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meerblick

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Insgesamt 431 Bewertungen
Bewertung vom 29.11.2024
Jamal, Salih

Das perfekte Grau


gut

Suchende und Findende

'Das perfekte Grau' von Salih Jamal ist ein Roman, in dem vier hoffnungslos traumatisierte Menschen in einer lieblos geführten Pension aufeinandertreffen. Ihr Dasein beschränkt sich hier an der Ostseeküste auf ein trostloses Dahinvegetieren. Dante, Mimi, Rofu und Novelle haben im Leben bereits in einen abscheulichen Abgrund geschaut. Sie kennen den tiefen Zwiespalt zwischen einem erfüllten Leben und der Verdammnis verfehlter Erfüllung. Sie offenbaren sich auf ihrem gemeinsamen Roadtrip gegenseitig, mit dem Versuch sich von ihren Dämonen zu befreien. Doch kann das so wie erhofft gelingen? Während starke Charaktere ihre Chance erblicken und wahrnehmen in einer Zeit der Entbehrungen und des notwendigen verbalen als auch gefühlsmäßigen Austausches, bleibt die Unentschlossenheit einer Person als Trittbrettfahrer in seiner mentalen Entwicklung zurück aufgehoben in der Kraft der Gemeinschaft. Die Mittel die vereinende Kraft zu finden, bleibt für mich umstritten.

Bewertung vom 29.11.2024
Lovering, Carola

Was uns zusammenhält


ausgezeichnet

Freundschaftliche Bande

Billie und Cassie sind Freundinnen fürs Leben, das haben sie sich gegenseitig versprochen in ihrer Jugendzeit als sie noch gemeinsam die Highschool besuchten. Sie verbringen viel Zeit miteinander, vertrauen sich ihre tiefsten Gefühle und Geheimnisse an. Die nicht immer einfachen familiären Verhältnisse der jeweils anderen sind ihnen wohl bekannt. Beide suchen Halt und Zuneigung aus sehr unterschiedlichen Gründen. Sie finden miteinander diese Geborgenheit, wobei nicht sogleich zu erkennen ist in welche Anhängigkeit sie sich begeben, wer gibt und wer nimmt, wer seine Charakterzüge gewinnbringender in die Waagschale der freundschaftlichen Verbindung werfen kann und welche Kraft die Zeit besitzt, in der sich Verhältnisse stark ändern können.
Carola Lovering lässt in ihrem Roman 'Was uns zusammenhält' die beiden erwachsenen Protagonistinnen die Geschehnisse von fünfundachtzig verhängnisvollen Tagen jeweils aus ihrer Sicht erzählen. Dabei werden immer wieder Jugenderinnerungen eingearbeitet, die Stück für Stück ein deutliches Bild ergeben und die nachfolgenden Ereignisse in ein Bild rücken, das mich sehr berührt aber gleichzeitig auch nachdenklich gestimmt hat. Das menschliche Wesen braucht Nähe und muss die Kraft der Liebe spüren, das Angenommenseins, ohne Konsequenzen zu befürchten. Darf man fordern oder muss man den Wandel der äußeren Bedingungen erkennen, ihn akzeptieren? Wie gelingt das Erkennen der Veränderung, wenn die Strukturen der Gedanken festgefahren sind?
Der Erzählstil der Autorin ist einfühlsam und glaubhaft. Ihre Charaktere sind authentisch dargestellt. Sie vermag es, mit wunderbaren Worten den Leser in ihren Bann zu ziehen.
Ich gebe diesem Roman sehr gern meine Leseempfehlung.

Bewertung vom 24.11.2024
Atwood, Margaret

Hier kommen wir nicht lebend raus


sehr gut

Ein bunter Strauß Erzählungen

In dem Buch von Margaret Atwood 'Hier kommen wir nicht lebend raus' finden wir vierzehn Erzählungen, die nicht alle aufeinander aufbauen mit Ausnahme der Geschichten um Tig und Nell. Hier tritt das ältere Ehepaar in Aktion und bespricht in heiter, komischer Art die Wechselfälle, die auf einer Kreuzfahrt vorkommen können, um gewappnet zu sein für alle Eventualitäten. Im zweiten Teil erleben wir wie Nell mit dem Verlust von Tig umgeht. Sentimentalität ist hier kaum zu spüren, eher ein unfehlbares Gespür der Autorin für Trauernde, ihr alltäglicher Umgang, der sich in Erinnerungen spiegelt.
Die Autorin befasst sich natürlich auch mit der Corona-Krise, kommt George Orwell näher, auch Außerirdische melden sich zu Wort ebenso wie Katzen. Margaret Atwood beweist immer den Blick fürs Detail und spielt mit den Anzeichen des Alterns.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.11.2024
Krien, Daniela

Mein drittes Leben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Zeiten des Umbruchs

Linda und Richard erleben den absoluten Alptraum als ihre siebzehnjährige Tochter bei einem Fahrradunfall ums Leben kommt. Während sich Richard Stück für Stück zurück in die Normalität des Alltags kämpft, erkrankt Linda schwer an Krebs, der jedoch erfolgreich behandelt werden kann. Ihre Depressionen hingegen lassen sie nicht los und so fast sie den Entschluss, sich von ihrem privilegierten Dasein zu verabschieden. Die vergräbt sich in nicht enden wollende Arbeit auf einem heruntergekommenen Bauernhof. Trotz Richards Besuche bleibt das Elternpaar hier einsam allein zurück, abgeschieden von vertrauter Zweisamkeit.
Daniela Kriens Roman 'Mein drittes Leben' besticht durch ihr eindringliches, schonungsloses Beschreiben der Gefühle der Ich-Erzählerin und Protagonistin Linda, die sie zu diesem Einsiedlerleben zwingen. Sie muss sich betäuben mit monotoner Arbeit, um den zerstörenden Gedanken keinen Raum zu bieten. Wir erfahren darüber hinaus wozu wahre Liebe im Stande ist und erhalten einen tröstenden Ausblick.
Ich empfehle diesen Roman, der auf der Long-list des Deutschen Buchpreises 2024 stand, sehr gern weiter.

Bewertung vom 24.11.2024
Tyler, Anne

Drei Tage im Juni (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Verschlungene Lebenswege

Gail ist einundsechzig Jahre alt und erhofft sich nachdem die unmittelbare Vorgesetzte ihr einen Tag vor der Hochzeit ihrer einzigen Tochter eröffnet, dass sie sich zur Ruhe setzen wird, zukünftig als Schuldirektorin ihren Dienst ableisten zu dürfen. Doch die Entscheidung der Nachbesetzung ist nicht zu ihren Gunsten ausgefallen mit der Begründung von mangelhafter Sozialkompetenz. Niedergeschlagen verlässt Gail fluchtartig das Schulgebäude, um sich zu Hause ihre Wunden zu lecken. Doch unverhofft kommt oft und so steht ihr Ex-Ehemann vor ihrer Tür samt Katzenkäfig, bittet um Beherbergung während der folgenden drei Tage. Die Scheidung der Beiden liegt mehr als zwanzig Jahre zurück und damit sind die wichtigsten Kämpfe ausgefochten, die Wogen haben sich geglättet. Ohne große emotionale Beteiligung gewährt sie Max Einlass. Kurze Zeit später sitzt auch noch die Tochter tränenüberströmt im Wohnzimmer.
Anne Tayler erzählt mit ihrem Roman 'Drei Tage im Juni' vom Wechselbad der Gefühle, in denen sich Gail befindet. Sie berichtet vom übergriffigen Charakterzug ihres Ehemanns und davon wie vertraut man doch noch miteinander ist, sich wiedererkennt, erduldet, hilfreich zur Seite steht. Witzige Dialoge werden begleitet von Schilderungen aus vergangenen Zeiten und der Gegenwart. Kleine charakterliche Schwächen wandeln sich in liebenswerte Eigenarten. Die Autorin beschreibt drei gemeinsam Tage aus dem Leben des Ex-Ehepaares, den Tag vor und nach der Hochzeit und den Hochzeitstag der Tochter selbst, mit psychologischem Scharfsinn lässt sie ein lebendiges Bild ganz normaler Menschen entstehen, die charmante Schwächen versuchen zu tolerieren.
Für mich ist Anne Tayler eine wertvolle Entdeckung, der ich in ihrem schriftstellerischen Wirken unbedingt folgen werde.

Bewertung vom 21.11.2024
Andersen, Hans Christian

Der Tannenbaum. Eine zartbittere Weihnachtsgeschichte (MP3-Download)


ausgezeichnet

Gedanken über die Freude am Leben

Bernd Mannhardt vertont 'Der Tannenbaum. Eine zartbittere Weihnachtsgeschichte' geschrieben von Hans Christian Andersen mit seiner wohlklingenden Stimme. Er stimmt uns in der vorweihnachtlichen Zeit auf das große Fest ein und schenkt uns ein Hörerlebnis der besonderen Art.
Sicherlich ist die Geschichte weitestgehend bekannt und erfreut sich jedes Jahr aufs Neue allgemeiner Beliebtheit. Warum also nicht einfach mal ganz entspannt bei Tee, Kaffee und einem Stückchen Christstollen das Hörbuch lauschen und dabei ein paar Gedanken über die eigene Wertschätzung, die man seiner Lebenssituation entgegenbringt, verschwenden. Immer nur hadern und das vermeintliche Glück der Mitmenschen beneiden, verstellt den Blick aufs Wesentliche und man verschenkt die schönsten Augenblicke, die freudigen Herzens zum Wohlbehagen erhoben werden wollen.

Bewertung vom 21.11.2024
Kang, Han

Die Vegetarierin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Befreiung aus der Lieblosigkeit

'Die Vegetarierin' wurde bereits im Jahre 2007 veröffentlich und die Südkoreanerin Han Kang erhielt dafür in diesem Jahr (2024) den Literaturnobelpreis. Der Roman ist weit davon entfernt, ein Wohlfühlroman zu sein. Mich hat er zunächst sprachlos zurückgelassen, zum Nachdenken aufgefordert. Themen wie Einsamkeit, Gewalt, Verzweiflung, Selbstzerstörung stehen im Mittelpunkt der Geschichte, werden unaufgeregt in einer eher nüchternen Sprache in Szene gesetzt und erzeugen beim Lesen eine Sogwirkung. Ein historisches Trauma zerstört nicht nur Ehen, entzweit eine Familie, sondern lässt die Protagonistin Yong-Hye kümmerlich verdorren, wie eine Pflanze, der man jegliche Fürsorge und Liebe entzieht.
Nach einem verstörenden Traum verweigert Yong-Hye die Aufnahme von tierischen Produkten, insbesondere von Fleisch und wird damit zur Zielscheibe ihrer Familie, die mit Unverständnis, Ablehnung und sogar Gewalttätigkeit reagiert. Nur ihre ältere Schwester In-Hye zeigt sich ihr gegenüber fürsorglich, obwohl sie ebenso Leidtragende der patriarchischen Entgleisungen und Verachtung wird. Doch auch ihr entzieht sich Yong-Hye, strebt nach Isolation und Abschottung durch Verwandlung.
In drei Erzählsträngen berichten drei Familienmitglieder aus ihrer Sicht über die Zeit der Verwandlung dieser jungen Frau von einer Ehefrau, einer Schwägerin, einer Schwester hin zur Hungerkünstlerin. Parallelen zu Kafkas 'Ein Hungerkünstler' sind deutlich zu erkennen.
Es lohnt sich diesen Roman zu lesen, der zugleich berührt und nachdenklich stimmt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.11.2024
Kilcher, Andreas

Kafkas Werkstatt


sehr gut

Leidenschaftlicher Leser und Schriftsteller

Der Literaturwissenschaftler Andreas Kilcher setzt sich in seinem Buch 'Kafkas Werkstatt' intensiv damit auseinander, in welchem Umfeld Franz Kafka sich als Schriftsteller und überhaupt die Literatur sah, mit welchen Mitteln er seine Ideale verfolgte und umsetzte. Dabei setzte er für erfolgreiche Literatur das immer wehrende Lesen voraus, weil nur hier das niedergeschriebene Gedankengut seinen Ursprung finden kann. Sein ganzes Streben Zeit seines Lebens konzentrierte sich darauf.
Mit Hilfe der Kurzgeschichte 'Die Sorge des Hausvaters' arbeitet der Autor anschaulich heraus, welche Themen des Zeitgeschehens Kafka hier verarbeitete, die seiner täglichen intellektuellen Beschäftigung entspringen, Themen wie Psychoanalyse, Okkultismus, Marxismus und Zionismus.
Wer sich gern etwas näher mit Franz Kafka beschäftigen möchte, findet hier zahlreiche Anregungen.

Bewertung vom 20.11.2024
Nestmeyer, Ralf

MICHAEL MÜLLER REISEFÜHRER London MM-City


ausgezeichnet

Ein hilfreicher Reisebegleiter

Der 'MICHAEL MÜLLER REISEFÜHRER London MM-City' von Ralf Nestmeyer bietet vielfältige Informationen für individuelles Reisen sowohl in der Zeit der vorbereitenden Planung als auch vor Ort, da vielleicht sogar mit Hilfe der mitgelieferten APP. Er eignet sich allerdings auch hervorragend um sich Appetit zu holen, Anregungen zu finden für das kommende Reiseziel oder gedanklich bequem vom Sofa aus, die brodelnde Millionenstadt zu entdecken.
Der London erfahrene Reiseschriftsteller mit historischem Hintergrund bietet nicht weniger als achtzehn Touren durch allseits bekannte und weniger bekannte Stadtviertel der Metropole an. Da dürfte mit Sicherheit für jeden Geschmack etwas dabei sein. Neben praktischen Infos, gibt es immer einen aussagekräftigen Ausschnitt aus dem Stadtplan, indem die zuvor empfohlenen, ausführlich beschriebenen und reichlich bebilderten Sehenswürdigkeiten verzeichnet sind. Natürlich gibt es auch Empfehlungen für Besuche in die Umgebung, wie zum Beispiel nach Windsor und Windsor Castle.
Hinweise zur Stadtgeschichte, zur Wirtschaft und Politik, zum Kultur- und Nachleben, zur modernen Kulinarik und vieles mehr sind unter Nachlesen & Nachlagen festgehalten.
Es gibt so vieles zu entdecken – der 'MICHAEL MÜLLER REISEFÜHRER London MM-City' von Ralf Nestmeyer zeigt, wie es geht.

Bewertung vom 20.11.2024
Richter, Frank

Verdichtungen - in Kürze mehr (eBook, PDF)


ausgezeichnet

Kurz und knapp auf den Punkt gebracht

Die Zeit ist wie das gesprochene Wort flüchtig. Den Zeitgeist in seiner herausragenden Eigenart stilvoll in Worte zu gleiten, ihn zu konservieren für den Moment des Gebrauchs ist eine Kunst, die Frank Richter vortrefflich beherrscht. In seinem Lyrikband 'Verdichtungen - in Kürze mehr' ist es ihm wiederum gelungen zu überraschen, indem er sich neu erfindet, die Botschaft kurz und knapp auf den Punkt bringt, dabei den Spielraum für eigene Gedankengänge offenhält und lediglich Impulse versendet. Er nimmt sie auf die Schwingungen des alltäglichen Lebens, die schönen ebenso wie die bedrückenden Seiten und verleiht ihnen ungefilterten Glanz, die wie Blitze einschlagen können aber ebenso den Kreislauf der Gedankenspirale in Schwung versetzen – eine Einladung zum Innehalten, zum Pausieren, um neue Kraft zu tanken oder eigene Perspektiven zu relativieren.
Diesen lyrischen Begleiter für fast alle Lebenslagen empfehle ich sehr gern.