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Märchens Bücherwelt
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Wolfenbüttel

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Insgesamt 256 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2022
Sommerfeld, Helene

Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1


sehr gut

Nachdem mir die Ärztin-Reihe um Ricarda Thomasius schon so gut gefallen hat, wollte ich natürlich auch gerne wissen, was ihre beiden Töchter Henny und Antonia (Toni) so machen. Beide grundverschieden. Henny als Onkologin tätig, zielstrebig und geradlinig, teilweise etwas steif wirkend, der es schwerfällt, Emotionen zu zeigen und Toni, die ihrem Freiheitsdrang nachgibt, weil sie unbedingt an den Ort ihrer Kindheit zurückkehren möchte, um Erinnerungen aufzufrischen. Sie ist ein Wirbelwind, braucht die Herausforderung, ist selbstbewusst, mutig und kämpft für ihre Ziele, die sie auch sehr direkt mitteilt.
Die Geschichte schwenkt zwischen Berlin und Afrika, so dass man abwechselnd das doch ziemlich bewegte Leben der beiden Halbgeschwister miterleben kann. So fand ich es toll, dass man auch Ricarda und Siegfrieds Lebensabend weiterverfolgen konnte, ihre Sorgen um ihre Verwandtschaft, besonders der Nichten und Neffen und ihrer Skandale. Berlin erlebt gerade einen Umschwung. Einiges, was immer noch verpönt ist und nicht an die Öffentlichkeit darf. Anderes, was gerade die jüngere Generation eher frei auslebt, um aus diesen festen Regeln und Einschränkungen auszubrechen, immer mit einem Schrei nach Aufmerksamkeit und Liebe.
Toni dagegen muss sich auf ein Afrika einstellen, dass zwar durch all die Schönheit und beeindruckende Landschaft besticht, aber auch viele Tücken und Herausforderungen birgt. Kein einfaches Leben, wenn es immer noch Rassenunterschiede gibt, die Frauen immer noch darum kämpfen müssen, als gleichberechtigt angesehen zu werden und Klima und Krankheiten auch ihren Teil dazu beitragen, als Ärztin zu kämpfen. Vorurteile, Neid, Intrigen, Heimweh und eine Liebe, die anders verläuft als erhofft.
Gerade Tonis Geschichte hat mir noch mehr gefallen, war sehr abwechslungsreich und unterhaltsam, während der Part in Berlin mir ab und zu etwas zu langatmig und wiederholend erschien. Gerade was die Familie Freystetten betraf, so fand ich etliche der Familienmitglieder extrem narzisstisch, selbstverliebt und fernab der Realität. Natürlich ist es in den höheren Kreisen so üblich, wirkte aber teilweise etwas zu viel.
Ich durfte das Buch parallel auch als Hörbuch genießen und fand die Präsentation durch Tanja Fornaro ausgesprochen gut. Sie schafft es, die Stimmung toll in Szene zu setzen, die unterschiedlichen Menschen authentisch wirken zu lassen, die Spannung zu steigern, Gefühle gut zu transportieren und so für gute Unterhaltung zu sorgen.
Das Cover mit den beiden Geschwistern ist passend gewählt, besonders wegen der Hauptperson Toni und ihrer Arbeit in Afrika. Aber auch, weil die Personen selbst, wie beschrieben, genauso dargestellt werden.
Der Titel passt auf so viele verschiedene Familienmitglieder, die sich alle auf ihre eigene Art nach Dingen sehnen - die große Liebe, dem Wunsch nach Anerkennung, Verständnis, familiärer Rücksichtnahme, Neuanfängen, beruflicher Erfolge und der Hoffnung auf ein richtiges Zuhause. Das wurde interessant, lebendig und ausdrucksstark verpackt.

Bewertung vom 31.10.2022
Feyerabend, Charlotte von

Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück


gut

unbezahlte Werbung/Rezension
𝕮𝖆𝖗𝖔𝖑𝖎𝖓𝖊 𝕸ä𝖗𝖐𝖑𝖎𝖓
Autor/in: Charlotte von Feyerabend
Erschienen: 11/2022 Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: Droemer HC
Ich finde es immer toll, mehr über Persönlichkeiten, die in der früheren Geschichte etwas bewegt haben, zu erfahren. So erfährt man auch in diesem Buch mehr über die Entstehung der bekannten Firma MÄRKLIN.
Die Geschichte von Caroline Märklin, ehemals Hettich, ist alles andere als leicht gewesen. Sie ist aufgeweckt, sprüht vor Energie und Ideen und versucht auch ihren Mann Wilhelm in seinem Geschäft als Flaschner zu unterstützen und der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein. Doch zu einer Zeit, wo das Regiment der Männer herrschte und Frauen im Geschäftsgeschehen nichts zu suchen hatten, ist dies alles andere als leicht, was Caro ziemlich häufig zu spüren bekommt. Doch angesteckt vom Slogan ihres Vaters lässt sie sich unglaublich viel einfallen, um ihre Träume aber auch ihren Verpflichtungen gerecht zu werden.
Eine interessante Geschichte, die aber leider viele traurige Ereignisse enthält und für das, was Caroline alles erlebt hat, empfinde ich sie als sehr mutig und faszinierend.
All die Ereignisse zu einer Zeit, in der die industrielle Entwicklung startet, Maschinen genutzt werden, die Konkurrenz hart ist und Frauen sich behaupten müssen werden hier bedeutsam geschildert. Man erhält Einblicke in das Handwerk des Flaschners, ebenso wie die beginnende Zeit der Handelsreisenden.
Allerdings sind mir die Charaktere etwas zu oberflächlich geblieben. Zeitweise hatte ich den Eindruck, ich lese eine Information von Wikipedia mit den Daten und Fakten einer Person. Die tragischen Momente, die Caro erlebt, sind wirklich schmerzhaft, wurden mir aber etwas zu schnell abgewickelt. Ich hätte mir etwas mehr Persönlichkeit von ihr gewünscht, mehr Gefühle, gerade was ihre familiären Abläufe betrifft. Es gibt einige Zeitsprünge, in die man sich einfinden muss. Am Ende überstürzten sich die Ereignisse und Entwicklungen, was mir im Vergleich zur restlichen Geschichte zu schnell abgewickelt wurde, auch weil es wieder sehr trocken und unpersönlich geschildert wird.
Ansonsten ist es ein lesenswertes Buch, interessant auch mit den ganzen Anhängen zu den Personen, Literaturhinweisen, Fakten und Fiktion und einigen Rezepten.
Das Cover gefällt mir sehr, denn mit Märklin verbindet man überwiegend die Geschichte der Eisenbahn.

Bewertung vom 06.10.2022
Blum, Antonia

Tage des Lichts / Kinderklinik Weißensee Bd.3


gut

Rezension: Kinderklinik Weißensee- Tage des Lichts (Teil 3)
Autor/in: Antonia Blum
Erschienen: 09/2022
Verlag: Ullstein
Taschenbuch: 496 Seiten
Mit dem 3.Teil erreichen wir eine Zeit, in der sich Berlin politisch stark verändert. Die NSDAP bekommt immer mehr Zuspruch, was sich auch schon in den Schulen abzeichnet.
Auch für die beiden Schwestern Marlene und Emma beginnt eine aufregende Zeit mit vielen Veränderungen, sowohl in der Klinik als auch im privaten Bereich.
Der geheimnisvolle Fremde, der sich als ihr Vater ausgibt und ständig auf und wieder abtaucht lässt sie mit vielen Fragen zurück, dann taucht auf einmal eine Krankenschwester wieder auf, die besonders Emma das Leben sehr schwer macht und auch die Ehen beider Schwestern geraten aufgrund der Umstände massiv unter Druck. Lebhaft wird hier beider Leben parallel geschildert, die ganzen Höhen und Tiefen, die emotionalen Herausforderungen. Auch Emmas Kinder Elisabeth und Theodor haben mit ihren Erlebnissen zu kämpfen - besonders Theodors Geschichte ist mir sehr nahe gegangen, weil er ein so herzensguter und aufmerksamer Junge ist, der so hin und hergerissen zwischen seinen Schulerlebnissen ist und der Rücksicht auf seine hart arbeitenden Eltern. Der Einfluss schon der Schule wird hier toll herausgestellt, was für mich ein genialer Warn- und Lehrfaktor ist.
Dieses Mal fiel es mir allerdings etwas schwer, mich vollkommen in die Geschichte fallen zu lassen - es gab etliche Wiederholungen, besonders was Marlenes und Maximillians verzweifelten Kinderwunsch betrifft, der mit der Zeit eher anstrengend und zäh wirkte.
Dann wird es mit den Hospitalkindern Albert und Gerti wieder hochemotional und spannend. Auch die Gratwanderung der Elevinnen, mit besonders anspruchsvollen Eltern umgehen zu müssen wird eindrucksvoll geschildert, ebenso wie die Verunglimpfung der Klinik durch die Fehlentscheidungen der Oberschwester, die Erwartungshaltung der Eltern, aber auch der wirtschaftlichen Lage, die viele Menschen in die Armut treibt.
Doch so richtig konnte der Spannungsbogen nicht gehalten werden, einiges flachte schnell wieder ab, wechselte in den privaten Bereich, der sich oftmals auch wiederholte und hinzu kommen dann die vielen Missverständnisse, die ich teilweise dann doch etwas ermüdend fand. Speziell die wiederholte Betonung des Reichtums der von Weilerts.
Es war vieles schnell absehbar, wobei selbst das neue Medikament Penicillin nicht ganz so spektakulär ist, wie erhofft.
Dieses Mal waren eher die Nebenfiguren die wirklichen Helden, die mich mehr fasziniert haben, als die Hauptprotagonisten, wie z.B. Willy Pinke, Albert, Gerti und Oma Anna.
Insgesamt bin ich etwas hin und hergerissen, weil ich die Entwicklung der beiden Schwestern und ihrer Tätigkeit gerne lese, die Erfolge und Rückschläge, ihre privaten Erlebnisse- doch hier fehlte mir das gewisse Etwas - was mich mitreißt und bewegt und einige Reaktionen waren zu kindisch und übertrieben.
Die Titelwahl ist passend - Lichtblicke für eine unter Druck geratene Kinderklinik, die einige Misserfolge erleidet, ein politisches System, das vielversprechend klingt, aber dennoch brandgefährlich ist, ebenso wie im privaten Leben ein ständiges Auf und Ab gemeistert werden muss. Wie schon die Vorgängerbände hat das Cover diesen besonderen Wiedererkennungswert, der Einblick in die Zeit und das Geschehen gibt.
Ein guter 3.Teil mit einigen Schwächen- dennoch freue ich mich auch auf Elisabeths Geschichte im 4.Teil und die Nachkriegsjahre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.09.2022
Hoffsümmer, Sandra

Christrosenküsse


sehr gut

schon das Cover und der Klappentext haben mich extrem neugierig gemacht. Die Autorin kannte ich bisher noch nicht, aber das hat sich dank dieses umwerfenden Romans umgehend geändert.
Das Buch hat mich von der ersten Seite an gepackt und mich so tief eintauchen lassen, dass ich alles um mich herum total ausgeblendet habe.
Die Handlung ist geheimnisvoll, emotional und hat mich einige Tränen gekostet, denn Florence, auch Flo genannt, und ihre kleine Schwester Betty mussten schon in jungen Jahren das harte Leben auf den Straßen Londons erleben. Nur durch Zufall gelangen sie auf das Anwesen der Roychesters, doch die Tage sind lang, die Arbeit hart und undankbar. Die Schilderungen der täglichen Abläufe haben mich wirklich erschüttert, der Umgang mit den Bediensteten, der Neid untereinander. Doch Flo würde alles für ihre Schwester tun, weil sie das einzige ist, was sie noch hat, von vielen aber eigenartig gehalten wird und deswegen zusätzlichen Schutz braucht. Die Last erdrückt sie von Tag zu Tag mehr, hinzu kommt der Fund eines mysteriösen sehr bildhaft umschriebenen Tagebuches, was immer mehr Einblicke in die Geheimnisse und pikanten Vorgehen der Familie gibt, die niemals an die Öffentlichkeit dürfen.
Nach und nach ergibt sich aus dem, was Flo erlebt, aber auch was sie kombiniert, ein komplettes Bild, was ihr aber zum Verhängnis wird.
Es ist einfach so raffiniert gestaltet, alleine die Idee und Entwicklung des Tagebuches ist schon so faszinierend. Und was das Thema Romantik angeht, so hat die Autorin es wirklich durchgehend geschafft, die Gefühle, die Stimmung, das Knistern so realistisch zu umschreiben, dass selbst ich ein Kribbeln beim Lesen hatte und des Öfteren die Luft angehalten habe.
Die Charaktere sind klasse dargestellt, egal ob sympathisch oder auch nicht, auch hier wird die jeweilige Atmosphäre passend vermittelt. Unheimlich, dann wieder lustig, romantisch, beängstigend, spannend.
Mein Lieblingscharakter ist die kleine Betty, durch ihre Besonderheit und ihre liebenswerte Art muss man sie einfach lieben. Wie sie ihrer Schwester vertraut, ihre Gefühle versucht rüberzubringen und zutiefst bestürzt ist, wenn mal etwas schief gegangen ist.
Die vielen Wendungen, die dieser Roman nimmt, sind nicht vorhersehbar und bis zum Schluss hofft und bangt man so sehr mit, erlebt aber eine Überraschung nach der anderen. Besonders was es mit dem Titel auf sich hat, ist einfach das i-Tüpfelchen bei diesem winterlichen und historisch klasse umgesetzten Roman und hat mein Herz erst recht zum schmelzen gebracht. Ausgesprochen mitreißender Schreibstil, absolut lesenswert, der das Thema Klassenunterschiede und das "anders sein" eindrucksvoll aufgreift. Auch wenn ein paar kleinere Details und Fragen für mich offen geblieben sind, hatte ich tolles und etwas außergewöhnliches Lesevergnügen.

Bewertung vom 18.09.2022
Rogasch, Julia

Der kleine Wintermarkt am Meer


sehr gut

Ich durfte das Buch vorablesen und hab mich schon seit Ankündigung auf dieses Buch gefreut. Die Autorin kenne ich seit ihrem ersten Buch und habe ihre gefühlvolle Art und ihren besonderen Schreibstil kennen und lieben gelernt. Ihre Bücher entführen jedes Mal auf eine der schönsten Insel Deutschlands: Sylt. Trotz des rauen Klimas hat sie ihr eigenes besonderes Feeling und Julia Rogasch fasziniert mit ihren Beschreibungen und fängt den Winterflair der Insel einfach traumhaft ein, so dass sie zu jeder Jahreszeit eine einzigartige Insel ist. Begleiten dürfen wir dieses Mal die Protagonistin Josi, die ihrer Freundin Linnea zu Hilfe eilt, die das Friesenstübchen von ihrem verstorbenen Vater geerbt und alle Hände voll zu tun hat. Um aber den angekündigten Wintermarkt auch unterstützen zu können, braucht sie noch eine Hilfskraft, was Josi aufgrund familiärer Probleme gerade recht kommt. Aufgrund einiger Missverständnisse zwischen Linnea, ihrem besten Freund Erik, der das hiesige Restaurant leitet und seinem besten Freund gibt es etliche Krisen, die überwunden werden müssen und dank Josis heiterer, positiver Art und handwerklichem Geschick nehmen die Planungen für den Wintermarkt ihren Lauf, wenn nicht ständig wieder neue Stolpersteine dazu kämen. Dadurch, dass abwechselnd aus der Sicht von Erik und Josi geschrieben wird, kommt noch mehr Stimmung in die Geschichte, es zeigt ihre Eindrücke und Empfindungen.
Auch wenn es nicht die ganz große Dramatik ist und die Handlung etwas absehbar ist, so geht es um das, was zwischen den Zeilen zu lesen ist und was ich bei der Autorin immer aufs neue liebe. Ich brauche nicht immer einen überladenen Roman, der nur von Krisen und Problembewältigung handelt. Ich mag es auch mal sanfter und gefühlvoller, besonders wenn es um die Menschen und die Eindrücke selbst geht.
Die Charaktere sind authentisch, sie haben alle ihre Päckchen voller Kummer, Sorgen und Zukunftsängste auf die unterschiedlichste Weise zu tragen. Der Umgang damit und wie sie lernen, darüber zu sprechen, ihre Gefühle zu zeigen und nicht immer so lange schwelen zu lassen, bis alles eskaliert. Die Mischung zwischen dem, was ihnen auf der Seele liegt und wie die Insel und die Rückzugsorte Ruhe und einen klaren Kopf verschaffen, hat mich hier besonders begeistert. Dieses Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur, zusammen mit wunderschönen Sätzen, die die Autorin gebraucht, um genau damit ins Herz zu treffen, ist ihr toll gelungen und hat mich an verschiedenen Stellen einfach zu Tränen gerührt.
Ich hätte gern etwas mehr noch von dem Wintermarkt selbst gelesen, der ist ein wenig kurz gekommen, aber das Gesamtpaket ist so gefühlvoll, jedes Mal kann man sich gedanklich auf die Insel träumen und möchte gerne all die Charaktere persönlich kennenlernen, weil sie mit all ihren Macken und Fehlern trotzdem so liebenswert und sympathisch sind. Ich habe mir viele schöne Passagen markiert und kann nur sagen: Danke, dass ich mit der Honigmilch, die mittlerweile ein wichtiges Markenzeichen für ihre Bücher geworden ist, wieder mal auf meine Lieblingsinsel entführt wurde, in Gedanken schweifen und einfach nur genießen konnte.
Das Cover und der Titel sind wieder ein besonderer, passender Hingucker und wirklich schön gestaltet.

Bewertung vom 13.09.2022
Bernstein, Lilly

Findelmädchen


sehr gut

Ein kleines Missverständnis hat dafür gesorgt, dass ich an dieses Buch kam und ich bin so froh, dass es so geschehen ist. Eigentlich kann ich gar nicht in Worte fassen, was für überwältigende Eindrücke und Emotionen dieses Buch bei mir verursacht hat.
Es ist ein Buch der Nachkriegszeit, in der die Geschwister Jürgen und Helga endlich wieder auf ihren Vater treffen, denn der Krieg hatte sie alle auseinandergerissen. Die Zeit des Krieges hat tiefe Spuren hinterlassen, was man sowohl an den Kindern erlebt, bei denen viele Erinnerungen verblasst, ja teilweise ausgeblendet sind, als auch bei all den Menschen, die nach und nach in Köln eine neue Existenz aufbauen.
Helga tut sich etwas schwerer mit dem Neustart, so sehr sie auch mit ihrem Bruder verbunden ist und ihrem Vater eine Chance geben möchte. Doch dieser verhält sich zeitweise merkwürdig, reagiert auf manches irritierend, mit dem Helga einfach nicht zurecht kommt. Immer im Hinterkopf, ein Findelmädchen zu sein, zusätzlich gebremst in ihren Träumen und Zielen, erlebt sie ein Praktikum im Waisenhaus, dass ihr Leben prägt. Helga ist für ihr junges Alter so ein tapferes, aufmerksames und hilfsbereites Mädchen, die trotz all dem Erlebten nie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufgibt, die für ihre Ziele eintritt und dennoch so viele unglaublich schlimme und traurige Momente erlebt, die einem als Leser wirklich unter die Haut gehen. Helgas Bekanntschaft mit dem kleinen, bezaubernden Mädchen Bärbel im Waisenhaus und der Umgang dort mit "speziellen" Kindern, bringt die Geschichte so richtig in Fahrt und sie nimmt einen ungeahnten Verlauf. Immer neue Wendungen, die die Schrecken der Macht und des noch nachwirkenden Hasses so knallhart und allgegenwärtig präsentieren und zeigen, wie schnell Menschen sich von etwas mitreißen lassen.
Selten hat mich ein Buch so emotional zerrissen und aufgewühlt, die verschiedensten Gefühle geweckt, als wenn man den Schmerz und den Kummer regelrecht mitfühlen kann.
Besonders viel Gänsehaut hatte ich bei den eingeschobenen Tagebucheinträgen der Mutter, ihre hoffnungsvollen aber manchmal auch verzweifelten Briefe an ihren verschollenen Mann, in der Hoffnung sich eines Tages wiederzusehen.
Der Krieg hat Schatten geworfen, sowohl auf die Stadt selbst, als auch auf die Seelen der Menschen und jeder geht mit ihnen anders um. Manche Charaktere sind gezeichnet durch die Last der Erinnerungen, während andere es zu verbergen suchen, aber doch eingeholt werden. Doch ausdrucksstark wird hier der Gedanke des Verzeihens, des Neubeginns und der Hoffnung gezeigt, dem Mut und der Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, aber auch für das einzutreten, wofür man steht und was einem wichtig ist, unabhängig von den Folgen.
Eine imposante Geschichte zu einer Zeit des Aufbaus, der Hoffnung und Neubeginns, die unvergesslich, berührend und gleichzeitig motivierend ist, um aus der Vergangenheit zu lernen und die Zukunft immer im Blick zu haben.
Vom Ende der Geschichte war ich etwas überrascht, es war für mich nicht ganz abgerundet, aber insgesamt ein lesenswerter Roman sogar mit vielen bekannten Details sowohl an Musik, Zeitungen, Persönlichkeiten und Lebensmitteln aus der Zeit, die damals eine wichtige Rolle gespielt haben, toll integriert wurden und alles etwas aufgelockert haben. Cover und Titel sind gut gewählt, denn auch wenn es inhaltlich schwermütig und emotional wirkt, versteht man am Ende, wie passend es ist.

Bewertung vom 13.09.2022
Caspian, Hanna

Hinter dem hellen Schein / Schloss Liebenberg Bd.1


sehr gut

Rezension: Schloss Liebenberg - Hinter dem hellen Schein
Autor/in: Hanna Caspian
Erschienen: 09/2022
Verlag: Knaur
Paperback: 432 Seiten
Es ist mein erstes Buch von Hanna Caspian und ich bin angenehm überrascht. Ich mag Erzählungen aus einer Mischung aus Fiktion und historischen Ereignissen. Und genau das hat sie mit dem 1.Teil der Geschehnisse um Schloss Liebenberg überzeugend und eindrucksvoll gemacht. Schon alleine Cover und Titel beeindrucken, weil man einerseits einen Hinweis auf den Inhalt bekommt, gleichzeitig aber auch neugierig gemacht wird, was auch dem Titel zu verdanken ist. Und dieser ist sehr passend gewählt, da es zwar ein wenig an Erzählungen wie Downton Abbey erinnert, hier aber aus der Sicht des Personals erzählt wird und man dadurch einen spannenden, bewegenden Blick hinter die Scheinwelt des Adels erhält. All die Charaktere, ob sympathisch oder nicht, sind so ausdrucksstark und bemerkenswert dargestellt, dass man bei jedem sofort ein bestimmtes Bild im Kopf hat und verschiedene Reaktionen auslöst.
Die Hauptprotagonistin Adelheid, die überraschend ins Schloss geordert wird, ist eine junge, fleißige und kluge Frau, auch wenn sie aus den ärmsten Verhältnissen kommt und mit dieser Anstellung eine große Last der Verantwortung für den Rest ihrer Familie trägt. Viele Szenen erschüttern, wenn man diese großen Unterschiede zwischen Armut und Reichtum so offen miterlebt. Wie eng Verzweiflung mit ständigen Hoffnungsschimmern verbunden ist, die Angst um die Familie, die Arbeit, das Überleben. Gleichzeitig finden Intrigen, Vorgesetzte, die ihre Stellung ausnutzen und vor Demütigungen nicht scheuen, auch ihren Platz.
Die Autorin hat zu diesen Eindrücken des Personals den Skandal um Kaiser Wilhelm und seinen besten Freund den Fürsten zu Eulenburg wunderbar mit eingebaut - all die politischen Bewegungen zu dieser Zeit, wie das Personal damit umgeht, was hinter den Kulissen abläuft und wie sich die Unruhen des Volkes und der Druck der Medien bemerkbar machen.
Selbst wenn man keine geschichtlichen Vorkenntnisse hat, wird man regelrecht mitgerissen. Es ist verständlich geschrieben, auch wenn man sich an etliche Namen gewöhnen muss. Mich haben auch all die Erklärungen und Einblicke in den Ablauf der Tätigkeit begeistert - ob es um die Rangordnung des Personals geht, wie gewisse Dinge gehandhabt werden und wer für was zuständig ist. Wirklich toll recherchiert und genau diese Eindrücke und die Sichtweise des Personals haben das Buch lebendig wirken lassen, so dass auch die politischen Einlagen nicht ganz trocken wirkten.
An manchen Stellen hätte ich mir noch ein wenig mehr Emotionen und Spannung gewünscht und auch einige romantische Ansätze wirkten etwas trocken und unpersönlich.
Doch alles in allem freue ich mich jetzt schon auf die Fortsetzung dieser Dilogie - absolut lesenswert. Eine ausdrucksstarke Erzählung über eine Zeit, die die deutsche Geschichte nachhaltig beeinflusst hat, sehr nachdenklich stimmt, offen und erschütternd die Klassenunterschiede und das Leben in Armut aufzeigt, ebenso wie das Denken und die Vorurteile, die damals vorherrschten. Ein Kampf ums Überleben und für die Rechte der Schwächeren.

Bewertung vom 08.09.2022
Jacobs, Anna

In der Weite das Glück / Töchter der Insel Bd.2 (eBook, ePUB)


gut

Rezension: In der Weite das Glück (Töchter der Insel Teil 2)
Autor/in: Anna Jacobs
Erschienen: 07/2022
Verlag: beHEARTBEAT
E-Book: 327 Seiten
Dies ist die Fortsetzung der Auswanderersaga um drei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Schicksal ihnen aber übel mitgespielt hat. Sowohl Keara, die aufgrund einer Intrige ihrer Dienstherrin nach Westaustralien verschifft wurde, als auch ihre beiden kleineren Schwestern Mara und Ismay, die durch einen Nonnenorden an das entgegengesetzte Ende Australiens gebracht werden, weil es keinerlei Menschen mehr gibt, die für sie sorgen können. Die Erzählung über die Erlebnisse der Geschwister, das große Missverständnis, welches zwischen ihnen liegt ist sehr emotional und eindrucksstark umschrieben, all die Gefühle, der Kummer, die Sorge, aber auch die unbändige Wut, weil man ihnen übel mitgespielt hat. Sie müssen mit vielen Unannehmlichkeiten und auch Ungerechtigkeiten zurecht kommen, und auch das wird sehr eindrucksvoll beschrieben, so dass man richtig mitgerissen wird. Es ist auch schön, all die Charaktere aus dem 1.Teil zu begleiten und zu sehen, wie sie Hoffnungen und Ziele umzusetzen versuchen. Dabei schafft es die Autorin, die landschaftlichen Eindrücke ebenso gut darzustellen, wie auch die Bräuche und Gepflogenheiten des Landes.
Die Suche nacheinander gestaltet sich durchgehend schwierig, denn sie werden auseinandergerissen, stecken in vielen brenzligen, teilweise sogar dramatischen Situationen und schwanken zwischen Glauben, Hoffnung und Verzweiflung.
Den Spannungspegel konnte die Autorin ganz gut halten, es gibt stets neue Wendungen, allerdings war es mir an manchen Stellen doch gelegentlich zu viel oder zu offensichtlich. Ismays Gefühlschaos erreichte einige Male meine Geduldsgrenze. So verständlich es ist, unter Verlusten zu leiden, aber ihr Gebaren und das von Theos Ehefrau Lavinia war mehrmals zu unerträglich und einige Passagen empfand ich einfach zu schmalzig.
Leider hat dieser Teil in meinen Augen ein wenig geschwächelt einiges zog sich etwas in die Länge oder wiederholte sich, während anderes dann wieder zu überstürzt und zu viel rüberkam. Einige Abläufe waren etwas suspekt, z.B. der Umgang mit Schwester Catherine und ihrem Anliegen.
Zum Schluss überschlugen sich die Ereignisse, aber man hatte den Eindruck, als wenn das Buch jetzt schleunigst zum Ende kommen musste und so wirkte es dann etwas überspannt, was mich dann doch einige Male die Stirn runzeln ließ.
Marks Schwiegermutter Nan, den sympathischen Malachi und seinen Reisegefährten Dan hab ich dagegen sehr ins Herz geschlossen und sie haben mir so einige Momente beschert, die mich sehr berührt haben.
Cover und Titel haben wieder den so typischen Erkennungsstil der Autorin und natürlich freue ich mich trotz allem, auch den letzten Teil der Trilogie zu lesen, denn ich möchte unbedingt das Finale mit Malachis Mutter Hannah erleben.

Bewertung vom 05.09.2022
Burow, Patrick

Der Diamanten-Coup


sehr gut

Rezension: Der Diamantencoup
Autor/in: Patrick Burow
Erschienen: 2022
Verlag: Benevento
gebundene Ausgabe 226 Seiten mit Farbschnitt
Es ist das erste Buch des Autors und ich bin angenehm überrascht. Ein TrueCrime Abenteuer, das auf dem Raubüberfall auf das Grüne Gewölbe in Dresden am 25.November 2019 basiert, dennoch eine Mischung aus echtem Fall und Fiktion ist. Die Gründe hierfür erklärt der Autor verständlicherweise im Anhang.
Die Kapitel sind kurz und abwechslungsreich geschrieben und springen zwischen verschiedenen Einsatz- und Ermittlungsorten. Als Leser erhält man hierdurch Einblick in die Ermittlungstätigkeit aber auch die weiteren Pläne der Diebesbande, wodurch die Spannung noch mehr gesteigert wird und man noch mehr in das Geschehen involviert wird. Zusätzlich erlebt man durch den Einsatz der Museumsleiterin und einem Kunstkenner noch eine weitere interessante Wendung, da hierdurch die Frage der wahren Täter noch erhöht wird.
Die Darstellung der Charaktere ist gut gewählt, was sowohl die äußerst passenden Spitznamen der Täter angeht, als auch die jeweiligen Angestellten und das Ermittlerteam, aber auch sämtliche Hehler und Untergrundpersonen.
Man muss sich im Kopf etwas von den bisher bekannten Abläufen des Falls verabschieden, denn der Verlauf des Buches ist doch ziemlich anders, aber dennoch gut und kurzweilig entwickelt ist.
Dennoch würde ich dem Buch nicht die Bezeichnung Thriller geben, denn wenn auch Spannung und das TrueCrime Gefühl da war, so doch nicht die Wirkung eines Thrills. Trotz einiger rasanter Geschehnisse hat mir das gewisse Etwas gefehlt und gewisse Vorahnungen haben sich bestätigt.
Aufgelockert wurde alles mit ein paar witzigen Einlagen und einer kleinen, wenn auch eher unscheinbaren Romanze am Rande.
Der Farbschnitt des Buches gefällt mir sehr gut und auch das Cover samt Titel laden ein, mehr über diesen unglaublich raffinierten Juwelenraub zu erfahren. Düster, geheimnisvoll, spannend.
Alles in allem ein unterhaltsamer Krimi mit überraschenden Wendungen, interessantem Plot und detaillierten zeitlichen Abläufen.