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EOS
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Siegen

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Insgesamt 224 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2018
Lucadou, Julia von

Die Hochhausspringerin


gut

In dieser Dystopie geht es um die existentiellen Probleme, die ein extrem fremdbestimmtes Leben mit sich bringen kann.
Julia von Lucadou macht uns bekannt mit Riva Karnovsky, einer Hochhausspringerin, sehr beliebt und perfekt in ihrer attraktiven Rolle, die sich aber plötzlich aus diesem glamourösen Leben zurückzieht und in Lethargie verfällt. Dann ist da noch Hitomi Yoshida, die für Psy-Solutions arbeitet und durch geeignete Maßnahmen Riva reanimieren soll, damit sie sich wieder dem Highrise Diving zuwendet. Diese Maßnahmen bestehen in erster Linie aus minutiöser Überwachung, die Gründe für den Rückzug herausfinden und geeignete Therapiemöglichkeiten bieten soll.
Schnell wird deutlich, dass in dieser neuen Welt jeder permanent überwacht wird, bis in die Intimsphäre hinein, um die bestmögliche Optimierung der einzelnen Individuen zu gewährleisten, denn nur dann kann die Gesellschaft funktionieren. So wird auch Hitomi immer mehr bewußt, dass auch ihr Leben komplett fremdbestimmt ist, und wenn sie nicht funktioniert wie gewünscht, erfolgt der gesellschaftliche Abstieg, bis hinaus in die Peripherien, wo die Menschen bei ihren Biofamilien selbstbestimmt leben, aber eben nicht vollkommen sind.
Mir scheint es, als gehe es darum, sich zu entscheiden. Was möchte ich, Ruhm und Anerkennung, wobei ich mich dann aber in totale Fremdbestimmung begebe und mich anpasse, quasi meine eigene Persönlichkeit aufgebe. Oder möchte ich ein Individuum bleiben, selbstbestimmt, aber ohne Rückendeckung durch die Gesellschaft?
Offensichtlich ist Riva es leid, vom System vermarktet zu werden und im goldenen Käfig zu leben. Hitomi hingegen schätzt ein solches Leben, merkt aber sehr schnell, wie schwierig es ist, den gesellschaftlichen Ansprüchen dieser neuen Welt zu genügen.
Ein Sympathieträger ist keiner der Protagonisten, denn Hitomi missfällt mir durch ihren Ja-Sager Status, während ich über Rivas Beweggründe wenig erfahre, da der Roman aus Hitomis Sicht geschrieben ist. Ich denke aber, dass Rivas Aufbegehren ihr Wesen aufwertet.
Die Grundidee der Autorin ist lobenswert und in der heutigen Zeit keine reine Utopie mehr. Allerdings muss ich sagen, dass sich in der Umsetzung eine gewisse Langatmigkeit deutlich macht, denn es passiert einfach seitenweise nichts wirklich Neues, auf der einen Seite ständige Lethargie und auf der anderen permanente Überwachung. Besonders im Mittelteil war die Motivation zum Weiterlesen sehr niedrig. Zum Ende hin kam dann wieder deutlich mehr Spannung auf, denn Rivas und Hitomis weiterer Lebensweg wurde aufgezeigt.
Auf jeden Fall bringt einen die Geschichte um Riva und Hitomi zum Nachdenken. Wie ist unsere Rolle in der Gesellschaft und möchten wir daran etwas ändern?

Bewertung vom 25.08.2018
Kelly, Erin

Vier.Zwei.Eins.


ausgezeichnet

Wem kann man wirklich trauen, und ist dein Freund nicht in Wirklichkeit dein Feind?
Diese Frage stellt man sich, wenn man dieses spannende Buch beendet hat. Von Erin Kelly als Roman eingestuft, hat es doch auch viele Elemente eines Kriminalromans. Und die Spannung ist während der gesamten Lektüre vorhanden, ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt.
Allein schon das Hobby der Hauptprotagonisten fand ich sehr interessant und war für mich informativ. Besessen vom Phänomen der Sonnenfinsternis, fährt man zu Orten, um gemeinsam mit anderen diese magischen Momente zu erleben. Während einer totalen Sonnenfinsternis in Cornwall kommt es zu einem brutalen Verbrechen, dessen Folgen noch lange nachwirken und das Leben der Hauptakteure umkrempeln.
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und zeichnet ein gutes Bild der jeweiligen Situation. Obwohl streckenweise nichts Schlimmes passiert, liegt immer eine Art Bedrohung im Hintergrund, weshalb man das Buch nicht gut beiseite legen kann. Es fesselt den Leser.
Erin Kelly versteht es von Anfang an Spannung aufzubauen, zunächst ist es nur die Neugier des Lesers, der unbedingt wissen möchte, was damals passiert ist. Dann folgen mysteriöse Hinweise und warnende Anmerkungen, die darauf schließen lassen, dass nach der damaligen Vergewaltigung noch viel Unheil heraufbeschworen wurde. Der ständige Wechsel zwischen zwei Zeitebenen, damals und heute (dazwischen liegen ca. 15 Jahre), deutet bereits an, dass die Sache noch nicht abgeschlossen ist. Die einzelnen Verstrickungen sind authentisch, durchaus nachvollziehbar, wenn auch teilweise überraschend. Und damit kommt zu der Spannung noch eine gehörige Portion Entsetzen, wie hinterhältig Menschen agieren können....
Mein Lieblingscharakter ist Laura, sie ist eine Helfernatur und äußerst tatkräftig, wenn jemand in Not ist. Sie scheut sich nicht, auch der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Das wird leider auch teilweise ausgenutzt. Ich habe viel Mitleid für sie empfunden.
Kit ist für mich eine eher schwache Persönlichkeit, der sich an anderen orientiert und auf egoistische Weise seinen Vorteil sucht, auch wenn es anderen schadet.
Beth ist für mich undurchschaubar, kann man ihr vertrauen oder eher nicht?
Für mich ist das Buch ohne Frage fünf Sterne wert. Es hat mich noch beschäftigt, als die Lektüre schon abgeschlossen war, irgendwie war ich fassungslos, wie bösartig Menschen agieren können unter dem Deckmantel, nur Gutes bewirken zu wollen. Aber trotzdem ist das Vorgefallene authentisch, nicht aus den Sternen gegriffen.
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre!!!

Bewertung vom 17.06.2018
Warner, Dave

Die Schlingen der Schuld


sehr gut

Detective Daniel Clement ist nach erfolgreicher Polizeiarbeit in Perth auf Grund privater Veränderungen (Scheidung) in die Einsamkeit des Outback zurückgekehrt und arbeitet nun in der ruhigen Polizeidienststelle seines früheren Heimatortes. Ein äußerst brutaler Mord an einem Deutschen in den Mangrovensümpfen beendet jedoch bald sein ruhiges Polizistenleben, denn nun sind intensive Recherchen erforderlich, die Spuren nach Deutschland und in das Hamburger Drogenmilieu der 80er Jahre aufdecken. Schon bald passiert ein zweiter Mord....
Sehr positiv zu erwähnen sind zunächst die landeskundlichen Informationen zum Outback, die den Leser die Einsamkeit und die Weite dieser Region fühlen lassen und zugleich auch die damit verbundenen Probleme. Auch das Cover ist sehr schön gestaltet und präsentiert ein Stimmungsbild zu diesem Krimi.
Der Fall selbst ist recht komplex, erfordert gründliche Ermittlungsarbeit, weist auch einige falsche Spuren auf, wird schließlich aber logisch durchdacht gelöst. Am Anfang noch ziemlich unspektakulär, wird die Handlung dann aber immer spannender und löst beim Leser ein vielseitiges Miträtseln aus, das öfters in die falsche Richtung läuft, aber das macht es ja umso aufregender. Es erfolgen immer wieder informative Rückblicke auf die Hamburger Zeit, die allmählich Licht ins Dunkel bringen. Der Showdown vollzieht sich, als ein Zyklon über den Outback hinwegfegt und schafft eine unheimliche Szenerie.
Was mir überhaupt nicht gefallen hat (deshalb der Punktabzug) sind die Längen in der Beschreibung des Detective Clement, angefangen bei seinen Gedanken an seine Exfrau und seine Tochter, weiter mit seinen Erinnerungen an seine Kindheit und die damalige Rolle seines Vaters und letztendlich z.B. auch sein Zahnweh, das ihn über längere Zeit beschäftigt. Ein wenig Information zum Privatleben des Ermittlers ist ja interessant und sinnvoll, aber hier gibt es zuviel davon. Diese Passagen waren sehr langatmig und minderten die Spannung. Demzufolge ist mir der Protagonist weder sympatisch noch unsympathisch und hinterlässt keine bleibende Erinnerung.
Ich kann das Buch sowohl Krimi- als auch Australienfans empfehlen, würde mir aber wünschen, dass bei weiteren Clement-Krimis, die wohl geplant sind, die privaten Ausführungen deutlich gekürzt werden.

Bewertung vom 21.05.2018
Kiernan, Olivia

Zu nah / Frankie Sheehan Bd.1


weniger gut

Frankie Sheehan, Detective bei der Dubliner Gardai, ist gerade wieder in ihren Dienst zurückgekehrt, nachdem sie in ihrem vorigen Fall schwer verletzt wurde und die psychischen Folgen noch nicht vollständig überwunden hat. Ihr wird alsbald trotz Bedenken von Seiten ihres Chefs die Ermittlung in einem neuen Todesfall übertragen, da die Dubliner Polizei gerade unter Personal- und Geldmangel leidet. Was zunächst wie Selbstmord aussieht, entpuppt sich schnell als brutaler Mord. Im Laufe der Ermittlungen, während es noch weitere Opfer gibt, fällt es Frankie zunehmend schwer, konzentriert zu ermitteln, da sie immer noch traumatisiert ist. Zudem handelt es sich um äußerst brutale Morde, mit sadomasochistischen Zügen.
Die Story mit ihren Hintergründen ist originell und hätte durchaus Potenzial für einen nervenaufreibenden Thriller, aber leider wird die Spannung nur ganz langsam aufgebaut, eigentlich erst ab dem letzten Drittel. Vorher laufen die Ermittlungen zu langatmig, und die traumatisierenden Ereignisse des vorigen Falls treten in Flashbacks immer wieder in den Vordergrund. Frankie ist noch nicht gänzlich in der Lage, zuverlässig im Team zu arbeiten, macht vieles im Alleingang und ertränkt ihre Probleme in Alkohol und Tabletten.
Im letzten Drittel gibt es schließlich einige Verdächtige und man fängt an mitzurätseln, wer es denn gewesen sein könnte (endlich die gewünschte Spannung!), aber dann kommt der Showdown - und man ist total enttäuscht...Auch im Verlauf der Handlung sind einige Szenen unglaubwürdig und inkonsequent.
Richtig sympathisch ist mir keiner der Protagonisten, auch nicht die Hauptermittlerin. Irgendwie verfällt sie oft in Selbstmitleid anstatt wieder neu durchzustarten...Die anderen Personen werden nicht intensiv genug vorgestellt, um Sympathie oder Antipathie zu fühlen. Einige Personen, die Erwähnung finden, hätten ruhig weggelassen werden können, da sie für den Handlungsverlauf unerheblich bleiben.
Lobend hervorheben kann ich die Leistung der Sprecherin Sabine Godec, die ihre Stimme personenbezogen variierte und auf die jeweilige Szene abstimmte. Ich habe ihrer Lesung gern zugehört und kann sie jedem empfehlen.
Alles in allem würde ich diesen Krimi als mittelmäßig einstufen, keine nervenaufreibende Spannung, aber ein origineller Fall. Ich hätte mir vom Setting mehr landeskundliche Informationen über Irland gewünscht, was leider überhaupt nicht zutraf. Aber davon abgesehen, meine Empfehlung für alle Krimifans, die es eher ruhig mögen.......

Bewertung vom 04.05.2018
Beinert, Claudia;Beinert, Nadja

Revolution im Herzen


ausgezeichnet

Anfang des 19. Jahrhunderts: es herrscht große Armut, und der Unterschied zwischen Arm und Reich ist extrem....Lenchen Demuth verlässt im zarten Alter von 8 Jahren ihre Heimat, nachdem ihr Vater verstorben ist und sie sich zu Hause ungeliebt fühlt. Sie möchte in Trier als Hausmädchen arbeiten und Geld für ihre Familie verdienen. Durch einen großen Zufall kommt sie in das Haus der Familie des Barons von Westfalen und verdient bei harter Arbeit tatsächlich ihr erstes Geld. Später heiratet die Tochter des Hauses Karl Marx, und so wird Lenchen einige Zeit später Dienstmädchen im Hause Marx.
Lenchen Demuth ist ein starker Charakter, denn sie ist fleißig, ehrgeizig und intelligent. Zunächst habe ich nur gestaunt, was Lenchen alles schafft, sie ist ja noch ein Kind, aber vom Ehrgeiz getrieben, Geld zu verdienen. Anfangs ist sie total unterwürfig als Mädchen für alles, aber sie gewinnt immer mehr Selbstbewußtsein und wird zu einer starken Frau, die im Hause Marx unentbehrlich ist. Auch als unverheiratete schwangere Frau bleibt sie ihrer Linie treu und standfest.
Auch die junge Baronesse Jenny von Westfalen ist eine sympathische Figur, denn sie schaut nicht auf Lenchen herab, sondern hilft ihr, vertraut ihr und wird zu ihrer Freundin. Durch sie lernt Lenchen das Lesen und Schreiben und erfährt grundlegende Lebensweisheiten.
Karl Marx ist zunächst ein Negativcharakter, denn er ist der arrogante Sprößling einer reichen Ratsfamilie, der auf Dienstmädchen herabblickt und sie dies auch spüren lässt. Dies ändert sich aber zusehends....
Ich habe das Buch gern und interessiert gelesen, der Schreibstil ist sehr flüssig und macht Lust auf mehr. Lenchens Biographie ist spannend und lesenswert. Einzig manche Beschreibungen, z.B. der Schachzüge, waren mir zu detailliert und eine Spur zu langweilig.
Was mir besonders gut gefallen hat, ist die politische Hintergrundinformation. Was ich zu Schulzeiten nie richtig verstanden habe über die Marx/Engels Theorie, wird mir hier klar und gut verständlich. Ich liebe diese Bücher, die vordergründig Roman sind und gleichzeitig reales Wissen vermitteln.
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der historische Romane mag, die anhand einer Biographie auch die Hintergründe der jeweiligen Zeit realistisch darstellen. Es ist keine leichte Unterhaltungsliteratur, sondern versetzt uns in eine andere Zeit, in die wir beim Lesen abtauchen, aus der wir aber auch gern wieder in unsere Zeit zurückkehren.

Bewertung vom 13.04.2018
Lunde, Maja

Die Geschichte des Wassers / Klima Quartett Bd.2


ausgezeichnet

Maja Lunde beschäftigt sich in diesem Band mit dem Wasser, unverzichtbar für alle Lebewesen und für die gesamte Natur...
Das Buch beinhaltet 2 Erzählstränge, da ist einmal Signe, eine alte Frau um die 70, die eine riskante Segelbootreise unternimmt, um ihrer früheren großen Liebe eine Botschaft zu übermitteln. Beide waren früher Umweltaktivisten, aber Magnus kehrte dann diesem Ideal den Rücken, wodurch die Beziehung zerbrach.
Der 2. Erzählstrang (ca. 25 Jahre später) macht uns mit David und Lou bekannt, ein junger Vater mit seiner Tochter, die vor der katastrophalen Dürre in Südeuropa nach Norden fliehen, da nicht mehr genug Wasser für alle da ist. Sie landen in einem Lager, wo sie sich eigentlich mit Davids Frau und Lous kleinem Bruder treffen wollten, aber vergebens....Um Lou abzulenken, geht David mit ihr in die nähere Umgebung, und sie entdecken bei einem verlassenen Haus ein Boot, Signes Boot....
Auch wenn nicht viel passiert, ist das Buch spannend geschrieben, weil man ständig wissen möchte, wie es weitergeht, sowohl auf der riskanten Tour als auch in dem immer qualvolleren Lagerleben. Außerdem erwartet man ein Zusammenfügen der Erzählebenen, und dies geschieht erst ziemlich spät. Insofern bietet das Buch jede Menge Motivation weiter zu lesen. Der klare und expressive Schreibstil der Autorin unterstützen dieses.
Ein wenig zu ausführlich empfand ich die Beschreibungen der Segelmanöver, wahrscheinlich weil ich dazu keinen Zugang habe, aber das hab ich einfach überflogen...
Alle drei Hauptpersonen sind mir durchweg sympathisch, Signe mit ihrem Umweltbewußtsein und ihrer Kämpfernatur, David in seiner Fürsorge um seine Tochter (auch wenn er mal über die Stränge schlägt...) und Lou, die schon soviel Tapferkeit zeigen muss.
Ganz wichtig ist für mich die Botschaft dieses Buches, dass wir viel zu sorglos mit den Ressourcen unserer Umwelt umgehen und sie dadurch zerstören, ganz allmählich und leise, so dass viele es nicht mitbekommen oder es ihnen egal ist. Signe hat dieses Problem bereits als Jugendliche erkannt und zu kämpfen begonnen. Leider verhindert die Gleichgültigkeit vieler Menschen eine Änderung.
Das Buch hat mich sehr beeindruckt und mich nach der letzten Seite in Gedanken noch lange beschäftigt. Ich verstehe es als Appell an alle, die die Erde noch retten möchten....und ich würde es deshalb jedem empfehlen, der dazu beitragen möchte. Es ist keine Tralala-Erzählung, sondern ernsthafte Literatur. Ich denke, dass die geschilderte Bedrohung keine Utopie ist, sondern irgendwann eintritt. Die Klimaänderungen sind ja schon deutlich zu spüren.
Schade dass ich den Vorgänger ('Die Geschichte der Bienen')noch nicht gelesen habe, ich werde es aber bald nachholen....

Bewertung vom 10.04.2018
Harrar, George

Im Dunkel deiner Seele


gut

Evan Birch ist Philosophieprofessor und führt ein unspektakuläres Leben zwischen Uni und Familie, zu der seine Ehefrau Ellen und seine Zwillingssöhne Adam und Zed gehören. Dieses geordnete und vielleicht schon zur Routine gewordene Leben wird jäh unterbrochen, als Birch unter den Verdacht gestellt wird, etwas mit dem Verschwinden eines 16-jährigen Mädchens zu tun zu haben.
Zunächst erscheint dieser Verdacht absurd und wie ein Missverständnis, aber ganz langsam schleichen sich immer mehr Indizien ein, die doch für seine Schuld sprechen, z.B. der Lippenstift des Mädchens in seinem Auto oder seine anfängliche Weigerung, sein Auto auf Spuren untersuchen zu lassen.
Der Autor versteht es meisterhaft, ganz subtil Spannung zu erzeugen, obwohl nichts wirklich dramatisches geschieht. Aber es sind die Kleinigkeiten, die Merkwürdigkeiten, die plötzlich den Alltag durcheinanderbringen, die unerklärlichen Vorkommnisse, aber auch Lügen, die aufgedeckt werden, die einen immer mehr an der Unschuld Evans zweifeln lassen. Man ist ganz gespannt, was als nächstes auftritt oder sich entwickelt.
Evan Birch ist für mich ein Sympathieträger, freundlich, beliebt, friedlich. Irgendwie bedauert man ihn, weil ihm soviel Unverständnis und Vorwürfe begegnen. Es stellt sich jedoch immer mehr die Frage, wie gut kann ich andere Menschen wirklich einschätzen bzw. was verbergen sie im Dunkel ihrer Seele, was ich nicht erkennen kann. Kann man einen anderen Menschen wirklich realistisch einschätzen? Hierzu enthält das Buch viele philosophische Einschübe und Erläuterungen. die meist zum Nachdenken anregen, aber teilweise auch überflüssige Längen erzeugen. Evan Birch gerät immer stärker unter Verdacht, was auch in seinem Alltag, in der Familie und in seinem Beruf immer mehr negative Anspannung erzeugt.
Ich habe dieses Buch (Psychothriller???) gern und ohne Langeweile gelesen, was mich aber zu meiner Bewertung gebracht hat, war das überraschend einfallslose und lapidare Ende, das viel zu viele Fragen offen lässt, ganz besonders die Hauptfrage: Hat er etwas mit dem Verschwinden der Schülerin zu tun oder nicht? Plötzlich ist alles vorbei, aber nichts wirklich geklärt. Ich hatte auf einen spektakulären Ausklang gewartet, wurde aber enttäuscht. Bis auf die letzen 50 Seiten hätte ich das Buch Psychothriller-Fans empfehlen können, aber das Ende wirkte auf mich viel zu blass. Schade!

Bewertung vom 23.03.2018
Cross, Ethan

Ich bin der Hass / Francis Ackerman junior Bd.5 (6 Audio-CDs)


sehr gut

Dieser Fall stellt Special Agent Marcus Williams und seinen Bruder Francis Ackerman, der früher ein gefährlicher Serienkiller war, vor eine schwierige Aufgabe. Zunächst sollen sie den berüchtigten Demon in eine Hochsicherheitsgefängnis begleiten, wobei aber eine Panne passiert. Daraufhin zwingt Demon die beiden, den 'Gladiator' zu finden, der schon zahlreiche äußerst brutale Morde begangen hat und unerkannt geblieben ist. Außerdem sind einige Frauen spurlos verschwunden sowie ein FBI-Agent, wobei auch die Vermutung besteht, dass der Gladiator seine Finger im Spiel hat. Die beiden Brüder begeben sich auf den mühsamen Weg, den Gladiator zu finden und unschädlich zu machen, wobei sie in so manche extrem gefährliche Situation geraten.
Der Gladiator ist der Bruder von Dr Gladstone, der es sich zur Aufgabe gesetzt hat, seine eigene Welt zu schaffen, weit entfernt auf einer einsamen Insel. Um dieses Ziel zu erreichen, geht er in grausamer Weise über viele Leichen. Viele brutale Szenarien schildern das rücksichtslose Vorgehen.
Sehr geschickt hat der Autor die verschiedenen Handlungsstränge miteinander verknüpft, so dass aus der anfänglichen Verwirrung wegen der vielen Namen für mich eine sinnvolle Story entstand. Allerdings ist mir keiner der Protagonisten wirklich sympathisch, denn alle haben ihre mehr oder weniger extremen Schattenseiten.
Ich habe den Thriller als Hörbuch kennengelernt, in gekürzter Fassung, und ohne eines der Vorgängerbücher zu kennen. Dadurch ergaben sich für mich einige Verständnisprobleme, die sich aber nach zweimaligem Hören weitgehend auflösten.
Besonders möchte ich schließlich den Sprecher Thomas Balou Martin hervorheben, dessen Präsentation der verschiedenen Charaktere mir sehr gefallen hat. Mit seiner markanten Stimmer gibt er jedem Charakter seine eigene Nuance und bringt auf diese Weise viel Lebendigkeit in den vorgelesenen Text. Ein Extralob auf ihn! Das Hörbuch würde ich auf Grund seiner hervorragenden Interpretation wärmstens empfehlen. Einen Punktabzug gibt es aber von mir wegen der inhaltlichen Fragwürdigkeiten, denn einige Aktionen wirken unrealistisch und für mich zu bluttriefend.

Bewertung vom 10.03.2018
Kolosowa, Wlada

Fliegende Hunde


sehr gut

Eine Freundschaft auf dem Prüfstand
Oksana und Lena sind russische Mädchen, die in einer öden Plattenbausiedlung in einer Vorstadt von St. Petersburg leben und eine sehr innige Freundschaft pflegen, schon von Kleinkindbeinen an, die manchmal sogar intensiver ist, als die Außenwelt es sich vorstellen kann. Lena beschliesst nun, aus dem öden Alltag und dem ständigen Einerlei auszubrechen und eine Modelkarriere in China zu starten, während sich Oksana einem Internetforum anschliesst, um mit dubiosen Rezepten aus der Weltkriegszeit abzunehmen.
Kann die Freunschaft trotz dieser Trennung überleben, oder wird die Erweiterung des Erfahrungshorizonts auf Lenas Seite das Verhältnis der beiden Mädchen zerstören?
Die beiden Protagonistinnen verhalten sich nach dem Abschied grundsätzlich sehr verschieden. Während Oksana unter dem Verlust der Freundin leidet und sich verstärkt in ihre Schulausbildung stürzt, versucht Lena, mit ihrer Vergangenheit zu brechen, hält keinen Kontakt mit Oksana und stürzt sich von einem fragwürdigen Shooting ins nächste.....Lena ist abenteuerlustig, unvorsichtig und lebt nach dem Motto 'Augen zu und durch', während sich Oksana um eine solide Schulausbildung bemüht. Bisweilen kommt jedoch auch bei Lena Heimweh durch, das sie aber verdrängt, um ihre 'Karriere' voranzutreiben.
Werden die beiden bei ihrem ersten Wiedersehen ihre innige Freundschaft wiederbeleben, werden sie wieder die Unzertrennlichen sein? Kann die Gefühlswelt diese gegensätzlichen Erfahrungen überbrücken?
Der Schreibstil der Autorin führt ganz leicht durch die Seiten, man erhält viele interessante Informationen, ohne unnötige Längen und einfühlsam geschrieben. Eine kurzweilige Lektüre!
Das Buch hat mich gefesselt, weil es die Träume und Pläne junger Menschen in einer stumpfsinnigen Umgebung im heutigen Russland beschreibt, in der Armut, Gleichgültigkeit und Stumpfsinn sich ausgebreitet haben. Gleichzeitg habe ich sehr viel erfahren über die Leningrad-Blockade im 2. Weltkrieg, was ich mir bislang nicht vorstellen konnte.
Wass mich ein wenig enttäuscht hat, ist der Bezug zum Titel, da die fliegenden Hunde selten und nur am Rande erwähnt werden. Ich hätte mir einen intensiveren Bezug und deutlichere Interpretation dieses 'Phänomens' gewünscht.
Trotzdem kann ich eine klare Lesempfehlung aussprechen, da das Buch in die Tiefe der Gefühlswelt abtaucht und einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 21.02.2018
Benedict, Marie

Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1


ausgezeichnet

Die zwei Gesichter des Herrn Einstein
In diesem Buch stellt Marie Benedict uns Milena Maric vor, eine hochbegabte Serbin, die nach Zürich geht, um am Polytechnikum zu studieren. In dieser Männerwelt fühlt sie sich anfangs sehr verloren und nicht akzeptiert, besonders vom Lehrpersonal. Dies wird noch verstärkt dadurch, dass sie ein Handicap hat: sie humpelt wegen eines Hüftleidens.
Jedoch erregt sie die Aufmerksamkeit eines Kommilitonen, Albert Einstein, der sich in sie verliebt und nicht locker lässt, bis sie mit ihm ausgeht. Die beiden passen perfekt zusammen, da sie auch die Liebe zur Physik teilen und gemeinsam Theorien entwickeln. Sie entwickeln gemeinsam die Relativitätstheorie und ergänzen sich gegenseitig.
In diesem ersten Teil wird Einstein beschrieben, wie man sich ihn vorstellt, etwas nachlässig, rebellisch, auf der anderen Seite ehrgeizig und angepasst, wenn es um seine Rolle als Mann in der damaligen Gesellschaft geht. Auch ist er hier ein liebevoller und insistierender Verehrer und Freund.
Wir erleben Milena und Albert als Bohemiens, die nachmittags in angesagten Cafés sitzen, mit Kommilitonen diskutieren und sich eine veränderte Zukunft vorstellen. Nach anfänglichem Zögern lässt sich Milena auf die Beziehung ein trotz der Warnungen ihrer Eltern, und sie ist glücklich.
Das ändert sich schlagartig, als sie schwanger wird, und Albert sich wenig verantwortlich zeigt. Er möchte sein bohemisches Leben weiterführen, und Milena ist auf sich allein gestellt. Erst nach langem Warten wird geheiratet, und Milenas Abstieg beginnt.....
In diesem 2.Teil erleben wir einen ganz anderen Einstein, der mich zutiefst erschreckt hat. Er zeichnet sich aus durch Egoismus, Unehrlichkeit, Unzuverlässigkeit und Streitsucht. Umgangssprachlich würden wir ihn als 'Macho' beschreiben. Am liebsten hätte ich Milena bisweilen einen Tritt gegeben, damit sie endlich die realen Verhältnisse erkennt.
Sehr beeindruckt hat mich die Protagonistin in diesem Buch. Ich bewundere ihren Mut, in jener Zeit als Frau in die Wissenschaft einzusteigen. Sie ist klug, verantwortungsbewusst und hilfsbereit, aber nicht arrogant oder stolz auf Grund ihrer Fähigkeiten. Im 2. Teil hat sie mir sehr leid getan, und ich hatte bisweilen Tränen in den Augen, z.B. bei der Geburt ihres 1.Kindes.
Der Schreibstil der Autorin hat mir gut gefallen, er drückte die jeweilige Stimmung sehr treffend aus und hat bewirkt, dass ich mitgerissen wurde von dieser spannenden und zugleich bedrückenden Erzählung.
Ich kann das Buch wärmstens empfehlen, es zeigt deutlich die Situation der Frauen jener Zeit und beleuchtet Einsteins Werdegang in einem differenzierten Licht. Gleichzeitig werden auch die altbekannten Einstein Theorien (eigentlich Einstein-Maric Theorien) gut verständlich erklärt. Das Buch hat mir sehr gefallen!