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Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 18.04.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Als die 4jährige Ruthie plötzlich verschwindet ist ihre Familie am Boden zerstört. Geplagt von Schuldgefühlen, Wut und Ängsten verändert sich das Leben der Eltern und Geschwister für immer. Das kleine Mädchen wächst als Norma in einer gut situierten Familie auf, in der die überfürsorgliche Mutter sie fast erdrückt. Doch Norma hat Erinnerungen an ihre frühen Jahre, die jedoch als Albträume abgetan werden. Auch ihr Leben wird geprägt durch die große Lüge, die sie schwierige Entscheidungen fällen lässt.
Einfühlsam und sehr intensiv erzählt hier Amanda Peters in ihrem Debüt-Roman von Liebe und Familienbanden, von Hoffnung und Trauer, von Wut und Vergebung. Dabei erzählt sie die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Norma und ihrem Bruder Joe, die beide sehr ergreifend sind.
Die Trauer der Mi´kmaq-Familie über den Verlust der Tochter ist groß. Hilfe von der Polizei ist nicht zu erwarten, da 1962 die Indianer von den Weißen nicht wirklich akzeptiert oder respektiert wurden. Die abwertende Haltung gegenüber den Indigenen ist immer wieder Thema und zeigt sich häufig in kleinen Episoden im Verlauf der Geschichte.
Während der Vater seine Gefühle zu verbergen sucht, überwiegt bei der Mutter neben der Verzweiflung die Hoffnung. Der Bruder Joe erholt sich nie wieder ganz von dem Gefühl, dass er Schuld hat an Ruthies Verschwinden, da er zuletzt mit ihr zusammen war. Sein Schicksal berührt mich besonders, da sein ganzes Leben durch diesen Verlust geprägt wurde und ihn überwiegend einsam und unglücklich gemacht hat.
Normas Leben wird bestimmt von der klammernden Mutter, die immer wieder emotionalen Druck ausübt. Ihre Erinnerungen dürfen nicht thematisiert werden, trotz der innigen Liebe wächst sie einsam und angepasst auf, hat keine glückliche Kindheit. Sehr traurig, dass sie als erwachsenen Frau eine Entscheidung trifft, die sie mit den Erlebnissen ihrer falschen Mutter begründet.
Obwohl man von Anfang an weiß, dass Ruthie als Norma aufwächst und wie die Geschichte ausgeht, bleibt doch ein guter Spannungsbogen bis zuletzt erhalten. Die Figuren sind authentisch, das Thema Ethnie wird ganz unspektakulär und fast selbstverständlich in den 1960er Jahren behandelt.
Ein wunderbarer Roman über große Gefühle und mit intensiven Naturbeschreibungen, themenreich und in seinem Schreibstil angenehm zu lesen.

Bewertung vom 17.04.2025
Frühlingssonate
Radau, Stefan

Frühlingssonate


gut

Johanna wächst in einem kleinen Alpendorf auf, in dem vor allem Traditionen herrschen. Ihre von der früh verstorbenen Mutter geerbte Musikalität wird etwas schräg beäugt, der Vater möchte sie gerne als seine Nachfolgerin im Uhrmachergeschäft binden. Doch es zieht Johanna in die Stadt, an die Musikhochschule und auf die Bühne, um ihre Musik zu leben und zu teilen.
Es beginnt eine Spirale aus Schuldgefühlen und Sehnsüchten, die Stadt gegen das Bergdorf, die Liebe zu ihrem Vater gegen die Musik. Es dauert lange bis Johanna versteht, wie sie beides vereinen kann und sie sich nicht zu entscheiden braucht.

Mit sehr viel Gefühl erzählt Stefan Radau von der Liebe zur Musik, vom Geigenspiel und Komponieren. Johanna gelingt es schließlich, Gefühle in Musik umzusetzen und die Dorfbewohner zu überzeugen. Doch ihre Zerrissenheit zwischen Pflicht und Freiheit macht es ihr schwer, den Richtigen Weg zu finden und wirklich glücklich zu sein.

Leider ist es zum einen die Spannungskurve, die mich in dieser Geschichte nicht vollständig überzeugen kann. Der ständige Wechsel zwischen Stadt und Land mit Johannas immer wiederkehrenden Gefühlen ermüdet mich zunehmend. Dazu kommen häufige Wiederholungen in den Ausdrücken, nach jedem Auftritt herrscht absolute Stille, dann bricht ein stürmischer Applaus aus, es gibt Tränen und Lachen im Publikum. Auf einer Doppelseite steht drei mal, dass der Weg vor Johanna nicht einfach sein würde (S. 214 + 215). So schön manche Formulierungen sind und so intensiv Radau es versteht, die Umsetzung von Gefühlen in die Musik zu schildern: es wird im letzten Drittel zu viel, zu dramatisch, zu wiederholend. Zum anderen gibt es für mich ein paar Ungereimtheiten in der Geschichte: was ist eigentlich mit Johannas Mutter passiert und wovon lebt Johanna in Berlin? Statt Wiederholungen hätten mich hier mehr persönliche Details und Hintergründe interessiert.

Sehr nett finde ich die handgeschriebene Widmung im Buch und den schönen Schlüsselanhänger als zusätzliches Geschenk. Leider fehlen mir Angaben zum Autor, ich lese gerne etwas über den Hintergrund ( z. Bsp. ob er selber Musiker ist? ).

Ein schönes Buch über die Liebe zur Musik und der Suche zu sich selbst, allerdings mit ein paar Schwächen.

Bewertung vom 13.04.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


sehr gut

Es sind drei verschiedene Generationen von Müttern, die ein schwieriges Verhältnis zu ihren Töchtern haben. Da ist Lyudmila, die im 2. Weltkrieg von Polen in den Libanon flieht und die als Chemikerin versucht, sich in einer von Männern dominierten Welt durchzusetzen. Ihre Tochter Daria lebt und arbeitet als Kinderärztin in Deutschland. Da sie ihre Kindheit als lieblos erlebt hat und sich selber als Störfaktor im Leben der Mutter wahrgenommen hat, möchte sie bei ihrer Tochter Lucy alles besser machen. Doch es kommt auch hier zum Bruch mit der Tochter, die den Kontakt zu ihren Eltern abbricht.

Alle drei Frauen kommen zu Wort, ihre Geschichte wird abwechselnd erzählt und lässt die Leser an drei verschiedene Generationen und ihren Lebensumständen teilhaben. Es gibt nicht nur Differenzen zwischen den Frauen, sondern auch Gemeinsamkeiten: alle haben einen für die Zeit eher untypischen Frauenberuf ergriffen, indem sie einen gewissen Ehrgeiz verfolgen. Ihre Männer sind eher Nebensache, auch wenn Lucy nicht verheiratet ist. Doch vor allem sind es die Probleme, die Mütter und Töchter umtreiben. Mangelnde Kommunikation bewirkt, dass es zum Bruch kommt, Missverständnisse verhärten die Fronten. Vieles aus dem Leben der Großmutter bleibt ungesagt, was Verständnislosigkeit auslöst. Und die erdrückende Liebe der Mutter schlägt die Tochter in die Flucht, die sich wiederum auf die Suche nach der Vergangenheit macht und einer großen Lüge auf die Spur kommt.

Es sind viele Emotionen, die Paola Lopez hier behandelt. Manchmal hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht, gerade die Geschichte von Lyudmila bleibt am meisten an der Oberfläche. Doch es ist sehr interessant zu lesen, was passieren kann, wenn man nicht offen und ehrlich miteinander ist. Wenn man nicht nachfragt, nicht akzeptiert und nicht tolerieren kann, dass ein so nahe stehender Mensch wie die eigene Mutter oder Tochter ein ganz eigenes Leben hat. Und dass es für Verletzungen vielleicht auch einen Grund geben kann, gerade in einer Generation, in der man über schlimme Dinge nicht sprach, um sie zu vergessen.

Ein Roman vor allem für Mütter und Töchter, der die Summe unserer Teile noch einmal ganz neu zusammen setzt und damit vielleicht eine andere Sichtweise aufeinander vermittelt. Witziger Titel übrigens für diesen Debütroman, der den Haken schlägt zu der Autorin Paola Lopez, die selber Mathematikerin ist.

Bewertung vom 09.04.2025
Wo wir uns treffen
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


sehr gut

Dieses Buch beschreibt 5 Tage im Leben der Geschwister Frannie, Milo und Isa, die zur Beerdigung des Vaters auf dem großen Landsitz der Familie in England wieder zusammen gekommen sind. Schnell brechen alte Konflikte wieder auf, zumal außerdem die Erbschaftsfrage ungeklärt ist. Und es kommen Dinge aus der Vergangenheit ans Licht, mit denen niemand gerechnet hat.
Es fiel mir zunächst schwer, in die Geschichte hinein zu kommen. Zu Beginn wird häufiger auf Personen Bezug genommen, deren Bedeutung erst später erklärt wird. Doch nach dem ersten Drittel kommt man dieser verkorksten Familie näher und versteht immer mehr die Gefühle der einzelnen Personen.
Besonders beeindruckt hat mich Frannies Tochter Rowan, ein ungewöhnliches Kind. Sie hat eine Reife, die für ein Kind nicht einfach ist und sie spürt instinktiv viel von den unterschwelligen Gefühlen der Erwachsenen. Ihre Liebe zur Natur und den Tieren ist unerschütterlich, doch wird sie auch von Ängsten und Albträumen geplagt.
Frannie hadert mit allem und jedem, ist getrieben von der Arbeit, ihrem Perfektionismus, den Aufgaben auf dem Landgut, ihrer Rolle als alleinerziehender Mutter und der Entfremdung innerhalb der Familie. Milo ist ein Mann mit heftigen Exzessen in der Vergangenheit, unfähig zu lieben und mit wiederkehrenden depressiven Phasen. Auch die jüngste der Geschwister, Isa, hat ihre eigenen Probleme. Zunehmend entfremdet sie sich von ihrem Mann und seitdem sie wieder auf dem Landgut und mit ihrer Familie zusammen ist, treten ihre schlechtesten Seiten zu Tage.
Nach und nach erfährt man den Grund für die Differenzen, die Lieblosigkeit durch die Einsamkeit der Mutter, der Egoismus des Vaters. Immer war da das Streben der Geschwister nach der Anerkennung des Vaters, die bis zu dessen Tod ein Konkurrenzkampf war.
Interessant wird die Geschichte zusätzlich durch das Thema historische Verantwortung. Die letzten 3 Tage der erzwungenen Familienzusammenkunft sind sehr packend und emotional beschrieben.
Eine Geschichte mit vielen Facetten, interessant und sehr menschlich. Außerdem eine Mahnung daran, die Natur zu schätzen und die Zukunftsperspektiven für unsere Nachkommen nicht aus den Augen zu verlieren.

Bewertung vom 02.04.2025
Wie Risse in der Erde
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


sehr gut

Mit viel Liebe zur Natur beschreibt Clare Leslie Hall diese Geschichte um eine Frau und zwei Männer, die auf tragische Weise miteinander verknüpft sind.
Glücklich verheiratet mit dem Schaffarmer Frank trifft Beth nach Jahren ihre Jugendliebe Gabriel wieder. Hin und her gerissen zwischen Schuldgefühlen und Verlangen entsteht eine explosive Konstellation der Betroffenen vor dem Hintergrund eines ganzen Dorfes, das keine Heimlichkeiten duldet, geschweige denn verzeiht.
Diese Geschichte zieht einen sofort in ihren Bann, man leidet mit Beth, hat Mitleid mit ihrem tragischen Verlust in der Vergangenheit und versteht ihren inneren Zwiekampf. Das Ganze beschrieben vor der Kulisse einer Schaffarm, großartiger Natur und dem harten Alltag von Farmern. So schlägt dann auch der Titel eine Brücke zwischen dem Land und den Geschehnissen, die die Charaktere fast zu zerreißen drohen.
Die Geschichte wird aus der Sicht von Beth erzählt und teilt sich in Kapitel von früher, von heute und von einem Prozess. Sehr gut gefällt mir, dass bis zum letzten Viertel des Buches nicht klar wird, wer in dem Prozess vor Gericht steht und was eigentlich genau passiert ist. So baut sich eine Spannung rund um die Geschehnisse auf, die nur langsam ans Licht kommen. Und hinterher ist plötzlich doch alles ganz anders, als man als Leser*in erwartet hat. Diese überraschenden Wendungen machen das Buch noch einmal interessanter und abwechslungsreich.
Der Schreibstil ist einfach aber mitreißend, stilistisch kann dieses Buch mit dem am Ende vorgestellten "In den Farben des Dunkels" von Chris Whitaker jedoch bei Weitem nicht mithalten. Inhaltlich geht es in die gleiche Richtung, genau wie Delia Owens "Der Gesang der Flusskrebse". Es ist also kein Wunder, dass diese beiden Autoren mit einer Bewertung zitiert werden.
Diese Geschichte ist sehr leidenschaftlich und dramatisch, manche Dinge sind mir hier aber fast ein bisschen zu gut um realistisch zu sein. Frank zum Beispiel mit seiner grenzenlosen Geduld und seinem Verständnis, oder das Ende, das hier natürlich nicht verraten wird.
Ein mitreißender Mix aus Drama, Liebesgeschichte und Krimi vor einer naturgewaltigen Kulisse, das intensiv berührt und gut unterhält. Für Fans von "Der Gesang der Flusskrebse" unbedingt zu empfehlen.

Bewertung vom 19.03.2025
Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1
Engelmann, Gabriella

Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1


sehr gut

Es sind durchweg starke Frauen, die Gabriella Engelmann in ihrem ersten Band der Bücherfrauen von Listland hier beschreibt. Und alle haben gemeinsam, dass sie unglücklich verliebt sind. Egal ob Anna, 55jährige Journalistin in der Gegenwart oder Lene in der Vergangenheit. Zwischen 1937 und heute erzählt dieses Buch, das mit seinen stimmungsvollen Beschreibungen der Insel Sylt Lust auf Urlaub macht.
Lene ist auf Grund des Nationalsozialismus nur eine kurze Liebe vergönnt, die jedoch nicht ohne Folgen bleibt. Es ist schon ein bisschen herzzerreißend von ihrem Schicksal zu lesen, aber auch dem ihrer Töchter, denen ebenfalls in der Liebe kein großes Glück beschieden ist. Die Männer in diesem Roman sind durchweg nur Nebensache, die Frauenpower ist das eigentliche Thema. Und natürlich auch, wie das Schicksal in Kombination mit Geheimnissen aus der Vergangenheit gnadenlos zuschlagen kann.
Die Geschichte von Anna schlägt den Bogen zu den Geschehnissen in der Vergangenheit, ihre Recherchen fördern viel Ungesagtes ans Licht und lassen in ihr eine Liebe zu Sylt entstehen, die noch zusätzlich mit einem Mann zu tun hat.
Leider sind mir manche Zufälle ein bisschen zu viel und damit die Story etwas zu konstruiert. Trotzdem hat dieses Buch einen hohen Unterhaltungswert und macht auch neugierig auf den zweiten Band.
Eine Leseempfehlung für Frauen, vor allem als entspannte Urlaubslektüre.

Bewertung vom 18.03.2025
Wenn die Tage länger werden
Stern, Anne

Wenn die Tage länger werden


ausgezeichnet

Die alleinerziehende Lisa ist zum ersten Mal von ihrem 6jährigen Sohn Paul getrennt, und das direkt für die gesamte Zeit der Sommerferien. Erst jetzt merkt sie, dass sie sich als Individuum völlig aus den Augen verloren hat. Anne Stern versteht es hervorragend, den Konflikt einer Frau darzustellen, die plötzlich keine Mutterpflichten mehr hat und sich gezwungen sieht, sich mit ihrem Leben und ihrer Vergangenheit auseinander zu setzten. Denn die Beziehung zu ihrer eigene Mutter Barbara ist sehr belastet. Und noch weiter zurück gehen die Probleme unter den Generationen, denn Barbaras Vater löste als Nazi die Schwierigkeiten in der Familie aus. Man spricht nicht über Vergangenes, Probleme werden unter den Teppich gekehrt. Mutig versucht Lisa, sich der Scham und dem Schweigen aus der Vergangenheit zu stellen und sich dabei selber zu finden.
Nicht nur um das Verhältnis von Lisa zu ihrer Mutter und ihrem Großvater geht es hier, sondern zugleich gibt es noch zwei interessante Nebencharaktere mit ähnlichen Problemen. Auch die ruppige Ute hat keinen Zugang zu ihrem Vater, der mit seinen eigenen Dämonen aus dem Krieg kämpft. Die Schicksale von Vater und Tochter sind mit ebenfalls beim Lesen stark unter die Haut gegangen.
In einem angenehmen Schreibstil und mit großer Empathie erzählt die Autorin von den Problemen einer gestressten Mutter, einer verschwiegenen Großmutter, der Schuld der Vorfahren und immer wieder von der Gefahr der fehlenden Kommunikation. Man leidet mit Lisa, ihrer Sehnsucht nach Paul und einem selbstbestimmten Leben. Genauso fühlt man mit Ute, schaut hinter die barsche und zornige Fassade. Die Charakter sind interessant und realistisch und damit weit entfernt davon, perfekt zu sein.
Ein toller Roman mit vielen Facetten, intensiv und berührend. Eine unbedingte Leseempfehlung für alt und jung, Frauen und Männer.

Bewertung vom 11.03.2025
Überleben ist alles
Morrison, Ewan

Überleben ist alles


gut

Das Thema und die Aufmachung des Thrillers hat mich sehr angesprochen, die Geschichte und vor allem die Erzählweise blieben jedoch hinter meinen Erwartungen zurück.
Die 15jährige Haley erzählt aus ihrer Sicht die Geschichte, wie sie zusammen mit ihrem Bruder Ben vom Vater entführt und in ein Prepper-Camp in den Bergen gebracht wird. Davon überzeugt, dass eine tödliche Pandemie ausgebrochen ist, lebt hier eine Gruppe von Überlebenskünstlern abgeschottet von der Zivilisation, ohne jede Kommunikation mit der Außenwelt, in einem selbstgewählten Lockdown.
Interessant finde ich die Schwankungen, die man als Leser*in durchlebt. Ist das alles nur ein Hirngespinst des Vaters, der schon immer Verschwörungen und Gefahren gewittert hat? Oder ist die Bedrohung real und das Grüppchen wird die einzigen Überlebenden in der Zukunft stellen? Hier beschreibt Ewan Morrison eine Dystopie zwischen Überlebenswillen und Wahnsinn.
Haleys Figur schwankt zwischen zickigem Teenager und abgebrühter Kämpferin. Tragisch dabei das Dauerthema des Scheidungskindes, das es immer nur einem Elternteil recht machen kann und im Dauerdilemma lebt, ob es jetzt Mutter oder Vater gerecht werden soll. Die Aufzählungen ihrer Listen und des Survival-Handbuches lesen sich am Anfang ganz witzig, erzeugen aber im Laufe des Buches eher Langeweile. Zudem fehlt mir etwas die Spannung, das Thema wird etwas langatmig erzählt und ich würde das Buch nicht unbedingt als Thriller bezeichnen. Insgesamt hätte ich mir bei den zum Teil etwas sonderbaren Figuren etwas mehr Tiefgang gewünscht. Der Schreibstil ist oft flapsig und manchmal recht derb, das soll wohl der Sprache der 15jährigen geschuldet sein. Doch das nimmt oft den Fluss, wirkt ab der Hälfte eher ermüdend und macht das Buch für mich nicht zu einem angenehmen Leseerlebnis.
Ein interessantes Thema, das mich in der Umsetzung jedoch nicht ganz überzeugen konnte.

Bewertung vom 08.03.2025
Skin City (eBook, ePUB)
Groschupf, Johannes

Skin City (eBook, ePUB)


gut

Es sind drei Erzählstränge, die Johannes Groschupf hier in seinem neuen Berlin-Noir-Thriller mehr oder weniger miteinander verknüpft.
Koba aus Tiflis gehört zu einer Einbrecherbande, die in Berlin massenweise Häuser ausräumt. Romina Winter ist Polizistin, aber als Roma auch noch fest mit ihrer Familie und deren Werten verwurzelt. Jaques Lippold ist frisch aus der Justizvollzugsanstalt Tegel entlassen und möchte sich ein Leben als Kunstexperte bei den Reichen und Schönen aufbauen.
Zu Beginn liest es sich durchaus spannend, welchen Weg jeder der drei Charaktere einschlägt und es macht neugierig, wie diese verschiedenen Figuren zusammen finden. Doch im Verlauf der Geschichte werden die Figuren immer klischeebeladener, vor allem Romina fehlt für mich die Authentizität. Wer sich so hochkämpft aus der Roma-Familie, sich für den Polizeidienst entscheidet, der hat gefühlt mehr verdient als zum Schluß fast nur noch auf seine Herkunft reduziert zu werden. Die Verbindung zwischen Romina und Lippold ist interessant und spannend, die Verknüpfung zu Koba macht mich lange neugierig und enttäuscht mich dann am Ende.
Bei allen drei Hauptfiguren geht es vor allem um die Verteidigung der Ehre. Romina möchte den Angriff auf ihre Familie rächen, Lippold den Diebstahl seiner teuren Uhr in der Haftanstalt und Koba rutscht in die Kriminalität durch einen Ehrenmord in Georgien, der ihn zur Flucht nach Deutschland zwingt. Doch alles ist ein bisschen zu konstruiert, die Erlebnisse einen Tick drüber. Die Beschreibungen aus der Kunstszene lesen sich herrlich versnobt, die Diskrepanz zur Berliner Szene ist gerade an der Figur Lippolds gut beschrieben: in den Neunziger Jahren war er Tickerboy im Bunker in Berlin, jetzt sitzt er in der Feinkostabteilung des KaDeWe bei Champagner und Austern.
Skin City führt die Leser*innen rasant durch Berlin, von der Harzer Strasse wo die Roma leben bis zu den Villen in Lichterfelde. Ein kurzer Thriller mit 230 Seiten, der zwar spannend ist, aber mehr Tiefgang vertragen hätte.

Bewertung vom 24.02.2025
Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


sehr gut

Es sind zwei Erzählstränge, die in diesem politischen Thriller aus Norwegen aufeinander treffen. Zum einen geht es um die anstehenden Wahlen, bei denen sich Christina Nilsen der Arbeiterpartei große Hoffnungen auf den Posten der Ministerpräsidentin macht. Doch Intrigen werden in- und außerhalb der eigenen Parteiriegen geschmiedet, es wird taktiert und manipuliert was das Zeug hält. Hier kommt auch der ehemalig Polizei-Jurist Jens Meidell ins Spiel, der als juristischer Berater angeheuert wird. Er versucht, sein Privatleben aus der Politik herauszuhalten und seine Integrität zu bewahren, auch als der Wahlkampf immer schmutziger wird. Zum anderen arbeiten Liselott Benjamin und Martin Tong als Anti-Terror-Ermittler daran, einen drohenden Giftgas-Anschlag zu verhindern. Hat etwa die drohende Gefahr etwas mit den führenden Politikern zu tun?
Dieser politische Thriller liest sich brandaktuell, unter anderem natürlich auch durch die zeitliche Nähe zu unserer eigenen Bundestagswahl. Gefühlt wurde für mich der Ton auch in unserem Land rauer, der Wahlkampf persönlicher und schmutziger. Hier sind durchaus Parallelen, die sich auch auf die zunehmende Verschiebung nach Rechts in ganz Europa beziehen. Und auch die Regierung unter Trump in den USA wird am Rande angesprochen, hier ist also ein aktueller Bezug von Ingar Johnsrud durchaus gewollt.
Dieser Thriller ist in drei Teile mit jeweils relativ kurzen Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven gegliedert. Zu Beginn bedarf es dadurch etwas Konzentration, um in beide Erzählstränge richtig einzutauchen. Das Herunterzählen der Tage vor der Parlamentswahl erzeugt Spannung bis zur Wahlnacht am Ende. Der Spannungsbogen baut sich zum Ende jedes Teils enorm auf um dann dem Leser wieder eine kurze Verschnaufpause zu geben. Das ist geschickt gemacht und bewirkt Spannung bis zum Schluß.
Der Cliffhanger am Ende macht natürlich neugierig auf die Fortsetzung.
Die Charaktere sind interessant in ihrer Unterschiedlichkeit, über ihre Vergangenheit erfährt man relativ wenig. Da hätte ich mir manchmal ein paar tiefere Einsichten gewünscht, zum Beispiel in das Leben von Liselott und Martin.
Den gelben Farbschnitt hätte ich nicht gebraucht, das verbinde ich immer mit wenig anspruchsvoller und eher reißerischer Lektüre.
Ein spannender politischer Thriller mit erschreckend aktuellen Bezügen, solide gemacht und gut unterhaltend.