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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 1031 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2019
Liao, Jimmy

Das Kino des Lebens


ausgezeichnet

“Das Kino des Lebens” ist eine Hommage an das Kino und gleichzeitig so viel mehr. Der englische Titel “The Rainbow of Time” sagt hinsichtlich des Inhalts mehr aus, als der deutsche Titel es vermag, auch wenn dieser nicht minder treffend ist.

Ein kleines Mädchen erzählt davon, dass es von seiner Mutter verlassen wurde. Immer wenn es von der Trauer überwältigt nach seiner Mutter suchen will, nimmt der Vater es mit ins Kino, in der Hoffnung, dass sie dort der Mutter irgendwann begegnen, da diese Filme liebt.
Das Leben des Mädchens ist vom Kino geprägt. Das Kino beschert ihr neue Freundschaften, die Liebe, aber auch Trennung und Verlust. Im Verlauf der Zeit schlägt die Geschichte einen Bogen zum Anfang, denn dem Mädchen kommt in ihrem späteren Leben die Rolle ihres Vaters zu Beginn der Handlung zuteil.

Die Illustrationen von Jimmy Liao laden zum Träumen ein und sind in der Tat so farbenfroh wie ein Regenbogen. So spiegeln nicht nur die Bilder die Gefühle des Mädchens wieder, auch in den Farben drücken sich diese aus.
Seine Bilder wirken stellenweise wie Traumbilder, sie zeigen Elemente auf, die einen unabhängig vom Begleittext in den Bildern lesen lassen. Im Gegensatz dazu stehen die Filmplakate oder Szenenbilder der Kinoleinwand, die realistisch dargestellt sind. Tatsächlich zitiert Liao damit Verfilmungen, die auch im Glossar aufgeführt sind.

Nicht nur Cineasten werden sich in diesem Buch wiederfinden. Jimmy Liao gelingt es perfekt die Gefühle auszudrücken, die bewegte Bilder in einem wecken können. Er transportiert den besonderen Zauber eines Kinosaals, wo Filme noch viel großartiger wirken als im Fernsehen, egal, ob man sie alleine oder in Gesellschaft ansieht.
Aber auch unabhängig vom Zauber des Kinos steckt dieses Buch voller Dinge, die eine Entdeckung lohnen. Jimmy Liao schreibt sehr weise über das Aufwachsen eines jungen Menschen und die steigende Verantwortung, die sein Leben als Erwachsener mit sich bringt. So identifiziert man sich mit dem Vater zu Beginn der Geschichte erst sehr viel später, als seine Tochter in die Rolle einer Mutter hineinwachsen muss.

Mit seiner Hommage an das Kino und das Leben hat Jimmy Liao ein wahres Kunstwerk erschaffen, das einen durch traumhafte Bilder und seine Farbenpracht berauscht und verzaubert und trotz der teilweise melancholischen Texte glücklich zurücklässt.

Bewertung vom 30.05.2019
Weston, Carol

Wie man bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmt


ausgezeichnet

Die Mutter der vierzehnjährigen Sofia ist mit Anfang vierzig plötzlich verstorben. Als wäre das Leben als Teenager nicht schon schwer genug, ist es für Sofia mit ihrer Trauer an manchen Tagen so, als müsste sie bei Regen einen Berg in Flip-Flops erklimmen.

“Überlebende? Ist das so was wie ein Ehrentitel?” fragte Sam, und mir wurde klar, wie albern das klang. Aber manchmal war das nackte Überleben eben schon eine größere Leistung, als manchen Leuten klar war. (S.196)

Zum Glück hat Sofia ihre beste Freundin Kiki an der Seite. Wo Sofia introvertiert ist und sich häufig unsichtbar fühlt, ist Kiki das komplette Gegenteil von ihr. Extrovertiert, immer mitten im Leben und strahlend vor guter Laune. Dank Kiki lernt Sofia eines Tages bei einer Veranstaltung Katherine Baird kennen, die unter “Fragt Kate” eine Beratungskolumne für Teenager in einem Jugendmagazin schreibt. Zu Beginn kann Sofia Kikis Begeisterung für Kate kaum nachvollziehen, doch wenige Zeit später vertraut Sofia tatsächlich ihre eigenen Probleme und ihre Trauer niemand geringerem als “Fragt Kate” an, ohne zu wissen, dass ihr Leben und das ihres Vaters schon bald auf den Kopf gestellt wird…

Carol Weston hat einen flüssigen und, trotz der traurigen Situation, in der Sofia sich befindet, leichten Schreibstil, der die Seiten nur so an einem vorüberfliegen lässt. Zudem schafft sie es die Gefühle ihrer Figuren sehr authentisch und glaubhaft zu transportieren, unabhängig von der Situation in der sie sich befinden und ihrem Alter. So ist nicht nur das Identifikationspotential zu Sofia sehr hoch, auch in die Nebenfiguren kann man sich sehr gut hineinversetzen. Es gibt etliche Szenen im Buch, die dermaßen Emotionen beim Lesen hervorrufen, dass man das Buch gar nicht mehr aus den Händen legen mag.
Außerdem erzählt Carol Weston sehr feinfühlig davon, wie man trotz der Trauer und Liebe zu einem verstorbenen Angehörigen neue Liebe und neues Glück finden kann und dass es in Ordnung ist, wieder lachen zu können und Freude zu empfinden.
Hier gefällt mir besonders gut, dass trotz aller Veränderungen, die in Sofias Leben eintreten, ihre verstorbene, spanische Mutter, immer ein Teil von ihr bleibt. Carol Weston hat dies sehr gut durch spanische Sätze in die Geschichte eingebunden, wenn diese vom Kontext her passen, und Sofias spanischen Abuelo, der auch nach dem Tod seiner Tochter eine gleichbleibend große Rolle in Sofias Leben spielt.

Über ein Jahr erzählt die Autorin von Sofias Verlust und den Veränderungen in ihrem Leben, die niemals eingetreten wären, wenn sie nicht ihre Mutter und ihr Vater nicht seine Frau verloren hätte.
Dabei packt sie viel Stoff in einen überschaubaren Zeitraum, sei es an Figuren oder Entwicklungen und überraschenden Wendungen. Dennoch kam mir die Geschichte an keiner Stelle überladen vor, noch wirkte auch nur einer ihrer Charaktere flach.
Um den Bogen zum Vergleich zu Beginn und dem Titel der deutschen Ausgabe zu schlagen, sei so viel verraten, dass es Sofia nach etlichen Hürden und schweren Entscheidungen gelingt ihren persönlichen Berg zu erklimmen und dafür belohnt wird.

“Wie man bei Regen einen Berg mit Flip-Flops erklimmt” beginnt zwar mit dem denkbar schlimmsten Verlust, den eine Familie erleiden kann, der ungewöhnliche Titel und die Leichtigkeit des Covers geben jedoch ein Versprechen, das die Geschichte mehr als erfüllt.
Auch wenn ein großer Verlust eine Trauer mit sich bringt, die Zeit des Lebens ein Teil von einem sein wird, ist sie kein Hindernis dafür, dass man eines Tages wieder glücklich sein kann!

Bewertung vom 30.05.2019
Umansky, Kaye

Elsa, Hexenlehrling - Eine Woche voller Magie


ausgezeichnet

Von Kaye Umansky habe ich vor über zwanzig Jahren bereits Hexenbücher gelesen, diese waren so irrwitzig komisch, dass mir ihr Name direkt ins Auge gesprungen ist, als ich “Elsa, Hexenlehrling” das erste Mal sah.

Elsa wohnt in dem kleinen Dorf Kleinbrück, in dem ihre Eltern einen Laden betreiben. Leider läuft das Geschäft sehr schlecht, so dass das Geld manchmal kaum ausreicht um Essen für die Familie zu kaufen. Daher wohnt die Familie nur in einem winzigen Haus und Elsa geht ihrem Hobby Lesen ausschließlich in der Dorfbücherei nach. Zuhause würden ihre kleinen Brüder ihr die Bücher wegknabbern.
Als eines Tages die Hexe Magenta Zack in den Laden hineinweht und Elsa das Angebot unterbreitet für 21 Goldstücke ihren Zauberturm zu hüten, während Magenta ihre Schwester besucht, kann Elsa nicht widerstehen.
Und so begibt sich Elsa nur kurze Zeit später in den Wald, wo sie eine Woche lang für Magenta Turm und einen Raben hüten soll. Der Rabe Corbett hat einen reichlich frechen Schnabel, aber es dauert nicht lange, bis sich Elsa und Corbett zusammenraufen und anfreunden. Immerhin hat Elsa jahrelange Erfahrung mit Kunden gesammelt, und die goldenen Regeln für zufriedene Kundschaft lassen sich auch auf andere Lebewesen anwenden.
Ein weiterer tierischer Begleiter ist der Hund Nervensäge, der Elsa in den Wald gefolgt ist, und der sich im Laufe der Woche noch als nützlich erweist. Nicht umsonst hat Magenta Zack Elsa vor den Heulern gewarnt, zwei ältere Damen, die ständig auf Besuch kommen wollen und alles mitnehmen, was sich niet- und nagelfest ist. Außerdem gibt es da noch die weinerliche Maggie Wiggens, die unsterblich in den schönen Holzfäller Hans verliebt ist und lieber Sylphine genannt werden möchte.
Obwohl das Leben im Turm dank der Heuler und Sylphine leider nicht so ruhig und beschaulich verläuft, dass Elsa sich in Magentas Bibliothek vergraben könnte, bleibt ihr immerhin die Zeit, sich an einfachen Hexereien auszuprobieren, nicht zuletzt auf Grund Maggies hartnäckiger Bitte einen Liebestrank zu brauen…
Da “Eine Woche voller Magie” der Auftaktband um den Hexenlehrling Elsa ist, gibt Kaye Umansky ihren Figuren genügend Raum, so dass man jede mit ihren Eigenarten und Besonderheiten kennenlernt. Die Geschichte ist weniger spannend als viel mehr witzig und sehr fantasievoll. Genau das richtige für kleine Hexenfans, die bei einer Hexengeschichte lieber lachen als sich gruseln wollen.
Elsa ist ein liebenswertes und aufgewecktes Mädchen, das dank der Arbeit im elterlichen Dorfladen bereits jede Menge Menschenkenntnis erlangt hat. So nimmt sie in der “Woche voller Magie” mit Tatendrang, Herz und Verstand jede Herausforderung an, der sie sich gegenüber sieht.

Der Text wechselt sich mit zahlreichen Illustrationen ab, auf denen man unter anderem die Charaktere der Geschichte entdecken kann. Vom Stil her erinnern sowohl die Geschichte als auch die Illustrationen an Klassiker wie “Die kleine Hexe” oder “Die Töpfchenhexe”.
Elsas Erlebnisse im Hexenturm eignen sich außer zum Selbstlesen auch sehr gut zum Vorlesen und damit sogar schon für ein jüngeres Publikum.
Es ist eine wunderbar entschleunigte Geschichte mit liebenswerten und schrulligen Figuren, witzigen Szenen und verrückten Abenteuern.

Bewertung vom 30.05.2019
Liertz, Martina-Marie

Julipläne


sehr gut

Ein halbes Jahr ist es erst her, seit Steuerberaterin Deborah zur Hobbyermittlerin in einem Mordfall wurde und dabei ihre Freundin Louise kennengelernt hat. Nun entflieht sie dem heißen Berliner Sommer in Richtung Toskana, wo Louise ein Ferienhaus besitzt. Dort erwartet Deborah jedoch eine unliebsame Überraschung, denn Louise vertreibt sich die Zeit mit ihrem Koch Daniele. Doch lange bleibt Deborah keine Zeit sich darüber zu grämen, denn schon bald ist sie wieder in einen Fall verstrickt, der nicht nur Gefahren, sondern auch eine neue Liebschaft für sie bereithält…

An sich kann man Julipläne unabhängig von Januarrot lesen, da Deborah hier in einen komplett neuen Fall verwickelt wird und außer Deborah und Louise keine bereits bekannten Charaktere auftreten.
Es ist dennoch empfehlenswert Januarrot zu kennen, da man so Deborahs Charakter sowie das Zusammenspiel zwischen Louise und ihr bereits kennt.

Die detaillierten Beschreibungen, sowie der Wortwitz und der Sinn für Situationskomik, die mich bereits im ersten Band überzeugt haben, kommen auch in der Hitze des toskanischen Sommers wieder voll zum Tragen.
Dennoch hat mich Julipläne nicht ganz so mitgerissen wie sein Vorgänger Januarrot, was zum einen an den Figuren lag, denn in Januarrot konnten mich die Nebencharaktere mehr begeistern als hier. Zum anderen war der Mordfall für mich persönlich spannender zu lesen, als der Fall, mit dem Deborah es in der Toskana zu tun bekommt. Wobei ich es andererseits abwechslungsreich finde, dass Martina-Marie Liertz hier nicht erneut auf einen Mord zurückgreift. Am meisten vermisst habe ich jedoch die Interaktionen zwischen Deborah und Louise. Der Schlagabtausch zwischen den beiden hat mich einfach noch mehr entzückt als das Zusammenspiel zwischen Deborah und Arianna.

Wahrscheinlich hören sich meine Anmerkungen kritischer an, als sie es sind, denn Julipläne ist für sich allein gesehen wirklich ein humorvoller, leichtfüßiger Kriminalfall, der mit einer außergewöhnlicher Besetzung und einem tollen und atmosphärischem Ambiente aufwartet, nur im direkten Vergleich mit Januarrot schneidet er für mich schlechter ab.
Dessen ungeachtet würde ich mich sehr freuen, wenn Deborah Gronwald zumindest ein drittes Mal in unfreiwillige Ermittlungen verstrickt wird, da Martina-Marie Liertz am Ende dieser Geschichte den Bogen über die Toskana zurück nach Berlin spannt, und ich ja zu gerne Mäuschen spielen würde, falls es zu einer Ménage-à-trois zwischen Deborah, Louise und Arianna kommen sollte ;)

Reihen-Info:
Januarrot
Julipläne

Bewertung vom 30.05.2019
Schrefer, Eliot

Die Rückkehr der Schattenwandler / Caldera Bd.2


sehr gut

Die Abenteuer von Mali, Lima, Rumi und Gogi im Kampf gegen die Ameisenkönigin und ihr Volk gehen mit “Die Rückkehr der Schattenwandler” in die zweite Runde.
Beinahe ist es so, als wäre man nie weg gewesen. Nur, dass wir dieses Mal statt aus Malis Perspektive, den Regenwald an der Seite von Kapuzineräffchen Gogi erleben.

Alte Feinde tauchen wieder auf, neue Verbündete werden gewonnen, der Kampf und das Ziel bleiben jedoch das Gleiche. Der Regenwald soll davor bewahrt werden, dass die Ameisenkönigin erneut die Macht erlangt und mit ihrer zerstörerischen Art den einmaligen Lebensraum Regenwald dem Erdboden gleich macht.

Die Regenwald verströmt die gleiche Anziehungskraft wie im Vorgängerband, die Charakterzeichnung der Figuren gerät dieses Mal jedoch leicht ins Hintertreffen, da man die meisten der Figuren bereits kennt und kaum neues Personal eingeführt wird.
Den größten Spaß hatte ich wie im Vorgängerband mit der vorlauten Lima und dem Äffchen Gogi. Lima besitzt die gleiche unbekümmerte Art wie eh und je, wohingegen Gogi gereift ist und zumindest ein wenig Selbstvertrauen gewonnen hat. Panthermädchen Mali wird in dieser Geschichte von ihrer Schwester unterstützt, wohingegen Rumi fernab der Freunde ein anderes Abenteuer zu bestreiten hat.
Den Verlauf der Handlung fand ich nicht ganz so überraschend und spannend wie in “Die Wächter des Dschungels”, da die Mission der Freunde immer noch auf das gleiche Ziel ausgerichtet war. Die Interaktionen untereinander haben jedoch wieder großen Spaß bereitet und eine unterschwellige Spannung war zudem stets vorhanden, da nicht jeder Charakter dieses Mal eindeutig der guten oder bösen Seite zuzuordnen war. Eliot Schrefer sät hier gekonnt Misstrauen unter den Gefährten, so dass man als Leser bis zum Ende hin nicht sicher ist, wie man einige Charaktere und ihr Vorhaben einzuordnen hat.

Selbst wenn mich die Mission dieses Mal nicht ganz so an die Seiten fesseln konnte wie in der Vorgängergeschichte, so hatte mich der Autor spätestens am Ende wieder mit einer überraschenden Wendung voll in der Hand.
In der zweiten Hälfte dachte ich tatsächlich häufiger, dass diese Geschichte bereits das Ende der Abenteuer der Schattenwandler darstellen soll, da ich mir sicher war, dass die Gefährten ihre Mission zu Ende bringen und ich keine Idee hatte, mit was Eliot Schrefer dann noch aufwarten wollte. Auf den letzten Seiten zaubert er jedoch einen Clou aus dem Hut, der ganz neue Perspektiven eröffnet und auf mehrere weitere Abenteuer der Freunde hoffen lässt.

Die wichtigsten Handlungsstränge kommen zu einem Ende, jedoch werden direkt Fäden für ein neues Abenteuer verwoben.
Wie aus “Die Wächter des Dschungels” bekannt, wartet auch “Die Rückkehr der Schattenwandler” wieder mit wundervollen Kapitelvignetten sowie einigen großflächigen Bildern der Illustratorin Emilia Dziubak auf.

Der Zauber des Regenwaldes ist auch mit der Rückkehr der Schattenwandler ungebrochen!
Auch wenn der Verlauf der Handlung für mich nicht ganz so spannend und überraschend war wie die des Auftaktbandes, so bin ich gespannt auf die Folgebände, für die Eliot Schrefer durch einen geschickten Schachzug ganz neue Möglichkeiten geschaffen hat.

Reihen-Info:
Die Wächter des Dschungels
Die Rückkehr der Schattenwandler

Bewertung vom 07.05.2019
Slater, Dashka

Bus 57


sehr gut

Dashka Slater steigt in die Geschichte mit der Vorstellung Sashas ein. Sie/er wächst in einem toleranten Umfeld auf. Sasha merkt schon recht früh, dass sie/er sich keinem Geschlecht zugehörig fühlt, dies wird von Freunden und Familie ohne Einschränkungen akzeptiert. Auch ihre/seine Schule ist sehr offen in ihrer Einstellung. Ihre/seine Mutter macht sich jedoch stets Sorgen, dass Sasha irgendwann jemanden begegnen könnte, der Probleme mit ihrer/seiner Identität hat. Mit dem Vorfall im November 2013 treten die schlimmen Befürchtungen von Sashas Mutter schlussendlich ein.
Der zweite Abschnitt der Geschichte befasst sich mit Richard. Im Gegensatz zu Sasha wächst er in einem Umfeld auf, das von Armut und Gewalt geprägt ist. Seine Mutter war mit ihm schwanger zu einer Zeit, in der sie selbst noch ein halbes Kind war. Früh kommt er mit Mord und Verlust in Berührung, als beispielsweise ein sehr guter Freund und eine seiner Tante bei Schießereien sterben. Es scheint vorherbestimmt, dass er selbst schon früh mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Er ist jedoch nicht dumm und versucht seinen Weg zu machen und sich aus Konflikten herauszuhalten. Richard ist ein fröhlicher Junge, der alle zum Lachen bringt und bei seiner Familie und seinen Freunden beliebt ist.
Im dritten Abschnitt wohnt man dem schicksalshaften Tag im November 2013 bei. Da man zuvor die beiden Jugendlichen und ihr Umfeld näher kennengelernt hat, ist das Ereignis umso tragischer und nahegehend. Man lernt Richard so kennen, dass man ihm abnimmt, das der Unfall nur aus einer jugendlichen Laune heraus entstanden ist, und genauso kommt die Schilderung des Falls im Buch auch beim Leser an. Doch sein Schicksal scheint von Anfang an besiegelt, denn hier treffen zwei Tatsachen aufeinander. Zum einen geht jeder davon aus, dass ein solcher Vorfall nur vorsätzlich sein kann, wenn jemand davon betroffen ist, der einer Randgruppe zugehörig ist wie Sasha als Agender. Zum anderen wird ein farbiger Jugendlicher von vorneherein vorverurteilt. Tatsächlich ist es so, dass schwarze Jugendliche oftmals härter bestraft werden als weiße Jugendliche und trotz ihres Alters häufig nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden.
Natürlich hinterfragt man das Szenario, ob Richard auch gezündelt hätte, wenn Sasha mit einer Hose bekleidet gewesen wäre. Andererseits stellt man sich genauso die Frage, ob man mit einem weißen Jugendlichen genauso hart zu Gericht gegangen wäre, wie dies bei Richard der Fall war.
In den folgenden Kapiteln wird man Zeuge davon, mit welchen Vorurteilen beide Seiten zu kämpfen haben und wie sich dies im amerikanischen Rechtssystem teilweise in eine Abwärtsspirale für Richard umwandelt. Alle Schilderungen im vierten Abschnitt, der mit “Justiz” betitelt ist, beruhen ebenso wie der Rest des Buches auf Tatsachen. Stellenweise unglaublich, aber traurig und wahr!

Da “Bus 57” kein Roman, sondern vielmehr ein Tatsachenbericht ist, sollte man versuchen wertungsfrei an das Thema heranzugehen. Dashka Slater ist eine Gratwanderung zwischen Emotion und sachlicher Recherche gelungen. Ich finde, sie hat den Sachverhalt wertungsneutral umgesetzt, dennoch baut man zu beiden Jugendlichen Sympathien auf, allein durch die Schilderungen ihres Lebens und ihres Umfelds.
Nebenbei lernt man viel über queere Lebensweisen, sowie Vorverurteilungen in unserer Gesellschaft und im Rechtssystem kennen, die sich häufig auf Grund von Vorurteilen ergeben.
Dashka Slater hat mit ihrer Schilderung und Aufarbeitung des Vorfalls im “Bus 57” im November 2013 einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Gesellschaft zu sensibilisieren und mit Vorurteilen aufzuräumen.
“Bus 57” ist ein sehr wichtiges Buch, das hoffentlich auch hierzulande von sehr vielen Menschen gelesen wird. Denn auch wenn unser Rechtssystem nicht mit dem amerikanischen zu vergleichen ist, so gibt es auch hier viele Vorurteile gegen alles, was einem persönlich fremd ist, mit denen dringend aufgeräumt werden muss!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2019
Witte, Tania

Die Stille zwischen den Sekunden


ausgezeichnet

Mit Mara, Sirîn und Chriso hat Tania Witte authentische jugendliche Charaktere erschaffen.
Mara ist ein nettes, aber zurückhaltendes Mädchen, das nur wenige enge Freunde hat. Die Kurdin Sirîn hat sie zufällig über einen Kochkurs kennengelernt. Seitdem sind die beiden unzertrennlich und neben ihren wöchentlichen Treffen und der gemeinsamen Zeit in der Schule tauschen sie sich regelmäßig über WhatsApp Nachrichten aus, was Tania Witte geschickt in die Storyline eingebunden hat.
Chriso ist Maras heimlicher Schwarm. Ein gutaussehender Junge, der jedes Mädchen zur Freundin haben könnte. Zudem ist er erfolgreicher YouTuber und weckt damit widersprüchliche Gefühle in Mara, die seinen Kanal zwar insgeheim regelmäßig verfolgt, aber teilweise von seinen Videos abgestoßen wird. Deswegen kann sie es sich nicht erklären, warum er kein Video vom Abend der Katastrophe hochgeladen hat, da ein solcher Clip zu seinem Kanal passen und ihm neue Follower einbringen würde.
Neben Mara, Sirîn und Chriso spielen vor allem Maras Mutter, sowie Sirîns Vater und Bruder eine große Rolle. Maras Verhalten wirkt oft unsympathisch und kalt, da sie ihr Umfeld häufig vor den Kopf stößt, nachdem sie dem Bombenattentat nur knapp entgangen ist. Es ist verständlich, dass sie Probleme hat mit den Bildern dieses Abends fertig zu werden, andererseits ist es unverständlich, dass sie offen dargebotene Hilfe wie beispielsweise die ihrer Mutter vehement abweist.
Noch unverständlicher, beinahe schon unheimlich, sind die Reaktionen von Sirîns Familie auf Maras Kontaktversuche. Hier malt man sich als Leser die schrecklichsten Szenarien aus, worin die Ungereimtheiten im Verhalten von Sirîns Familie begründet sind…
Ich bin dank Tania Wittes Gemeinschaftswerk mit Antje Wagner als Ella Blix und mehreren Titeln Antje Wagners gebrieft, was überraschende Wendungen in Büchern angeht, so dass sich in meinem Kopf die verrücktesten Lösungen zusammengesponnen haben, warum sich die Charaktere in “Die Stille zwischen den Sekunden” so verhalten, wie sie es tun. Tatsächlich war darunter auch die Auflösung, dennoch hat mich das Ende der Geschichte von den Füßen gerissen!
Die Geschichte ist sehr starker Stoff, der stets am Puls der Zeit ist. Sei es durch die Authentizität der Charaktere, der Einbindung der Sozialen Medien oder den aktuellen Problemen und Entwicklungen in unserem Land.
Maras Geschichte ist vielschichtig. Sie zwingt den Leser sich mit solchen Themen wie der Flüchtlingspolitik oder dem Einsatz – und Missbrauch – der Sozialen Medien auseinanderzusetzen. Kernthema ist jedoch ein anderes, wie spätestens mit der Auflösung klar wird. Dieses werde ich jedoch bewusst nicht benennen, damit andere Leser sich dem gleichen unausweichlichen Sog ausgesetzt sehen, den ich bei diesem Buch verspürt habe.
Lange braucht es nicht, bis man zum Kern dieser Geschichte vordringt, denn es wird wohl kaum einem Leser möglich sein, sie einmal angefangen freiwillig aus der Hand zu legen. Das Ende tut weh und ist nur schwer zu begreifen. Selbst mit einer Ahnung bezüglich der Auflösung ist es schockierend und hallt lange und schwer nach.

“Die Stille zwischen den Sekunden” ist ein ganz besonderes Jugendbuch, das noch weit mehr bietet als es der ansprechende Klappentext verspricht.
Darüber hinaus ist es mitnichten nur für ein Lesepublikum im Alter der Protagonistin interessant. Die verarbeiteten Themen sind hochaktuell und fordern selbst erwachsene Leser heraus.
Ich für meinen Teil weiß, dass ich dieses Buch mit dem Wissen um das Ende irgendwann ein zweites Mal lesen muss, um die Raffinesse von Tania Wittes Komposition voll auszukosten!
Obendrein erhält dieses Buch von mir eine absolute Empfehlung als Schullektüre. Nicht nur, dass hier wichtige und aktuelle Themen verarbeitet werden, ich bin mir außerdem sicher, dass Tania Wittes jugendlich authentischer Schreibstil, der Einsatz der Sozialen Medien, sowie der unwiderstehliche Sog der Geschichte selbst Wenigleser an die Seiten bannen und überzeugen

Bewertung vom 07.05.2019
Huppertz, Nikola;Krejtschi, Tobias

Meine Mutter, die Fee


ausgezeichnet

Fridis Mutter verhält sich seit einiger Zeit seltsam. Häufig sitzt sie teilnahmslos in einem Sessel und starrt vor sich hin. Oder sie liegt zusammengerollt in ihrem Bett, selbst tagsüber. Sie schafft es an manchen Tagen nicht einmal sich die Haare zu bürsten. Andere Leute sagen, sie sei verrückt, und auch wenn Fridis Vater sagt, dass das nicht stimmt, kommt der Tag an dem Fridi eher den anderen Glauben schenkt als ihrem Vater. Fridis Vater vergleicht seine Frau mit einer Fee, und langsam beginnt Fridi zu verstehen, was mit ihrer Mutter los ist…

“Meine Mutter, die Fee” ist ein Buch über Depression und die Problematik psychische Erkrankungen für diejenigen in Worte zu fassen, die selbst nicht davon betroffen sind. Die harschen und verständnislosen Reaktionen der Umgebung gibt Nikola Huppertz kurz aber treffend wieder.

---“Fridi, deine Mutter ist verrückt.”

---“Die bringen deine verrückte Mutter weg!”

Leider sind das tatsächlich Kommentare, mit denen über psychisch erkrankte Menschen geurteilt wird. Aus eigener Erfahrung kann ich neben Verrücktheit noch Dummheit und Faulheit ergänzen als weitere Stempel, die Menschen mit Depressionen aufgedrückt werden.
Mir gefällt das Bild der Fee sehr gut, mit denen Nikola Huppertz Fridis Mutter beschreibt, da eine Fee ebenso schwer zu begreifen ist wie eine Depression, wenn man ihr keinen Glauben schenkt. Denn wie bei Feen liegt das Hauptproblem bei psychischen Erkrankungen darin, dass Nichtbetroffene sie nicht sehen können und sie damit für sie nicht existent sind.

---“Feen sind Wesen der Dunkelheit, weißt du?”

Da sich Tobias Krejtschi auf wenige Farben beschränkt, kommen die Details seiner Bilder umso stärker zum Ausdruck. Es ist faszinierend wie er über Mimik und Körperhaltung die Gefühle von Fridi, ihrem Vater und ihrer Mutter, der Fee transportieren kann.
Nikola Huppertz erschlägt ihre Leserschaft nicht mit Informationen, viel mehr ergänzen sich Text und Illustration in kindgerechter Aufarbeitung eines schwierigen Themas, so dass die Geschichte als Grundlage für Gespräche dienen kann.
Obwohl der Grundtenor ein trauriger ist, bieten zumindest Krejtschis Bilder einige erheiternde Momente. Wer sich genau in Fridis Zimmer umsieht, entdeckt hier nicht nur einige Helden der 80er Jahre, sondern auch einen Cameoauftritt einer Bilderbuchfigur aus Krejtschis Hand.
Nikola Huppertz’ Worte und Tobias Krejtschis Bilder sind sehr bewegend und spenden einerseits Hoffnung, andererseits sind sie voller Traurigkeit und Tragik. Vor allem Betroffene oder Leser mit erkrankten Familienmitgliedern werden die Szenen wiedererkennen und sich dem Sog der Geschichte nicht entziehen können.

Mich hat “Meine Mutter, die Fee” sehr bewegt und ich hoffe, dass dieses Buch noch viele Leser findet, die sich im Anschluss an diese Geschichte mit ihrer Familie oder ihren Freunden über Despressionen austauschen und die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen so weiter bekämpft werden kann.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.04.2019
Hauck, Katja

Lieber Papa, bist du jetzt verrückt?


sehr gut

Nach Uwe Haucks autobiographischer Aufarbeitung seiner Depression, der Angststörung und des Selbstmordversuchs, die unter dem Titel “Depression abzugeben” nachzulesen ist, kommt nun seine Tochter Katja im gemeinsamen Briefwechsel zu Wort, der einen Blick auf die andere Seite freigibt. Auf die Angehörigen, auf die Familie, Frau und Kinder, auf die Personen, die zurückgeblieben wären, wenn sein Selbstmordversuch ein tragisches Ende gefunden hätte.
Wie lebt es sich nun als Familie mit dem Wissen um Uwe Haucks Depression und Ängste? Wie hat die Familie, insbesondere die Kinder, die Zeit vor dem Selbstmordversuch empfunden?
Im Brief kommt nicht allein Katja Hauck zu Wort, ihr Vater Uwe Hauck hat all ihre Briefe beantwortet, aber auch Sibylle Hauck – Mutter von Katja und Ehefrau von Uwe Hauck -, sowie Katjas Brüder kommen zumindest indirekt zu Wort.
Dabei wird nicht nur Uwe Haucks Depression und Angststörung weiter aufgearbeitet, man erfährt auch endlich mehr Details aus seiner Kindheit und Jugend, sowie zu dem gestörten Verhältnis zu seiner Mutter, welches in “Depression abzugeben” immer wieder angedeutet wurde.
Nicht zuletzt erzählt dieses Buch davon, dass auch die Kinder der Haucks nach dem tragischen Vorfall Therapiebedarf hatten und wie weit die Kreise sind, die psychische Erkrankungen tatsächlich ziehen, denn sie machen nicht vor der Türschwelle eines Betroffenen halt.

“Lieber Papa, bist du jetzt verrückt?” verdeutlicht am Beispiel der Familie Hauck, dass Depressionen und andere psychische Erkrankungen nicht bei der Person enden, die an ihnen erkrankt ist. Eine Depression, Angststörung, oder Hypersensibilität, die hier ebenfalls ein großes Thema ist, schlägt Wellen, und um sie zu verstehen und zu bekämpfen, muss auch immer das Umfeld einbezogen werden. Dies betrifft bei weitem nicht nur Familie und Freunde, bei Kindern sollten auch Kindertagesstätten und Schulen sensibilisiert und aufgeklärt werden, im Erwachsenenalter dann die Arbeitgeber.
Ich meine das nicht nur fallbezogen in akuten Situationen, sondern generell sollten psychische Erkrankungen weiter entstigmatisiert und thematisiert werden in der Öffentlichkeit. Die Vorurteile sind immer noch groß, die Hilfe dagegen gering oder schwer zu finden. So erzählen Katja und Uwe Hauck davon, wie viel Glück die gesamte Familie hatte relativ schnell passende Therapeuten zu finden, mit denen sie auf einer Wellenlänge lagen. In der Realität ein viel zu seltener Glücksfall!

Auch wenn Katja Haucks Buch in meinen Augen vielleicht sogar noch wichtiger ist als Uwe Haucks “Depression abzugeben”, so ist es durch den Briefwechsel und die Themenfülle etwas schwerfälliger zu lesen. Dennoch ist es in meinen Augen ein absolutes Lesemuss, egal, ob man persönlich betroffenen ist oder nicht.
Ich finde es unheimlich wichtig, dass psychischen Erkrankungen eine Stimme gegeben wird, da unsere Gesellschaft häufig deren Ernsthaftigkeit nicht in vollem Maße erfasst oder sie im schlimmsten Fall als Anlass zur Belustigung und Mobbing dienen.
Für mich wäre durch eine verständnisvolle und sensibilisierte Gesellschaft ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung getan, um Menschen mit psychischen Erkrankungen ein Sicherheitsnetz zu bieten, das in der heutigen Zeit noch viel zu oft große Löcher aufweist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.