit offen. Der Fokus liegt über lange Strecken des Romans auf den Dialogen zwischen Generalsekretär Josef Petrowitsch und Juri. Die Mächtigen, ihre Ansichten, Ängste, Strategien und Verschwörungen werden auf die Schippe genommen. Wer ist der Schlimmste von allen? Es scheint keinen Ausweg für Juri zu geben. Er wird zum Spielball des Generalsekretärs und der Geschehnisse. Autor Christopher Wilson erzählt Juris Geschichte herrlich schräg und humorvoll. Der Machtwahnsinn funktioniert auch als Seitenhieb auf aktuelle Politiker. Originelle Details, wie die politischen Regeln beim Dame-Spiel, lockern die Satire auf. Ein bisschen langatmig wirken zeitweise die Gespräche. „Man weiß nie, was Menschen widerfährt – sie können verschwinden, sich verdoppeln oder ungeschehen gemacht werden.“ Eine wirklich unglaubliche Geschichte, die Juris bröckelnde Naivität in Szene setzt. Er durchschaut viel mehr, als Andere denken. Ende und Ausklang sind gut gelungen.

Mit wenigen Mitteln erregt das kreative Cover Aufmerksamkeit. Details und Titel ziehen die Blicke aufs Buch. Machtspiele, Intrigen, Verfolgungswahn, „Guten Morgen, Genosse Elefant“ nimmt mit schwarzem Humor Stalin und Konsorten aufs Korn. Die wenigen Längen des Romans verzeiht man gerne.

Bewertung vom 20.07.2018
Opfer
Lemaître, Pierre

Opfer


ausgezeichnet

Für seinen Roman „Au revoir là-haut“ („Wir sehen uns dort oben“) wurde Schriftsteller und Drehbuchautor Pierre Lemaitre 2013 mit dem bedeutendsten französischen Literaturpreis „Prix Goncourt“ ausgezeichnet. In „Opfer“ entscheiden Sekunden über Leben und Tod.

Anne Forestier ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten. Mit unglaublicher Brutalität geht besonders einer der Täter vor. Für Lebensgefährte Kommissar Camille Verhoeven ist der Raubüberfall, bei dem Anne zum Opfer wurde, zur persönlichen Sache geworden. Denn Anne ist als Zeugin immer noch in Gefahr.

Statt in Kapitel ist der Roman in Tage eingeteilt. Stundenangaben kennzeichnen die Geschehnisse. Ungewöhnlich ist der Erzählstil, ein allwissender Beobachter mit Galgenhumor, der auch mal den Leser persönlich anspricht. Zu Anfang entsteht der Eindruck eines drohenden Amoklaufs. Tatsächlich handelt es sich um einen Raubüberfall, der aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses eskaliert. Das Grauen für alle Beteiligten nimmt seinen Lauf. Besonders hervorgehoben wird die Brutalität eines Täters. Er ist besessen von dem Gedanken, Anne zu ermorden. Obwohl der Erzählstil zeitweise seltsam nüchtern erscheint, ist es die Sprache, die für Eindringlichkeit sorgt. Camilles Entsetzen, Verzweiflung und Wut nach dem Tatgeschehen wird greifbar. Bald wechselt die Perspektive vom Beobachter-Erzähler immer wieder zur Ich-Perspektive des Täters. Seine Intelligenz, Zielstrebigkeit und kaltblütige Planung ist beängstigend. Die Spannung bleibt auf einem hohen Niveau. Niemand weiß, dass Camille in den Fall persönlich involviert ist. Er kann also nicht jede Information weitergeben, was ihn mehr als einmal in einen Zwiespalt bringt. Kann er Anne im Alleingang retten? Sein Gegner scheint immer einen Schritt voraus zu sein. Nach und nach entpuppt sich der Thriller als undurchsichtiges Verwirrspiel. Was ist das Ziel der Jagd? Der Plot ist raffiniert gestrickt. Der Leser tappt lange Zeit im Dunkeln. Spekulationen laufen ins Leere. Durch die lauernde Gefahr sind bei allen Beteiligten die Nerven zum Zerreißen gespannt. Wer ist am Ende Gewinner, wer Verlierer? Nichts scheint sicher. Abgründe, Manöver und Strategien, ein Pageturner der Extraklasse, filmreif inszeniert.

Das Cover ist Understatement pur, passt aber zum Inhalt. Detail, Titel und Autorenname ziehen die Blicke aufs Buch. Wer einmal einen Thriller von Autor Pierre Lemaitre gelesen hat will mehr davon. Er spielt in einer eigenen Liga. „Opfer“ bietet originelle, spannungsgeladene und beste Thriller-Unterhaltung. Kaum noch zu toppen.

Bewertung vom 12.07.2018
Liebe zukünftige Lieblingsfrau
Pantelouris, Michalis

Liebe zukünftige Lieblingsfrau


gut

„Liebe zukünftige Lieblingsfrau“ von Autor Michalis Pantelouris ist das Hörbuch zur wöchentlichen Kolumne im SZ-Magazin, die sich als Überraschungserfolg entpuppte.

Trennung nach 10 Jahren Ehe. Zwei Töchter, die nur alle zwei Wochen bei ihm wohnen. Die Lebensveränderung, daraus resultierenden Herausforderungen und Suche nach der Frau fürs Leben verarbeitet Michalis Pantelouris in seiner Kolumne „Liebe zukünftige Lieblingsfrau.“

Autor Michalis Pantelouris erzählt seine Geschichte von Trennung, Neuanfang und Frauenbekanntschaften schonungslos ehrlich. Der Schlussstrich ist schwer zu akzeptieren, erinnert doch vieles an eine glückliche Familienzeit. Seine Töchter nennt er liebevoll Nr.1 und Nr.2, um sie zu schützen. Denn Michalis gibt viel Persönliches preis und eine Grenze muss sein. Als Hörbuch kommen seine Erlebnisse nicht ganz so unterhaltsam rüber. Auch der Humor ist rar gesät. Kater Willy Brandt mit seiner eigensinnigen Art stiehlt der Hauptfigur fast die Show. Trauer, Einsamkeit, Verzweiflung, der Fall ins Bodenlose muss aufgehalten werden. „Ich werde das überleben, und ich werde glücklich sein.“ Das Alltägliche und der Datingmarkt haben so manche Stolpersteine parat. Sympathisch machen den freiberuflichen Autor seine Unsicherheiten und Schreibschwierigkeiten. Der verdammte erste Satz für die Kolumne will ihm einfach nicht einfallen. Umso überraschter ist der über 40jährige „mächtige Herrscher von gar nichts“ von dem durchschlagenden Erfolg. Plötzlich hagelt es Heiratsanträge, dabei hat er schon mit drei Frauenbekanntschaften reichlich zu tun und muss herausfinden, wer denn nun seine zukünftige Lieblingsfrau ist. Der Helfersyndrom kommt nicht nur bei den Kolumnenleserinnen auf. Es gibt nicht viele Romantiker wie Michalis Pantelouris, die ihrer zukünftiger Traumfrau in Briefen so schön und verführerisch die zukünftige Zweisamkeit schildern können. Ein Mann, der sich Gedanken macht und zwar auch über die Wünsche der Frau an seiner Seite. Seine Stimme klingt warmherzig, passend zu Herzensangelegenheiten. Wie geht es am Ende aus? Nicht jede Frage wird beantwortet.

Auf dem Cover wirkt Michalis Pantelouris etwas verschämt. Er ist der öffentlichste Romantiker Hamburgs. „Liebe zukünftige Lieblingsfrau“ könnte Männer dazu anzustacheln, ihre romantische Seite zu zeigen. Frauen erliegen eher dem Charme des Autors. Das Hörbuch bietet kein mitreißendes, turbulentes Abenteuer, aber dafür einen offenen Einblick in die Männerwelt nach einer Trennung. Auch nicht zu verachten.

Bewertung vom 11.07.2018
Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren
Benjamin, Ali

Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren


ausgezeichnet

„Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren“ ist das Erfolgsdebüt von Autorin Ali Benjamin. Der Jugendroman wurde für den National Book Award nominiert und wird verfilmt. Ein Schicksalsschlag bringt Suzy an ihre Grenzen.

Suzys ehemalige beste Freundin Fanny ist ertrunken, obwohl sie eine sehr gute Schwimmerin war. Was kann ihr zum Verhängnis geworden sein? Suzy sucht nach einer Antwort. Bei ihren Recherchen stößt sie auf etwas, das alles erklären könnte.

Mit „Geisterherz“ ist ein berührender Einstieg in eine aufwühlende Geschichte gelungen. Die Qualle dient in diesem Roman als Metapher. Es geht um Verlust, Trauer, Abschied, um ein Herz, das aufhört zu schlagen. Suzy erzählt von ihrer Freundschaft mit Fanny und wie sich alles verändert hat. Die persönliche Ansprache an die Freundin und Ich-Perspektive lassen viel Nähe zur Hauptfigur zu. Suzys Gefühle werden greifbar. „In den ersten drei Wochen der siebten Klasse habe ich vor allem eines gelernt: Ein Mensch kann unsichtbar werden, indem er einfach schweigt.“ Nichtsprechen ist für das zwölfjährige Mädchen die Lösung, um mit etwas Unfassbaren fertig zu werden. Ein harter Kontrast zum Dauersprechen mit Fanny. Suzys Erinnerungen lassen glückliche Freundschaftszeiten wieder aufleben. Kurze Kapitel sorgen für einen guten Lesefluss und untermalen die Intensität der Geschichte. Suzy ist in der Schule eine Außenseiterin. Autorin Ali Benjamin erzählt auf bewegende Weise, wie die Kluft zwischen Suzy und Fanny immer größer wird. Einsamkeit, Verzweiflung, das Thema „Mobbing“ nimmt immer mehr Raum ein. Intelligent, neugierig, liebenswert, wissbegierig, es fällt leicht mit Suzy mitzufühlen und mit ihr die Welt nicht mehr zu verstehen. Suzy entwickelt einen Plan, wie sie alle zur Einsicht bringen kann. Andersartigkeit ist etwas Besonderes, nicht die einzige Botschaft dieser Geschichte. Der Lehrreiche wird nie so unterstrichen, dass es wie ein erhobener Zeigefinger daherkommt. Im Gegenteil, der Fokus liegt auf der Hauptfigur und ihren Erlebnissen. Suzy legt sich eine These zu Fannys Ertrinkungstod zurecht, die ihr Trost und Halt bietet. Mit einer Deadline steigt die Spannung. Alles scheint möglich. Das letzte Buchdrittel rührt zu Tränen. Suzys Abenteuer reißt mit. Warmherzig und eindringlich erzählt. Das Thema „Verlust“ und Suzys Gefühlswelt werden auf originelle Weise in Szene gesetzt.

Das kreativ gestaltete Cover stimmt auf eine phantasiereiche Hauptfigur ein. Der Titel erregt zusätzlich Aufmerksamkeit. „Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren“ ist für Teenager ab 12 Jahren gedacht und hilft jung und alt mit einem harten Schicksalsschlag umzugehen. Ein sehr empfehlenswerter Roman für alle, die realitätsnahe, bewegende und originelle Geschichten lieben.

Bewertung vom 04.07.2018
Wähle den Tod
Herrmann, Jutta Maria

Wähle den Tod


weniger gut

Nach „Hotline“, „Schuld“ und „Amnesia“ ist „Wähle den Tod“ der neueste Thriller von Autorin Jutta Maria Hermann. Jana wird von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Jana Langenfeld lebt mit ihrem Ehemann Hannes, Tochter Kim, Sohn Max und Hund Bennie außerhalb Berlins. Als sie eines morgens im Garten eine schreckliche Entdeckung macht, kehrt die Angst zurück. Will ihr jemand drohen? Jana hat ihre Vergangenheit verheimlicht und kann sich niemandem anvertrauen.

Der Einstieg in die Geschichte mit „Davor“ hat Intensität. Fragen kommen auf. Das Undurchsichtige fesselt. „Dein Werk, denke ich, und völlig unpassend steigt ein Kichern in mir hoch. Jetzt hast du auch sie auf dem Gewissen.“ Leider ist von der gelungenen Inszenierung am Anfang, atmosphärisch starken Sprache, bald nichts mehr zu spüren. So mancher Dialog wirkt hölzern. Es fehlt dem Erzählstil an eigener Note. Jana verstrickt sich in Lügen und Ausflüchten, statt die Wahrheit zu sagen. Tochter Kim begibt sich in eine gefährliche Situation. Das Ausmaß an Naivität und Risikobereitschaft ist nicht nachvollziehbar. 14 Jährige sind heute taffer und durchschauen mehr. Jana hat nicht nur ein Geheimnis. Vieles wirkt zu abgedroschen. Die Charaktere bleiben zu blass. Ihnen fehlt es an Persönlichkeit, besonderen Merkmalen und Eigenheiten. Die kurzen Kapitel sorgen für einen guten Lesefluss. Die Bedrohung für Jana und ihre Familie steigt. Mancher Hinweis lässt Fragen aufkommen. Vieles ist zu vorhersehbar. Auch die Überraschungseffekte sind nicht mehr so gelungen inszeniert. Es wird zu viel erklärt. Wiederholungen bei emotionalen Beschreibungen bremsen die Geschichte aus. Hat der Plot noch anfangs überzeugt, fehlt es immer mehr an Raffinesse. Selbst die Auflösung erfüllt nicht die zu Beginn des Thrillers hochgeschnellten Erwartungen. Das Tempo nimmt im entscheidenden Moment zu stark ab. Langatmiges Reden statt Taten. Ein entscheidender Dialog wirkt viel zu unecht. Es wird sich zu sehr an Klischees bedient. Einige Handlungen sind nicht nachzuvollziehen. Auch der Schluss überzeugt nicht. Aus ein paar guten Ansätzen wurde nicht das Psychothriller-Potential herausgeholt.

Das Cover erregt mit wenigen Mitteln Aufmerksamkeit. Der Titel weckt die Neugierde. „Wähle den Tod“ kann nicht mit anderen Thrillern mithalten. Oft lässt sich erahnen, was als Nächstes passiert. Es hapert über lange Strecken an der notwendigen packenden Atmosphäre. Trotzdem sind Bruchstücke einer guten Basis erkennbar. Die eine oder andere Idee hätte zünden können, wenn die Umsetzung eindringlicher gewesen wäre und der Fokus auf fesselnde Szenen, Tempo, effektvolle Überraschungen und gegensätzliche und mitreißende Protagonisten wesentlich verstärkt worden wäre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2018
Als die Tage nach Zimt schmeckten
Bijan, Donia

Als die Tage nach Zimt schmeckten


ausgezeichnet

„Als die Tage nach Zimt schmeckten“ ist der Debütroman von Köchin und Autorin Donia Bijan. Zod wünscht sich nichts sehnlicher als seine Tochter wiederzusehen.

Nach 30 Jahren kehrt Noor zurück nach Teheran. Der 75jährige Zod hat seine Enkelin Lily noch nie kennengelernt. Die 15jährige ist entsetzt über die Reise und macht es der Familie mit ihrer Teenager-Sturheit nicht gerade leicht. Für sie ist Teheran ein fremdes Land, viel zu weit entfernt von Zuhause.

Der Prolog mit dem ungeduldig auf einen Brief von seiner Tochter wartenden Zod ist ein gelungener Einstieg in die warmherzige Geschichte. Zwei Welten treffen aufeinander, Amerika und Teheran. Autorin Donia Bijan lässt die Atmosphäre in Zods Heimat anhand von Gerüchen und Speisen aufleben. Zods Sehnsucht nach seiner Familie und seine tiefe Liebe zu Teheran, seinem Café Leila und den Menschen, die dort ein- und ausgehen, wird greifbar. Zod ist die eigentliche Hauptfigur. Sein Leben und sein Schicksal berühren. Mit dem Rückblick 1961 in Paris kommen Wahrheiten und Geheimnisse zu Tage. Eine schockierende Wende macht betroffen. Ungerechtigkeiten, Schrecken und Grausamkeiten, die dunklen Seiten von Zods Heimat sind schwer zu begreifen. Wie im Leben und Land verändert sich auch die Geschichte. Nichts scheint mehr vorhersehbar. Jeder Charakter könnte im nächsten Moment am Abgrund taumeln. Trotzdem schwappt die Liebe zum ursprünglichen Iran auf den Leser über. Das Café Leila wird zum Synonym für Heimat, Familie, Zusammenhalt, Schutz und Sicherheit. Ist es möglich, die zwei Welten Amerika und Iran miteinander zu verbinden? Welche Heimat zählt am Ende? Interessant ist die Entwicklung des Charakters Lily und ihre immer deutlicher werdende Persönlichkeit. Auch Unikat Naneh Goli entpuppt sich als zentrale Figur. Herzerwärmend ist Karim mit seiner hilfreichen Art und besonderen Sehnsucht. Jeder braucht den anderen auf seine Weise. Sprachbarrieren werden überwunden, Zuneigungen entstehen. Mehr und mehr entwickelt der Roman eine unglaubliche Intensität. Mitfiebern fällt leicht. Ungeahnte Gefahren lauern. Die Spannung steigt. Alles kann passieren. Gefühle bestimmen Entscheidungen. Das letzte Buchdrittel wird zur Achterbahnfahrt. Ein kluger Plot mit Überraschungen und einem gelungenen Ende.

Das Cover beeindruckt mit einer besonderen Atmosphäre, die durch Szene und Farben ausgelöst wird. Der Titel klingt nur im ersten Moment kitschig und gibt einen Hinweis auf die Geschichte. „Als die Tage nach Zimt schmeckten“ ist ein beeindruckendes Debüt, das seine eigentliche Kraft mit dem Aufenthalt in Teheran nach und nach entfaltet. Unvorhersehbar, fesselnd, erschütternd. Ein sehr empfehlenswertes Buch.