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Barbara
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Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 214 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2020
Kollender, Andreas

Mr. Crane


sehr gut

1914 liegt der im Krieg schwer verletzte und traumatisierte junger Soldat Fischer im ehemalige Tuberkulose-Sanatorium in Badenweiler. Durch ein Buch von Stephan Crane wird die Krankenschwester Elisabeth auf ihn aufmerksam und kümmert sich sehr liebevoll um ihn. Dabei erzählt sie ihm die Geschichte von Stephan Crane, amerikanischer Autor und Kriegsberichterstatter, der 1900 mit schwerer Tuberkulose in Badenweiler eingeliefert und ebenfalls von ihr gepflegt wurde. Nach und nach kommen Details über Cranes Leben, seine Reisen und Liebschaften ans Licht, so wie die erotische Liebesgeschichte zwischen dem berühmten Mann und der Krankenschwester.
Die Geschichte wird auf zwei Ebenen erzählt, springt zwischen 1900 und 1914 hin und her. Dabei ist der Teil über Stephan Crane fast so etwas wie eine Biographie, die viele Details seines bewegten kurzen Lebens beschreibt. Die Geschichte um den Patienten Fischer ist ebenfalls interessant, ihm erzählt Schwester Elisabeth auch ihr tiefstes Geheimnis.
Dieser Roman von Andreas Kollender vereint verschiedene Genres in sich. Es ist zugleich ein biographischer, ein erotischer und ein emanzipatorischer Roman, das macht ihn sehr interessant zu lesen. Auch der Schreibstil ist manchmal etwas ungewöhnlich, die Beschreibungen von Crane klingen tatsächlich oft fiebrig und ein wenig wirr.
Ein Buch für Leser, die einen eher ungewöhnlichen und vielschichtigen Roman mögen.

Bewertung vom 14.09.2020
Trinkwalder, Sina

Heimat muss man selber machen


ausgezeichnet

Kraft, Mut und viel soziales Engagement
Sina Trinkwalder beschreibt in ihrem Buch eindringlich, wie man nur gemeinsam eine lebenswerte Gesellschaft schaffen kann, in der sich die Menschen mit mehr Wertschätzung und Fairness begegnen.
Faszinierend finde ich, wie viel Kraft sie in ihren Beschreibungen ausstrahlt, eine echte Power-Frau. Auch bewundere ich ihren Mut, mit dem sie ihre Vorstellung von einer besseren Betriebsführung und einem respektvollen Miteinander umgesetzt hat. Trinkwalder scheut sich nicht ihre Meinung zu sagen, auch wenn ihre Aussagen oft unbequem sind und nicht umsetzbar erscheinen. Sie hat in ihrem Unternehmen viele Hürden genommen und hat immer den sozialen Gedanken im Auge.
Dieses Buch liest sich locker und angenehm für ein Sachbuch. Da Sina Trinkwalder immer wieder Anekdoten von ihren Mitarbeitern schildert - durchaus auch Beispiele, wo ihr Ansatz zunächst nicht ganz so geklappt hat wie gewünscht - ist es zutiefst menschlich und mildert die manchmal mit erhobenem Zeigefinger gehaltene Standpauke für mehr soziales Engagement aller ab.
Ein interessantes Buch das uns wieder aufmerksamer darauf macht, was im Leben wichtiger ist als Profitstreben und Egoismus und den Leser zum Nachdenken und Mitmachen anregt.

Bewertung vom 06.09.2020
Gowda, Shilpi Somaya

Was uns verbindet


sehr gut

Die Bewältigung einer Tragödie innerhalb einer Familie
Sie sind eine ganz normale amerikanische Familie: die Mutter Jaya, Tochter von indischen Diplomaten; der Vater Keith, ein erfolgreicher Banker; die Tochter Karina und der Sohn Prem. Doch als eines Nachmittags der 8jährige Prem stirbt und jedes Familienmitglied sich mit Schuldgefühlen plagt kommt ihr bisheriges Leben zum Erliegen. Jaya versucht den Verlust mit Hilfe ihrer Religion zu verkraften, stößt dabei jedoch auf wenig Verständnis bei Mann und Tochter. Keith versucht sich durch berufliche Erfolge abzulenken und Karina hat die schwerste Hürde zu tragen. Sie ist erst 13 als ihr Bruder stirbt und versucht alleine mit ihrem Leben fertig zu werden. Doch jede Enttäuschung die sie erfährt reißt sie weiter in einen Strudel aus Schuldgefühlen und vermindertem Selbstwertgefühl, bis sie schließlich an die falschen Leute gerät.
Es ist vor allem Karinas Leben, das Shilpi Somaya Gowda ausführlich nach der Tragödie beschreibt. Und das tut sie so einfühlsam und intensiv, dass man als Leser mit der jungen Frau fühlt, sie verstehen und ihre Entscheidungen nachvollziehen kann. Interessant der Ausflug in das Thema Sekten, wie schnell und harmlos man in diesen Strudel hinein geraten kann.
Auch Jayas Zuwenden zu ihrer Religion liest sich sehr interessant, viel erfährt man über die Unterschiede in der indischen und amerikanischen Mentalität.
Keiths flüchten in seinen Beruf erscheint einem hier typisch männlich und trotzdem gut nachvollziehbar. An seiner Person hätte ich mir noch etwas mehr Informationen und intensiveres Auseinandersetzen von der Autorin gewünscht.
Der Originaltitel "The Shape of Family" gefällt mir deutlich besser als die deutsche Version, ist sie doch ein bisschen mehrdeutiger und vielschichtiger als "Was uns verbindet". Das Cover wiederum passt hervorragend zum Inhalt und die aufgedruckten Muster, die man auch auf den Kapitel- Überschriften findet, muten indisch an.
Ein tolles Buch darüber, wie man mit Trauer und Schuld innerhalb einer Familie fertig werden kann. Es ist in einem angenehmen Stil geschrieben und vermittelt trotz aller Trauer auch viel Positives.

Bewertung vom 06.09.2020
Carolsfeld, Wiebke von

Das Haus in der Claremont Street


ausgezeichnet

Geschichte über das Überleben
Tom ist 9 Jahre alt als er auf tragische Weise miterleben muss, wie seine Eltern brutal ums Leben kommen. Schwer traumatisiert kommt der Junge zunächst zu seiner kinderlosen Tante Sonya und ihrem Mann, doch die drei kommen nicht wirklich gut miteinander aus. Bald übernimmt Toms andere Tante Rose es, sich neben ihrem pubertierenden Sohn um den verstörten Jungen zu kümmern und dabei auch ihren Bruder Will mit durchzufüttern. In diesen chaotischen Familienverhältnisse, in denen jeder Einzelne geplagt wird von Schuldgefühlen, keiner perfekt ist und jeder sein Päckchen zu tragen hat, versucht Tom langsam wieder, zu einem normalen Leben zurück zu kehren.
"Das Haus in der Claremont Street" ist ein wunderbares Buch über das komplizierte Konstrukt Familie, über den Umgang der Mitglieder untereinander, das Verarbeiten alter Konflikte und das Überleben trotz widriger Umstände.
Wiebke von Carolsfeld schafft es sehr einfühlsam, das Seelenleben von Tom zu beschreiben. Auch die unterschiedlichen Charaktere der Geschwister werden hervorragend dargestellt, mit jeder Figur kann man sich gut identifizieren. Trotz der zutiefst traurigen Aspekte gelingt es ihr, die Geschichte mit Humor zu beschreiben ohne dabei respektlos mit dem tragischen Thema umzugehen.
Und auch wenn Tom eigentlich im Mittelpunkt des Buches steht ist der Umgang der übrigen Familienmitglieder miteinander und das Aufarbeiten des tragischen Todes der Schwester genau so faszinierend zu verfolgen.
Ein tolles Buch das ich unbedingt empfehlen kann.