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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 400 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2018
Vigan, Delphine

Loyalitäten


sehr gut

Biologielehrerin Hélène ist sich sicher, dass ihr Schüler Théo nicht einfach nur ein etwas verschlossenes Kind ist, sondern ein echtes Problem hat. Doch was, das weiß sie nicht. Mathis, Théos bester Freund dagegen schon. Schließlich stehlen sie sich jede freie Minute in ein Versteck der Schule, um sich zu betrinken.

„Loyalitäten“ ist ein recht kurzer Roman, der es trotzdem in sich hat. Théos Verfall ist nicht leicht mit anzusehen, seine Verzweiflung, aber auch seine vergeblichen Bemühungen an der familiären Situation etwas zu ändern. Die ist wirklich zerfahren, die Eltern geschieden, seit Jahren sprechen sie kein Wort mehr miteinander, der Vater versinkt in Einsamkeit. Ich konnte mich mit der Haltung der Mutter bis zum Schluss nicht anfreunden, mir erschien sie zu unrealistisch; das hat mich dann doch oft aus dem Lesefluss gerissen. Sehr gut gelungen ist die Darstellung von Hélènes Bemühungen, allgemein die Reaktionen im Schulsystem empfand ich als sehr authentisch. Trotz dieser aufwühlenden Thematik beobachtet man als Leser das Geschehen doch eher distanziert, ich hätte mir mehr Emotionen, mehr Nähe gewünscht. Delphine de Vigan hat einen leisen Weg gewählt, um ihre Geschichte zu erzählen, für mich wurde hier allerdings Potential verschenkt, weil oft die Distanz zur Handlung zu groß war.

Bewertung vom 06.12.2018
Fox, Candice

Redemption Point


sehr gut

Doppelmord in Crimson Lake! Eigentlich ist das verschlafene australische Nest kein typischer Schauplatz für solch grausige Taten, und so ist die Polizei ganz froh, dass sich die Detektivin Amanda Pharell und ihr Partner Ted Conkaffey in die Ermittlungen einklinken. Doch Letzterer wird bald darauf abgelenkt, denn seine Vergangenheit droht ihn einzuholen.

„Redemption Point“ ist bereits der zweite Band mit dem eigenwilligen Ermittlerduo und konnte bei mir wieder punkten. Ted und Amanda sind sehr unterschiedlich, ergänzen sich aber perfekt. Wo der eine zu sehr grübelt, ist die andere oft sehr impulsiv usw. Diesen Gegensatz mag ich sehr gerne, immer wieder kommt auch so neuer Schwung in die Handlung. Die ist aber ansonsten mitnichten langweilig, denn der Doppelmord und auch die neuen Entwicklung in Teds Fall (er wurde fälschlicherweise der Vergewaltigung angeklagt) sorgen dafür, dass man förmlich an den Seiten klebt. Dazu trägt natürlich auch die lockere Schreibweise bei, denn die Geschichte liest sich sehr flüssig. Etwas mehr Tiefgang, gerade im Hinblick auf Teds Vergangenheit wäre schön gewesen, ist jetzt aber kein großes Manko. Insgesamt hat mich „Redemption Point“ sehr gut unterhalten, und ich bin schon gespannt was die zwei als Nächstes erleben werden.

Bewertung vom 24.11.2018
Whitehouse, David

Der Blumensammler


sehr gut

Mit einem Liebesbrief fängt alles an. Peter findet ihn in einem verstaubten Bibliotheksbuch, und ihm scheint die kurze Liste mit sechs außergewöhnlichen Blumen nicht mehr aus dem Kopf zu gehen. Obwohl er eigentlich sonst weder ein spontaner noch ein reisefreudiger Mensch ist, befindet er sich plötzlich auf einer Reise um die Welt auf der Spur dieser seltenen Pflanzen.

David Whitehouse hat mich schon mit seiner Reise in einem gestohlenen Bibliotheksbus überzeugt, dass er wunderbare und etwas schrullige Geschichten kann. Auch der Blumensammler passt in diese Kategorie. Ich mochte den etwas langweiligen Peter auf Anhieb, denn er hat ein gutes Herz und den Mut sein Leben auch mal anders anzupacken. Seine irrwitzige Reise hat viel Spaß gemacht, nebenbei hat man einiges über Blumen gelernt und wird ganz wunderbar unterhalten. Der zweite Handlungsstrang rund um Dove, der ca. 30 Jahre später als Peters spielt, hat mich nicht immer überzeugen können. Man muss sich hier auf die „magische“ Verbindung einlassen können, und das ist mir nicht richtig gelungen. Der Erzählstil bleibt natürlich immer derselbe, und den mochte ich wiederum so sehr, dass ich die etwas schwächeren Szenen auch gut verschmerzen konnte. Insgesamt ein unterhaltsamer Roman, der den Leser auf etwas schrullige Art in die Welt der Botanik entführt.

Bewertung vom 18.11.2018
Meijer, Eva

Das Vogelhaus


gut

Vor einem kleinen Häuschen im englischen Sussex steht ein Schild „Bitte kein Besuch.“ Warum? Hier lebt und forscht Len Howard über die Vögel in ihrem Garten, die nach kurzer Zeit so zutraulich sind, dass sie es sich auch im Haus gemütlich gemacht haben. Die Beziehungen untereinander, ihr Gesang, der Charakter jedes einzelnen Tieres wird liebevoll und gleichzeitig akribisch erforscht und für die Nachwelt festgehalten.
Die niederländische Autorin Eva Meijer hat das Leben der Vogelkundlerin zur Vorlage für ihren Roman gewählt. Howards Bücher über ihre Vögel waren zu Lebzeiten sehr bekannt und geschätzt, sind heute aber eher in Vergessenheit geraten. Umso schöner, dass man auf diese Weise wieder ihrer erinnert. Schon allein der Werdegang von einer professionellen Geigerin hin zu jemandem, der abgeschieden ganz dem Hobby frönt, das er schon von Kindesbeinen an pflegt, war sehr faszinierend zu lesen. Howard war nicht etwa studierte Biologin, sondern hat sich einfach schon immer gerne mit den gefiederten Bewohnern ihres Gartens befasst. Auch die Widrigkeiten, die ihr als „Laie“ begegneten lässt die Autorin nicht aus, und so bekommt man einen sehr guten Einblick in Howards Leben und Wirken. Leider hat mir der Erzählstil nicht so richtig zugesagt, der ist sehr ruhig (wahrscheinlich um die Vögel nicht zu erschrecken), aber auch ohne echte Emotion. So war ich zwar von den Abschnitten über das Vogelverhalten gefesselt, der fiktive Teil über die Forscherin war aber eher schleppend zu lesen. Trotzdem bin ich froh auf „Das Vogelhaus“ gestoßen zu sein, denn so habe ich einiges über meine gefiederten Balkonbesucher gelernt.

Bewertung vom 13.11.2018
Eschbach, Andreas

NSA - Nationales Sicherheits-Amt


ausgezeichnet

Bereits 1851 hat Lord Babbage den Vorläufer der heutigen Komputer erfunden. Die Technik hat seitdem riesige Fortschritte gemacht und so verfügen im Jahre 1942 viele Menschen über ein tragbares Volkstelefon, einen eigenen Komputer, schicken sich über das Weltnetz Elektropost oder diskutieren in den vielen Foren. Auch die Nationalsozialisten machen sich die Technik zu Nutze, im NSA, dem Nationalen Sicherheitsamt, werden sämtliche Daten jedes Einzelnen gespeichert, verarbeitet und ausspioniert. Dort arbeitet Helene als Programmstrickerin, deren Job bald zu einem Kriegsentscheidenden wird.

Das Gedankenexperiment des Autors hat mich schon sehr interessiert. Was wäre, wenn im Dritten Reich schon die Möglichkeiten von heute verfügbar gewesen wären? Hat man sich erst mal an die eingedeutschen Begriffe wie z.B. Komputer, Parole (=Passwort), Weltnetz etc. gewöhnt, findet man sich schnell in der neuen Welt zurecht. Diese birgt neben dem historisch verbrieften Schrecken des Nationalsozialismus nun auch die Gefahren des gläsernen Ichs, und es wird mehr als deutlich was private Daten in den falschen Händen anrichten können. Ich fand die Ausführungen des Autors sehr authentisch, erschreckend und auf eine sehr verquere Art faszinierend. Erzählt wird dieses Szenario sehr anschaulich, selbst für mich komplexere Themen wie die Funktionsweise von Komputerprogrammen werden gut erklärt und waren so für mich nachvollziehbar. Den Erzählstil fand ich sehr ansprechend und so war ich schnell an die Seiten gefesselt. Die Figuren fand ich insgesamt ganz ok, es wäre aber sicherlich noch mehr drin gewesen. Helene als „Gute“ im Spiel bleibt etwas auf ihre Rolle reduziert und hätte durchaus mehr Tiefe vertragen können. Eugen als Gegenspieler fand ich schon spannender, doch auch er bleibt oft zu blass. Abgesehen von diesen fiktiven Figuren, kommen natürlich auch viele historische Persönlichkeiten vor, seien es die Oberen des Naziregimes, bekannte Wissenschaftler, oder auch bekannte Opfer der Nationalsozialisten. Alle werden recht authentisch dargestellt, und spielen perfekt mit den fiktiven Figuren zusammen.
Insgesamt fand ich NSA sehr gelungen, ein erschreckendes Gedankenexperiment, das einerseits zum Nachdenken anregt und andererseits aber auch großartig zu unterhalten weiß.

Bewertung vom 09.11.2018
Lehane, Dennis

Der Abgrund in dir


gut

Rachel dachte eigentlich immer, dass die Suche nach ihrem unbekannten Vater das größte Rätsel ihres Lebens ist. Doch diese Suche wird immer unwichtiger als Panikattacken beginnen ihr Leben zu bestimmen. Halt findet sie in ihrer Ehe. Doch die ist auch nicht was sie zu sein scheint.

Dennis Lehane hat einen psychologischen Roman geschrieben, der sich auch sprachlich sehen lassen kann. Leider kommt die Geschichte nur sehr schleppend in Gang, fast die komplette erste Hälfte bekommt man nur recht gediegene Szenen aus Rachels Leben serviert. Die zweite Hälfte konnte dann einiges wett machen, trotzdem war ich am Schluss nicht komplett vom Handlungsverlauf überzeugt. Lehanes Figuren hingegen sind sehr gut gemacht, Rachel wird sehr authentisch beschrieben und man kann jeden Gedanken in ihrem Kopf nachvollziehen. Ihre Entwicklung habe ich gerne verfolgt, auch wenn ich die Totalverwandlung gegen Ende etwas übertrieben fand. Ein weiterer Pluspunkt des Romans ist seine sprachliche Gestaltung, ich mochte Lehanes Stil sehr; der hat mir auch über die etwas schwächeren Passagen geholfen, sodass ich den Roman unterm Strich recht gerne gelesen habe. Sicherlich nicht Lehanes bestes Werk, aber durchaus mit lesenswerten Momenten.

Bewertung vom 06.11.2018
Benjamin, Chloe

Die Unsterblichen


sehr gut

Vier Geschwister machen sich im heißen New Yorker Sommer von `69 auf den Weg zu einer Wahrsagerin. Sie soll das Todesdatum von jedem vorhersagen können. Alle vier bekommen eine Antwort auf ihre Frage, eine Antwort, die ihren weiteren Lebensweg bestimmt. Jeder der vier hat einen ganz eigenen Weg mit dieser Antwort umzugehen.

Chloe Benjamins Roman über das Leben der vier Mitglieder der Familie Gold ist ein nachdenklich machender Familienroman. Man macht sich Gedanken darüber, wie sich das eigene Leben ändern würde, wüsste man das eigene Sterbedatum. Die vier Geschwister zeigen dann auch im Umgang mit diesem Wissen die komplette Bandbreite von Ignoranz bis zum völligen Glauben an das vorhergesagte Datum. So unterschiedlich ihr Umgang damit, so unterschiedlich sind auch ihre Persönlichkeiten. Ich fand an jedem der vier etwas was mir sehr sympathisch war, aber auch Züge, die ich nicht leiden konnte. Es hat Spaß gemacht sie kennen zu lernen und ihren Lebensweg zu verfolgen, denn die Autorin lässt uns tief in die Köpfe schauen. Allgemein fand ich ihren Erzählstil sehr ansprechend, sie baut eine dichte Atmosphäre auf, zeichnet ihre Charaktere sehr gut und verbindet ihre außergewöhnlichen Lebensgeschichten sehr gekonnt mit aktuellen Ereignissen. Mir hat der Erzählstrang um Varya (und somit der letzte Teil des Buches) leider nicht mehr ganz so gut gefallen, sodass mir das Ende der Familiengeschichte etwas verhagelt wurde. Trotzdem habe ich den Roman sehr gerne gelesen, und bin schon sehr auf weitere Bücher der Autorin gespannt.

Bewertung vom 30.10.2018
Pötzsch, Oliver

Der Spielmann / Die Geschichte des Johann Georg Faustus Bd.1


ausgezeichnet

Der junge Johann versteht die Welt nicht mehr, denn nach dem plötzlichen Tod der Mutter setzt ihn der Vater einfach vor die Tür. Doch Johann würde nicht Der Glückliche genannt werden, würde er seinen Weg nicht finden. Dieser führt ihn in die Arme des Magiers Tonio del Moravia, der ihn bald als Lehrling mit den verschiedensten Künsten vertraut macht. Auch mit den dunklen.

Der sagenumwobene Dr. Johannes Faust hat nicht nur Goethe und Marlowe inspiriert, sondern auch Oliver Pötzsch. Er hat dieser vielumschriebenen Persönlichkeit mit seinem historischen Roman noch einmal ganz neues Leben eingehaucht. Sein Faustus ist ein wissbegieriger, kluger Kopf, der jedoch auch vor den dunklen Künsten nicht zurückschreckt. Trotz dieser dunklen Seite war er mir schnell sympathisch, und man kann sein Denken und Handeln immer gut nachvollziehen. Dieses Hin und Her zwischen Gut und Böse macht einen großen Reiz der Geschichte aus, man drückt Faustus immer die Daumen, dass er letztendlich auf der richtigen Seite landen möge. Seine wissenschaftlichen Ausflüge fand ich ebenfalls sehr spannend, er bewegt sich zeitweilig unter den klügsten Köpfen seiner Zeit und so gibt es einiges zu lernen. Natürlich kenne ich Goethes Faust, und so war es immer wieder schön an ganz unverhofften Stellen Zitate daraus zu finden. Mir hat der Erzählstil unglaublich gut gefallen, der Autor beschreibt die Geschichte von Faustus in buntesten Farben, egal ob es sich dabei um die farbenfrohe Gauklertruppe oder die düstere Magie von Moravia handelt. Die Handlung ist spannend und abwechslungsreich, ich habe mit Johann gebangt und gehofft, gelacht und gelernt. Ein toller Historienschmöker, der altbekanntem Stoff neues Leben einhaucht. Band Zwei wird schon jetzt sehnlichst erwartet.

Bewertung vom 30.10.2018
Prange, Peter

Zeit zu hoffen, Zeit zu leben / Eine Familie in Deutschland Bd.1


sehr gut

Im Wolfsburger Land ist die Familie Ising seit Generationen eine Größe. Die Zuckerfabrik ist weit übers Land hinaus bekannt, ein großer Auftrag gerade an Land gezogen. Doch die Familie wirkt gespalten, der nationalsozialistisch gesinnte Horst betrachtet die Verbindung seiner Schwester mit einem Juden mit Argusaugen, der Erstgeborene Georg interessiert sich mehr für Autos als für sein Familienerbe. Doch das Familienleben steht endgültig Kopf als Hitlers Pläne für eine Autostadt zum Bau des Volkswagen die Existenz der Zuckerfabrik bedrohen.

Peter Prange richtet in seinem neuen Zweiteiler den Blick auf eine typisch deutsche Familie jener Zeit, oder zumindest soll es sich für den Leser so anfühlen. Es werden nahezu alle „Feindbilder“ der Nazis in der Isingfamilie untergebracht, sicherlich um eben auf so viele Schicksale wie möglich eingehen zu können. Auf mich wirkte das leider zwischenzeitlich konstruiert und gezwungen, etwas weniger hätte der Geschichte bestimmt nicht geschadet. Die Figuren selbst sind gut mit Leben gefüllt, manchem kann man auch am Ende des Buches noch nicht so richtig in den Kopf schauen, mancher weiß wahrscheinlich selbst noch nicht so genau wohin mit sich. Diese Entwicklungsfähigkeit der Protagonisten hat mir sehr gut gefallen, ich bin schon sehr auf den zweiten Band gespannt. Die Handlung lebt natürlich nicht nur von ihren Figuren allein, viele historische Ereignisse allen voran der Bau der Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben spielen ebenfalls eine große Rolle. Hier habe ich viel Neues erfahren, genauso wie über z.B. die Irrfahrt der St. Louis und andere zeitgenössische Ereignisse. Die fiktive Handlung rund um die Isings ist ganz wunderbar mit den tatsächlichen Geschehnissen verknüpft. Der Erzählstil ist leicht und flüssig, man kann sich alles sehr gut vorstellen. Die extrem kurzen Kapitel (z.T. nur eine Seite) fand ich allerdings mit der Zeit eher störend, da sie den Lesefluss künstlich unterbrochen haben. Insgesamt habe ich das Buch trotz der genannten Kleinigkeiten sehr gerne gelesen, und bin schon sehr auf den zweiten Teil gespannt.

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.