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clematis

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Insgesamt 267 Bewertungen
Bewertung vom 31.08.2024
Howes, Theresa

Marguerites Geheimnis (eBook, ePUB)


sehr gut

Malerin im Widerstand

Cote d’Azur, 1944: Die Malerin Marguerite Segal lebt mit einer Freundin auf einem abgeschiedenen Hof in der Nähe von Nizza. Marguerite, welche sich im Widerstand engagiert, soll für den britischen Geheimdienst Unterlagen besorgen, wofür sie wiederum den Priester Étienne Valade um Hilfe bitten muss. Eine gefährliche Mission, der sich nicht nur die deutschen Soldaten und die französischen Nachbarn, sondern auch aufwallende Gefühle in den Weg stellen. Kann sie dem Pater überhaupt vertrauen?

Sehr gut charakterisierte Personen lassen das entworfene Szenario realistisch und glaubwürdig erscheinen, die Handlung in Südfrankreich ist zwar fiktiv, aber durchaus geprägt von historischen Begebenheiten, welche Theresa Howes nach entsprechender Recherche klug eingeflochten hat. Die innere Zerrissenheit zwischen Mitmachen, nicht Auffallen und seinem Gewissen zu folgen, ist so spürbar, als wäre man selbst konfrontiert mit all dem Leid und der Ungerechtigkeit, welche sich Bahn brechen in einem Krieg. Souverän und selbstlos werden Marguerite und Étienne geschildert, wie sie sich für die Ärmsten und Schwächsten einsetzen und dabei oft selbst nicht wissen, ob ihr Gegenüber zuverlässig ist und auf derselben Seite agiert. Überraschungen und Geheimnisse stehen an der Tagesordnung, wer heute noch dein Freund ist, kann morgen schon dein Feind sein.

Eine realistische Betrachtung von „ganz normalen“ Menschen, die ihren Weg durch die Kriegsgräuel suchen und auch finden. Vier Sterne mit Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.08.2024
Strobel, Arno

Stalker - Er will dein Leben.


ausgezeichnet

Schauspieler

Theaterschauspieler Eric Sanders erhält eine Rolle in der Fernsehserie Tatort und ebnet sich durch seine hervorragende Leistung den Weg für eine großartige Karriere. Genau in dem Moment gibt sich allerdings ein anderer für ihn aus und postet als vermeintlicher Eric Sanders scheußliche Dinge auf sämtlichen Social Media Kanälen und fordert den echten Sanders auf, sich seiner verdrängten Vergangenheit zu stellen.

Flott und fesselnd geht es von Anfang an dahin, schnell nimmt Arno Strobel seine Leser ein für die spannende Handlung dieses Psychothrillers, der an etlichen Stellen mehr als abstrus daherkommt. Und dennoch wird stets alles plausibel erklärt und glaubwürdig dargestellt, die Psychoanalyse und Hypnose sind hier so bewährte wie passende Mittel, welche eingesetzt werden, um Erinnerungen wachzurufen. Sanders ist als sympathischer Charakter angelegt und weckt auch beim Leser einen gewissen Beschützerinstinkt, der einen mitfiebern, ja mitleiden lässt mit dem armen Tropf. Auch wenn am Ende ein kleines Detail für mich nicht ganz schlüssig ist, so habe ich mich über mehr als 350 Seiten lang bestens unterhalten gefühlt und bin nicht nur einmal arg an der Nase herumgeführt worden. Ein rasantes Hin und Her, ein steter Wechsel der Möglichkeiten und die nicht abwägbare Wirkung auf Eric Sanders Anhängerschaft lässt viele Zweifel aufkommen, was wahr ist und was falsch. Man kann dieses Buch nur suchtartig (möglichst in einem Rutsch) durchlesen.

Fazit: ein spannender Thriller rund um die Verdrängung der Vergangenheit und wie einen diese wieder einholen kann, verpackt in eine grandiose Handlung mit rasantem Schreibstil. Von mir gibt es fünf Sterne und eine Leseempfehlung für den „Stalker“.

Bewertung vom 27.08.2024
Pierre, Marie

Schwestern im Geiste / Das Pensionat an der Mosel Bd.2


ausgezeichnet

Irische Turbulenzen

Eine neue Lehrerin aus Irland, Rhona O’Meally, bringt frischen Wind ins Moseler Mädchenpensionat, aber auch sonst gibt es ordentliche Turbulenzen im Diedenhofen (Thionville) des Jahres 1911. So muss sich Leiterin Pauline Martin um Diebstähle im Haus kümmern, während ganz in der Nähe antipreußische Schmierereien auftauchen. Die politische Stimmung darf als schwierig bezeichnet werden und der Antisemitismus wird offensichtlicher.

Wer Band Eins gelesen hat, findet sich rasch wieder wie daheim in der lothringischen Stadt Diedenhofen, welche damals Teil des Deutschen Reichs gewesen ist. Pauline und ihre Schützlinge werden aber so gut charakterisiert, dass man dieses Buch auch als Neueinsteiger ohne Vorkenntnisse zur Hand nehmen kann. [Das wäre allerdings schade, da bereits der erste Teil überaus empfehlenswert ist und das Begleiten der Figuren in ihrer Entwicklung viel Vergnügen bereitet.] Voller Details und bestens recherchierter Einzelheiten darf man eintauchen in eine längst vergangene Zeit und die Lebensumstände der Bewohner eines Landstrichs kennenlernen, der hin- und hergerissen ist zwischen deutschen und französischen Einflüssen. Mit viel Liebe und großer Hingabe entwirft Marie Pierre eine überaus realistische und sehr gut vorstellbare Handlung, geht ein auf politische und gesellschaftliche Aspekte, bringt anhand der Fastenzeit und des Osterfestes auch allerlei Wissenswertes im religiösen Bereich zur Sprache. Dass man durch die Irin Rhona zudem noch Interessantes aus Irland erfahren darf, versetzt dem Ganzen noch den letzten Pfiff.

Wortgewandt setzt die Autorin jede Szene ins rechte Bild, lässt unterschiedlichste Charaktere höchst lebendig werden, führt mitunter ihre Leser hinters Licht, sodass der umfangreiche Schmöker vom Anfang bis zum Ende höchst spannend bleibt. Passenderweise finden unter anderem französische, polnische oder jiddische Ausdrücke Eingang ins Geschehen und sorgen so für größtmögliche Authentizität. Damit das Lesevergnügen keinesfalls geschmälert wird, gibt es entweder direkt im Text eingeflochten eine Übersetzung oder im sorgfältig zusammengestellten Nachwort die nötigen Erklärungen.

Ein gefühlvoller Roman, der ohne jedweden Kitsch auskommt, ein unterhaltsames Buch, das viele historische Fakten zusammenträgt und auf fesselnde Art und Weise in eine fiktive Handlung einbettet. Nicht zuletzt ist die Ausstattung des hübschen Buches zu erwähnen mit den wunderschönen Postkarten in der vorderen Umschlagklappe und den vielen informativen Anmerkungen am Ende. Von Herzen gerne spreche ich eine Leseempfehlung aus und warte gespannt, was in Band Drei auf uns zukommt.

Bewertung vom 24.08.2024
Berg, Susanne von

Das Versprechen der Zukunft / Die Zeit der Frauen Bd.2


sehr gut

Waschmaschine Hera

Nachdem Katharina und Carl Thiele erfolgreich sind mit ihrer Fabrik, steht nach der Produktion der Milchzentrifuge eine neue Erfindung im Raum: eine Waschmaschine soll den Frauen den Alltag erleichtern.

Beschwingt geht es weiter, mit ihrem angenehm lockeren Schreibstil erzählt Susanne von Berg diesmal nicht nur vom Unternehmerpaar Katharina und Carl, sondern auch von den Arbeitern Ida und Alfons. So kommt es, dass auch von Frauenrechtsbewegungen und verbesserten Arbeitsbedingungen, insbesondere im Krankheitsfall, die Rede ist. Interessante Details über beschwerliche Tätigkeiten in der Fabrik fließen ein ins Geschehen, hier hätten eventuell noch Einzelheiten über Gefahren und Verletzungsrisiken hereingepasst. Auch sonst sieht man vieles durch die sogenannte „rosarote Brille“, denn auch im zweiten Band dieser Reihe gibt es kaum Rückschläge, das Positive und Vorwärtsgerichtete überwiegt. Bergs Figuren sind recht gut charakterisiert, sodass man die (meist) charmanten Personen bald bildhaft vor Augen hat. Trotz mancher Unglaubwürdigkeit liest sich dieses Buch überaus angenehm und hat entsprechenden Unterhaltungswert, Negatives umgibt uns in der Realität ohnehin viel zu oft.

Ein angenehm zu lesender Roman mit wissenswerten Aspekten, der durch seine Leichtigkeit sehr gut vom Alltag ablenkt. Da für mich noch eine Frage offen ist, bin ich schon neugierig, wie es weitergeht.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.08.2024
Knüwer, Thomas

Das Haus in dem Gudelia stirbt


ausgezeichnet

Einschneidende Jahre

Einundachtzig Jahre alt ist Gudelia, die hier aus ihrem Leben erzählt. Teils Monolog, teils frühere Handlungsstränge aus ihrer Sicht, so erlebt der Leser die aktuelle Sturmflut, welcher sie trotzt und nicht flieht, wie ihre Nachbarn. Was hält sie fest in ihrem Haus, ihrem Heim seit über fünfzig Jahren?

Mit dem Ende beginnt die Geschichte, allerdings so raffiniert, dass es nichts vorwegnimmt, vor allem nicht von der Spannung, die das Geschehen oft nur latent, aber stetig begleitet. Überaus gelungen finde ich den Kniff, dass außer der alten Frau praktisch niemand zu Wort kommt, keine anderen Sichtweisen zugelassen werden. Im Wesentlichen beherrschen Vorfälle in drei unterschiedlichen Jahren (2024, 1984 und 1998) die Handlung und das Leben Gudelias. Abseits dieser einschneidenden Ereignisse führt sie ein eher zurückgezogenes und unauffälliges Dasein.

Kurze, flotte Sätze, prägen den Schreibstil rund um diesen außergewöhnlichen Roman, die kriminalistischen Anteile sind geschickt verwoben mit Gudelias spezieller, ja skurriler Figur. Verlust und Schaffenskraft, gepaart mit einem starken Willen, das sind Themen, welche unter anderem angesprochen werden, mit Einfallsreichtum und gewitzten Ideen kann die Hauptperson punkten.

Ein absolut unvergleichliches Buch, welches ich voller Neugierde und, gebannt vom Erzählstil her, in einem Rutsch gelesen habe. Ich hoffe, viele andere Leser haben damit ebenso viel Vergnügen!

Bewertung vom 22.08.2024
Krien, Daniela

Mein drittes Leben (eBook, ePUB)


sehr gut

Verlust

Linda verliert ihre siebzehnjährige Tochter und somit jeglichen Sinn in ihrem Leben. Ihr Mann Richard verarbeitet diesen schweren Schicksalsschlag ganz anders als Linda, die sich völlig in sich zurückzieht. Ein Kampf zurück zu einem lebenswerten Alltag, der momentan kaum zu bewältigen zu sein scheint, wird von Daniela Krien sehr deutlich dargelegt.

Im ersten Teil dieses Buches erzählt Linda von ihrem Leben danach, einem Leben nach dem schmerzlichsten Verlust, den es überhaupt geben kann, dem Verlust der einzigen Tochter, die zwar nicht perfekt, aber eben ihre Tochter war. Lindas Dasein allein auf einem abgelegenen Hof mit Hund und Hühnern steht im Mittelpunkt, rasch kann man sich in ihre Stimmung hineinversetzen, in ihre Trauer, ihre Verzweiflung. Über gedankliche Rückblenden und kurze Episoden erfährt man immer wieder ein Puzzlestück vom „Davor“, sodass sich bald ein Bild zusammensetzt von Lindas Alltag aus glücklichen Zeiten. Wird es so etwas Ähnliches wie Glück jemals wieder geben?

In einem zweiten Teil geht es wieder zurück nach Leipzig, wo sich Linda langsam ihrem früheren Leben annähert, außer Haus geht und Freunde trifft. In dieser Phase verliere ich die Hauptfigur dann und wann, nämlich in jenen Momenten, in welchen der Fokus auf reichlichen Geldreserven liegt und auf eleganten Menschen bei gehobenen Kunstveranstaltungen. Auch wenn Lindas karitative Spenden natürlich richtig sind und dieser Weg zu ihrem früheren Ich führt, gefällt mir der erste Abschnitt viel besser. Besonders schön finde ich die Rolle von Freya, einer Freundin der verunglückten Tochter. Über ihr erneutes Auftauchen gegen Ende des Buches freue ich mich sehr. Und natürlich ist es schön, dass Linda und Richard nicht gänzlich auseinanderdriften, sondern sich trotz der sehr unterschiedlichen Trauerbewältigung immer eine gewisse Gesprächsbasis findet. Der Abschluss der Geschichte vereint Trauer und Hoffnung auf beeindruckende Weise, sodass ich gerne auf das Gelesene zurückblicke.

Ein Schreibstil, der einfach die Tatsachen auf den Punkt bringt, eine Handlung, welche schwierigste Herausforderungen und deren Bewältigung behandelt, Figuren, die authentisch ihre Gedanken und Gefühle preisgeben – ein Roman, den ich gerne in Händen gehalten habe und daher ebenso gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 20.08.2024
Poznanski, Ursula

Scandor


ausgezeichnet

99 Gegner

Bei einem Wettbewerb müssen 99 Gegner geschlagen werden, dann winken fünf Millionen Euro Preisgeld. Ansonsten muss ein selbst gewählter Einsatz eingelöst werden, der allerdings für jeden einzelnen Kandidaten viel Überwindung kostet. Die Herausforderung ist ein neuartiger Lügendetektor, der einen keinesfalls bei einer Unwahrheit erwischen darf.

Ursula Poznanski lässt zwei Kandidaten, Tessa und Philipp, das Geschehen aus ihrer Sicht schildern und erzählt dadurch manche Szene doppelt, aber eben aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit anderen Empfindungen. Schnell merken die Romanfiguren, ebenso wie der Leser, wie oft man eigentlich am Tag lügt, sei es auch nur eine kleine Notlüge oder Höflichkeit. Und genau das darf während des Wettstreits nicht passieren, denn das speziell erfundene Gerät Scandor deckt jede Unwahrheit gnadenlos auf und wirft den Kandidaten noch im selben Moment aus dem Rennen. Rund um die Uhr wird von Hundert heruntergezählt, erfährt man, wie viele Konkurrenten noch unterwegs sind. Scheiden zu wenige in einem gewissen Zeitraum aus, gibt es zusätzliche Aufgaben. Auch wenn sich manches zu wiederholen scheint, bleibt die Sache stets spannend und unterhaltsam, denn es geht um noch viel mehr, als vordergründig zu erkennen ist.

Mir hat Scandor sehr gut gefallen mit Poznanskis unverwechselbarem, eher kühlem Schreibstil und den Themen rund um Wahrheit und Moral. Ein überaus gelungenes Jugendbuch, das aber auch Erwachsene anspricht und zum Nachdenken bringt.

Bewertung vom 18.08.2024
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


gut

Ein Leben

Elisabeth Brugger, die jüngste von vier Geschwistern, erlebt zwei Weltkriege, arbeitet als Lazarettschwester und Ärztin, übernimmt Verantwortung für ihre Familie ebenso wie für ihre Patienten.

Konzipiert ist das Buch in Form eines Briefes an die Großnichte, liest sich daher wie ein Monolog, bei dem das „Du“ regungslos und kommentarlos lauscht und sich den Bericht eines Lebens anhört. Dies ist einerseits durchaus interessant, andererseits leidet aber die Lebendigkeit des Geschehens darunter. Viel ist passiert, viel hat Elisabeth zu erzählen, allerdings geht sie dabei nicht chronologisch vor, sondern springt - einem Rössel am Schachbrett gleich - wild hin und her zwischen den Zeiten und Ereignissen. Die durchaus komplizierte Familienchronik wird dabei eingebettet in sehr gut recherchierte historische Fakten. In einzelnen Bereichen (beispielsweise bei der Darstellung der 1920er-Jahre) sind diese aber nur katalogartig aufgelistet und wirken somit wie eine erzwungene Fleißaufgabe. Überwiegend sind die einzelnen Szenen gut zu lesen, die abrupten Wechsel zu anderen Stationen, anderen Zeitebenen oder anderen Figuren sind jedoch zuweilen verwirrend und störend im Lesefluss. Dies liegt möglicherweise auch daran, dass ich den Vorgängerband „Über Carl reden wir morgen“ nicht kenne, vielleicht wären dadurch die Vorgänge und Zusammenhänge einfacher zu erschließen gewesen. Nichtsdestotrotz werden überaus interessante Themen aufgegriffen, die Schwierigkeiten der beschriebenen Jahrzehnte gut dargestellt.

Ein lesenswerter Roman, unter Umständen besser mit dem Vorwissen des vorangegangenen Buches.

Bewertung vom 17.08.2024
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Im Hörsaal

Im Hörsaal während einer Mathematikvorlesung treffen Oscar und Moni erstmals aufeinander: zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – der hochbegabte Sechzehnjährige mit Adelstitel, der überbehütet aufgewachsen ist und die 53jährige Oma, die neben drei Jobs und Enkelbetreuung noch in der Uni Gleichungen aufstellt und Beweise herleitet, obwohl man sie zuerst für die schrill angezogene Kantinenkraft gehalten hat.

Voller Humor steckt dieser Roman, der durchaus realistische Hochschulszenen beinhaltet. Immer wieder beschreibt Alina Bronsky Momente, die einen zum Schmunzeln bringen und sorgt mit ihrem flotten Schreibstil für gute Unterhaltung. Ihren Figuren, allen voran natürlich Oscar und Moni, haucht sie glaubwürdig Leben ein, sodass man sie rasch bildhaft vor Augen hat. Einerseits fließt die Erzählung aus Oscars Sicht leicht dahin, andererseits verbergen sich aber auch ernste Hintergründe im Geschehen.

Bei Pi mal Daumen handelt es sich um eine ungewöhnliche Geschichte mit noch ungewöhnlicheren Protagonisten, welche den Leser überzeugen können, sofern man hinter ihre Äußerlichkeiten blickt und ihnen selbst Gelegenheit bietet, sich auf den jeweils anderen einzulassen. Schön!

Bewertung vom 17.08.2024
Spierer, Céline

Bevor es geschah


sehr gut

Abgründe

Wie jedes Jahr veranstaltet die Familie Haynes ein Barbecue auf dem Anwesen der verwitweten Mutter. Alle vier Kinder samt Ehe- bzw. Lebenspartnern und eigenen Kindern sind geladen. Wer allerdings meint, hier von einem idyllischen Zusammentreffen zu lesen, der ist auf dem Holzweg.

Die Geschichte beginnt mit einer wesentlichen Szene und schwenkt dann zurück zu den Vorbereitungen des Familienfests, dazwischen noch weiter zurück, um relevante Ereignisse zu erzählen. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass jede Person sonderbare Charakterzüge hat und wohlgehütete Geheimnisse, über die man mit niemandem spricht. Abgründe tun sich auf hinter einer perfekten Fassade, welche seit Jahrzehnten erfolgreich aufrechterhalten wird. Die krankhafte Dynamik im Familiengeschehen wird immer augenscheinlicher. Die Figuren sind vielfältig und bleiben doch ein Schatten ihrer selbst, austauschbar inmitten einer Familie, welcher es um Geld, Macht und Einfluss geht.

Spierers Schreibstil ist eingängig und von Eloquenz geprägt. Die Atmosphäre beim Barbecue und rund um die Haynes ist perfekt eingefangen, düster, geheimnisvoll, rätselhaft. Eine unterschwellige Anspannung ist beim Lesen spürbar, das Ende bleibt orakelhaft.

Ein Roman, bei dem Oberflächen abgeschliffen werden, Verstecktes zutage tritt, Vergangenes haften bleibt, Künftiges übersehen wird. Interessant und lesenswert.