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easymarkt3
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Insgesamt 866 Bewertungen
Bewertung vom 27.03.2024
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren (ungekürzt) (MP3-Download)


sehr gut

Ein interessantes Porträt dreier Menschen
Das Cover zeigt drei in sich gekehrte, dösende, müde Personen als Gemälde – ein Mann und zwei Frauen, eindeutig auf den Buchinhalt passend hinweisend. Dieser leicht erotische Roman spielt in Leipzig und Hamburg, spiegelt das damalige Familienleben in Ost- und Westdeutschland wieder. Die drei Hauptfiguren werden in ihrer charakterlichen Eigenart gut porträtiert: Lukas Rademacher aus Hamburg, Maler – Eva, seine Ehefrau aus Leipzig, Gymnasiallehrerin und Jette aus Hamburg, Single, arbeitet in Leipzig in einer Videothek mit Café. Alle drei sind um die 40 Jahre, suchen nach langer Ehe mit zwei Kindern bzw. kinderlosem Singleleben neue Impulse im sehr privaten Bereich. Viele Momentaufnahmen im Leben dieser Personen spiegeln starke, tiefgehende Sehnsüchte wieder, die entweder im Laufe der Jahre bisher unerfüllt geblieben bzw. in der langjährigen Ehe leider verloren gegangen sind – vielleicht auch durch den Familienzuwachs, durch die noch kleinen Kinder Ada und Leo. Das Alltagsleben mit seinen Routinen wird realistisch mit passenden Bildern gut beschrieben ebenso wie die jeweiligen Kindheitserinnerungen in Ost- bzw. Westdeutschland mit Eltern und Geschwistern. In einigen Sequenzen erkennt sich der Leser vielleicht wieder mit seinen Sehnsüchten nach Veränderung oder doch auch nach der bisheriger schönen Vertrautheit im Zusammenleben, die hier schließlich in einem neuen Arrangement aus drei Lebenskrisen erwächst. Dieses Beziehungsdreieck ist sprachlich einfühlsam mit klarem, rotem Faden aufgebaut. Ein Roman zum Nachdenken!

Bewertung vom 25.03.2024
Sozio, Astrid

Der rechte Pfad


sehr gut

Sektentum, Fremdenfeindlichkeit, Schuldgefühle – schwere Kost!
Den Buchtitel könnte man verschiedentlich interpretieren:
• Rechtes Gedankengut auf den Gemeindesitzungen – ein düsterer Pfad
• Im Wald den rechten Pfad nach Hause zu finden, auch im Dunkeln
• Den richtigen Pfad zu Gott, zu Jesus zu finden bei all diesen Heimlichkeiten, strikten Reglements auch in sexueller Hinsicht
Das Cover passt ideal zum Buchinhalt. Im Kern spielen sich in dörflicher Umgebung in einer weltabgewandten Brüdergemeinde familiäre Geschichten ab, die aus den Erinnerungen der nun 40 Jahre alten Hauptperson Benjamin Weißdorn, kurz Benni - der Blödmann, gespeist werden. In zwei Zeitebenen, die nicht klar voneinander gekennzeichnet sind, werden die in der religiösen Dorfgemeinschaft verbotene Homosexualität, erste sexuelle und traumatische Kindheitserinnerungen und tiefe Freundschaft behandelt. Dialoge sind im Dialekt des Niederrheins gehalten und verstärken authentisch das allgemeine Miteinander. Anfängliche Andeutungen werden im weiteren Verlauf aufgeklärt, als Unfall werden nach scheinbar eigener Rechtsprechung häusliche Gewalt und vorsätzlich gelegter Brand eingestuft. Die Charaktere sind krass in ihrer Eigenwilligkeit, meist unsympathisch wie der Vater, oft kurios wie die Haushälterin Frau Gothel, einsam mit ihren persönlichen Problemen und dort verloren wie Hana, Lea, Gideon, Simon, Luis, Benni etc. Die angehängte Playlist bildet manche Kapitelüberschrift. Diese Erzählung über eine derart reglementierte Gemeinschaft wirkt sehr authentisch.

Bewertung vom 23.03.2024
Granados, Marlowe

Happy Hour


gut

Vielleicht ein Roman für die jüngere Generation.
Das Buch Happy Hour beinhaltet Tagebucheinträge vom 14. Mai bis 07. September. Zwei Hauptfiguren, Isa Epley und Gala Novak, beide 21 Jahre alt, wechseln von London nach New York, Brooklyn, schlagen sich mühsam in der neuen Stadt durch. Je dubioser die Jobs werden, umso öfter steht die Frage im Raum, welchen Preis sie in diesem scheinbar glitzernden Leben voller Parties, Restaurants-Besuchen und Netzwerken zahlen. Das nackte Überleben ohne Arbeitserlaubnis, zeitlich begrenzter Aufenthaltserlaubnis, ohne Geld und einigen zuverlässigen Freunden gestaltet sich deren Leben überhaupt nicht einfach. In Kontakt zu reichen Männern bleiben sie, weil sie so ein entspanntes Verhältnis zum Geld haben. Als attraktive Partygirls oder Ladies of Leisure erleben sie zusammen mit Aristokraten, Berühmtheiten aus künstlerischen Branchen Events verschiedenster Art, aber auch dass ihre Bemühungen um nachhaltige Sozialkontakte auch zu Bruchstellen in ihre spezielle Freundschaft bringen können. So durchwandern die jungen Damen auch schamvoll verschiedene Milieus in dieser teils hohlen Klassengesellschaft. Sie machen sich nicht vor, sie wären auf der Suche nach der wahren Liebe. Die Erinnerung an den Geburtstag ihrer Mutter und ihre Trauerbewältigung nah deren frühem Tod durch Krebs hält Isa im Tagebuch fest. Die unterschiedlichen Charaktere von beiden Hauptfiguren ist klar umrissen. Der Schreibstil ist zwar witzig und teils originell, aber das beschriebene Ambiente des täglichen Überlebenskampfes in glitzernden New York mag manchen Leser abschrecken.

Bewertung vom 22.03.2024
Léost, Claire

Der Sommer, in dem alles begann


sehr gut

Drei Lebenswege, die sich kreuzen
Das Cover zeigt den Blick aus dem belaubten Wald heraus auf einen See mit einer jungen Frau dunkel im Gegenlicht des Abendhimmels – eine passende Szenerie zum felsigen Finistère in Frankreich. Der Roman umfasst den Zeitraum von 1940 bis 2005 und spielt sich in Paris und Bois d’en Haut ab. Thematisiert wird das friedliche Dorfleben, gestört durch deutsche Soldaten im 2. Weltkrieg bis 1944, gefolgt von übertriebenen Aktionen einiger Widerstandskämpfer im Dorf mit Betonung ihrer eigenen bretonischen Sprachwurzeln. Biographisch wird das Leben dreier Frauen aus drei Generationen beleuchtet, im Wechsel an diesen zwei Orten, geprägt durch starke Vorurteile, Hass, Lügen und Angst sowohl bei Parisern gegenüber Bretonen und umgekehrt. Figuren wie die Kräuterfrau, diese Druidin im Roman, lassen die Erinnerung an Obelix und Asterix erwachen. Beschrieben wird hier die Entscheidung für Bildung. Diesen Frauen wird dadurch ein selbstbestimmtes, sinnvolles Leben trotz aller menschlichen Schicksalsschläge ermöglicht und so einen großen Schritt raus aus ihrem kleingeistigen Dorf voller Ressentiments und Reglements wagen zu können. Die Wurzeln der bretonischen Geschichte mit seinen Legenden und Märchengestalten werden tangiert wie auch die Naturschönheiten. Die verschiedenen Lebenswege dieser drei charakterlich unterschiedlichen Frauen sind bis zum Schluss harmonisch bis tragisch miteinander verwoben. Der Schreibstil gefällt.

Bewertung vom 21.03.2024
Neumann, Constanze

Das Jahr ohne Sommer


gut

Die schwierige Suche nach einer neuen Heimat
Das Cover zeigt eine schaukelnde junge Frau mit losem längerem Haar vor einer Häuserreihe im fernen Hintergrund. Das Bild wirkt befreiend bei so viel Schwung im grauen Alltag in Moll. Oberflächlich betrachtet geht es in diesem Roman um das Weggehen aus Leipzig, DDR und das Ankommen in Aachen, BRD. Doch die Lebensgeschichte der Autorin ab 1977 spiegelt eine Zerrissenheit wieder. Das detailliert beschriebene Familienleben in Leipzig beginnt mit der Dreijährigen und ihren veränderten Lebensbedingungen durch die missglückte Flucht der im Gefängnis einsitzenden Eltern. Kurz vor ihrer Einschulung in Aachen mit sechs Jahren glückt endlich die Familienzusammenführung, die Jobsuche des Vaters, die Wohnungssuche etc. – eigentlich ein äußerlich geglückter Neuanfang im Westen. Die Schulzeit bis ins Teenie-Alter und auch die vielen Urlaube besonders mit und ohne die Leipziger Großmutter nehmen viel Raum ein neben gesellschaftlichen Detail wie z.B. zum Quelle-Katalog, Bertelsmann-Buchclub und gängigen Kaufhäusern dieser Zeit. Die politischen Veränderungen zwischen der DDR und BRD zeichnen ein Bild von angstvoller Erinnerung besonders beim Vater. Das allgemeine Festhalten der Eltern an den alten DDR-Kontakten zeugt von Heimweh und weiterhin bestehender innerer Entwurzelung in der BRD. Das oft negative Umdenken der Gesamtbevölkerung nach dem Mauerfall ist realistisch geschildert. Mit dem Auszug aus dem Elternhaus macht sich bei der Autorin als Erwachsene eine Depression im Roman breit, eine Leere und innerer Zerrissenheit bis zum lückenhaften Epilog mit etwas diffusen Schilderungen von Krankenhausaufenthalten, auf den sich vielleicht der Buchtitel bezieht. Der an sich nüchterne Schreibstil gibt besonders bei den Zugfahrten vor den Grenzkontrollen der DDR die jeweilige angsterfüllte Situation wieder, wirkt aber ansonsten distanziert. In beide Welten in Leipzig und Aachen konnte die Autorin schlüpfen, doch sie konnte sie nicht für sich zusammenfügen.

Bewertung vom 19.03.2024
Santos de Lima, Gabriella

That Girl


gut

Für junge Erwachsene
Das Cover zeigt in fünfzehn gleich großen, farblich verschieden unterlegten Quadraten je einen Großbuchstaben des Buchtitels, sowie eine aufgeschnittene Avocado, einen Café Latte und das gemalte Porträt einer jungen Frau, vielleicht das der Hauptfigur namens Tess Raabe, 25 Jahre alt. Dieses Buch über Männer, Tinder Dating voller Hoffnungen beschreibt Bewältigungsstrategien und Routinen wie z.B. Yogaeinheiten oder das Führen von Dankbarkeitstagebüchern nach Enttäuschungen mit viel Offenheit und Ehrlichkeit, besonders wenn es nur um das Äußerliche und Sex, fast nie ums Innerliche in einer liebevollen Beziehung geht. That Girl wie Tess – dieses Vorbild – wird durch ihre verschiedenen Freundinnen in ihrer Selbstfindung und Selbstliebe überzeugend aufgefangen. Dieser Blick hinter den Vorhang der Selbstinszenierung auf Social-Media-Plattformen ist ernüchternd hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes. Dieses aktuelle Thema der heuchlerischen digitalen Selbstdarstellung als erfolgreiche Influencerin spricht sicher die jüngere Generation an. Allein schon das verarbeitete Vokabular wie Body Positivity, Self-Care-Culture, Diet Culture, Social-Media-Stalking oder Körpergefühl deutet darauf hin. Die literarische Abrechnung im letzten Teil verleiht dem eher depressiv gefärbten Roman mehr Tiefe durch Appelle zum Kampf gegen weibliche Minderwertigkeitskomplexe und deren Schönheitswahn. Zu empfehlen für junge Leser:innen.

Bewertung vom 18.03.2024
Heiland, Julie

Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt


sehr gut

Dresden rund um die zerstörte Frauenkirche
Das Leben von Lotte Spatz ab 1939 in Dresden steht zunächst im Zentrum des historischen Romans, bis sie sich als Trümmerfrau ab 1947 in der total zerstörten Stadt notdürftig einrichtet. In den Beschreibungen ihres mühseligen Alltags eingewoben sind ihre Bemühungen um ihre zwei geliebten Männer Leo und Jakob Sternlieb, beides Juden. Thematisiert werden in der ersten Romanhälfte die Machenschaften zweier Diktaturen, nämlich der Naziterror und das DDR-Regime, beide brutal verknüpft mit antisemitischen Kampagnen. Im weiteren Verlauf kommt mit Hannah, Lotte´s Enkelin, eine weitere Erzählebene hinzu. Ab 1993 hilft sie über mehrere Jahre beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche als Denkmalpflegerin mit. Hier finden sich schließlich nicht nur drei Generationen von Frauen einer Familie vereint wieder, sondern nach mehr als fünfzig Jahren auch Lotte´s große Liebe, Jakob Sternlieb. Die Figur von Hanna´s Mutter Marlene Spatz, die Bürgermeisterkandidatin, erfährt im Gesamtkonzept weniger schriftstellerischen Raum. Die Idee einer erfolgreichen Recherchearbeit anhand nur eines zufällig gefundenen Fotos gefällt, ebenso die Einbindung politischer Ereignisse des Zeitraums bis 2005. Die überzeugenden Liebesbekundungen vieler beteiligter Protagonisten verleihen dieser deprimierenden Vergangenheit Deutschlands im Roman ein wenig Leichtigkeit und neue Hoffnung. Interessante Lektüre.

Bewertung vom 16.03.2024
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


ausgezeichnet

Der Zauber der Worte und die Magie der Sprache
Das Cover wirkt wie ein stilvolles Gemälde auf beruhigendem, grünem Passepartout, wie ein Stillleben mit drei Büchern und einem üppigen Blumenarrangement in Gelb – edel, schlicht, passend. Der Titel des Buches macht neugierig, denn man fragt sich: Kann man Worte vermessen? Diese ungewöhnliche Geschichte zweier sehr verschiedenen Frauen aus zwei Generationen handelt von der Liebe zu Büchern, gefüllt mit Worten, die ein Gewicht haben. Die bildreiche, teils poetische Sprache hier fängt viele Gefühle ein. Neben Themen wie Einsamkeit, Demenz, Schreibblockade, Freundschaft, Heimat, Trauer, Verlust etc. geht es auch um die Kraft der Sprache. Indem Ida Hermann, die junge Autorin mit Schreibblockade, auf der Reise nach Worten ist und der dementen Ottilie Selig, der Madame des papierenen Anwesens mit Lücken zwischen den Gedanken, ihren Lebensweg abschnittweise in Erinnerung bringt, baut sich spannende Dynamik auf. Beide gegensätzlichen Charaktere ergänzen sich in besonderer Weise. Die Beschreibung des Miteinanders ist berührend, teils tiefgründig. Kann man Fantasie und Worte messen? Ist ein Buch ein Vermächtnis gegen das Vergessen, um einen Abdruck auf dieser Welt zu hinterlassen?

Bewertung vom 15.03.2024
Ventura, Luca

Der blaue Salamander / Capri-Krimi Bd.5


gut

Capri und die blauen Eidechsen – interessant.
Wie der Buchtitel bereits verrät, geht es um eine seltene Eidechsenunterart, beheimatet auf den Faraglioni bei Capri - deutsch: Leuchtfeuer. In der Antike wurden solche exponierte Felsen häufig durch Feuer beleuchtet, um Seefahrern die Orientierung und Navigation zu erleichtern. Diese blaue Ruineneidechse - Lucertola Azzurra – unterscheidet sich von anderen Unterarten durch ihre intensive blaue Farbe und die Zahl der Schuppen in verschiedenen Körperregionen. Auch das Geheimnis um ihr seltsames Verhalten in raren Nächten auf den bläulich schimmernden Faraglioni-Felsen wird gelüftet. Eine seltene Designerhandtasche, gefertigt aus diesem kostbaren blauen Salamanderleder, wird als gestohlen gemeldet. Vorab jedoch geht es um einen Mord. Im Verlauf der Ermittlungen wird ein Zusammenhang beider Delikte hergestellt, dem man logisch gut folgen kann. Die Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei in Neapel ist dabei weniger effektiv – mit belebendem Aufklärungseffekt für die zwei erfolgreichen Kommissare Enrico Rizzi und Antonia Cirillo aus Capri. Beide sind mit ihrem nicht ganz unproblematischen Privatleben eingebunden in das touristisch angehauchte Geschehen auf dieser beliebten Insel. Der Trend zur Verarbeitung von veganem Leder wird geschickt eingebunden. Die Idee, die Handtaschenproduktion um den blauen Salamander wieder aufleben zu lassen, ist kreativ gestaltet. Das Finale wirkt jedoch etwas zu sehr konstruiert, besonders die Momente rund um den kirchlichen Tatort.

Bewertung vom 14.03.2024
Zwerina, Thomas

Eine Fingerkuppe Freiheit


sehr gut

Eine Homage an Louis Braille
Der Buchtitel zielt gekonnt auf den Inhalt an: Fingerkuppen verhelfen beim Lesen der Blindenschrift von Louis Braille zu einem großen Stück Freiheit, neben Bildung und mehr Selbständigkeit. Der Charakter des sehr jung erblindeten Louis wird bildlich in der Wortwahl und im pompösen Schreibstil des 19. Jahrhunderts dargestellt. Trotz vieler Widrigkeiten setzt sich sein Schriftsystem gegen die Reliefschriften, ganz gleich, ob Prägedruck, Stachelschrift oder Nadelschrift schließlich weltweit durch. Sein historischer, geradliniger Werdegang, von liebevollen bis aggressiven Nebenfiguren begleitet, animiert zum weiteren Suchen im Internet nach den im Buch erwähnten Größen wie z. B. Abbé Haüy im Bereich der Blindenschrift. Trotz aller Missgunst von Sehenden erfindet der Blinde Louis Braille neben der Blindenschrift zusätzlich auch eine Musiknotenschrift aus sechs erhabenen Punkten sowie einen Raphigrafen zusammen mit Foucault. Zwischen Wahrheit und Fiktion ist hier eine lehrreiche Biographie entstanden, sprachlich teilweise zu poetisch verbrämt.