Benutzer
Benutzername: 
allegra
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 295 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2012
Schier, Petra

Das Haus in der Löwengasse


sehr gut

Das in warmen, rotbraunen Farbtönen gehaltene Cover, das einen mit Gittertor und einer Statue verzierten Eingang eines wohlhabenden Hauses zeigt, ist mir gleich ins Auge gesprungen. Das Bild wirkte auf mich geheimnisvoll und auch etwas unheimlich, sodass ich gleich neugierig war, was es mir diesem Haus in der Löwengasse auf sich hat.

Der Leser wird in das Milieu der Dienstmädchen und Gouvernanten des 19. Jahrhunderts entführt. Der Alltag der Dienstmägde war sehr hart. Der Tag begann in aller Frühe mit körperlich sehr anstrengenden Arbeiten und Feierabend gab es kaum. Ein freier Tag war eine große Seltenheit und ohne ein Arbeitszeugnis war es sehr schwer, wieder eine gute Stelle zu finden. Deshalb setzte Pauline alles dran, um Frau Stein stets zu Diensten zu sein und mauserte sich schnell zu einer hervorragenden Angestellten.

Im Hause Reuther blüht Pauline auf, weil sie als Gouvernante wieder ihrer wahren Bestimmung nachgehen kann. Pauline belässt es jedoch nicht dabei, nur die Kinder zu erziehen. Sie krempelt den ganzen Haushalt um und drückt dem Haus ihren persönlichen Stempel auf. Die direkte Art, wie sie sich gegenüber Herrn Reuther gibt, wenn es um seine Verantwortung in der Erziehung der Kinder geht, hat mich etwas an die „Supernanny“ aus dem Fernsehen erinnert. Das fand ich teilweise schon etwas unglaubwürdig, hat aber die Geschichte zügig voran gebracht.

Die Charakterisierung der Figuren hat mir recht gut gefallen, wobei mir Pauline oft etwas zu lieblich daher kommt, außer im Umgang mit Herrn Reuther. Schön dargestellt ist ihre Zerrissenheit, als sie feststellt, dass sie Herrn Reuther gegenüber Gefühle empfindet, die sie so gar nicht eingeplant hat.

Inhaltlich bietet das Buch keine großen Überraschungen. Es ist ein recht absehbarer Liebesroman vor historischer Kulisse, gewürzt am Rande mit einem Fall von Wirtschaftskriminalität, der aber nicht sehr spektakulär ausgeschlachtet wird. Das Buch kommt insgesamt sehr ruhig daher, vermittelt aber ein sehr intensives Bild des gut bürgerlichen Milieus im 19. Jahrhundert.

Der Roman ist in einfacher und flüssiger Sprache verfasst, sodass man in sehr leicht zur Entspannung lesen kann. Die Geschichte verläuft geradlinig, mit einzelnen Rückblenden, die aber immer ganz klar von den laufenden Entwicklungen abgesetzt sind.

Ich bin im Allgemeinen gar kein Freund von Liebesromanen. Ich mag es, wenn sich am Rande einer Geschichte eine Liebesgeschichte entwickelt, aber um Bücher, in denen das der hauptsächliche Inhalt darstellt, mache ich im Normalfall einen Bogen. Dennoch hat mir dieses Buch sehr gut gefallen. Für mich sehr positiv ist, dass das Buch mit seinen 352 Seiten vom Umfang her praktisch ist zum Mitnehmen. So konnte ich es auf dem Weg zur Arbeit lesen und habe es sehr genossen, in der S-Bahn jeweils ins 19. Jahrhundert einzutauchen.

Bei „Das Haus in der Löwengasse“ handelt es sich um einen Liebesroman vor liebevoll gezeichneter historischer Kulisse. Der Roman lässt sich sehr leicht lesen und vermittelt ein gutes Bild der Kindererziehung und des bürgerlichen Lebens in einer wirtschaftlich aufstrebenden deutschen Stadt. Ein flüssig geschriebenes Buch, schön für zwischendurch zum Abschalten.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2012
Kiner, Aline

Galgenmann


gut

Der Prolog, der in der Weihnachtsnacht 1944 spielt und erzählt, wie eine junge Frau, Mathilde Ziegler ihren Mann erhängt auf dem Friedhof findet, lässt erwarten, dass die Lösung des Kriminalfalls in die Zeit des zweiten Weltkrieges zurückführt. Das erste Kapitel, als der Pastor auf einem winterlichen Spaziergang die tote Nathalie findet ist sehr gefühlvoll geschrieben und die Landschaft ist sehr liebevoll beschrieben, dass man gleich eine Vorstellung der Region gewinnt, in der die Handlung spielt. Die Hauptermittler, Simon und Jeanne werden recht ausführlich charakterisiert, wobei mir Simon irgendwie näher war als Jeanne. Sie erschien mir recht widersprüchlich, was aber nicht negativ sein muss. Die weiteren Personen bleiben dazu im Vergleich eher blass und ich konnte sie mir, mit einer Ausnahme, der alten Lehrerin Elisabeth Messager, nicht wirklich vorstellen. Erschwerend werden Figuren eingeführt, deren Bedeutung sehr lange rätselhaft bleibt. Oft war mir nicht klar, ob sie mit dem Mordfall etwas zu tun haben oder ob sie Teil des Nebenschauplatzes der einstürzenden Minen sind.

Im Buch erfährt man einiges über das Leben zur Zeit der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg. Aber da ich mit der Geschichte von Elsass-Lothringen nicht so detailliert vertraut bin, war mir manches zu vage. Da hätte ich gerne mehr Ausführungen dazu gelesen, was angesichts des eher geringen Umfangs des Buches mit nur 256 Seiten wünschenswert gewesen wäre. In der Geschichte spielt der Bergbau eine recht wichtige Rolle, wenn auch im Hintergrund. Da gibt es zwar recht stimmungsvolle Einschübe, aber ich hätte mir das auch etwas ausführlicher und klarer gewünscht. Ich hatte am Ende nicht verstanden, weshalb die Minen erst einstürzen, wenn sie nicht mehr leer gepumpt, sondern geflutet werden.

Insgesamt hatte ich nach dem spannenden Prolog und dem gefühlvollen ersten Kapitel mehr von diesem Krimi erwartet. Manches steht sicher zwischen den Zeilen, ist vielleicht bei der Übersetzung verloren gegangen oder ist schlicht gewollt, dass es vage bleibt.

Ich konnte diesen Krimi sehr flüssig lesen, die Sprache ist einfach, aber passend. Auf wirkliche Spannungsmomente habe ich leider vergebens gewartet. Der Fall löst sich zwar für mich unerwartet auf, aber mir erscheinen die Aufklärungen der Mordfälle eher kühl und etwas zu sachlich.


„Galgenmann“ ist ein kurzer Krimi mit einer sehr viel versprechenden Ausgangslage. Er ist in einer sehr interessanten und schönen Gegend situiert, aber dadurch, dass wirkliche Spannungsmomente weitgehend fehlen, plätschert er etwas vor sich hin. Dadurch wirkt er trotz sehr interessantem geschichtlichen Hintergrund doch eher belanglos.

Bewertung vom 06.09.2012
Goga, Susanne

Die Tote von Charlottenburg / Leo Wechsler Bd.3


sehr gut

Für mich war dieses Buch der erste Krimi mit Leo Wechsler, ich hatte jedoch keinerlei Verständnisprobleme. Susanne Goga hat alle Figuren sehr sorgfältig eingeführt und glaubhaft charakterisiert. Das Leben einer ganz normalen Familie in dieser schwierigen Zeit wird sehr anschaulich dargestellt. Man erhält ein Gefühl, wie die rapide Geldentwertung den Alltag erschwert hat. So nimmt beispielsweise Ilse für einen Ausflug mit den Kindern in den Zoo eine ganze Einkaufstasche voller Geldscheine mit und hat am Abend alles ausgegeben.
Neben den Protagonisten treten auch historisch verbürgte Personen im Krimi auf. Hinten im Buch sind sie aufgeführt mit den wichtigsten Informationen.
Ein Progrom, das 1923 im Scheunenviertel stattfand, ist sehr geschickt in die Geschichte eingewoben, was bei mir einen sehr intensiven Eindruck hinterlassen hat. Weiter ist die Abtreibungsproblematik der Frauen sensibel aufgegriffen.

Inhaltlich zeichnet sich der Roman durch sorgfältig strukturierte Polizeiarbeit aus, erzählt vorwiegend aus Leo Wechslers Perspektive in der allwissenden Erzählweise. In kursivem Druck ist anhand von Tagebucheinträge von Adrian das Leben des Opfers nachgezeichnet. Am Ende fügen sich diese Schilderungen mit dem Lauf der Geschichte zusammen, sodass keine Fragen offen bleiben.

Die sprachliche Ausdrucksweise hat mir sehr zugesagt. Susanne Goga schreibt sehr flüssig in heutigem Deutsch, das aber durchwegs glaubwürdig rüberkommt. Die Spannung ist durch das ganze Buch hinweg subtil da. Allerdings ist es jetzt nicht ein „Gänsehaut-Pageturner“, sondern eher ein leiser Krimi, der auf angenehme Art den Blick des Lesers auf einen kleinen Ausschnitt der neueren Geschichte lenkt.

Ich habe mich mit diesem Krimi gut unterhalten gefühlt und habe in paar angenehme Stunden damit verbracht. Da ich mich sehr für geschichtliche Themen interessiere habe ich sehr eindrucksvoll Einblick in den Alltag während dem „heißen“ Jahr 1923 gewonnen. Ich empfehle dieses Buch Liebhabern von ruhigeren Krimis vor historischem Hintergrund.

Bewertung vom 20.08.2012
Winkelmann, Andreas

Wassermanns Zorn


sehr gut

Inhalt

Ein Serientäter tanzt einen sehr makabren letzten Tanz mit seinen Opfern, während er sie in einem abgelegenen Teich ertränkt. Eine Leiche, die in einem Fluss gefunden wird, trägt auf dem Bauch eine besondere Tätowierung: „Geschenk für Stiffler“. Eine Nachricht, an Kommissar Stiffler von der Kriminalpolizei. Stiffler wird von der Vergangenheit eingeholt. In einem früheren Fall hatte er es mit einem Täter, dem „Wassermann“, zu tun, der eine Frau ertränkt hat und der nun Jahre danach plötzlich telefonisch Kontakt mit ihm aufgenommen hat. Ein weiteres pikantes Detail, Stiffler sucht hin und wieder Prostituierte auf und unter anderem hatte er auch mit dem aktuellen Mordopfer verkehrt.
Für die Ermittlungen wird ein Team zusammengestellt. Neben Oberkommissar Peter Nielsen von der Sitte wird Stiffler eine junge Kollegin, Melanie Sperling als Praktikantin zur Seite gestellt. Melanie spürt sehr bald Stifflers Abneigung gegen Frauen im Allgemeinen und gegen sie persönlich im Speziellen. Nielsen gelingt es, ihr Vertrauen zu gewinnen und so bewahrt sie Stillschweigen, selbst bei sehr fragwürdigem Verhalten ihres Kollegen Stiffler.

In einem weiteren Handlungsstrang lernt der Leser Lavinia Wolff kennen. Sie arbeitet in einem Billigbekleidungsgeschäft und fühlt sich auf dem Nachhauseweg verfolgt. Deshalb nimmt sie ausnahmsweise ein Taxi und lernt dabei den Taxifahrer Frank Engler kennen.

Die Erzählstränge um die Ermittler und Lavinia und Frank werden unterbrochen durch innere Monologe, in denen der Täter seine Geschichte erzählt, an deren Ende Kommissar Stiffler steht auf den er einen unbändigen Zorn entwickelt hat.


Meine Meinung

Mit „Wassermanns Zorn“ hat Andreas Winkelmann pünktlich auch den Badesommer einen Thriller in die Buchhandlungen gebracht, der einem je nach dem, wo man baden geht, doch mal einen Schauer über den Rücken kribbeln lässt. In diesem Buch geht es um einen Täter, der seine Opfer in einem abgelegenen See ertränkt und dabei deren Todeskampf als makabres, erotisches Erlebnis genießt. Im Verlaufe des Thrillers erzählt der Täter in kursiv gedruckten Einschüben, wie er zu dem wurde, was er heute ist. Ein Stück weit muss man als Leser fast etwas wie Verständnis für ihn aufbringen, das aber die Abscheu gegenüber seinen Taten nicht aufwiegen kann. Der Löwenanteil an Verachtung und Wut des Lesers zielt aber für einmal in eine andere, unerwartete Richtung.

Winkelmann führt eine überschaubare Anzahl Protagonisten ein, die jedoch recht lange nur am Rande etwas miteinander zu tun haben. Die einzelnen Erzählstränge werden in kurzen Kapiteln aus sich abwechselnden Perspektiven geschickt vorangebracht, so dass die Spannung gleichmäßig hoch bleibt und gegen Ende kontinuierlich steigt und zu einem sehr unerwarteten und aktionsreichen Showdown führt.

Am Ende erscheint für mich ein, vielleicht unwichtiges Detail nicht so ganz schlüssig. Aber insgesamt werden alle Fäden zusammengeführt, aufgelöst und der Leser wird nur mit einer, durchaus spannenden, Unsicherheit in den weiteren Bücherdschungel entlassen.

Ich habe dieses Buch als spannende Sommerlektüre sehr genossen. Allerdings hat mir im Vergleich zum „Bleicher Tod“ der Winkelmann-Gruselfaktor etwas gefehlt. Ich fand es auch durchaus an einigen Stellen unheimlich, aber das kribbelnde Grauen war doch eher sparsam eingesetzt. Im Nachwort schreibt Andreas Winkelmann, dass mit diesem Buch, das in einem neuen Verlag erscheint, für ihn ein neuer Abschnitt des Lebens beginnt. Von daher kann die leichte Veränderung des Stils durchaus gewollt sein. „Wassermanns Zorn“ gehört auf jeden Fall zu den besseren Thrillern, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Aber mit hat der alte Winkelmann doch irgendwie besser gefallen.

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.08.2012
Martin, Sabine

Die Henkerin


gut

Die Autoren hinter dem Pseudonym Sabine Martin verstehen es sehr gut, das Mittelalter vor dem inneren Auge auferstehen zu lassen. Die Beschreibungen der Landschaft, aber auch der Burgen, Häuser und Menschen sind sehr anschaulich und gut gelungen. Ich fand die Informationen um den Beruf des Henkers auch sehr interessant.

Der Anfang kam mir etwas unglaubwürdig vor. Melisandes Vater, der reiche Kaufmann Konrad Wilhelmis fühlt sich bedroht von Ottmar de Bruce, weil er in Notwehr dessen Sohn getötet hat. Deshalb reist die Familie, in abgezehrten, ärmlichen Kleidern in einem einfachen, holprigen Ochsenwagen, getarnt als arme Leute, damit Räuber den Reichtum der Familie nicht sehen und dass de Bruce die Familie Wilhelmis nicht erkennt. Die Reisegruppe wird aber bewacht von zehn bewaffneten Rittern zu Pferde, etwas was sich eine einfache Familie niemals hätte leisten können. Wozu dann die Täuschung?

Die ganze Geschichte ist getragen vom Gedanken der Rache. Ottmar de Bruce rächt sich an Melisandes Vater, weil dieser schuld am Tod von Ottmars Sohn war. Und Melisandes Mutter hat im Sterben das Versprechen ihrer Tochter abgenommen, de Bruce aus Rache umzubringen. Das Prinzip der Blutrache war sicherlich sehr verbreitet im Mittelalter und wurde nicht nur von Rittern, sondern wohl auch von Kaufleuten gelebt. Dennoch ist es für mich nicht sehr glaubwürdig, dass eine Mutter von ihrer 9 jährigen Tochter so ein Versprechen abnimmt.

Die Figuren von Melisande, Raimund und demr Kärcher Wendel Füger sind sehr sorgfältig gezeichnet. Allerdings sind sie mir alle etwas zu gutherzig. Ich vermisse etwas die Ecken und Kanten. Ottmar de Bruce hingegen ist als durch und durch widerwärtiges Scheusal dargestellt, der Bösewicht vom Dienst. Es ist in diesem Buch wie in vielen historischen Romanen. Die einfachen Leute gutherzig und werden betrogen, während die Bösen ausschließlich der herrschenden Klasse, in diesem Fall der Ritter angehören. Für meinen Geschmack ist das etwas zu sehr vereinfacht.
Eine ziemlich interessante Person ist Ottmars Hauptmann von Säckingen, er hat den Auftrag, Melisande zu finden, taucht immer mal wieder auf und verspürt sogar eine gewisse Verliebtheit in Melisande. Seine Entwicklung ist möglicherweise im Hörbuch etwas den Kürzungen zum Opfer gefallen. Ich hätte gerne mehr über ihn erfahren, weil er ein Stück weit zwischen beiden Seiten steckt und nicht immer eindeutig den Bösen oder den Guten zugeordnet werden kann.

Um ihr Ziel zu erreichen, muss sich Melisande wiederholt verkleiden und in eine andere Person schlüpfen. Da sie sich als Henker mit ihrer Frauenstimme verraten würde, stellt sie sich stumm und trägt zur Kommunikation immer ein Wachstäfelchen mit sich, in das sie je nach Person schreibt oder zeichnet. Auf einer weiteren Station ihres Lebens, wo sie wiederum eine Männerrolle spielt, schreit sie so lange im Wald, bis sie ihre Stimme verliert und heiser ist. Diese Abschnitte waren bestimmt sehr anstrengend zu lesen für die Sprecherin, Nicole Engeln, die mit ihrer Stimme die Geschichte wunderbar abwechslungsreich liest. Zum Hören empfand ich das aber auch als recht anstrengend und irgendwie unangenehm. Aber das Buch sieht das nun mal vor, da muss das Hörbuch entsprechend gestaltet sein.

Da ich „Frauen in Hosen“- Romane grundsätzlich nicht so gerne habe, hatte ich doch gewisse Schwierigkeiten mit diesem Buch, da das „Gender-hopping“ zu sehr im Vordergrund steht.
Mich hat der Stil des Autorenduos sehr an die Bücher von Autorenduo „Iny Lorentz“ erinnert und ich denke, dass Liebhaber dieser Bücher hier eine gute Alternativ finden können.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.08.2012
Flohr, Karsten

Zeiten der Hoffnung


ausgezeichnet

Der Roman ist im Klappentext angekündigt als Liebesroman, was mich anfangs eher zögern ließ, das Buch zu lesen. Ich habe mich aber trotzdem dazu entschlossen und war sehr positiv überrascht, dass die Liebesgeschichte zwischen Adèle und Wilhelm zwar immer im Hintergrund präsent ist, aber doch insgesamt eine untergeordnete Rolle spielt. Es handelt sich bei diesem Buch viel mehr um einen Familienroman vor dem Hintergrund des 1. Weltkriegs. Die familiäre Konstellation ist sehr interessant, der Freiherr Richard von Schwemer ist verheiratet mit Helène geborene d’Alsace, eines alten elsässischen Adelsgeschlecht. So verbringen die Kinder der Familie ihre Sommerferien regelmäßig im Elsass und werden so auch mit einer anderen Mentalität konfrontiert.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Wilhelm wird anfangs als charakterschwaches Muttersöhnchen dargestellt, das alles tut, um seinem Vater zu gefallen. Er findet aber sehr schnell zu sich und zeigt im Laufe des Romans immer mehr Charakter. Dafür ist seine geliebte Adèle für mich leider konturlos geblieben. Sie taucht immer mal wieder auf, hat aber nicht wirklich die Präsenz, die ihr angesichts der Tatsache, dass sie ja laut Klappentext eine der beiden Hauptfiguren ist, zukommen sollte. Eine sehr interessante Figur hat Karsten Flohr in Wilhelms Schwester Elisabeth geschaffen. Sie ist sehr eigenwillig, nimmt wenig Rücksicht auf Konventionen und engagiert sich in der aufkeimenden Frauenbewegung. Zu Vater Richards’ Entsetzen hat sie an einem Ball, den dieser zu Ehren von Wilhelms Verlobung ausgerichtet hat, einen Hosenanzug getragen. Sie ist aber dennoch sehr familiär und stellt während dem Krieg für ihre jüngeren Geschwister den ruhenden Pol dar.

Hauptsächlich ist das Buch aus Wilhelms Perspektive in der Erzählweise des allwissenden Erzählers dargestellt. Ich fand die Beschreibungen des Lebens als Soldat in den Monaten des ausbrechenden 1. Weltkriegs sehr interessant und habe da recht viel Neues gelernt. Ebenfalls interessant fand ich die Reise nach Togo. Mir war nicht bewusst, dass dieses Land eine so wichtige Kolonie für Deutschland war. Nicht so ganz gut gelungen ist meiner Ansicht nach die Darstellung der Wirren um das Elsass. Das konnte ich nur schwer nachvollziehen und mag vielleicht auch ein Grund sein, warum Adèle so schwach geblieben ist.

Die zeitliche Orientierung hat mir bei der Lektüre teilweise etwas Schwierigkeiten bereitet. Ich ziehe es vor, wenn an Anfang des Kapitels die Zeit vermerkt ist, gerade wenn doch recht zeitliche Zeitsprünge stattfinden.

Um meine zeitlichen Schwierigkeiten etwas zu entwirren, habe ich die historisch relevanten Ereignisse ein bisschen recherchiert. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass es durchaus kleiner Ungenauigkeiten gibt. Ich finde, dass der Dramaturgie geschuldete Veränderungen an der Historie durchaus akzeptaber sind, aber in einem Nachwort erklärt gehören. Etwas irritiert haben mich einige Fehler und Namensvertauscher. Das ist aber nichts, was in einer weiteren Ausgabe nicht leicht korrigiert werden könnte.

Mir hat dieses Debüt von Karsten Flohr im Verlaufe des Buches immer besser gefallen. Es zeigt, wie eine Familie aus altem deutschem Adel die Wirren des 1. Weltkriegs erlebt. Ich habe eine mir neue und interessante Sichtweise auf den Ausbruch des 1. Weltkriegs erfahren. Da ich nicht ein besonderer Fan von Liebesromanen bin, war ich eher erleichtert, dass die Liebesgeschichte zwischen Adèle und Wilhelm eher nebensächlich ist.

Ich empfehle das Buch Lesern, die interessiert sind in Familienromanen vor historischem Hintergrund.

Bewertung vom 16.07.2012
Langer, Siegfried

Sterbenswort


ausgezeichnet

Inhalt und Aufbau

Die Ärztin Kathrin Voss lebt als allein erziehende Mutter mit ihrer 4 jährigen Tochter Mia in einer netten Wohnung und scheint das Leben in Griff zu haben. Doch plötzlich durchlebt sie einen Alptraum. In ihrer Wohnung verschwinden Dinge und tauschen ganz woanders auf. Erst hat sie ihre Tochter Mia in Verdacht, doch als klar wird, dass Mia als Täterin nicht in Frage kommt, muss Kathrin davon ausgehen, dass jemand in ihrer Wohnung ein und ausgeht.

Als Mia im Kindergarten von einem Fremden angesprochen wird, er hieße Erik und sei ein alter Freund ihrer Mama, wird Kathrin hellhörig und muss sich eingestehen, dass sie von ihrer, bisher erfolgreich verdrängten Vergangenheit eingeholt wird.

Der Prolog und das erste Kapitel rahmen die Handlung, die sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit spielt thematisch ein. Der Prolog schildert in nüchterner Sprache, wie die kleine Mia in der Finsternis gefangen gehalten wird und langsam in eine Ohnmacht versinkt. Im ersten Kapitel erfährt der Leser wie vier Freunde, zwei Frauen und zwei Männer, ihren toten Freund von einer Brücke stoßen in dem Moment, wo ein Regionalexpress diese passiert.

Im Roman wird der Leser in einem Handlungsstrang, der in der Vergangenheit spielt, bis zur Situation auf der Eisenbahnbrücke hingeführt, während der gegenwärtige Erzählstrang aus Kathrins Perspektive zeigt, wie ihr Leben auseinander zu fallen droht.



Meine Meinung

Nach seinem erfolgreichen Thriller „Vater, Mutter, Tod“ hat Siegfried Langer meiner Meinung nach noch eine Schippe draufgelegt und mit „Sterbenswort“ einen echten „Pageturner“ geschaffen. Der Thriller verlässt die üblichen Pfade des Kriminalromans und kommt, mit Ausnahme einer kurzen Passage in der Vergangenheit, gänzlich ohne Ermittler aus. Die handelnden Figuren kommen zugleich als Täter wie als mögliche Opfer vor.

Die kurzen Kapitel sind jeweils mit der betreffenden Zeit überschrieben, in der sie spielen, so dass man ihre Handlungen immer gut einordnen kann. Durch sehr geschickt gesetzte Cliffhanger wird man förmlich durch den Thriller gezogen, so dass man einfach jede freie Minute zum Buch greifen muss.

Mich hat „Sterbenswort“ während zwei Tagen aufs bester unterhalten. Ich konnte auch Kathrins Angst um ihre Tochter und um ihren eigenen Verstand mitfühlen, ich habe mit gelitten mit den Eltern zweier Personen, die um ihre Kinder trauerten beziehungsweise nichts über deren Verbleib wussten. Und nichts zuletzt konnte ich die ganze Zeit über miträtseln. Dass ich sehr bald den richtigen Riecher hatte, hat dabei dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan. Es hätte genau so gut ganz anders herauskommen können.
Besonders gefallen hat mir, dass alle losen Enden zusammen finden und es zu keinen unglaubwürdig zurechtgebogenen Entwicklungen kommt. Ein Thriller mit sehr viel Glaubwürdigkeit.

Ich empfehle dieses Buch allen Liebhabern von etwas leiseren Thrillern.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.07.2012
Kowa, Thomas

Das letzte Sakrament


sehr gut

Als ich das Thema des Buches, die Klonierung von Jesus, zum ersten Mal wahrgenommen habe, dachte ich: "Au Backe, muss das sein?". - Ja, musste es. Weniger wegen des Inhalts als vielmehr, weil der Thriller in meiner Lieblingsstadt Basel spielt, musste ich das Buch einfach lesen. Ich setzte mich also mit einiger Skepsis an die Lektüre, weil ich selber zwar zur Kirche ein ziemlich distanziertes Verhältnis habe, es aber doch nicht mag, wenn sich Menschen verletzt fühlen, weil man sich über den Glauben lustig macht.
Ich bin aber sehr positiv überrascht. Aus meiner Sicht hat Thomas Kowa diese heikle Klippe sehr souverän umschifft. Obwohl das Buch durchaus kritische Fragen aufwirft zum Thema Gentechnologie, Glauben, Kirche und der Position des Papstes, geschieht es immer auf sehr sachliche Weise und stellt jeweils die Sicht von einzelnen Figuren dar, die eine völlig verschiedene Position einnehmen, so dass die Auseinandersetzung mit den Fragen sehr glaubhaft und ohne Verallgemeinerung vermittelt wird.

Die Ermittlerkonstellation, ein junges sympathisches Paar, bestehend aus einem attraktiven Latino und einer nicht weniger exotischen Partnerin empfand ich sehr erfrischend. Den etwas granteligen Chef, der vorwiegend auf seinen eigenen Vorteil aus ist, habe ich in letzter Zeit schon etwas zu oft in Krimis erlebt. Er ist zwar wirklich authentisch gezeichnet und verschafft immer mal wieder Grund zum Schmunzeln, aber für mich war diese Spezies einfach schon zu oft da gewesen.

Der Plot ist etwas von schweizerischer Gemächlichkeit geprägt, aber keineswegs langatmig oder gar langweilig. Ich fand es sehr angenehm, dass die Aufklärung der Verwicklungen um das genetische Material ohne hektischen Aktionismus ausgekommen ist. Auf sehr unterhaltsame Weise erfährt man einiges über die Geschichte der katholischen Kirche im Allgemeinen und die Jesuiten im Besonderen.
Da ich selber schon molekularbiologisch gearbeitet habe, kann ich nicht beurteilen, ob die Erklärungen in diesem Bereich genau genug sind. Ich fand es auf jeden Fall nicht langatmig und der Autor ist offensichtlich sehr gut informiert. Ich habe nur einen, wirklich sehr nebensächlichen zahlenmäßigen Ausrutscher gefunden.

Die einzelnen Handlungsstränge werden jeweils von einem allwissenden Erzähler in der dritten Person aus verschiedenen Perspekiven erzählt, die durch relativ kurze Kapitel deutlich voneinander abgesetzt sind. Die polizeilichen Ermittlungen spielen zum großen Teil in Basel und Bern, während die Medienpräsentation des "Jesusklons" den Leser nach Rom in den Vatikan führt. Die Schauplätze sind sehr anschaulich beschrieben. Besonders positiv ist mir aufgefallen, wie gut es dem Autor gelungen ist, die Stimmung der Schauplätze von Basel und Bern einzufangen. Erfreulicherweise kommt das Buch dennoch ohne verbalen Lokalkolorit aus. Die Sprache liest sich sehr flüssig, für mich genau der richtig Mix aus Dialogen und Beschreibungen.


Mein Fazit:

Ich habe mich mit diesem Erstlingswerk sehr gut unterhalten gefühlt. Ich konnte einiges über Kirchengeschichte lernen und fand es sehr spannend, in dem mir eher ungewohnten Umfeld der Kirche, mit zu rätseln. Aus der Art und Weise wie die Ermittler angelegt sind, schließe ich, dass eine Serie geplant ist und freue mich schon auf weitere Fälle.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.