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Bartie
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Hagen i.Bremischen

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Insgesamt 213 Bewertungen
Bewertung vom 20.05.2020
Dieudonné, Adeline

Das wirkliche Leben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Angst und Faustschläge statt Liebe

Ein namenloses Mädchen erzählt über das Leben ihrer Familie, die eigentlich alles andere als normal ist. Der Vater verbringt seine Freizeit vor dem Fernseher, trinkt regelmäßig Whisky und ist ein leidenschaftlicher Jäger. Ein Zimmer im Haus ist nur mit seinen Jagdtrophäen vollgestopft. Die Mutter ist eine unscheinbare Frau, die sich um das Haus kümmert und schreckliche Angst vor ihrem jähzornigen Mann hat. Das Mädchen liebt über alles ihren vier Jahre jüngeren Bruder Gilles mit seinem Milchzahnlächeln. Eines Abends passiert ein schrecklicher Unfall, der das Leben der ganzen Familie verändert.

Diese Geschichte, die zuerst ein bisschen langweilig klingt, wird von Seite zur Seite spannender, die geschilderten Ereignisse wirken immer bedrohlicher. Das Mädchen, trotz ihres zarten Alters, ist eine aufmerksame Beobachterin und eine scharfsinnige Erzählerin. Sie findet deutliche, scharfe Worte um das Verhalten ihrer Eltern zu kritisieren.
So nennt sie ihren Vater einen Koloss, dessen Hände „den Kopf eines Kükens leicht abschlagen konnten“ (Zitat Seite 9). Ihre Mutter ist für sie „eine Amöbe“, die in ständiger Furcht vor ihrem Mann lebt und nur für das Zubereiten von Mahlzeiten zuständig ist.
Mit dem Fortschreiten der Geschichte merkt man, dass diese Kritik gerechtfertigt ist. Es wurde aber auch offensichtlich, dass vor allem das heranwachsende Mädchen ein normales Zuhause vermisst, die Elternliebe, Zuwendung, Wärme und Herzlichkeit.
Als der Vater eines Tages „mein Schatz“ zu ihr sagt, erzählt sie: „Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde gleich explodieren.“… „Die beiden kleinen Wörter schwirrten wie Glühwürmchen in meinen Ohren und flogen von dort hinunter in meine Brust, wo sie mehrere Tage lang leuchteten.“ (Zitat Seite 42)
Nach dem schrecklichen Unfall verfällt Gilles zuerst in eine Art Schockstarre. Dann beginnt er alle Tiere in der Gegend zu quälen und gerät dabei immer mehr unter den Einfluss des Vaters. Diese Ereignisse und die Worte der Geschichtenerzählerin Monica: »Es gibt Leute, die verdüstern euch den Himmel, stehlen euer Lachen oder setzen sich mit ihrem ganzen Gewicht auf eure Schultern, um euch am Fliegen zu hindern. Von solchen Menschen haltet euch bloß fern.“ (Zitat Seite 16) rütteln das Mädchen wach.
Als sie selbst dann von dem Vater zur Beute erklärt wurde, erkennt sie, dass sie zwar die Zeit nicht mehr zurückdrehen, dafür aber die Zukunft verändern kann.
„Das wirkliche Leben“ ist eine bewegende Geschichte über das scheinbar glückliche Leben, das in Wirklichkeit aber nur von Gewalt, Machtausübung, Dominanz, Furcht und Schrecken bestimmt ist. Die Bilder dieses grausamen Lebens sind erschütternd, manche Szenen sind kaum zu ertragen.
Diese dramatische Geschichte - packend geschrieben, hoch emotional, voller ausdruckstarken Bildern, die oft sprachlos machen - hat mich total in ihren Bann gezogen. Denn die Autorin weiß, wie man die Herzen der Menschen erreichen kann: „Geschichten sind dazu da, alles hineinzupacken, was uns Angst macht. Denn so können wir uns sicher sein, dass es nicht im wirklichen Leben passiert.«
Dem kann man nichts mehr hinzufügen!
Meine Empfehlung: das Buch unbedingt lesen!

Bewertung vom 23.04.2020
Grote, Tom

Wolfsburg!


weniger gut

Das Buch wurde in die Kategorie Liebesroman angeordnet. Für mich war es mehr ein Roman über das unfreiwillige Leben in einer Provinzstadt. Denn Jan wegen seiner Liebe von Berlin nach Wolfsburg umziehen musste und das hat ihm zuerst überhaupt nicht gefallen. Nach und nach findet er Gefallen an seiner neuen Lebenslage und vermisst die Hauptstadt nicht mehr.
Mir fehlte die Spannung in diesem Roman. Das Thema des Buches fand ich nicht besonders interessant.

Bewertung vom 23.04.2020
Oetker, Alexander

Zara und Zoë - Tödliche Zwillinge / Die Profilerin und die Patin Bd.2


ausgezeichnet

Zara von Hardenberg, die beste Profilerin von Europol und ihre Schwester Zoë, eine gefürchtete Killerin der korsischen Mafia, sind Zwillinge. Sie sehen gleich aus, aber vom Charakter her sind sie sehr unterschiedlich.
Beide gehen in ihrer Arbeit auf, obwohl ihre Ziele, ebenso wie die Arbeitsmethoden und Vorgehensweise total unterschiedlich sind.
Als Europol einen drohenden Terroranschlag in Europa verhindern will, bittet Zara ihre Schwester um Hilfe. Denn sie ahnt, dass man diese Aufgabe ohne Regeln zu brechen nicht bewältigen kann.

Auch in dem zweiten Band mit den ungleichen Zwillingsschwestern ist die rechtschaffene Zara auf die Hilfe ihrer kriminellen Schwester angewiesen. Und kein Mensch darf über den Rollentausch erfahren, nicht mal die engsten Mitarbeiter von Zara, nicht mal der Mafia-Boss von Zoe.
Unglaublich spannend ist die nächste Geschichte mit den tödlichen Zwillingen. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, musste immer weiterlesen. Die kurzen temporeichen Kapitel im lebendigen, prägnanten Schreibstil verfasst, verleiten gerade dazu.
Der Roman thematisiert unter anderen auch die hochaktuellen Themen, wie Fluchtlinge, Terror, Korruption, kriminelle Machenschaften.
Von großem Vorteil ist es, wenn man das erste Buch aus dieser Reihe gelesen hat. Denn in dem Band „Tödliche Zwillinge“ trifft man viele bekannten Protagonisten wieder. Auch die Familiengeschichte der Zwillingsschwester kann man so besser nachvollziehen.
Dieser Thriller mit rasanten kinoreifen Aktionen hat mir nicht nur spannenden Lesestunden beschert. Er hat mich in Gedanken nach Frankreich und Italien versetzt, Sehnsucht nach unbeschwerten Urlaubstagen, nach Stränden und Meer, nach Dolce Vita erweckt hat

Bewertung vom 20.03.2020
Böschen, Silke

Flammen am Meer / Träume von Freiheit Bd.1


ausgezeichnet

Der 11. Dezember 1875 war ein schwarzer Tag für Bremerhaven. Eine verheerende Dynamit-Explosion am Neuen Hafen forderte 81 Menschenleben, viele andere wurden schwer verletzt. Das Unglück hat unter anderem zwei junge Frauen und ihre Familien getroffen: Johanne Claussen und Cecilia Thomas.
Johanne Claussen aus Bremerhaven verliert bei dem Unglück fast ihre ganze Familie und die rechte Hand. Zum Glück kann sie ihr kleines Töchterchen Elsie retten. Cecilia Thomas, die Witwe des Attentäters, bleibt mit 4 kleinen Kindern allein. Ab sofort müssen beide Frauen selbst für ihren Unterhalt sorgen und ihr Leben meistern.

Mit anschaulichen Bildern der Katastrophe am Neuen Hafen beginnt die Autorin die bewegende Geschichte über das Leben zweier Frauen, die von diesem Unglück betroffen waren.
Mit viel Feingefühl erzählt Silke Böschen, wie die 20-jährige Johanne Claussen mit nur einer Hand ihr Leben weiterzuführen versucht. Johannes Trauer um ihren geliebten Ehemann ist unbeschreiblich groß. Ihr einziger Trost ist ihr kleines Töchterchen Elsie, die im Moment des Unglücks nicht mal ein Jahr alt war.
Cecilia Thomas hat bisher ein unbeschwertes, verschwenderisches Leben geführt. Die Explosion, die ihr Mann geplant und verursacht hat, verändert ihr Leben total. Ab sofort muss sie selbst für ihre vier kleine Kinder sorgen. Dabei besitzt sie kein Vermögen, nur ein paar Schmuckstücke, die sie für den Start in ein neues Leben einsetzen will. Sie wandert nach Amerika aus, wo sie in New York ein Modegeschäft eröffnet.
Trotz dieser schweren Schicksalsschläge geben beide Frauen nicht auf und versuchen mit allen Mitteln ihre Leben in den Griff zu bekommen.
Nicht nur die Lebensgeschichte der beiden Protagonisten ist sehr interessant. Die Autorin liefert lebhafte Bilder der damaligen Zeit. Sie führt den Leser durch die bienenfleißige Stadt Bremerhaven des 19. Jahrhunderts, erzählt über die Menschen, die dort lebten und arbeiteten, über Straßen und Geschäfte, über Auswanderer, die durch die Stadt gezogen sind, über den betriebsamen Hafen.
Auch über das damalige New York erzählt sie ausführlich. Ich fühlte mich buchstäblich in diese Zeit hineinversetzt, vor meinem inneren Auge sah ich faszinierende Bilder dieser Epoche.
Ich kann das Buch nur empfehlen. Die Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht, wurde von der Autorin sorgfältig recherchiert und mit viel Einfühlungsvermögen in einer wunderschönen bildhaften Sprache erzählt.
Das Buch „Träume von Freiheit – Flammen am Meer“ ist der erste Band der von der Autorin geplanten Trilogie. Ich bin schon gespannt auf weitere Bücher dieser Reihe.

Bewertung vom 06.12.2019
Oswald, Susanne

Der kleine Strickladen in den Highlands / Der kleine Strickladen Bd.1


sehr gut

Beim Aufräumen des Dachbodens im Haus ihrer Mutter entdeckt Maighread ein altes Fotoalbum und da drin das Foto des wunderschönen Hauses ihrer Großeltern. Nur widerwillig gesteht ihre Mutter, dass ihre Eltern noch am Loch Lomond leben und nicht, wie sie immer behauptet hat, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sind. Sonst schaltet sie auf stur und will nicht mehr darüber reden.
Da Maighread gerade von ihrem Freund verlassen wurde, entscheidet sie sich sofort nach Loch Lomond zu fahren um ihre Großeltern zu kennenlernen und die traurige Familiengeschichte aufzuklären. Dabei vergisst sie ihre Stricknadeln und Wolle nicht; sie ist nämlich eine begeisterte Strickerin.

Das neue Buch von Susanne Oswald versetzt den Leser in die herbstliche Highlands. Dort sollten die Großeltern von Maighread leben, die sie ihr ganzes Leben totgeglaubt hatte. Da Maighreads Mutter nichts mehr verraten will, versucht Maighread auf eigene Faust die ganze Wahrheit herauszufinden.
Aber ihre Großmutter will zuerst keinen Kontakt mit ihr und weist sie entschieden zurück. Doch Maighread gibt nicht auf. Sie bleibt in Loch Lomond, findet neue Freunde und neuen Job.
Diese Geschichte ist total spannend. Einfühlsam und mit viel Gefühl erzählt die Autorin wie Maighread um Versöhnung ihrer liebsten Mitmenschen kämpft. Der Kampf ist nicht einfach, doch er lohnt sich. Trotz einiger Verluste gelingt es ihr die Familie zusammenzubringen und ihre Träume und Wünsche zu realisieren.
„Der kleine Strickladen in den Highlands“ bietet gute Unterhaltung für alle Leser, die entspannen wollen. Es ist eine einfache, lebensnahe Geschichte, die man mit großem Interesse verfolgt. Die Hauptprotagonistin Maighred ist eine sympathische junge Frau, der man vom ganzen Herzen das Gelingen ihres Vorhabens gönnt.
Man erfährt auch Einiges über Schafe, Wolle und Stricken, was die Herzen der Strickenden höherschlagen lässt. Am Ende des Buches findet man ein Paar Strickanleitungen, die man unbedingt nachstricken will.
Zum Schluss der Geschichte gibt es einige überraschende Wendungen, die die ganze Geschichte noch spannender machen.
Dieses interessante Buch lässt sich wunderbar lesen. Genauso wie beim Stricken kann man dabei entspannen und die Seele baumeln lassen.

Bewertung vom 24.11.2019
Krantz, Gereon

Hinter blutroten Schatten


ausgezeichnet

Die Ermittlung in dem neuesten Mordfall - ein junger Mann wurde am Berliner S-Bahnhof vor den einfahrenden Zug gestoßen - sollte vom Ermittlerteam Vogt und Harder übernommen werden. Es stellt sich nämlich schnell heraus, dass hinter diesem grausamen Verbrechen kein Unbekannter steht. Alles deutet darauf hin, dass der ihnen bekannte Serienkiller erneut zugeschlagen hat.
Es wurde bald offensichtlich, was für einen perfiden Plan der Täter diesmal verfolgt. Mit allen Mitteln versuchen Vogt und Harder die weiteren Morde zu verhindern.

Der spektakuläre Mord am einem der Berliner S-Bahnhofe hat sofort mein Interesse geweckt. Vogt und Harder, die ich aus dem ersten Band „Unter pechschwarzen Sternen“ kenne, ließen mich auf eine spannende und unterhaltsame Lektüre hoffen. Ich wusste schon, dass ihre Ermittlungen alles andere als gewöhnlich sind und dass die beiden Kommissare für jede Überraschung gut sind.
Nachdem es klar wurde welchen Plan der Psychotherapeut diesmal ausgeklügelt hat, wurde es noch spannender. Die beiden Kommissare scheuen keine Mittel und Wege um den Psychopathen zu erfassen. Vor allem Harder überrascht immer wieder mit seinen verrückten Ideen.
Aber auch die anderen Charaktere sind skurril und ausgefallen. Manche von ihnen wirken sogar unglaubwürdig. Genauso wie letztendlich der Kommissar Harder selbst, der nicht nur sehr oft alle Vorschriften und Regeln missachtet, sondern auch seine seelischen Dämonen mit einem Biss in Chili bekämpft.
Vergeblich habe ich gehofft, dass der Autor diesmal mehr über Harders Vergangenheit und seine psychischen Probleme verrät.
Es gibt eine Menge an schwarzem Humor, aber leider konnte ich nicht immer mitlachen.
Auch wenn in diesem Krimi Vieles fraglich erscheint, bietet dieses Buch mit seinen temporeichen Aktionen, humorvollen Dialogen und Situationen, skurrilen Charakteren insgesamt gute Unterhaltung.

Bewertung vom 08.11.2019
Krantz, Gereon

Unter pechschwarzen Sternen


ausgezeichnet

Spannender Krimi - wärmstens zu empfehlen

Bei dem grausamen Mord an Veronika zeigt ihr charmanter Verehrer sein wahres Gesicht. Nach dem er die Leiche verarztet hat, stellt er sie in einer Berliner Unterführung zur Schau. Der grausige Fund erschüttert die Bevölkerung und die Ermittler.
Claudia Vogt und Thomas Harder, die nicht unterschiedlicher sein könnten, sind das Ermittlerduo. Die Führung der Ermittlungen übernimmt Vogt, eine junge Kommissarin, die Psychologie studiert hat und nur nach Dienstvorschriften handeln will. Harder hat bereits ein Disziplinarverfahren am Hals und seine Vorgehensweise bei den Ermittlungen ist umstritten. Er hat selbst psychische Probleme und muss oft mit seinen inneren Dämonen kämpfen. Die beiden wollen um jeden Preis den Täter finden. Und Harder hat nichts mehr zu verlieren.

Der Debütkrimi von Gereon Krantz hat mich von Anfang an in Atem gehalten. Der spektakuläre Mord an Veronika wurde penibel geschildert. Dabei konnte ich die Gedanken des Täters genau nachverfolgen und über sein eigentliches Tatmotiv spekulieren.
In den kurzen Kapiteln, die im lockeren, lebendigen Schreibstil gehalten sind, wurde der Verlauf der Ermittlungen geschildert. Nach und nach lernt man nicht nur das Ermittlerduo besser kennen. Es kommen neue Protagonisten, mit all ihren Stärken und Schwächen, dazu. Alle Charaktere sind sehr interessant und irgendwie skurril.
Die bildhaften Beschreibungen der Charaktere und Orte, lebendige Dialoge teilweise in derber Sprache gehalten, dazu eine große Portion Humor, wirken authentisch und beleben immens den Handlungsverlauf. Besonders der ungewöhnliche Umgang der beiden Ermittler miteinander, ihre spitzfindigen oder sogar abstrusen Gespräche, geben diesem außergewöhnlichen Krimi eine pikante Note. Und obwohl Einiges bei den Ermittlungen vorauszusehen war, gab es doch einige Wendungen und Überraschungen, die mich gepackt und gefesselt haben.
Für mich war es ein spannender Krimi, den ich mit Vergnügen gelesen habe. Gerne würde ich die weiteren Bücher dieser Reihe lesen.
Der Epilog lässt hoffen, dass es bald ein Wiedersehen mit Vogt und Harder gibt.

PS:
Es gibt bereits die Fortsetzung der Reihe mit dem Titel „Hinter blutroten Schatten“.

Bewertung vom 02.11.2011
Leimbach, Alida

Wintergruft


gut

Nach einem heftigen Streit mit ihren Mann Udo verschwindet Heike Meierbrink spurlos. Udo findet auf ihrem Schreibtisch einen computergetippten Abschiedsbrief. In dem Brief verkündet Heike, dass sie sich von ihrem Mann, mit dem sie eine Pfarrerstelle teilt, trennen will. Die ganze Sache kommt Udo suspekt vor und er erstattet eine Vermisstenanzeige bei der Polizei. Die wurde aber zuerst nicht ernst genommen.

Erst nachdem der Wagen der vermissten Pastorin auf einem Pendlerparkplatz gefunden wurde, beginnen die polizeilichen Ermittlungen. Dass es sich hier um ein Verbrechen handelt, zweifelt niemand mehr: im Auto wurden ein blutverschmierter Drehmomentschlüssel und Männer-Gummistiefel gefunden. Birthe Schöndorff und Daniel Brunner führen die Ermittlungen.


Der Krimi beginnt mit einem sehr spannenden Prolog: eine Frau wurde seit Tagen in einem Keller gefangen gehalten. Man fragt sich sofort, wer diese Frau ist und warum sie in diesem Loch abgesperrt wurde. Und als dann gleich am Anfang der Geschichte die Pastorin Heike Meierbrink spurlos verschwindet, versucht man aus dem Gelesenem Schlüsse zu ziehen und selbst zu ermitteln.

Doch das ist überhaupt nicht einfach: in dem Buch tauchen immer wieder neue Personen mit ihrem eigenen - privaten und beruflichen - Problemen auf. Zwar sind alle Protagonisten gut beschrieben und die Episoden aus ihren Leben sehr interessant, aber man fragt sich, was sie eigentlich mit dem Vermisstenfall zu tun haben. Die Nebengeschehnisse füllen die meisten Seiten dieses Buches, nur sporadisch erfährt man über den Krimifall und die polizeilichen Ermittlungen, die überhaupt nicht vorankommen. Auf diese Weise flacht die gleich am Anfang aufgebaute Spannung schnell ab.

Aber es gibt auch einige Pluspunkte für dieses Buch. Die Autorin, selbst mit einem Pfarrer verheiratet, enthüllt Details aus dem Leben in einer Kirchengemeinde. Sie lässt den Leser hinter die Kulissen dieser scheinbar heilen Welt schauen und beschönigt auch nichts. Die Charaktere sind interessant beschrieben, die Schilderungen oft mit einer Prise Ironie gewürzt.

Die Enthüllung des Täters und die Auflösung des Falles kommen dann ziemlich überraschend und lassen die Spannung wieder steigen. Über das Tatmotiv staunt man dann nicht schlecht. Die Episoden aus dem Leben der anderen Protagonisten sind wie Mosaiksteinchen, die zusammengesetzt ein Bild der Entstehung des Verbrechens in einer scheinbar intakten Welt abgeben.

Insgesamt hat mir das Buch doch gefallen. Zwar hätte ich mir für den Krimi ein bisschen mehr Spannung gewünscht, aber die flüssige und lockere Schreibweise lässt das Buch schnell zu Ende lesen. Ich hoffe, dass die vielen Protagonisten und ihre Erlebnisse auf eine Fortsetzung der Reihe deuten. Falls es eine Fortsetzung geben sollte, bin ich sehr darauf gespannt.

Bewertung vom 19.09.2010
Schrödter, Sybille

Die Lebküchnerin


gut

"Die Lebküchnerin" ist die Geschichte einer jungen Frau, die das Rezept für die berühmten Nürnberger Lebkuchen entwickelt hat. Benedicta hieß die junge Adelige, die nach dem Tod ihres Vaters von der bösen Stiefmutter in ein Kloster gesteckt wurde. Aber statt zu beten, mochte das Mädchen lieber in der Küche arbeiten. Dort, zusammen mit der neugewonnenen Freundin Agnes, buk sie Lebkuchen für die Nonnen. Und als der Bäcker von dem Nürnberger Provinzial krankt wurde, belieferte sie auch die Mönche in Nürnberg. Nach und nach verbesserte sie das Rezept und ihre Lebkuchen wurden zu Köstlichkeiten, die keiner mehr vermissen wollte.
Im Kloster Engelthal lernte sie auch Julian kennen, den Neffen der Priorin Leonore, der sehr oft seine Tante besuchen kommt. Die beiden verlieben sich ineinander und Benedicta will jetzt um jeden Preis dem Klosterleben zu entkommen. Und bald muss sie das sogar tun...
Ich habe das Buch als ein Märchen für Erwachsene empfunden und konnte mich beim Lesen gut entspannen. Die Geschichte um die Entstehung des Lebkuchenrezeptes fand ich interessant. Die Protagonistin Benedicta aber und ihre Lebensgeschichte ein bisschen übertrieben. Die junge Nonne konnte ohne besondere Schwierigkeiten aus dem Kloster fliehen, durch das Land mit ihrer Freundin ziehen und Zuflucht in Nürnberg finden. Alles schien einigermaßen einfach zu gehen und wäre da nicht die böse Stiefmutter – hätte es keine Schwierigkeiten gegeben. Und das wäre meiner Meinung nach in der Zeit um 1387 einfach unmöglich.
Auch die Liebesgeschichte fand ich zu flach und zu märchenhaft. Ich möchte an dieser Stelle keine Details verraten, deswegen werde ich es nicht näher beschreiben. Ich sage nur: Benedicta schien nicht nur ein sehr selbstbewusstes und vorlautes Mädchen zu sein. Sie war auch unerfahren und schwankend, wenn es um Gefühle ging.
Wenn jemand aber mit der historischen Wahrheit nicht so genau nehmen will und vielleicht von der schweren literarischen Kost ein bisschen Abstand braucht, dem kann ich diese Lektüre rund um die leckeren Lebkuchen wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 14.09.2010
Richardson, Paddy

Der Vogelbrunnen


ausgezeichnet

Angst im Dunkeln
Dein Haus scheint für dich das sicherste Ort auf der ganzen Welt zu sein. Du freust dich auf einen erholsamen Abend nach dem langen arbeitsreichen Tag. Du willst den Feierabend richtig genießen: beim guten Essen, deiner Lieblingsmusik, mit einem Glas Wein. Wahrscheinlich nickst du dann irgendwann ein.
Genauso wie Janine – die erste Opfer von Travis Crill. Sie wird plötzlich von einem Geräusch geweckt; hört jemand ihren Namen rufen. Und sieht in der Dunkelheit einen schwarzgekleideten Mann mit einem Messer in der Hand in ihrer Wohnung stehen. Davonlaufen kann sie nicht mehr.
Genauso wie Claire, eine alleinerziehende Mutter, die nach dem Tod ihres geliebten Mannes Alex angefangen hat zu schreiben. Als Journalistin schrieb sie für diverse Zeitschriften und gab im hiesigen Gefängnis Kurse in Kreativen Schreiben für die Häftlinge zu ihrer Resozialisierung. Um der Geldnot zu entkommen und das Studium ihrer Tochter Anna finanzieren zu können, nimmt sie den Angebot für Travis Crill eine Biographie zu schreiben, an. Und von da an beginnt ihre bisher heile Welt langsam zu bröckeln:
In einem Interview mit Claire spricht der charmante und reuevolle Travis beiläufig über Details, die eigentlich nur aus Claire Leben stammen könnten. Claire spürt auf einmal die drohende Gefahr, fühlt sich beobachtet und verfolgt. Auch in ihrem bisher sicheren Zuhause fühlt sie sich nicht mehr sicher. Und die bisher ungetrübte Beziehung zwischen Claire und ihrer Tochter Anna wird schwierig. Seitdem Claire für die Crills Biographie recherchiert, hat sie wenig Zeit für ihre Tochter. Und Anna gerät immer mehr unter schlechten Einfluss ihrer neuen Freundin Savannah und entzieht sich Claires Kontrolle. Bis sich eines Tages die Ereignisse überschlagen und Mutter und Tochter sich in tödlicher Gefahr befinden.
„Der Vogelbrunnen“ ist ein Thriller, der nicht nur für Gänsehautgefühl beim Lesen sorgt. Das Buch hat viel mehr zu bieten: Es ist eine gelungene und spannende Geschichte wie aus dem wahren Leben.
Die ganze Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Annie und Claire erzählt. Zwischendurch folgen die Kapitel mit Travis Gräueltaten. Die Überfälle in der Dunkelheit wurden so bildreich und intensiv beschrieben, dass man das Bedürfnis hat, sofort nachzusehen, ob alle Fenster und Türen im eigenen Haus abgeschlossen sind. Und ab sofort achtet man auf jedes Geräusch in der Umgebung.
Auch die Mutter-Tochter Beziehung wurde sehr spannend und realistisch dargestellt. Klar und sehr lebendig schildert die Autorin, wie es zu der Entfremdung zwischen Anna und Claire kommt.
Bei allen Themen verzichtet Paddy Richardson auf gewalttätige, grausame Szenen. Sie weiß alle Probleme und Konflikte behutsam und sensibel darzustellen und bedient sich einer ausdrucksvollen und bilderreichen Sprache. Ihr Erzählstil ist sehr ansprechend, man hat das Gefühl einer Freundin zuzuhören; egal, ob gerade Claire-die Journalistin, Claire-die Mutter oder die Tochter Anna erzählt.
„Der Vogelbrunnen“ sorgt nicht nur für Nervenkitzel und löst in der Dunkelheit Angstzustände aus. Das Buch ist eine Lektüre, die zum Nachdenken über die wichtigen aktuellen Probleme unserer Gesellschaft bewegt.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.