Benutzer
Benutzername: 
Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 1066 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2024
Tsokos, Michael

Mit kaltem Kalkül / Die Sabine Yao-Reihe Bd.2


sehr gut

Dieser Thriller ist der zweite Band der Reihe rund um Dr. Sabine Yao. Wie wir aus dem Vorgänger „Mit kalter Präzision“ wissen, ist Dr. Sabine Yao, Deutsch-Chinesin und eine Rechtsmedizinerin beim BKA in Berlin. Neben ihrer anstrengenden Tätigkeit für die Spezialeinheit „Extremdelikte“ kümmert sie sich aufopfernd um ihre Schwester, die nach dem Unfalltod ihres Mannes mit den Kindern, eines davon ist behindert, alleine dasteht. Nun steht auch noch die Suche nach einer neuen Wohnung und deren Umbau an. Das bringt Sabine Yao nicht nur physisch und psychisch ans Ende ihrer Kräfte, sondern auch finanziell.

Diesmal bekommt Sabine Yao einige ungewöhnliche Tote zur genauen Obduktion, unter anderem den gelähmten ehemaligen Polizeipräsidenten, der sich angeblich selbst erschossen hat sowie zwei entstellte Leichen. An dieser Stelle seien Zartbesaitete unter den Lesern gewarnt, denn Yaos Arbeit, die auch von Dr. Herzfeld, ihrem Chef, unterstützt wird, wird ziemlich detailgetreu geschildert.

Des weiteren gibt es einen Erzählstrang rund um Hassan Khalaf, einem jordanischen Ex-Geheimdienstler, der in Deutschland ein eigenes Informationsnetz aufgezogen hat, und nun den kleinen Yasser, Kind einer illegalen Einwanderin, suchen bzw. finden soll. In einer Vier-Millionen-Stadt wie Berlin, ein achtjähriges Kind, das weder in die Schule geht, noch sonst einen Anhaltspunkt bietet, zu finden, ist auch für Khalaf keine leicht Aufgabe. Bei seiner Suche nach Yasser gerät er in ein Komplott, bei dem er letztlich selbst Hilfe benötigt, denn die Zeit im Wettlauf um das Leben des Kindes zerrinnt ihm unter den Fingern.

Meine Meinung:

Dieser Krimi/Thriller hat mir nicht ganz so gut gefallen wie der erste bzw. die Reihe um Dr. Herzfeld.

Ja, als RechtsmedizinerIn bekommt man es mit schlimm zugerichteten Leichen zu tun, manchmal auch zeitgleich mit vielen Opfern.

Diesmal ist mir alles ein bisschen too much. Obwohl ich komplexe Krimis gerne lese, wären diese vielen Nebenhandlungen für mich nicht zwingend nötig gewesen, vor allem, weil sich der ganze Thriller innerhalb von 4, 5 Tagen abspielt. Dazu kommt noch, dass KHK Monica Monti wieder einmal auf stur schaltet und ohne Rücksicht auf sich oder andere ihre Ermittlungen durchzieht. Bislang sind ihre Aktionen mehr oder weniger gut gegangen. Aber vielleicht soll das auch ein Ausstiegsszenario für Monti sein, wer weiß.

Wir erleben die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, was sie recht spannend macht. Das Cover passt gut zum Vorgänger und strahlt durch die Blautöne auch eine gewisse Kälte aus.

Fazit:

Hat mir nicht ganz so gefallen wie der erste Band, daher gibt es diesmal nur 4 Sterne.

Bewertung vom 07.09.2024
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses


ausgezeichnet

„Frauen können doch auch Helden sein“. Dieser Satz, der bei der Abschiedsfeier für ihren Bruder Finley, der sich als Marinesoldat für den Vietnam-Krieg verpflichtet hat, aus dem Mund seines Freundes Ryan „Rye“ Walsh fällt, bestärkt die junge Frances Mc Grath, Krankenschwesterschülerin aus gutem Haus, sich ebenfalls zur Army zu melden.

Noch bevor sie ihren Entschluss wirklich umsetzen kann, sie muss erst volljährig sein, erschüttert die Mitteilung, dass ihr Bruder gefallen ist, die Familie. Aus der Traum des Vaters, die sogenannte „Heldenwand“ im Haus mit einem Bild des hochdekorierten Sohnes zu schmücken.

Frankie lässt sich nicht beirren. Sie geht nach Vietnam, nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihren konservativen Eltern zu beweisen, dass eine Frau nicht nur Hausfrau und Mutter sein muss.

Kaum angekommen, erlebt sie das Grauen des Krieges, das so gar nicht mit Parolen der Regierung übereinstimmt. Sie findet mit Barb und Ethel Freundinnen, verliebt sich in den Chirurgen Jameson, später trifft sie Rye wieder, sieht Männer, mit denen sie kurz zuvor noch gescherzt hat, sterben und entwickelt sich zu einer toughen Frau. Langsam beginnt sie angesichts der Leiden der vietnamesischen Zivilbevölkerung am Sinn dieses Krieges zu zweifeln.

Nach ihrer Dienstzeit kehrt sie verändert in die USA zurück und muss erleben, wie die Veteranen verunglimpft und beschimpft werden. Als sie um Hilfe ansucht, fühlt sich niemand für sie zuständig. Denn man verleugnet, dass Frauen als Krankenschwestern bei der Army und oder gar nicht in Vietnam an der Front waren. Der Hass und die Ablehnung, der ihr auch von Seiten ihrer Familie entgegen schlägt, lässt sie fast zerbrechen. Die Eltern haben ihren Freunden erzählt, Frankie studiere in Florenz

Frankie steht mit Henry, ihrem Verlobten im Haus ihrer Eltern vor der Heldenwand und vermisst ein Foto von sich und die Diskussion, dass sie als Frau in einem Krieg nichts verloren hat, beginnt von Neuem.

„Wenn ich als dein Sohn wohlbehalten aus Vietnam zurückgekehrt wäre, dann hättest du mein Foto also hier aufgehängt, Dad?

Du bist meine TOCHTER, du hattest kein Recht darauf in den Krieg zu ziehen, und das habe ich dir damals auch deutlich gesagt. Jetzt finden wir heraus, dass wir diesen verdammten Krieg von vornherein nicht führen hätten dürfen, und verlieren ihn noch obendrein. Lass die Sache doch endlich auf sich beruhen, Frankie. Vergiss sie und blicke nach vorn.“

Jahre später, erst 1982, erhält sie eine Einladung zu einem Treffen des medizinischen Personal des 36th Evac Hospitals, denn in Washington D.C. wird ein Memorial für die mehr als 58.000 gefallenen Männer und 8 Frauen enthüllt. Finley O. Grath‘ Name ist darunter, Jamesons fehlt.

Meine Meinung:

Der Vietnamkrieg und die Rolle der USA sind kaum in der Belletristik vorhanden. Erst die Biografie von Ron Kovic, der in Hannahs Roman auch vorkommt, die die Grundlage des Films „Geboren am 4. Juli“ von 1989, in dem Tom Cruise eben jenen Ron Kovic spielt, beschäftigt sich mit den traumatisierten Veteranen. Dieser Film ist zusammen mit „Platoon“ (1986) und „Zwischen Himmel und Hölle“ (1993) eine Film-Trilogie von Oliver Stone, der sich des Themas Vietnam und seine Folgen annimmt. <

Viele kleine Ereignisse sind für Frankie ein Trigger, um sofort wieder in Vietnam zu sein. Die Szene zu Sylvester, als sie sich beim Feuerwerk zu Boden wirft und Deckung sucht, ist für sie völlig normal, ihr Umfeld hält sie für verrückt. Die Diagnose, dass sie an einer PTBS , wie fast alle Veteranen, leidet, kommt erst sehr spät.

Für ihren Roman hat Autorin Kristin Hannah, wie sie im Nachwort schreibt, nach Erinnerungen jener Krankenschwestern und Ärztinnen gesucht, die dort waren. Es gab sie wirklich, die Frauen in Vietnam, nach den Recherchen der Vietnam Women’s Memorial Foundation haben rund 10.000 Frauen in verschiedensten militärischen und zivilen Positionen gedient. Dass ihre Tätigkeiten verleugnet und ihnen solange die Anerkennung verwehrt geblieben ist, ist eine Herabwürdigung ihre Verdienste.

Die Autorin versteht es, die Emotinen der Leser zu wecken, wenn sie die Frankie & Co im Feldspital unter widrigsten Umständen um das Leben der verletzten Soldaten kämpft. Manches ist kaum zu ertragen, wie der Angriff der US Army mit Napalm oder dem Entlaubungsmittel Agent Orange, das wie man nun weiß für eine Häufung von Krebserkrankungen und Fehlgeburten sowohl bei der vietnamesischen Bevölkerung als auch beim US-Personal.

Fazit:

Kristin Hannah ist es gelungen, allen jenen, die keine Lobby, keine Stimme haben/hatten, eine Stimme zu geben. Der Roman ist eine Hommage an alle Frauen, die im Krieg ihr Leben riskiert haben, ohne dass man ihnen dafür Anerkennung und Respekt gezollt hat. Dafür gebühren der Autorin und ihrem Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 06.09.2024
Ericson, Pernilla

In der Erde / Lilly Hed Bd.3


sehr gut

In diesem dritten Teil der vierteiligen Reihe rund um die schwedische Ermittlerin Lilly Hed bekommen wir es mit einem perfiden Verbrechen zu tun. Als ein Einfamilienhaus auf Grund einer Gasexplosion zerstört wird, findet man nur die Leichen zweier Erwachsener, also der Eltern. Die fünfjährige Tochter scheint verschwunden zu sein. Wenig später, eine ähnliche Katastrophe. Nun sind zwei Mädchen verschwunden, offensichtlich entführt. Der Entführer meldet sich und gibt der Polizei zehn Tage Zeit, seine Forderungen, mehrere Pflegekinder ihren leiblichen Eltern zurückzugeben, zu erfüllen, ansonsten würde er die Mädchen verdursten lassen.

Fieberhaft beginnt die Suche nach den Mädchen und dem Täter. Obwohl Lilly Hed schwanger ist und an einer schlimmen Form der Schwangerschaftsübelkeit leidet, ermittelt sie auch vor Ort ohne Rücksicht auf ihren Zustand zu nehmen. Dabei ist sie wegen des bevorstehenden Prozesses gegen ihren Ex-Freund, der Oberstaatsanwalt, ohnehin ziemlich angespannt.

Erst als sich nach längerer Recherche eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden bei den Explosionen getöteten Frauen ergibt, ist klar, wo nach dem Täter gesucht werden muss. Dabei läuft den Ermittlern die Zeit davon ...

Meine Meinung:

Obwohl ich diesen dritten Fall für Lilly Hed und ihr Team sehr spannen finde, muss ich Kritik üben, die den 5. Stern kostet.

Ich weiß ja jetzt nicht, wie die gesetzlichen Bestimmungen für Schwangere in Schweden sind. Aber, dass eine schwangere Polizistin, die noch dazu an solche Beschwerden leidet, ganz normal Dienst tut, kann ich kaum glauben. Hier sind sowohl die werdende Mutter als auch der Fötus gefährdet. Das Vorgehen widerspricht in meinen Augen der Fürsorgepflicht, die Arbeitgeber seinen Arbeitnehmerinnen gegenüber haben. In Österreich ist es Schwangeren verboten Überstunden zu leisten und die Arbeitgeber haben Schwanger von Arbeiten, die das Leben und die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden, sofort nach der Meldung einer Schwangerschaft abzuziehen, auch wenn es den Frauen nicht passt.

Lilly könnte Innendienst machen, aber dass sie vor Ort ermittelt und sich wissentlich in Gefahr begibt, halte ich für unverantwortlich. Ich finde, es genügt schon, dass sie auf Grund des bevorstehenden Prozesses in Gefahr gerät, da muss sie sich nicht auch noch im Job Gefahren aussetzen. Also das kostet sie einige Sympathie bei mir.

Die Auseinandersetzung mit ihrem Ex-Freund steuert langsam und unaufhörlich auf eine Eskalation zu. Es bleibt zu hoffen, dass im vierten und letzten Teil nicht LIlly Hed die Leidtragende sein wird.

Im aktuellen Fall liegt der Fokus weniger auf der Teamarbeit wie wir sie aus den Vorgängern kennen, sondern auf den Alleingängen von Lilly Hed.

Sehr gut gelungen ist der Schwenk zu den entführten Mädchen, die fünf und acht Jahre alt sind und in manchen Handlungen ein wenig zu erwachsen wirken.

Die Verzweiflung des Täter generiert so etwas wie einen Anflug von Mitleid oder Verständnis, seine Rache am System, das Unschuldige das Leben kostet, ist allerdings nicht akzeptabel.

Fazit:

Wie schon oben erwähnt, ist Lilly Hed diesmal für mich nicht die toughe, strahlende Heldin, sondern eine sture Ermittlerin, die das Leben und die Gesundheit ihres Babys in Gefahr bringt. Daher gibt es diesmal nur 4 Sterne.

Bewertung vom 06.09.2024
Ramstedt, Frida

Das Möbel-Handbuch


ausgezeichnet

Dieses Buch ist ein gelungener Ratgeber zum Möbelkauf. In diesem Leitfaden wird erklärt, auf welche Fakten geachtet werden sollte. Ein Möbel soll nicht ausschließlich schön anzusehen und zur Brieftasche passen, sondern hauptsächlich den Bedürfnissen der Menschen, die es benützen angepasst sein. Dazu werden die Lehren der Ergonomie, die man vielleicht schon vom Arbeitsplatz her kennt, auf den privaten Bereich umgelegt.

Über den scheinbar einfachen Rat, auch die Innenlichte von Türen abzumessen, um damit sicher zu stellen, dass das Möbelstück in die Wohnung passt, musste ich ein wenig schmunzeln. Aber, das hat seine Berechtigung, denn in der Euphorie, das lange gesuchte Wunschmöbel gefunden zu haben, wird das doch manchmal vergessen.

Die einzelnen Kapitel befassen sich ausführlich mit Sitzmöbel, Tischen, Stauraum und Betten unter oben angegebenen Kriterien, Vor-, und Nachteile werden aufgelistet. Auch das Kapitel über die verschieden Materialien sowie die Tabelle über die Holzarten können eine Hilfe bieten, denn die Auswahl ist schier grenzenlos. Leider sind die Verkäufer in einem Möbelhaus oft nur angelernte Verkäufer und können daher nicht immer entsprechend komptent beraten.

Zahlreiche Skizzen ergänzen die ausführlichen, aber doch leicht verständlichen Ausführungen. Nach der Lektüre wird schnell klar, dass der Kauf eines Möbels mehr ist, als saisonales Shopping, auch wenn uns die Werbung ständig suggeriert, den Jahreszeiten entsprechend, mehrmals im Jahr neue Möbel zu kaufen.
Es schont auch die eigene Geldbörse, ein wenig mehr Zeit und vor allem in Qualität eines neuen Möbelstückes zu investieren. Vom Gedanken an Nachhaltigkeit ist dabei noch wenig die Rede. Apropos Nachhaltigkeit: Die Autorin macht hier auch auf den Gebrauchtmöbelmarkt aufmerksam, bei dem oft nicht bekannt ist, welche Materialien hier verwendet worden sind, weil Gebrauchsanleitungen nicht mehr vorhanden sind. Besonders bei gebrauchten Kindermöbel, die allenfalls neu gestrichen werden, ist auf speichelfeste Lacke zu achten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem hochwertig und ansprechend gestalteten Handbuch, das die Leser auf wichtige Aspekte hinweist, das für sie persönlich perfekte Möbelstück zu kaufen, 5 Sterne.

Bewertung vom 05.09.2024
Chevalier, Tracy

Das Geheimnis der Glasmacherin


ausgezeichnet

Die US-amerikanische Autorin Tracy Chavelier hat mit „Das Geheinis der Glasmacherin“ einen ganz besonderen historischen Roman verfasst.

Man schreibt das Jahr 1468. Die Glasbläserfamilien auf Murano hüten die Geheimnisse um die Herstellung des kostbaren Glases wie ihre Augäpfel. Die achtjährige Orsola Rosso soll bei der bekannten Glasbläserfamlie Barovier spionieren, was dort gerade erzeugt wird.

Wenig später kommt Lorenzo Rosso, einer der Glasvirtuosen, durch ein Unglück bei der Herstellung eines Kandelaber ums Leben. Zwar gibt es mit Marco einen Sohn, der die Familientradition weiterführen soll. Doch der ist ein Hitzkopf und bei weitem nicht so begabt wie sein Vater oder der Obergeselle Paolo.

Obwohl Lorenzos Witwe Laura versucht, den Niedergang aufzuhalten, treibt die Manufaktur langsam aber sicher auf ihren Ruin zu. Da greift Tochter Orsola, neben allen Aufgaben des Haushalts, zu einem Strohhalm: Sie holt sich Rat bei der gefürchteten Maria Barovier, lässt sich das Perlendrehen zeigen und beginnt heimlich in der Nacht mit der Erzeugung von Glasperlen in der Küche. Denn gemäß den strengen Regeln der Glasmacherkunst, ist es den Frauen verboten, an den Glasöfen zu arbeiten. Die Anfertigung von Glasperlen, abfällig „escrementi di topo“ bzw. „escrementi di coiglio“ (also Mäuse- bzw. Kaninchenköttel) genannt, mittels eines Tranbrenners, wird gerade noch geduldet, denn die Männergesellschaft nimmt diese Glasperlen nicht ernst. Damit kann sie die Unterhalt der Familie garantieren und die Werkstatt bis in die Gegenwart erhalten.

Wie eng die Regeln der Glasmacherkunst ausgelegt werden, ist daran zu erkennen, dass es nur sehr selten gelingt, Männern, die nicht aus Glasmacherfamilen stammen, eine Ausbildung auf Murano zu erhalten. Eine solche Ausnahme ist Antonio, der sich in den Kopf gesetzt hat, Glasmacher zu werden, obwohl seine Familie seit Generationen Fischer waren. Dass ihm Orsola den Kopf verdreht hat, spielt natürlich auch eine Rolle. Als Antonio bessere Entwürfe als Marco erzeugt, kommt es zum Streit und Antonio verlässt heimlich Murano, denn auf das Verlassen der Insel steht die Todesstrafe. Es könnte ja das Geheimnis um die Herstellung des Glases verraten werden und damit unliebsame Konkurrenz erzeugt werden.

Meine Meinung:

Bereits das Cover des Buches mit dem kunstvoll gestalteten Farbschnitt stimmt den Leser auf die Geschichte ein. Die Farben lehnen sich an die Glasstäbe an, mit denen die Glasmacher gearbeitet haben. Das Buch entführt einerseits nach Murano, wo das Monopol der Glasmacherkunst beheimatet war.

Dieser historische Roman bedienst sich einer interessanten Erzählform, denn er spannt den Bogen von Mitte des 15. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Was daran so bedeutsam sein soll? Tracy Chevalier lässt die Zeit in Murano viel langsamer vergehen. Während im nur wenige Kilometer entfernten Venedig die Jahre wie im Flug vergehen und wir Persönlichkeiten wie Giacomo Casanova und Kaiserin Joséphine, die Pest, die Besetzung Venedigs durch Napoleon, später durch die Habsburger, die Einigung Italiens, die beiden Weltkriege sowie die Corona-Epidemie erleben, bleibt in Murano (fast) alles beim Alten.

Diese politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen rund um Venedig sind eindringlich beschrieben. Spannend war auch das Verhältnis der Insulaner zum Festland. Die Autorin hat viele geschichtliche Details in dieser spannenden Familiengeschichte versteckt. Dadurch bleibt die Geschichte durchwegs interessant und entwickelt eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann.

Welches Geheimnis die Glasmacherin umgibt und welche Rolle Glasdelfine dabei spielen, müsst ihr selbst lesen.

Mir hat der Einblick in die Glasmacherkunst sehr gut gefallen. Ich habe anlässlich eines Besuches in einer der letzten Glashütten in Neunagelberg in Niederösterreich selbst eine Glaskugel blasen dürfen. Eine interessante Erfahrung.

Tracy Chevalier, deren wohl bekanntestes Werk „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ ist, ist abermals ein opulenter historischer Roman gelungen.

Neben einem geschichtlichen Überblick enthält das Buch noch ein Glossar über die wichtigsten italienischen und venezianischen Begriffe und Redewendungen, die in der Geschichte vorkommen. Ich konnte mein Arsenal an Schimpfwörtern um einige neue ergänzen, herrlich.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der penibel recherchiert und opulent erzählt ist und uns in die Welt der Glasmacherkunst entführt, 5 Sterne.

Bewertung vom 04.09.2024
Kaufmann, Ernst

Wiener Herz am Sternenbanner


ausgezeichnet

Ernst Kaufmann, der als Autor von Kriminalromanen bekannt ist, hat mit dieser Biografie den Komponisten Bruno Granichstaedten (1879-1944) aus der Vergessenheit geholt.

Viele Leser werden denken, Bruno Granichstaedten?, nie gehört.

Bruno Granichstaedten war ein gefeierter Komponist jüdischer Abstammung aus Wien. Schnell wird klar, dass der Knabe musikalisch ist und erhält Klavierunterricht unter anderem von Anton Bruckner (1824-1896), dessen 100. Geburtstag aktuell gefeiert wird.

Ernst Kaufmann erzählt detailliert und pointiert aus Granichstaedtens Kindheit und Jugend sowie über die ersten Erfolge als Komponist, spart aber die eine oder andere Enttäuschung nicht aus. Der junge Granichstaedten hat viel Erfolg bei den Frauen, weshalb Privatleben mitunter ein wenig turbulent ist.

Nach der Machtübernahme der Nazis glaubt er, wie so viele andere jüdische Bewohner Österreichs, seine Teilnahme als Soldat im Ersten Weltkrieg sowie seine Bekanntheit können ihn retten, zu mal er ja katholisch getauft war. Während seine Tochter Johanna geradezu prophetisch die Gräuel des Regimes erkennt und 1938 in die USA emigriert, schafft es Bruno 1940 mit seiner aktuellen Lebenspartnerin und Sängerin Rosalie Kaufmann (1910-1979) gerade noch rechtzeitig nach Amerika. Sein Sohn Felix aus erster Ehe wird von der Gestapo abgeholt und 1943 ermordet.

Obwohl Granichstaedten einige Empfehlungen hat, kann er in Amerika nicht Fuß fassen. Zum einen hat er in den zahlreichen anderen geflüchteten jüdischen Komponisten, die es schon viel früher nach Amerika verschlagen hat, eine große Konkurrenz und zum anderen findet seine Musik nicht den Anklang wie erwartet.

Der herzkranke Bruno Granischstaedten stirbt am 30. Mai 1944 in New York.

Meine Meinung:

Ernst Kaufmann, dessen Vater der Bruder von Rosalie Granichstaedten-Kaufmann ist, hat hier eine lebendige Biografie des Komponisten geschrieben. Der Schatten, der durch die NS-Diktatur über Europa liegt, ist auch im Schreibstil zu finden. Die ersten Kapitel sind leicht und locker zu lesen. Bruno Granichsstaedten komponiert zahlreiche eingängige Melodien und hat mit seinen Operetten großen Erfolg. Nach und nach verdüstert sich Leben und Erzählung. Jüdische Musik ist nicht mehr gefragt und wird verboten, weshalb Granichstaedtens Einkommen stetig schrumpft. Er will Österreich respektive Deutschland, wie so viele seiner jüdischen Zeitgenossen, nicht verlassen. Seine Tochter Johanna (aus der Ehe mit Selma) hat hier den größeren Weitblick.

Die Jahre der Flucht in Luxemburg und die spätere Emigration in die USA haben wenig von der Leichtigkeit der Worte aus dem ersten Teil der Biografie gemein. So wie Granichstaedten als Person in eine Depression rutscht, wirkt auch die Schilderung seiner letzten Lebensjahre. Die Leichtigkeit der Zwischenkriegszeit mit Granichstaedtens Erfolgen ist verklungen.

Ernst Kaufmann, der selbst Musik studiert hat, beschreibt detailgetreu die Arbeit des Komponierens, die bei Grnaichstaedten oft bis zur Erschöpfung ging. Einmal im Flow, kann er nicht aufhören.

Das Buch enthält nicht nur die Beschreibung der wesentlichen Stationen von Bruno Granichstaedtens Leben, sondern auch zahlreiche Fotos aus seinem Nachlass, ein Werkverzeichnis, das die Vielseitigkeit des Künstler darstellt sowie Ausschnitte aus Zeitungskritiken, die in kursiver Schrift gehalten, sich vom übrigen Texte abheben und eine Zeittafel. Gut gefallen mir die Kurzbiografien von Bruno Granichstädtens Weggefährten wie Taufpate und Volksschauspieler Alexander Girardi, Komponist Anton Bruckner, Schriftsteller Frank Wedekind oder die Brüder Hubert und Ernst Marischka, die in der Nachkriegszeit mit den „Sissi-Filmen“ bekannt werden.

Im Vorwort würdigt Prof. Herbert Prikopa (1935-2015), selbst Künstler, Sänger und Kabarettist, Bruno Granischstaedten als großen Künstler.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser detaillierten Biografie des vielseitigen Künstlers Bruno Granichstaedten, der auf Grund seiner jüdischen Herkunft, im deutschen Sprachraum verfemt und zur Flucht getrieben worden ist, 5 Sterne.

Bewertung vom 03.09.2024
Hucko, Margret;Noé, Martin

Benkos Luftschloss


ausgezeichnet

Chronik eines steilen Höhenfluges und tiefen Falls

Margret Hucko und Martin Noé, beides erfahrene Wirtschaftsjournalisten liefern eine fundierte und detaillierte Analyse jener Ereignisse, die den steilen Aufstieg eines Schulabbrechers, der mit den Schönen und Reichen auf gleicher Höhe stehen wollte bis hin zu seinem nicht minderen tiefen Fall. Längst sind nicht alle Verstrickungen und Malversationen bekannt, denn derjenige, der das undurchsichtige Firmenkonglomerat erschaffen hat, hüllt sich in Schweigen und leidet an einem selektiven Gedächtnisverlust, der ausgerechnet diese Details betrifft. Die Rede ist von René Benko und seiner Signa-Gruppe, deren Insolvenz nicht nur in Österreich sondern weltweit Baufirmen und Geldgeber zittern. Der stets verwendete Satz „Für ihn gilt die Unschuldsvermutung“ mag angesichts des Schadens, den Benko angerichtet hat, zynisch klingen.

Das in 22 Kapitel aufgeteilte Buch, beleuchtet zu Beginn den kometenhaften Aufstieg des Selfmade-Mannes aus Tirol. Dazu werden (ehemalige) Freunde und Weggefährten befragt.

Es ist erstaunlich, wie viele gewiefte Geschäftsleute, wie Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner, Unternehmer Klaus-Michael Kühne oder Torsten Toeller auf diesen Scharlatan hereinfallen konnten. War es die Gier nach noch mehr Rendite? Und welche Rolle spiel(t)en die Wirtschaftsprüfer? So unabhängig wie man glaubt sind die ja doch nicht, denn sie werden von der zu prüfenden Firma beauftragt....

Vieles ist noch ungeklärt, vor allem wo das Geld geblieben ist, was mit den Immobilien und Baustellen passiert und wie es sein kann, dass eine derartige Firmenkonstruktion, in der lauter Kleinfirmen, die keine Bilanzen legen müssen, unter dem Radar der Finanz laufen konnte. Vieles wird vor Gericht geklärt werden müssen. Der einzige, der hier Licht ins Dunkel bringen könnte, ist René Benko. Doch der schweigt eisern.

Eines ist jedenfalls klar: zahlreiche Unternehmer und Kommunen haben sehr viel Geld verloren und emotionalen Niederlagen erlitten. Vielleicht werden sie in Zukunft ein weniger vorsichtig agieren, wenn es darum geht, ihr Vermögen zu investieren.


Meine Meinung:

Das Autoren-Duo versteht es ausgezeichnet, die komplexen wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der Signa-Insolvenz so aufzubereiten, dass sie auch für Laien verständlich und spannend sind.

An manchen Stellen scheint das Buch sehr detailliert auf die juristischen und finanziellen Aspekte der Insolvenz einzugehen. Das könnte auf den einen oder anderen Leser etwas trocken wirken. Andererseits sind diese diese Details für das Gesamtverständnis des Insolvenz der Signa-Holding notwendig.

Die Autoren schaffen es, die komplexen Sachverhalte rund um die Insolvenz der Signa-Gruppe so darzustellen, dass sie auch für Leser ohne wirtschaftlichen Hintergrund gut nachvollziehbar sind. Gleichzeitig gelingt es ihnen, die dramatischen Entwicklungen mitreißend zu schildern, sodass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte. Noch ist nicht abzuschätzen, welche Langzeitfolgen diese Pleite haben wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das den steilen Aufstieg und tiefen Fall des Selfmademan René Benko beleuchtet, 5 Sterne.

Bewertung vom 01.09.2024
Haider, Lars

Hinterm Horizont geht's weiter / Hammerstein ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Als die Zeitung Hamburg News einen neuen Chefredakteur bekommt, brechen für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen neue und harte Zeiten an. Ein Großteil von ihnen wird per email gekündigt, auch wenn sie schon 20 oder mehr Jahre in dem Unternehmen gearbeitet haben. Einige fallen daher in ein tiefes Loch, zumal von der Eigentümerseite keinerlei Unterstützung zu erwarten ist. Dort hat man nur die Dividende im Kopf. Auch die Ressorts werden neu zugeteilt und die Zeitung driftet vom Qualitätsjournalismus in die Richtung eines Krawallblattes.

Lukas Hammerstein, der zahlreiche Prominente der Hamburger High Society kennt, soll eine Reihe von Homestories schreiben. Freude kommt hier keine auf. Dabei geht es ihm noch besser als seiner Kollegin, der Polizeireporterin Kaja, die ab sofort nur mehr über Hauben-Köche und solche die es werden wollen berichten soll.

Sowohl Lukas als auch Kaja gehen ziemlich unwillig an ihre neuen Aufgaben heran, bis, ja bis sie erfahren, dass der eine oder andere von Lukas‘ Gastgebern einem schnöden Haushaltsunfall zum Opfer gefallen ist. Ein Millionär der selbst Glühbirnen tauscht? Oder einer, der in seiner Küche einen Topf mit siedend heißem Wasser fällt? Klingt ein wenig unwahrscheinlich. Daher beginnen Lukas und Kaja heimlich zu ermitteln.

Als der Chefredakteur vom Ableben der reichen Männer erfährt, konstruiert er daraus einen Serienmörder. Zusätzlich erhält Lukas von ihm eine Liste von Personen, die er interviewen soll. Sind das nun potentielle Opfer?

Es dauert eine geraume Weile bis Lukas und Kaja herausfinden, was die Toten, die nun auch die Hamburger Polizei in Atem halten, verbindet.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der dritte aus Lars Haiders Feder, wobei mir der zweite irgendwie durch die Lappen gegangen ist.
Geschickt führt uns der Autor in die Welt des Finanzadels der Hanseaten ein.

Wie schon in den anderen Teilen dieser Reihe spielen Dackelin Finchen und Udo Lindenberg eine tragende Rolle.

Die Reihe punktet durch die Auftritte von Udo Lindenberg, diesmal ein wenig seriöser, sowie durch die Kulisse der Hansestadt. Ich bin ja ein Fan von beiden, daher vielleicht ein wenig befangen, was mein Urteil angeht.
Der Krimi liest sich leicht und locker, hat aber mit seinem Einblick in die Welt der Zeitungen einen ernsten Hintergrund. Man hört immer wieder von Zeitungen, die ihre Chefredakteure austauschen, die dann eine radikale Umstrukturierung vornehmen. Welche Dramen sich dahinter verbergen wird oft nicht bekannt.

Auch der Titel dieses nun mehr dritten Krimis stammt aus einem Song von Udo Lindenberg, diesmal „Horizont“.

Fazit:

Ein lockerer Krimi, der uns hinter die Kulissen von Hamburgs Reichen und Mächtigen blicken lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 01.09.2024
Nestmeyer, Ralf

111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen


ausgezeichnet

Ralf Nestmeyer, den meisten von uns als Autor von Reiseberichten und Krimis bekannt, stellt uns in Rahmen der 111er-Reihe aus dem Verlag Emons 111 Orte vor, die deutsche Geschichte schrieben. Ein Überblick, der natürlich nicht vollständig sein kann und will.

Es ist nicht leicht, aus der langen Geschichte Deutschlands „nur“ 111 Meilensteine auszusuchen. Die Auswahl ist natürlich subjektiv. Ich hätte ein paar andere gewählt, da ich als Österreicherin naturgemäß einen anderen Blick auf Deutschland habe.

Ralf Nestmeyer ordnet seine ausgewählten Orte chronologisch, soweit dies möglich ist.

Den Anfang macht die Schlacht im Teutoburger Wald (9 nach Christus), in der die Germanen unter Arminius den römischen Feldherrn Varus vernichtend geschlagen haben. Sein letzter, „Das Berghain“ in Berlin, der Mythos der Berliner Kultszene. Dazwischen liegen 2.000 Jahre Krieg und Frieden sowie Kultur und Subkultur. Dass Berlin mit 14 Nennungen ein Schwergewicht ist, liegt an der wechselvollen und interessanten Geschichte der ehemals geteilten Stadt

Es gibt auch fünf Orte an denen deutsche Geschichte geschrieben worden ist, die nicht in Deutschland liegen: Verdun (F/49), Auschwitz (PL/62), Bern (CH/71), Warschau (PL/91) und Prag (CZ/104).

Die meisten der vorgestellten Orte habe ich auf meinen literarischen Reisen bereits besucht. Gorleben (97) und Hoyerswerda (109) sowie Marktl (108) noch nicht. Ich denke, daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern.

Zahlreiche andere unter diesen 111 habe ich schon persönlich besucht, da ich mich als Deutschland-Reisende oute. Augsburg, Berlin, Bremen und Bremerhaven (erst vor kurzem), Hamburg (immer wieder), Lübeck, Dresden, Nürnberg, Erfurt, Weimar, Köln und Dortmund.

Sehr beeindruckt hat mich die Führung in der alten Synagoge in Erfurt (5) oder die Stadt Weimar mit ihren Sehenswürdigkeiten wie das Goethe-Haus (20).

Jedenfalls bleiben noch zahlreiche andere Orte in Deutschland übrig, die ich demnächst besuchen werde.

Meine Meinung:

Ralf Nestmeyers Schreibstil macht Lust. die Koffer zu packen und an einen der angeführten Orte zu reisen. Wer abseits der ausgetretenen Touristenpfade wandeln möchte, dem seien die zahlreichen anderen Reiseziele der 111er-Reihe empfohlen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das einen Überblick über ausgewählte 111 Orte, in denen deutsche Geschichte geschrieben worden ist, 5 Sterne.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2024
Klenk, Florian

Über Leben und Tod


ausgezeichnet

Journalist Florian Klenk und Gerichtsmediziner Dr. Christian Reiter kennen einander schon sehr lange. Gemeinsam betreiben sie seit längerer Zeit einen Podcast, den ich persönlich noch (?) nicht kenne. Das Buch macht Lust, den Podcast zu hören.

Worum geht’s?

Um nicht mehr oder weniger, als um die Arbeit eines Gerichtsmediziners, der nicht nur nach der Todesursache forscht sondern auch Gerichtsgutachten abgibt, wenn es darum geht, Gewaltopfern vor Gericht Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, was oft ander mangelnden Dokumentation durch nur unzureichend geschultes Personal in Polizeidienststellen und Notaufnahmen sehr schwierig ist. Hier beklagt Dr. Reiter, dass aus Einsparungsgründen nur mehr wenige Autopsien vorgenommen werden, was zur Folge hat, dass der eine oder andere nicht natürliche Todesfall unentdeckt bleibt. So wie es beinahe bei einem seiner spektakulären Fällen gewesen wäre: Elfriede Blauensteiner, die ihre betagten Opfer mittels Medikamenten sediert und dann Kälte ausgesetzt hat, so dass der Eindruck eines Todes an Lungenentzündung entstanden ist.

Daneben erfahren wir einiges über historische Kriminalfälle, gestohlene Köpfe und besuchen Dr. Reiter sowohl in öffentlichen als auch in seinem privaten Museen.

Natürlich darf auch der Werdegang des Doyen der Gerichtsmedizin Österreichs nicht fehlen. Wie er selbst launig erzählt, wollte seine Mutter nicht, dass er Veterinärmedizin studiert, denn „die Landtierärzte saufen alle“. So gesehen ein Glück für die Gerichtsmedizin.

Ein traumatisches Erlebnis ist für ihn die Arbeit in Bangkok, wo Reiter bei der Identifizierung jener Menschen, die beim Absturz der LaudaAir Maschine ums Leben gekommen sind, hilft. Die Selektion in nichtasiatische und asiatische Opfer (schwarzhaarig oder nicht) führt dazu, dass zahlreiche Tote nicht identifiziert werden und ein einem Massengrab bestattet werden. Auch das Abnehmen von Zahnabdrücken bleibt nur nichtasiatischen Opfern vorbehalten.

Dr. Reiter macht hier ganz profan auf die Schwierigkeiten der Hinterbliebenen aufmerksam, die nicht sicher sein können, dass ein Angehöriger wirklich tot und identifiziert ist.

Meine Meinung:

Das Buch ist sehr gut gegliedert, wenn auch nicht unbedingt chronologisch. An manchen Stellen wirkt es wie eine zwanglose Plauderei aus dem Nähkästchen, was wohl dem Format Podcast geschuldet ist. Das hat mir gut gefallen, denn so kann der Laie die Arbeit eines Gerichtsmediziners leichter verstehen und auch annehmen. Viele Angehörige wollen ja, warum auch immer, nicht, dass ihre toten Lieben aufgeschnitten und untersucht werden. Florian Klenk versteht es, die Informationen gut verständlich und ohne Voyeurismus, der manchen seiner Journalistenkollegen zu eigen ist, darzulegen.

Zahlreiche eingestreute Anekdoten über bekannte historische Todesfälle ergänzen das Buch. So bringt Reiter den Nachweis, dass einzelne Haare, die man Beethoven zuschreibt, doch nicht dessen Kopf geziert haben.

Sehr gut hat mir der Ausflug in die Medizingeschichte gefallen. Schmunzeln musste ich über das Kapitel „Herr der Fliegen“.

Ich hätte mir ein wenig mehr über die Arbeit und technische Details zur Ursachenforschung gewünscht. Aber das ist Meckern auf höchstem Niveau.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das eine gute Mischung aus Medizingeschichte, Biografie sowie der Arbeit eines Gerichtsmediziners ist, 5 Sterne.