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Aischa

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Insgesamt 572 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2022
Gordimer, Nadine

Der Besitzer


gut

Noch im Erscheinungsjahr 1974 wurde dieser Roman der späteren Nobelpreisträgerin und Lieblingsautorin Nelson Mandelas, Nadine Gordimer, mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Ohne Frage behandelt sie mit der durch Rassismus tief gespaltenen Gesellschaft Namibias ein Thema, das - leider - nach wie vor nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Im Zentrum des Romans steht Protagonist Mehring, ein knapp 50jähriger erfolgreicher weißer Geschäftsmann aus Johannesburg, der sich vor den Toren der Stadt eine große Farm gekauft hat, auf der er an den Wochenenden auftaucht und den schwarzen Hilfsarbeitern Anweisungen erteilt. Die Story spielt vor der Unabhängigkeit Namibias, als das Land unter dem Namen "Deutsch-Südwestafrika" unter der Verwaltung Südafrikas stand, inklusive der Apartheids-Politik. Gordimer schildert - mit wenigen Worten und doch sehr eindringlich - wie unentrinnbar die Zugehörigkeit zur weißen Herrschaftsschicht und zur ausgebeuteten schwarzen Arbeiterklasse war. Dabei kam ich oft an die Grenze des für mich Erträglichen. Ich kann nicht sagen, was ich schrecklicher fand - die menschenverachtende ignorante und überhebliche Einstellung des Wochenendfarmers, oder die - erzwungenermaßen - unterwürfige, duckmäuserische Haltung der Schwarzen. Interessant, wenn auch sehr klischeehaft, ist auch die Darstellung der indischen Einwanderer, die gewissermaßen eine Hybridstellung innerhalb der Gesellschaft einnehmen. Zwar gelten sie als "Farbige" und dürfen daher offiziell kein Gewerbe betreiben, sind aber doch hell (in doppeldeutigem Sinn) genug, um die Regeln geschickt zu umgehen.

Doch ich möchte den Roman nicht auf die Rassismusproblematik reduzieren. Mehring, obwohl wirtschaftlich abgesichert und gesellschaftlich äußerst privilegiert, ist zutiefst unglücklich, er irrlichtert durch sein Leben, stets auf der Suche nach ... ja, wonach eigentlich? Er ist geschieden, ein Womanizer, an Angeboten für Affären mangelt es ihm nicht. Aber er kann keine glückliche Beziehung aufbauen, weder zu einer Partnerin, noch zu seinem jugendlichen Sohn. Und auch an seinen "boys", wie die Farmarbeiter genannt werden, verzweifelt er immer wieder, nicht zuletzt, weil es ihm nicht gelingt, ihnen die Bedeutung des Naturschutzes zu vermitteln, der ihm so am Herzen liegt.

Hier erkenne ich übrigens eine zentrale Metapher, die die deutsche Übersetzung leider unkenntlich gemacht hat: Der englische Originaltitel lautet "The Conservationist", auf Deutsch Natur- oder Umweltschützer, vom lateinischen Wortstamm her also jemand, der etwas bewahrt, nicht ein Besitzer. Und das trifft auf Mehring zu, er möchte das Land bewahren, seine Farm ebenso wie die Gesellschaft in der er lebt, Veränderungen machen ihm Angst, und je weiter der Roman voranschreitet, desto mehr verwischen Realität und Wachträume, Erlebtes und Wahnvorstellungen. Und genau hier ist Gordimer etwas über das Ziel hinausgeschossen: Die Erzählperspektiven wechseln oft und abrupt, nur schwer erkennbar, es ist sehr anstrengend, zu erkennen, wer was sagt, tut oder nur denkt oder träumt. Außerdem fehlen mir Hinweise, wieso Mehring so unzufrieden mit seinem Leben ist, wieso er zunehmend die Kontrolle verliert. Ist es die Angst davor, die Macht zu verlieren? Ich bleibe leider aufgewühlt, aber auch verwirrt und unzufrieden zurück.

Bewertung vom 28.03.2022
Schmidt, Simone Francesca

1774. Als die jungen Genies die Freiheit suchten


gut

"Ein unterhaltsames Panorama des Sturm und Drang, gewürzt mit Klatsch, Skandalen und Affären – und mit überraschend aktuellen Bezügen." So vielversprechend der Klappentext des Verlags, so wenig vermag der Inhalt dieses Versprechen zu halten.

Ich hatte mich auf eine spannende Zeitreise in ein Jahr inmitten dieser für die deutsche Literatur so prägenden Epoche gefreut. Waren mir Goethe, Schubart und Lenz bis dato ausschließlich als Schriftsteller ein Begriff, so hoffte ich, sie durch die Lektüre auch als Persönlichkeiten näher kennen zu lernen. Und natürlich wollte ich auch Einsichten in Politik und Gesellschaft des Jahres 1774 und deren Auswirkungen auf die Gegenwart erhalten.

Simone Francesca Schmidt hat ihr Buch in die zwölf Monate des Geschehens unterteilt. Der Einstieg ist durchaus unterhaltsam - die Vorstellung des jungen Goethe, der seiner Leidenschaft zum Schlittschuh laufen auch mal im knallroten Mantel der Mutter frönt, brachte mich sehr zum Schmunzeln. Überhaupt ist Schmidts Stil anfangs erfrischend frech, was sich leider im Verlauf des Buchs stark verliert. Und nicht nur das. Nach wenigen Kapiteln gerät die Erzählung immer wieder zu einer langweiligen, nichtssagenden Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten. X trifft Y, Z sollte auch besucht werden, war aber leider nicht zu Hause ... Das ist eine Zeit lang in Ordnung, um einen Eindruck vom Alltag der Protagonisten zu bekommen, aber es trägt nicht über einen ganzen Roman hinweg. Auch hätte ich mir ab und an einen Dialog gewünscht, um mehr Schwung in die Erzählung zu bringen. Stattdessen finden sich zahllose Zitate aus Tagebüchern, Briefen usw. Über weite Strecken hinweg habe ich mich sehr gelangweilt, ich war oft kurz davor, die Lektüre abzubrechen. Wenn doch mal etwas Interessantes vorkommt, wie zum Beispiel das Kasseler Kaffeeverbot, fehlendes Copyright oder die damalige Praxis, Literatur anonym zu veröffentlichen, dann wird es nur kurz unkommentiert erwähnt, Hintergründe sucht man vergeblich.

Auch viele Protagonisten bleiben blass. So schildert Schmidt zwar den Skandal um Mercks Ehefrau, die ihn während eines längeren Aufenthalts in der Schweiz betrügt und ihn bei ihrer Heimkehr mit ihrer Schwangerschaft überrascht. Doch was führte zu dem Seitensprung, zumal das Ehepaar zuvor als rundum glücklich geschildert wurde? Wer war der Vater des Kindes? Wie war das erste Aufeinandertreffen der Ehepartner nach dem Betrug, was haben sie dabei gefühlt? Hat Merck seiner Frau wirklich verziehen, wie verhielt er sich dem Kind gegenüber? Mit all diesen Fragen bleiben die Leser*innen alleine.

Ich ziehe meinen Hut vor der umfangreichen und intensiven Recherchearbeit, die diesem Buch zugrunde liegen muss. Umso bedauerlicher ist es, dass die Autorin aus der Fülle des Materials keine fesselnde Erzählung machen konnte. Sehr gelungen ist der Epilog, hier ordnet sie ein und bewertet - mehr davon auch in den vorhergehenden Kapiteln hätte dem Buch gut getan, so ist es deutlich zu wenig.

Sehr gelungen ist hingegen der Anhang: Zeitgenössische Abbildungen der Protagonisten und ausführliche Personenverzeichnisse geben inmitten der Namensfülle Orientierung und haben mich bewogen, meine Bewertung auf drei Sterne aufzurunden.

Bewertung vom 28.03.2022
Olderdissen, Christine

Genderleicht


ausgezeichnet

Es gibt wohl derzeit wenig sprachliche Entwicklungen, die mehr polarisieren als das Gendern. Einerseits versuchen sich (alte weiße) Männer mit einem "Frauen sind doch mit gemeint" aus der Verantwortung zu ziehen und wollen bequem an der männlichen Vorherrschaft der deutschen Sprache festhalten. Andererseits finden sich Texte, die vor Gendersternen nur so strotzen, aber leider einmal mehr zeigen, dass gut gemeint nicht automatisch gut gemacht ist.

Autorin Christine Olderdissen erklärt, wieso sprachliche Gleichstellung wichtig ist und zeigt auf, wie wir geschlechtergerecht sprechen und schreiben können, ohne weder uns, noch die Sprache dabei zu verbiegen.

Der Ratgeber ist kein Genderwörterbuch, sondern regt anhand vieler Beispiele zu kreativem und unverkrampften Gendern an. Wir können geschlechtsneutrale Worte verwenden, in herzlichen, respektvollen Begrüßungen alle ansprechen, ohne uns in endlosen Aufzählungen zu verlieren und gut verständliche Texte schreiben, die dennoch der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen. Der Mann hat als Maß aller Dinge (und Wörter) ausgedient, und auch wenn dies einzelne Exemplare in ihrer Mannesehre kränken mag, es ist mehr als fair, dies auch sprachlich abzubilden. Wer dazu beitragen möchte, ist herzlich eingeladen, sich selbst kritisch zu hinterfragen und zu einem modernen, zeitgemäßen Gendern zu finden. Ich habe viel gelernt, etwa dass Genderzeichen nicht barrierefrei sind, weil durch Computersysteme vorgelesene Texte diese Zeichen meist als eigenes Wort aussprechen. (Kund*innen wird so zu "Kund - Stern - Innen".)

Oderdissen ist eine frische, ausgewogene, unterhaltsame und leicht verständliche Mischung aus Sprachtheorie, gesellschaftlicher Bestandsaufnahme und praktischem Ratgeber gelungen.

Bewertung vom 17.03.2022
Groult, Jean-Michel

Balkongärtnern super einfach


ausgezeichnet

Selbst gärtnern liegt voll im Trend, ist es doch nicht nur ein wunderbarer Ausgleich zum Schreibtischjob, sondern man kann auch noch frisches, regionales und saisonales Obst und Gemüse ernten, leistet also einen aktiven Beitrag zum Erhalt unserer Umwelt. Doch nicht jeder kann einen Garten sein Eigen nennen. Wer aber zumindest einen kleinen Balkon hat, der kann sich nach der Lektüre dieses Ratgebers sofort unter die Hobbygärtner begeben.

Botaniker Jean-Michel Grout bringt das nötige Fachwissen mit, doch keine Sorge, seine Pflanz- und Aussaatanleitungen richten sich gezielt an Anfänger.

Zu Beginn werden kompakt und übersichtlich die Grundlagen vorgestellt, welche Pflanzgefäße sind passend, was gilt es bei Substrat, Wasserversorgung, Dünger und Lichtverhältnissen zu beachten? Besonders gefällt mit hier, dass man nicht erst mal eine halbe Gartencenter-Abteilung leer kaufen muss, bevor man in den Augen des Autors gut ausgestattet ist. Nein, er rät dazu, dass es für den Anfang statt einer Harke auch mal eine ausrangierte Gabel tut, oder dass man auch alte Obstkisten bepflanzen kann.

Bevor man sich mit dem Hauptteil beschäftigt, in dem auf je einer Doppelseite der Anbau von je 20 Gemüse- und Obstsorten beschrieben ist, lohnt ein Blick auf die hintere Umschlagseite der stabilen Klappenbroschur. Hier ist erläutert, was sich wo auf der Seite findet. Ein tabellarischer Kalender zeigt die idealen Monate für Aussaat, Pflanzung und Ernte an, Symbole zu Standort, Wasserbedarf oder Schwierigkeitsgrad geben Orientierung, welche Pflanzen für den heimischen Balkon am vielversprechendsten erscheinen.

Alle Anleitungen und Tipps sind sehr praxisorientiert, die Texte kurz und dafür reich bebildert, wirklich sehr anschaulich. Lediglich zu Schädlingen hätte ich mir ein wenig mehr Informationen gewünscht, und auch das Kapitel über Kräuter ist doch recht kurz geraten. Als grober Überblick ist es sicher geeignet, aber wer hier tiefer einsteigen möchte, ist mit einem anderen Buch sicher besser beraten.

Von dieser winzigen Kritik abgesehen konnte mich dieser Ratgeber fürs Balkongärtnern jedoch restlos begeistern - am Wochenende werden Saatgut und Setzlinge besorgt, und dann geht´s ran an die Pflanzkübel!

Bewertung vom 16.03.2022
Birgit, Kasimirski

Englisch lernen für Erwachsene - schnell und einfach


sehr gut

Journalistin und Englisch-Trainerin Birgit Kasimirski legt hier ein praxisnahes Grammatikübungsbuch vor. Es richtet sich an Lernende mit Sprachlevel A1, A2 und B1, also an Schüler*innen ab Jahrgangsstufe 9 und an Erwachsene, deren Schulenglisch etwas eingerostet ist.

Den Hauptteil nehmen zehn Kapitel ein, die sich jeweils mit einer Zeitform, mit If-Sätzen, Adjektiven/Adverbien, Präpositionen oder weiteren wichtigen grammatikalischen Aspekten beschäftigen.

Die Grundlagen sind kurz und verständlich gehalten, und bei den sehr umfangreichen Übungen kann man zwischen Beispielen aus Familie und Freizeit oder Business-Englisch wählen. Angenehm ist dabei der Aufbau: Die Übungen - in verschiedenen Schwierigkeitsgraden - stehen jeweils auf einer (ungeraden) Buchseite, die Lösungen sind gleich anschließend auf der Rückseite zu finden. So muss man nicht, wie bei so vielen Lehrbüchern, mühsam über viele Seiten hin- und herblättern. Praktisch ist zudem, dass viele nützliche Wörter gleich am Seitenrand übersetzt sind. So können auch Lernende ohne großen Wortschatz die Übungen machen, ohne viel nachschlagen zu müssen, und nebenbei lernt man noch die ein oder andere Vokabel.

Abgerundet wird das Übungsbuch durch eine Liste mit Zeitformen der gängigsten Verben. Ein weiterer Pluspunkt ist das Online-Bonusmaterial: Hier findet man weitere Vokabellisten und kann sein Hörverstehen mit Audioübungen trainieren.

Es wäre ein rundum gelungener Grammatiktrainer, wären da nicht etliche Fehler, die das Lektorat übersehen hat. Bei Belletristik ist das höchstens störend, bei einem Übungsbuch eignet man sich schlimmstenfalls Fehler an, daher ziehe ich bei meiner Bewertung leider einen Punkt ab.

Bewertung vom 04.03.2022
Karila, Juhani

Der Fluch des Hechts


ausgezeichnet

Eins gleich vorneweg: In eine Schublade lässt sich das Romandebüt des Finnen Juhani Karila definitiv nicht stecken, zu viele verschiedene Genres klingen hier an. Ein wenig Krimi, die Tragik einer Liebe zwischen zwei jungen Außenseitern, schräg-skurrile Abenteuer und reichlich Magie und Mystik.

Letztere ist an sich so gar nicht mein Fall, und das hat mich vielleicht bei der Lektüre am meisten überrascht: Der Autor schafft es auf bezaubernde Weise, dass ich mir beim Auftauchen völlig absurder Fantasiewesen dachte: "Ja, wieso eigentlich nicht?" Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischen, beide Welten scheinen auf natürliche Weise ineinander verwoben, so wie das meisterhaft dem Katalanen Carlos Ruiz Zafón gelang. Im "Fluch des Hechts" funktioniert das vor allem über die Figur der jungen Polizistin aus der Stadt, die in einem Mordfall in der Ödnis Lapplands ermittelt. Sie kommt - wie ich - aus der Welt der Vernunft und Aufklärung und sieht sich unvermittelt mit dem Aberglauben der Dorfbewohner konfrontiert. Dabei muss sie aber konstatieren, dass ihr schon wesentlich Seltsameres als ein Waldgeist untergekommen ist.

Großartig sind auch die Beschreibungen der Flora und Fauna Lapplands, in der Elemente des Nature Writings anklingen. Aggressive Mückenschwärme fordern von Mensch und Tier Blutzoll, die Natur ist gleichermaßen faszinierend wie bedrohlich.

Karila erzählt spannend, atmosphärisch und immer wieder sehr humorvoll. Und auch Übersetzer Maximilian Murmann hat einen hervorragenden Job gemacht, lediglich mit dem künstlich geschaffenen Dialekt hatte ich bis zum Schluss so meine Probleme. (Im Original sprechen viele Figuren ostlappländischen Dialekt.)

Fazit: Ein sehr unterhaltsamer, genresprengender Roman, der mich in eine völlig fremde Welt entführt hat, mich zum Nachdenken über Vergebung brachte und mir einiges über die Menschen in Ostlappland aufgezeigt hat.

Bewertung vom 04.03.2022
Krchovský, J. H.

Jakoby - Als ob ...


gut

J. H. Krchovský zählt zu den populärsten tschechischen Gegenwartsdichtern. Mit "Jakoby - Als ob" sind nun erstmals fünf Prosatexte von ihm erschienen. Die Geschichten sind sperrig, schwer zu lesen und zu deuten, da hilft auch das ausführliche Nachwort des großartigen Übersetzers und Kenners der tschechischen Literatur, Ondřej Cikán, nur bedingt. Obwohl ich die Anmerkungen zu den Originalmanuskripten, die eine Zeit lang als verschollen galten, durchaus mit Interesse gelesen habe. Bemerkenswert ist auch, dass Kryhovský einer Veröffentlichung nur unter der Bedingung einer zweisprachigen (tschechisch - deutschen) Ausgabe zustimmte; für den auf tschechische Literatur spezialisierten Ketos-Verlag eine leicht zu meisternde Herausforderung.

Gemeinsam ist den fragmentarisch wirkenden Texten eine große Schwermut, eine gewisse Verstörung, gar Verzweiflung an ... ja, woran eigentlich? Am eigenen Ich, an der Liebe, am Leben? Ich bin neugierig und offen an die fremden Gedanken heran gegangen, bleibe aber etwas ernüchtert zurück, es gelang mir nicht wirklich, in das Krchovský`sche Universum einzutauchen. Ganz wie am Schluss der ersten Geschichte: "Hier ist dort und dort ist hier. Und danach nach wie vor ein Fragezeichen."

Bewertung vom 28.02.2022
Moniz, Dantiel W.

Milch Blut Hitze


ausgezeichnet

Dantiel W. Moniz erzählt in elf Kurzgeschichten von Identität, Freundschaft, Liebesbeziehungen und immer wieder auch von Sterblichkeit. Die Protagonisten sind zumeist afroamerikanische Mädchen und Frauen, Männer spielen eher Nebenrollen oder sind gänzlich abwesend.

Beeindruckt hat mich einerseits, wie leicht es der Autorin gelingt, mich in mir eigentlich völlig fremde Lebenswelten eintauchen zu lassen. Egal ob eine Zehnjährige bei der Großmutter aufwächst, weil ihre Eltern in lebenslänglicher Haft sind, oder ob gelangweilte Reiche den ultimativen Kick in Kannibalismus suchen - die Lektüre wühlt einen auf, und doch wirkt alles erstaunlich real.

Als roten Faden, der allen Geschichten gemeinsam ist, konnte ich den Versuch ausmachen, hinter die Maske zu blicken, die wir nur allzu oft tragen. Sehen wir uns wirklich an, hören wir uns aufrichtig zu. Und sind wir bereit, den Menschen zu erkennen, dem wir begegnen, oder bevorzugen wir das Bild aufrechtzuerhalten, das wir uns bereits gemacht haben? Moniz hat ein starkes, tabuloses Plädoyer für Aufmerksamkeit und Mut zur Ehrlichkeit geschrieben.

Bewertung vom 18.02.2022
Lerchbaum, Gudrun

Das giftige Glück


ausgezeichnet

Es ist ein hoch interessantes Gedankenspiel, das Gudrun Lerchbaum ins Zentrum ihres neuen Romans stellt: Was wäre, wenn man sich auf einfache Weise selbst töten könnte und das Sterben dabei nicht nur schmerzfrei, sondern sogar von großen Glücksgefühlen begleitet wäre? In der Geschichte wird dies durch Vergiftung mit einer wild wachsenden neuen Bärlauchvariante möglich. Und die Bevölkerung macht rasch und in großer Zahl Gebrauch von dem neuen Gift, man trifft sich etwa zu "Suicide Lunches" - die euphorische Selbsttötung in angenehmer Atmosphäre scheint eine attraktive Alternative zum unglücklichen Leben zu sein.

Der Roman ist eine äußerst gelungene Melange aus Dystopie, Krimi, Gesellschafts- und Medienkritik. Auch die Corona-Pandemie ist Thema; die Geschichte spielt in naher Zukunft. Geschickt bringt die Autorin auch noch Reizthemen wie Sterbehilfe oder die persönliche Freiheit versus gesellschaftliche Verantwortung unter, ohne damit den Plot zu überfrachten. Herausgekommen ist eine Story, die spannend, kurzweilig, überraschend und witzig ist und erschreckend realistisch erscheint.

Die Autorin - im Hauptberuf Architektin - weiß nicht nur Gebäude, sondern auch Geschichten mit sicherer Hand zu konstruieren. Für mich ist hier alles stimmig. Die, teils recht schrägen, Charaktere skizziert Lerchbaum schnell und treffend, sie hat einen guten Blick für Details und ironisch-bissige Dialoge unterhalten bestens.

Ein intelligenter Roman, der sich hervorragend dazu eignet, in großer Runde diskutiert zu werden.

Bewertung vom 11.02.2022
Riepenhof, Helge;Stromberg, Holger

Gemeinsam gegen Osteoporose


gut

Richtige Ernährung und gezieltes Training der Muskulatur können das Osteoporose-Risiko deutlich senken beziehungsweise die Symptome verbessern, falls man bereits an Knochenschwund leidet.

Das Autorenduo - ein Koch und ein Mediziner - legt den Fokus seines Ratgebers sinnvollerweise auch auf Bewegung und Rezepte. Die vorgestellten Übungen sind alltagstauglich und kommen, bis auf diejenigen mit Schwingstab, ohne Geräte aus. So kann man nicht nur gleich zu Hause loslegen, sondern beispielsweise auch im Büro während einer Pause trainieren. Aber was nutzen die besten Übungen, wenn der "innere Schweinehund" zu groß ist? Hier helfen die einfachen, aber äußerst wirksamen Motivationstipps.

Leider kann der Rezeptteil, der noch dazu den größten Umfang des Buchs einnimmt, nicht mit dem Trainingsteil mithalten. Ich probiere wirklich gerne Neues aus und habe eine recht gut sortierte Vorratshaltung. Doch für viele der hier vorgestellten mehr als 50 Rezepte braucht man wirklich ungewöhnliche Zutaten, etwa Kamut (ein spezielles Getreide), Piment d`Espelette, Algenöl oder Süßlupinen-Schrot. Wenn man auf dem Land wohnt, weit entfernt vom nächsten Bioladen, und man nicht online bestellen möchte, ist schon der Einkauf eine Herausforderung. In meinen Augen ist das ein großen Manko, zumal von Osteoporose sehr viele alleinstehende ältere Menschen betroffen sind, die nicht mehr so mobil sind. Schade, dass Spitzenkoch Holger Stromberg dies offenbar nicht bedacht hat, er hätte sonst zumindest praktischere Alternativen auflisten können. Peinlich ist überdies, dass Risoni als Reisnudeln bezeichnet werden, handelt es sich doch lediglich um Teigwaren in Reisform, nicht jedoch aus Reismehl. Die Rezepte selbst sind übersichtlich und gut beschrieben, überwiegend vegetarisch, teils vegan.

Der Theorieteil bietet einen guten ersten Überblick, medizinisches Wissen wird leicht verständlich und unterhaltsam vermittelt. Nur bei den medikamentösen Therapien fehlen leider die Wirkstoffe Denosumab (seit 2010 zugelassen) und Romosozumab, das immerhin seit zwei Jahren auf dem deutschen Markt ist. Hier hätte der Sportmediziner Dr. Helge Riepenhof besser recherchieren müssen.

Die Gestaltung des hochwertigen Hardcovers ist modern und ansprechend. Und so ist der Ratgeber insgesamt durchaus empfehlenswert, zumindest, wenn man den Aufwand beim Einkaufen nicht scheut.