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Benutzername: 
Lunamonique
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Bremen

Bewertungen

Insgesamt 416 Bewertungen
Bewertung vom 03.11.2018
Tattoo / Carver & Lake Bd.1
Dyer, Ashley

Tattoo / Carver & Lake Bd.1


ausgezeichnet

„Tattoo“ bildet den Auftakt zur Greg Carver und Ruth Lake-Thriller-Reihe von Autorin Ashley Dyer. Eine Mordserie bringt beide an ihre Grenze.

Fünf Opfer hat der Dornenkiller öffentlich theatralisch zur Schau gestellt. Detective Chief Inspector Greg Carver und Detective Sergeant Ruth Lake sind dem Täter nicht dicht genug auf den Fersen, um ihn aufzuhalten. Was haben die großflächigen Tattoos an den Körpern der Opfer zu bedeuten? Auf wen hat es der Mörder als Nächstes abgesehen?

Der Thriller beginnt mit einem Paukenschlag. Das Undurchsichtige und Rätselhafte lässt Fragen aufkommen. Was ist tatsächlich geschehen? Scheinbar ist die Situation eindeutig. Perspektivwechsel, die aufflammenden Erinnerungen des Opfers sorgen zusätzlich für Atmosphäre. Wer hat den Alptraum verursacht und warum? Von Anfang an ist die Spannung auf einem hohem Niveau. Weitere Perspektivwechsel gewähren Einblicke in die Gedanken des Killers und Ruth Lakes Aktionen sowie ihren Gemütszustand. Neue Ereignisse verstärken das Rätselhafte. Wie hängt alles zusammen? Der Thriller ist raffiniert gestrickt. Nach und nach werden Puzzlestücke preisgegeben. Spekulationen, Irreführungen, der Leser tappt lange im Dunkeln. Ruth und Greg sind interessante Persönlichkeiten. Jeder hat seine Geheimnisse. Nicht nachzuvollziehen sind Ruths Zweifel an Greg. Sie müssten ihren Partner besser kennen. Der Killer bleibt eine lauernde Gefahr. Wann schlägt er wieder zu, und wen wird es treffen? Ruth setzt sich über Grenzen hinweg und bringt Ungereimtheiten zu tage. Die Gefahren für alle Beteiligten nehmen zu. Wie dicht ist sie am Täter dran? Nichts lässt sich mit Sicherheit sagen. Eine Zwickmühle ist originell inszeniert. Gibt es einen Ausweg das Ruder herumzureißen? Der Erzählstil überzeugt auf ganzer Linie. Jedes Detail sitzt. Immer wieder werden kleine Überraschungen eingestreut. Für zusätzlichen Unterhaltungswert sorgt der schüchterne Tom Ivey. Gerne kann er im nächsten Band einen größeren Part bekommen. Zum Schluss überschlagen sich die Ereignisse. Filmreife Szenen. Der Showdown läuft. Welche Spur führt zum Täter? Ein irreführender Schachzug und die Überraschung sind gelungen. Gerne hätte es zum Ende noch packender zugehen können. Das Ermittlerteam hat großes Potential. Ein gelungener Auftakt, der die Hoffnung auf viele, ungewöhnliche und spannende Thriller sät.

Der Titel bringt das Beklemmende und Besondere des Thrillers auf den Punkt. Mit wenigen Mitteln gut in Szene gesetzt. Ein bisschen effektvoller hätte das Cover sein können. „Tattoo“ reißt von Anfang mit. Ein origineller Plot, der insgesamt noch etwas mehr Tempo hätte vertragen können. Die Geschichte wirkt sehr realistisch und hallt nach Zuklappen des Buches nach. Auf jeden Fall empfehlenswert.

Bewertung vom 22.10.2018
Gangsterblues
Bausch, Joe

Gangsterblues


ausgezeichnet

Nach „Knast“ gewährt Arzt, Autor und Schauspieler Joe Bausch in „Gangsterblues“ erneut Einblicke in seine Arbeit als Leitender Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl und den Gefängnisalltag.

„Außergewöhnliche Begegnungen und die Geschichten, die mir dabei erzählt wurden, oder Geschichten, von denen ich nebenbei erfuhr, inspirierten mich für dieses Buch. Die Idee, die interessantesten von ihnen zu anonymisieren, zu fiktionalisieren und weiterzuspinnen, trieb mich dabei an.“

„Dieses Buch befasst sich mit dem Alltag in deutschen Gefängnissen, nicht mit den individuellen Biographien. Es handelt vom Zustand des Strafvollzugs, nicht von Einzelschicksalen.“ Anhand von zwölf Geschichten erzählt Gefängnisarzt Joe Bausch aus der Welt hinter Gittern. Hier herrschen andere Regeln. Hier muss jeder seinen Weg finden, mit den veränderten Bedingungen zurechtzukommen. Misstrauen, Einsamkeit, Schuld, Reue, Unschuld, Wut, die Emotionen kochen an diesem Ort leicht über. Joe Bausch bringt auch mal mit unkonventionellen Mitteln das Eis zum Schmelzen. Ihm werden auch aufgrund seiner Schweigepflicht Dinge anvertraut, die sonst vielleicht selten oder gar nicht an die Oberfläche kommen würden. Dem Menschen Joe Bausch ist leicht abzunehmen, dass er sich für die Geschichten der Strafgefangenen interessiert. Er liest sich in Akten ein, lässt Gespräche zu, hat ein offenes Ohr für Sorgen. Nicht immer ist das, was er zu hören kriegt leicht zu verdauen. Sturköpfe, Eigenbrötler, Gentlemanganoven, er bekommt es mit einer ganzen Palette von Charakteren zu, und jeder hat es auf seine Weise faustdick hinter den Ohren oder ist aufgrund tragischer Fehler an diesem unwirtlichen Ort gelandet. Joe Bausch erzählt auf unnachahmliche Weise von seinen Begegnungen, die so stattgefunden haben könnten. Der Gefängnisalltag wird greifbarer. Was ist ein Spannmann? Was hat es mit dem Affenfelsen auf sich? Besonders die Geschichte mit den drei alten Ganoven reißt mit. Selbst ab einem gewissen Alter sind Gauner nicht zu unterschätzen. Arztbesuche im Bunker sorgen für Spannung. Eine Prise Humor darf nicht fehlen. Nicht nur hinter Gittern ist Lachen die beste Medizin. Fragwürdige Deals, Gerüchte, Spekulationen, Fehleinschätzungen, manches geht nah, anderes verstört oder bringt trotz ernsthaftem Hintergrund zum Schmunzeln. Vom Auftragskiller bis zum Beschwerdefürst, filmreif sind fast alle Geschichten. Umso abrupter kommt das Ende. Das Buch hört einfach mit der letzten Story auf. Es entsteht der Eindruck, dass etwas fehlt. Ein Abschluss, Nachwort, Kommentar, eine persönliche Note, der Ausblick auf das nächste Buch. Schade! Gerne hätten es auch mehr Geschichten sein können.

Das Cover mit dem markanten Gesicht Joe Bauschs und prägnanten Titel hat Anziehungskraft. Gut gewählt sind auch die Farben. Das Schwarz als Hintergrund und die weiße Schrift. Alles sehr passend zum Inhalt. Zusatz und Vorwort lassen keine falschen Erwartungen aufkommen. „Gangsterblues“ bringt einem den Gefängnisarzt Joe Bausch näher, der seine Prinzipien und Regeln hat, aber auch eine Neugierde. Ihm gelingt es, Vertrauen aufzubauen wo Misstrauen und unsichtbare Mauern vorherrschend sind. Ein interessantes Buch. Auch der Unterhaltungswert kommt nicht zu kurz.

Bewertung vom 17.10.2018
Chicago
Mamet, David

Chicago


gut

„Chicago“ ist das neueste Werk von Dramatiker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur David Mamet. Sein Drama „Glengarry Glen Ross“ wurde 1984 mit dem Pulitzer-Preis und vier Tony Awards ausgezeichnet. In „Chicago“ verstößt Reporter Mike Hodge gegen die Regeln der Mafia.

Mike Hodge und Clement Parlow arbeiten für die Lokalredaktion des „Chicago Tribune“. Als ein Nachtclubbesitzer und sein Geschäftspartner ermordet werden, stellt Mike Recherchen an und tritt mal wieder den Mächtigen auf die Füße. Ständig Warnungen missachtend, wird Mike eine unmissverständliche Mission erteilt, die alles aus dem Ruder laufen lässt.

Der Einstieg mit einem Gespräch unter Journalisten ist unspektakulär. Es fehlt an rasanter Action. Das Tempo ist sehr langsam. Es kommt keine Spannung auf. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte fehlen über lange Strecken Thrillerelemente. Interessant wird es mit Mikes Liebe zu Annie Walsh. Autor David Mamet setzt das Thema „Unterwelt Chicago“ auf ganz eigene Weise um. Der Fokus liegt auf Dialogen. Durch Abschweifungen und Erinnerungen wird das Tempo ausgebremst. Alles wirkt etwas durcheinander. Die Chicago-Atmosphäre will nicht aufkommen. Mike und Parlow sind nicht richtig greifbar. Mit einem Paukenschlag tritt keine Wende ein. Der Erzählstil bleibt unverändert. Das Rätselhafte wird wiederholt. Mit dem „Warum“ entsteht ein roter Faden. Trotzdem plätschert die Geschichte weiter vor sich hin. Wer den Schreibstil des Autors nicht kennt, steckt in einer Gewöhnungsphase. Wie hängt alles zusammen? Geschichtliches und Infos bringen einem Mike und Parlows Welt näher. Nicht immer muss ein Wort fallen, um zu verstehen. Parlows Instinkt und Mikes Kombinationsgabe überzeugen. Ihre Lässigkeit und Coolness kommen besonders im letzten Buchdrittel zum Vorschein. Alleingänge sind an der Tagesordnung. Bietet der eine dem anderen Schutz? In einer prekären Situation kommt die Frage nach dem Partner auf. Hat der Autor ihn in den Szenen vergessen? Mike verstößt gegen die Regeln und geht Risiken ein, um die Wahrheit herauszufinden. Er lässt trotz Gegenwind nicht locker. Bewundernswerte Dreistigkeit. Taktiken, Wende und Auflösung überraschen. Das letzte Buchdrittel reißt Einiges raus. Ungewöhnlich, anders, ein Roman und kein Thriller.

Die Bezeichnung „Thriller“ auf dem Cover ist fehlerhaft und schürt falsche Erwartungen. Titel und Coverszene sind gelungen. „Chicago“ ist ein eigensinniges Buch. Wer sich auf Autor und Story einlässt, wird sich tatsächlich in der Chicagoer Unterweltsatmosphäre wiederfinden. Das Dialoglastige muss man mögen. Wer auf Action und Spannung aus ist, sollte nach einem anderen Buch greifen.

Bewertung vom 14.10.2018
Die wundersame Mission des Harry Crane
Cohen, Jon

Die wundersame Mission des Harry Crane


ausgezeichnet

„Die wundersame Mission des Harry Crane“ ist das neueste Werk von Schriftsteller und Drehbuchautor Jon Cohen. Schicksalsschläge verändern die Welt von gleich zwei Familien.

Harry Crane verliert sein geliebte Frau Beth auf tragische Weise. Er gibt sich die Schuld an dem Unglück. Auch Amanda Jeffers und ihre neunjährige Tochter Oriana sind in Trauer. Ehemann und Vater Dean stirbt völlig überraschend. Die Wege der Drei kreuzen sich auf besondere Weise.

Der Einstieg mit dem The Weekly-Artikel kommt unerwartet. Nach und nach wird die Bedeutung klar. Hauptfigur Harry Crane schleicht sich schnell ins Leserherz. Die Geschichte seiner großen Liebe und der Tag, der alles beendet, berührt. Die Themen „Trauer, Verlust, Einsamkeit“ werden bald ungewöhnlich mit einer großen Prise Humor umgesetzt. Mit dem heiteren Blick auf große und kleine Wunder steigt der Unterhaltungswert und hält sich auf einem hohen Niveau. Energiebündel Oriana findet ganz besondere Auswege, um mit ihrer Trauer umzugehen. Märchen und Phantasien verströmen einen mitreißenden Zauber. Deans Tod hat nicht nur Auswirkungen auf das Leben von Amanda und Oriana. Das Thema „Schuld“ zieht weite Kreise. Alle Charaktere wirken sehr real, jede noch so absurde Reaktion ist verständlich. Unmöglich sich der Magie der Geschichte zu entziehen. Sie bietet Trost und Hoffnung. Dank Wirbelwind Oriana gibt es für alles eine Erklärung, auch wenn diese sich oft sehr kurios anhören. Die Story nimmt immer mehr Fahrt auf. Action, Spannung, überraschende Wendungen. Die Liebe zur Natur und zu den Büchern steht im Vordergrund. Gier, Intrigen, Strategien, das Böse zeigt Zähne und will seinen Anteil. Nicht nur in Harrys Leben geht es zu wie auf einer Achterbahn. Das Netz zieht sich enger. Humorvoll und warmherzig spinnt Autor Jon Cohen seine Fäden. Was ist das wirklich Wichtige im Leben? Welcher Plan geht auf? Unerwartet steuert alles auf einen Showdown zu. Die Zeit drängt. Nichts ist mehr sicher. Das Ende lässt sich vorausahnen. Der Zauber entwickelt sich ganz von alleine und nimmt gefangen.

Das magische Cover mit den intensiven Farben und einem Hinweis passt perfekt zum Inhalt. Der Titel hat eine besondere Anziehungskraft. Eine schöne und effektvolle Gestaltung. Dem Buch würdig. „Die wundersame Mission des Harry Crane“ hat gleich mehrere Botschaften parat, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu schwenken. Augenzwinkern inklusive. Sehr empfehlenswert und lehrreich für jung und alt! Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. :)

Bewertung vom 30.09.2018
Bösland
Aichner, Bernhard

Bösland


ausgezeichnet

Für „Interview mit einem Mörder“ erhielt Bernhard Aichner 2017 den Friedrich-Glauser-Preis für den besten Roman. Seine Bücher „Totenfrau“ und „Max Broll“ werden verfilmt. In „Bösland“ stellt sich Ben seiner Vergangenheit.

Im Sommer 1987 wird Bens neue Mitschülerin Mathilda auf dem Dachboden seines Elternhauses ermordet. Der 13jährige Ben wird in die Psychiatrie eingewiesen. Bens Schweigen hält so lange an, bis Psychiaterin Therese Vanek sein Vertrauen gewinnt. Dreißig Jahre später ist Ben endlich bereit, sich mit dem Grauen zu konfrontieren.

Der Einstieg ist verstörend. Bens Schicksal berührt. Das Thema „Gewalt“ steht im Fokus des Thrillers. Eine verlorene Kindheit, ein schutzloser Junge und ein Ereignis, das alles verändert. Was ist damals geschehen? Die Frage zieht sich durch die Geschichte. Eine Psychiaterin wird zum Rettungsanker. Kurze Kapitel ermöglichen einen guten Lesefluss. Dialoge nehmen viel Raum ein. Anfangs geht es nur um die Auseinandersetzung mit einer Tat, darum Verschüttetes wieder an die Oberfläche zu bekommen und Antworten für das Unerklärliche zu finden. In therapeutischen Sitzungen wird sich der Vergangenheit angenähert. Bens Barrikaden fallen, durch einen harmlosen Auslöser. Hat der Autor zu viel Auflösung eingestreut? Der Eindruck entsteht, bis sich die Geschichte unerwartet zu einem Psychothriller entwickelt. Tempo und Spannung nehmen zu. Die Raffinesse des Plots wird deutlich. Niemand ist mehr in Sicherheit. Intrigen, Manipulation, Schachzüge, alles eskaliert an einem ungewöhnlichen Ort. Nicht jede Handlung der Hauptfigur ist nachvollziehbar. Vergeltung und Wahrheit. Die Dramatik nimmt stetig zu. Wut, Zorn, Liebe und Hoffnung, nichts ist mehr vorhersehbar. Eine überraschende Wendung folgt der anderen. Eskalationen schockieren. Eine Achterbahnfahrt, die auf einen Showdown zusteuert. Das tödliche Spiel kennt kein Ende. Autor Bernhard Aichner setzt immer noch einen drauf. Grenzen werden überschritten. Wer ist wozu fähig? Wer greift ein? Bis zum Schluss bleibt alles offen. Das Ende ist gelungen, rundet die Geschichte bis ins Letzte zufriedenstellend ab. Packend, bedrohlich, filmreif.

Titel und Autorenname ziehen alle Blicke aufs Buch. Gelungen ist auch das Farbzusammenspiel. Mit wenigen Mitteln wird Aufmerksamkeit erregt. „Bösland“ startet mit einem rätselhaften Fall und nimmt urplötzlich immer mehr Fahrt auf. Bald jagt eine effektvolle Dramatik die nächste. Ein Pageturner, der alle Erwartungen toppt. Der Gruselfaktor, das Unglaubliche klingt noch nach. Alles wirkt sehr real. Das Wort „Bösland“ lässt sich nicht so schnell wieder vergessen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.09.2018
Das Heer des Weißen Drachen / Draconis Memoria Bd.2
Ryan, Anthony

Das Heer des Weißen Drachen / Draconis Memoria Bd.2


ausgezeichnet

In „Das Heer der weißen Drachen – Draconis Memoria Buch 2“ von Autor Anthony Ryan stehen gleich zwei Himmelfahrtkommandos an. Unberechenbare Gefahren lauern überall.

Sirus und Dienstbotin Katrya zählen zu den letzten Überlebenden von Morstal und sind auf der Flucht. Die suspendierte Geheimagentin Lizanne muss sich derweil in Feros vorm Vorstand verantworten. Wie fällt das Urteil aus? Hilemore und Clay befinden sich auf dem Weg ins Südmeer, um den rätselhaften Turm aus Clays Visionen zu finden und im günstigsten Fall die Welt vorm weißen Drachen und seiner Armee zu retten.

Auch ohne Zusammenfassung fällt der Einstieg in Band 2 leicht. Die verschiedenen Handlungsstränge und Abenteuer knüpfen nahtlos an die Geschehnisse aus dem ersten Band an. Etwas lang geraten ist zu Beginn der Leitartikel im „Sanoraher Aufklärer“. Anschließend pendeln sich Spannung und Tempo schnell auf einem hohen Niveau ein. Sirus und Katrya befinden sich in einer ausweglosen Lage. Der Hunger zwingt sie aus dem Kanallabyrinth zurück an die Oberfläche. Lizanne hat eine neue Mission, die sie an den gefährlichsten Ort führt. Niemand ist bisher von dort entkommen. Hilemore und Clay bekommen es mit einem schrecklichen Gegner zu tun, der schon viele auf dem Gewissen hat. Die komplexe Geschichte mit den besonderen, gegensätzlichen Charakteren nimmt gefangen. Jedes Detail durchdacht, wirkt von den Kulissen bis zum einzelnen Protagonisten alles sehr greifbar und real. Mitfiebern funktioniert automatisch. Autor Anthony Ryan sprudelt nur so über vor Ideen, die seine Drachenwelt zum Leben erwecken. Nichts lässt sich vorausahnen. Jedes Abenteuer hat gleich mehrere überraschende Wendungen parat. Brutalitäten und Grausamkeiten sind oft schwer zu ertragen. Drachen, die Menschen fressen. Gegner, die kaltblütig und ohne Mitleid bis zum Äußersten gehen. List, Intrigen, Gier, niemand ist sicher. Immer wieder tauchen interessante Nebenfiguren wie Wachtmeister Darkanis, der Bastler, Schmuggler Scrimshine und die geheimnisvolle Kriz auf. Zum Schluss nimmt die Dramatik zu. Action von Anfang bis Ende. 698 Seiten geballte Energie. Fast ein bisschen viel Schlachten und Kriege. Gleich zwei Cliffhanger schüren die Neugierde auf die Fortsetzung.

Das Cover beeindruckt mit Gruselfaktor und Aussichtslosigkeit. Die Szene stimmt auf eine packende Geschichte ein. Auch der Titel erregt Aufmerksamkeit. „Das Heer der weißen Drachen“ löst wie Band 1 Bewunderung über den Einfallsreichtum des Autors aus und fasziniert mit einem fesselnden Erzählstil. Bis auf den kleinsten Dialog und die letzte Szene perfekt durchdacht. Das Schicksal der Hauptfiguren und so mancher Nebenfigur reißt mit. Filmreif inszeniert. Zwischendurch kommt die Hoffnung auf, dass noch etwas Gutes in den Drachen schlummert. Als Bestien sind sie furchterregend und in ihrer Übermacht scheinbar unbesiegbar. Band 3 wird mit Spannung erwartet.

Bewertung vom 19.09.2018
Er will dein Herz / Marina Esposito Bd.7
Carver, Tania

Er will dein Herz / Marina Esposito Bd.7


gut

Gemma Adderley kann das Leben mit ihrem gewalttätigen Mann nicht mehr ertragen. Kurzerhand flieht sie mit ihrer Tochter Carly. Wenig später wird ein Mädchen mit Teddy traumatisiert in einem Hauseingang gefunden. Was ist geschehen? Kriminalpsychologin Marina Esposito wird zum Fall hinzugezogen, um mit Hilfe der kleinen Zeugin die Wahrheit herauszufinden.

„Gemma Adderley hatte genug. Sie hatte ertragen, was ein Mensch ertragen konnte, hatte immer nur eingesteckt, hatte alles geschluckt. Sie lebte in Angst, war gedemütigt, verzweifelt, verletzt. Ja, vor allem verletzt. Auf jede nur erdenkliche Weise.“ Von Anfang an entsteht eine beklemmende Atmosphäre. Das Thema „Missbrauch“, Angst, Erniedrigungen, Ausweglosigkeit berühren. Ausgerechnet als sich Gemma zur Flucht entscheidet, nimmt ihr Leben eine erneute schicksalhafte Wendung. Profilerin Marina weiß selbst, wie es sich anfühlt, im eigenen Haus nicht sicher zu sein. Was hat sie erlebt? Das Rätselhafte zieht sich durch die Geschichte. Je mehr über Marinas Bedrohung herauskommt, desto weniger ist verständlich, warum sie sich von ihrer großen Liebe Detective Phil Brennan getrennt hat. Phil ermittelt in Gemmas Fall. Bald laufen die Fäden zusammen. Spekulationen werden lange Zeit nicht in Gang gesetzt. Der Täter scheint eindeutig festzustehen oder ist nichts wie es scheint? Steckt ein perfider, eiskalter Plan hinter allem? Kurz kommt Spannung mit einer weiteren Attacke auf. Es lässt sich erahnen, wie es ausgeht. Handlungswechsel bieten Einblicke in die Psyche des Täters. Viel zu spät setzt das Verwirrspiel ein. Es fehlt dem Thriller an Raffinesse. Zu viel wird angedeutet und verraten. Ein Highlight sind Imani und Avi als Team. Hier wurde das Potential besonders im letzten Buchdrittel nicht ausgeschöpft. Sie hätten für rasante und packende Szenen sorgen können. Das Ermittlerteam geht ungewöhnlich viele Risiken ein. Nicht alles scheint gut durchdacht. Auch der Täter macht zu viele Fehler. Verschiedene Ebenen von Gefahren, die anfangs aufgebaut wurden, verlaufen im Sande. Material, das im nächsten Band genutzt wird? Der Showdown soll noch einmal alles rausholen, ist aber viel zu kurz und unspektakulär gehalten. In entscheidenden Momenten fehlt es an Tempo. Das Verhalten ist nicht immer schlüssig. Alles zu zögerlich, zu sehr nach Reihenfolge konstruiert. Auch nicht alle Dialoge überzeugen. Mehr Fokus auf Überraschungen und Wendungen, und der Thriller hätte wesentlich mehr packende Unterhaltung bieten können. Die Hauptfiguren Phil und Marina haben mehr Potential als ausgespielt wurde. Das Gewicht liegt zu sehr auf ihren nicht nachvollziehbaren Beziehungsproblemen. Schade.

Das Cover ist kreativ und ungewöhnlich. Mit wenigen Mitteln werden die Blicke auf Buch und den düsteren Titel gezogen. Das Gesicht als Hintergrund hat Ausdrucksstärke. „Er will dein Herz“ überzeugt mit einem gelungenen Einstieg und besonderen Ansatz, bietet aber zu wenig Thrillercharakter. Die Erwartungen auf einen Pageturner erfüllen sich nicht. Das Ermittlerteam bleibt interessant, aber auch hier ist noch viel mehr möglich.

Bewertung vom 19.09.2018
Ich war Diener im Hause Hobbs
Roßbacher, Verena

Ich war Diener im Hause Hobbs


gut

Nach „Verlangen nach Drachen“ und „Schwätzen und Schlachten“ ist „Ich war Diener im Hause Hobbs“ das neueste Werk von Autorin Verena Rossbacher. Geheimnisse kochen hoch, die ein Kartenhaus zusammenbrechen lassen.

Nach seiner Ausbildung zum Butler erhält Christian Kauffmann eine Anstellung im Haus der Familie Hobbs. Die Stimmung im Züricher Anwesen wird von den Zwillingen Anwalt Jean-Pierre und Künstler Gerome bestimmt. Gegensätzlicher könnten Brüder kaum sein. Christian stößt bald auf so manches Geheimnis.

Der Prolog greift vor und weckt die Neugierde auf schlimme Ereignisse. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Christian, genannt Krischi erzählt. In seinen Erinnerungen und Gedanken driftet er oft ab. Rückblicke z.B. in die Schulzeit, lassen die Freundschaft von Krischi, Olli, Gösch und Isi aufleben. Besonders Gösch und Olli sind interessante Charaktere. Eine Matheklausur wird zum humorigen Debakel. Solche kleinen Anekdoten sorgen für Unterhaltung. Krischi bedient sich seit seiner Ausbildung einer distinguierten Sprache. Anfangs entsteht der Gedanke, die Hauptfigur wäre wesentlich älter. Umso überraschender die Auflösung. Auch ist nicht ganz klar, in welcher Zeit die Geschichte spielt. Im Hause Hobbs wird Christian „Robert“ genannt. Der Job hat seine Herausforderungen. Als Butler kriegt Krischi mehr mit, als ihm lieb ist. Je länger er bei den Hobbs arbeitet, desto mehr Geheimnisse muss er bewahren. Die Tücken und Fettnäpfchen eines Butlerlebens stehen im Zentrum des Romans. Die Geschichte wirkt sehr realistisch. Das Rätsel um die schicksalhafte Eskalation setzt Spekulationen in Gang. Wer ist das Opfer? Nur langsam fügt sich aus den Puzzlestücken ein Bild zusammen. Wer trägt Schuld? Die Krimielemente sorgen für Spannung. Abschweifungen vom Anfang rücken an die richtige Stelle. Eine Reise bringt neuen Schwung in die Geschichte. Nichts läuft nach Plan. Es entwickelt sich eine amüsante Eigendynamik. Zum Schluss nimmt der Ernst zu. Eine Zuspitzung und Wendung ist gelungen. Dann zeigt der Plot unnötige Schwächen. Irreführungen werden überstrapaziert. Die dramatischen Geschehnisse bleiben, trotz aller Erklärungen, nicht nachvollziehbar. Vieles wirkt zu konstruiert. Es fällt leicht, das Unbegreifen der Entwicklungen mit Krischi zu teilen. Warum? Die Frage taucht zum Ende mehrfach auf und findet keine zufriedenstellenden Antworten. Ein Brief wird gar nicht erst wiedergegeben. Schade, hier wurden entscheidende Dinge versäumt und die Überraschungen gehen nicht mehr auf.

Der Titel hätte kreativer in Szene gesetzt werden können. Das Weiß für den Hintergrund ist zu schlicht. Die Details dagegen passen gut. „Ich war Diener im Haus Hobbs“ bietet besonders in humorigen Szenen gute Unterhaltung. Gerne hätte es noch mehr davon geben können. Das Rätselhafte ist bis zur endgültigen Auflösung sehr gut gelungen. Zu viel Schwere, Drama und Trauer zum Schluss will nicht so recht zum Rest passen. Raffinesse hätte auch auf andere, Weise aufgehen können. Der Epilog rettet nichts. Die Sympathie für Krischi und seine Freunde bleibt. Ein anderes, herzerwärmenderes Ende wäre wünschenswert gewesen.

Bewertung vom 10.09.2018
Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
Schwenke, Philipp

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste


gut

„Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“ ist der Debütroman von Autor Philipp Schwenke. Die Geschichte über Karl May beruht auf wahren Begebenheiten vermischt mit einer gehörigen Portion Phantasie.

1862 wird der 20jährige Karl May wegen Diebstahls einer Taschenuhr angezeigt. Das Missverständnis kann er wegen widriger Umstände nicht aufklären. Die Verurteilung hat Auswirkungen auf seine Lehramtskarriere an der Fabrikschule in Altchemnitz. Seine Mühen, eine bürgerliche Existenz aufzubauen, führen erst später zum Erfolg. 1874 beginnt Karl May mit dem Schreiben. 1897 startet er zu einer Reise in den Orient, um die Länder, die er in seinen Büchern so mitreißend beschreibt, endlich selbst zu erleben.

Der Prolog mit Karl May auf der Anklagebank ist ein gelungener Einstieg in die Geschichte. Verständnis kommt für den sympathischen jungen Mann auf, der sich in eine unglückliche Lage manövriert hat. Zeitsprung zum 8.7.1897. Karl May ist längst erfolgreich und hat eine große Fangemeinde. Er hält sich für Old Shatterhand und lässt alle Welt glauben, er hätte seine Roman-Abenteuer selbst erlebt. Auf seiner ersten Reise in den Orient wird Karl May mit der Wahrheit konfrontiert. Er kann sich weder verständigen, noch findet er sich zurecht. Die Hitze und das fremde Essen machen ihm zu schaffen. Ein Journalist hängt sich an seine Fersen, um die Wahrheit herauszufinden. Karl May muss Prüfungen und Herausforderungen bestehen und kommt mehr als einmal an seine Grenzen. Die Sprache ist der Zeit angepasst. Im Laufe der Geschichte nimmt das Geplänkel zwischen Karl und seiner Frau Emma immer mehr Raum ein. Eheschwierigkeiten werden deutlich. Aufschneider Karl steht bald beruflich wie privat das Wasser bis zum Hals. Kann er beweisen, dass wirklich ein Held in ihm steckt? Autor Philipp Schwenke erzählt mit viel Humor, wie Karl mit den Tücken auf seiner Reise zu kämpfen hat und wie groß die Kluft zwischen Wahrheit und Fiktion ist. Aber auch ein Karl May kann über sich hinauswachsen. Mehr als einmal geraten er und seine Reisebegleiter in Gefahr. Briefe, Zeitungsartikel und Zeitwechsel bremsen das Tempo aus, vervollständigen aber das Bild von Karls Problemen und seinen Bemühungen, alles im letzten Moment wieder gerade zu biegen. Selbst Emma bringt immer weniger Verständnis für ihren Mann auf. Lügen, Hinterlist, Intrigen, eine seltsame Wendung, im letzten Buchdrittel kommt so manche dunkle Seite und das ein oder andere Geheimnis zu tage. Wer ist Freund, wer Feind? Bei allen originellen, phantasiereichen Facetten, beeindruckt vor allen Dingen die Recherche zu Karl May und seinem Leben. Mit 606 Seiten hat der Roman auch einige Abschweifungen und
Längen parat.

Der Titel trifft den Inhalt auf dem Punkt. Farben und Details ziehen die Blicke aufs Buch. Die moderne Gestaltung stimmt auf eine unglaubliche, abenteuerliche Geschichte ein. „Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“ hat einen schalkhaften Unterhaltungswert. Ein Autor, der in die Rolle seines Helden schlüpft. Amüsante bis peinliche Verwicklungen sind garantiert.

Bewertung vom 03.09.2018
Slow Horses / Jackson Lamb Bd.1
Herron, Mick

Slow Horses / Jackson Lamb Bd.1


sehr gut

„Slow Horses – Ein Fall für Jackson Lamb“ von Autor Mick Herron bildet den Auftakt zur Thrillerreihe. Die in London spielende Jackson-Lamb-Serie wurde unter anderem mit dem „CWA Gold Dagger for Best Crime Novel“, „Steel Dagger for Best Thriller“ und „Ellery Queen Readers Award“ ausgezeichnet.

MI5-Agent River Cartwright landet nach einer folgenschweren Verwechslung und verpatzten Verfolgungsjagd im Slough House mit wenig Aussicht, es jemals zurück in die MI5-Zentrale Regent's Park zu schaffen. Jackson Lambs Team, die Slow Horses, gelten allesamt als Looser und stehen ganz unten auf der Karriereleiter. Dabei würden sie jede Herausforderung annehmen.

Der temporeiche Einstieg mit Rivers schicksalhaftem Fall ist gelungen. Bei der anschließenden Vorstellung von Jackson Lamb und der einzelnen Slow Horses-Charaktere nimmt sich Autor Mick Herron zu viel Zeit. MI5-Agenten zu langweiligen und teils sinnlosen Bürojobs verdonnert. In jedem Mitglied des Teams brodelt es. Alle gieren nach einem Fall. Einzig allein Sid scheint noch ein bisschen im Spiel zu sein. Was hat sie ins Slough House geführt? Nach dem rasanten Einstieg wird zu viel Tempo raus genommen. Interessant bleiben die einzelnen Schicksale der Slow Horses. Jeder trumpft mit anderen Charaktereigenschaften und Talenten auf. Alle sind ruhelos. Es fällt ihnen schwer, sich mit dem Abstellgleis zufrieden zu geben. Es lässt sich erahnen, dass sie zusammen kniffelige Fälle lösen können. River Cartwright und Jackson Lamb entwickeln sich zu den zentralen Hauptfiguren. Slough House-Chef Lamb wird von seinem Team und von seinen Gegnern unterschätzt. Erst im letzten Buchdrittel nehmen Action, Tempo und Spannung zu. Jackson Lamb agiert undurchsichtig und beweist seine Intelligenz. Autor Mick Herron hat mit ihm einen ungewöhnlichen und vielschichtigen Charakter geschaffen. Alle Protagonisten wirken im Laufe der Geschichte immer realer. Die Slow Horses erwachen aus ihrer Lethargie. Wie River und Jackson überrascht auch Catherine Standish. Die Ereignisse überschlagen sich. Eine Überraschung jagt die nächste. Die Wendungen sind grandios gelungen. Der Plot zeigt immer mehr seine Stärke. Wer wird in die Enge getrieben? Kann eine Katastrophe verhindert werden? Was ist Lüge, was Wahrheit? Längst ist nichts mehr sicher. Humor blitzt durch zwischen den abwechselnden Gefahren. Auch das Ende setzt noch einen drauf. Die Neugierde auf Band 2 und den nächsten Fall der Slow Horses ist geweckt.

Das Cover ist Understatement. Viel zu klein geraten sind Titel und Untertitel. Auch die Farben wirken viel zu zurückhaltend. „Slow Horses – Ein Fall für Jackson Lamb“ entpuppt sich als würdiger Auftakt zur Jackson-Lamb-Reihe. Über das einzige Manko, dem streckenweise niedrigen Tempo, sieht man im Nachhinein gerne hinweg. Die Charaktere tragen noch viele weitere Bände und überraschende Wendungen werden mitreißen. Autor Mick Herron spielt in der ersten Liga.