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Xirxe
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Hannover
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Insgesamt 876 Bewertungen
Bewertung vom 22.05.2019
Redondo, Dolores

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL


sehr gut

Als Manuel erfährt, dass sein Ehemann Alvaro bei einem Autounfall in Galicien ums Leben gekommen ist, macht er sich sofort auf den Weg dorthin. Zu seiner Überraschung erfährt er, dass Alvaro dort ein Doppelleben führte, von dem er keine Ahnung hatte. Trotz seines Schmerzes und seiner Enttäuschung beginnt er gemeinsam mit dem frisch pensionierten Polizisten Nogueira nachzuforschen, weshalb Alvaro starb - und ob es wirklich 'nur' ein Unfall war. Je mehr sie sich damit beschäftigen, umso unglaublicher werden ihre Entdeckungen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen.
Es ist eine erstaunliche und spannende Geschichte, die hier nach und nach offenbart wird. Viel erfährt man über das Leben des alten spanischen Adels, der offenbar noch immer eine grosse Zahl von Privilegien geniesst, obwohl der Höhepunkt seiner Macht schon lange überschritten ist. Doch die Autorin ist auch den 'normalen' Menschen sehr zugetan, die sie ebenso wie diesen spanischen Landesteil voller Zuneigung ausführlich beschreibt. Man sieht beim Lesen buchstäblich die beeindruckenden Landschaften vor sich und bekommt zusehends Lust, sich alles selbst anzuschauen (zumindest bei mir wuchs dieses Bedürfnis stetig :-)).
Der Kriminalfall entwickelt sich zu Beginn eher bedächtig, denn es ist vergleichsweise lange unklar, ob tatsächlich überhaupt ein Verbrechen vorliegt. Blut fliesst kaum und manchmal ist es fast schon etwas langatmig, wenn Manuel wiederholt seinen Gedanken nachhängt. Doch das Tempo zieht an und gegen Ende scheinen sich die Ereignisse beinahe zu überschlagen.
Ein guter Schmöker, auch wenn ich ihn nicht so gelungen finde wie beispielsweise 'Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert' von Joël Dicker. Zwar ereignen sich auch bei 'Alles was ich Dir geben will' eine Reihe von verblüffenden Geschehnissen, doch bei Weitem nicht in der Menge und Intensität. Irgendwie ahnt man stets doch schon, was ungefähr passieren wird. Auch die Figuren sind in ihrer Persönlichkeit eher eindimensional - entweder gut oder böse, grosse Überraschungen gibt es nicht. Dennoch: Alles in allem keine schlechte Unterhaltung.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2019
Croft, Kathryn

Als Grace verschwand


sehr gut

Als die junge Grace Simone Porter anspricht und behauptet, ihre Tochter zu sein, ist Alles wieder da. Der grosse Schmerz und das Leid, als vor 18 Jahren ihre sechs Monate alte Tochter Helena verschwunden ist. Nichts, keine Spur, kein Lebenszeichen hat es seitdem von ihr gegeben und und Simone und ihr Mann haben mühevoll gelernt, mit diesem Verlust zu leben. Sie misstraut der jungen Frau, doch als diese ein Stofftier vorzeigt, das Helena gehörte, beginnt sie ihr Misstrauen abzulegen. Gemeinsam wollen sie nach der Wahrheit suchen, doch plötzlich ist Grace verschwunden. Simone macht sich auf die Suche und findet sich wieder in einem Gespinst aus Täuschungen, Lügen und Unwahrheiten.
Was ist diese Story spannend! Ich habe die rund 350 Seiten in gerade einmal zwei Tage durchgelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, was hinter all diesen seltsamen Zusammenhängen steckt und ich mir absolut keinen Reim darauf machen konnte, wie das alles zusammenhängen sollte. Irgendjemand schrieb, es wäre bereits von vornherein klar, aber ich habe dazu vielleicht zu wenig Thriller und Krimis gelesen; ich war ständig aufs Neue überrascht.
Trotzdem hat dieses Buch einige Mängel. Es gibt reihenweise Unplausibles und nicht Nachvollziehbares: Wieso passierte während der 18 Jahre nichts? Arztbesuche gab es nur zu Beginn? Und dann? Und wie kann Ginny sooo blauäugig sein? (Wer das Buch nicht gelesen hat, kann damit vermutlich nicht viel anfangen. Aber ich will nicht spoilern ). Das ist Alles wirklich ein wenig zu dick aufgetragen.
Auch der Schreibstil ist eher schlicht. Mehrmals wird am Ende eines Kapitels versucht, zusätzliche Spannung zu erzeugen, indem jemand (insbesondere Abbott) telefonisch nicht erreichbar ist. Dabei wäre das überhaupt nicht nötig, die Geschichte ist derart packend, dass solch künstlich erzeugte 'Cliffhanger' überflüssig sind. Oder die Beschreibung eines Übertäters: "... er tritt ein, mit verzerrtem Gesicht und einem bedrohlichen schiefen Grinsen." Hallo, Klischee lässt grüssen
Doch die Spannung machte diese Mängel wett, zumindest bei mir. Wer also über die genannten Schwächen hinwegsehen kann, wird einige wirklich packende Lesestunden haben.

Bewertung vom 17.05.2019
Kitzler, Albert

Vom Glück des Wanderns


sehr gut

Wer mit Wandern nicht viel am Hut hat, aber gerne über den Sinn und Unsinn des Lebens nachdenkt, wird es nach dem Lesen dieses Buches eventuell doch mal mit Wandern versuchen. Denn Vieles, was sich durch reines Nachdenken und Reflektieren vielleicht nur mühsam erarbeiten lässt, wird einem beim Wandern praktisch in den Schoß gelegt.
Und begeisterte Wandernde, denen Philosophie bisher als abgehobene Wissenschaft erschienen ist, werden überrascht feststellen, wie eng verbunden ihre Lieblingsbeschäftigung mit der Philosphie beziehungsweise dem Philosophieren ist.
Wie bereits in seinen bisherigen Büchern ist Albert Kitzlers Thema die praktische Philosophie mit dem Schwerpunkt 'Wie lebe ich ein gutes Leben' - so auch der Titel eines seiner Bücher. Selbst ein überzeugter Wanderer stellte er fest, dass viele der Erkenntnisse der klassischen Philosophen sich ohne große Anstrengung beim Wandern fast von alleine ergeben und sogar umsetzen lassen. Es geht um die Freude am Leben und an den einfachen Dingen, um innere Ruhe, die Einstellung zum Tod und vieles mehr. Kitzler greift Zitate und Aussagen der großen alten Denker aus Griechenland, China und Indien auf, die er in Verbindung zum Wandern wie auch zu unserer heutigen Zeit setzt und verständlich erklärt und erläutert.
Dieses Buch ist nicht nur bestens geeignet für eine mehrtägige Wanderung, sondern auch eine empfehlenswerte und lohnende Lektüre für jeden Tag. Wie auch all die anderen Bücher von Albert Kitzler.
'Nur' vier Punkte gibt es, weil für mich dieses Mal der Erkenntnisgewinn eher klein ausgefallen ist. Was schlichtweg daran liegt, dass ich bereits zwei andere Bücher gelesen habe, die teilweise das gleiche Thema betreffen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2019
Bronsky, Alina

Der Zopf meiner Großmutter


ausgezeichnet

Mit knapp sechs Jahren kommen der kleine Max und seine Grosseltern als Kontingentflüchtlinge aus der Sowjetunion in Deutschland an, wo sie in einem Auffanglager untergebracht werden. Von seiner Grossmutter ständig als Idiot tituliert, umsorgt und umhegt sie ihn dennoch (oder gerade deshalb) wie ein blindes Katzenjunges. Laut ihrer Meinung leidet er an chronischer Bronchitis, chronischer Sinusitis, chronischer Gastritis, mittelgradige Myopie, Allergien und noch vielem mehr. Und ausschliesslich ihrer aufopferungsvollen Pflege ist es zu verdanken, dass er heute noch lebt. Nur schweren Herzens lässt sie ihn in der Schule allein; sicher, dass er dort stets knapp am Rande des Todes steht. Aber wider Erwarten überlebt er diese Herausforderungen und registriert statt dessen immer öfter, dass seine Grossmutter doch nicht stets recht hat. Und dass sein Grossvater beginnt, noch ein anderes Leben zu führen.
Mäxchens Grossmutter ist die eigentliche 'Heldin' der Geschichte, auch wenn ihr Enkel hier als Ich-Erzähler fungiert und von seiner Kindheit berichtet. Seine Oma ist das Grauen in Person, drangsaliert ihr gesamtes Umfeld mit ihrem Rassismus, ihrer Rechthaberei, Unverschämtheit und Tyrannei, ihrem Reinlichkeitsfimmel und der ständigen Angst, ihrem Enkel könne etwas zustossen. weshalb sie ihn kaum aus den Augen lässt. Und trotzdem war ich ständig am Lächeln beim Lesen dieses Buches, denn Alina Bronsky gelingt das Wunder, diese eigentlich schreckliche Frau sowie die entsetzliche Atmosphäre trotz aller Widerwärtigkeiten in einen Hort des Mitgefühls und der Liebe zu verwandeln. Denn man mag es kaum glauben, auch die Grosseltern haben Gefühle. Während der Grossvater sie jedoch in sich verschliesst und nur sehr selten nach aussen dringen lässt, verwandelt die Grossmutter sie in lautstarkes Misstrauen und Beleidigungen. Man ahnt schnell, dass da mehr dahintersteckt als der Frust und die Trauer um die verlorene Heimat, doch erst am Ende offenbart sich in gerade einmal drei kurzen Sätzen das Drama, dass der Grund für die Reise nach Deutschland war.
Eine herrliche Lektüre, die nur einen Nachteil hat: Sie ist viel zu kurz ;-)

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.04.2019
Stein, Uli

Katzen!


sehr gut

Uli Stein ist vermutlich den meisten etwas älteren Lesenden ein Begriff: seine Menschen mit der typischen Knubbelnase, die sich häufig in eine nicht so schöne Situation bringen, was dann wunderbar kommentiert wird. Und liebenswerte Tiere (bevorzugt Katzen, Hunde und Mäuse), die die gleichen großen, erstaunten Augen haben wie die Menschen und ausgesprochen menschliche Verhaltensweisen an den Tag legen.
Mittlerweile ist Uli Stein im 73. Lebensjahr und kommt offenbar nicht mehr so viel zum Zeichnen wie früher, sodass dieses 2018 erschienene Buch leider keine neuen Bilder enthält, sondern eine breite Auswahl aus bereits erschienen präsentiert. Als treuer Fan wird man vermutlich nicht allzu viel Unbekanntes entdecken, aber für alle Anderen ist es eine gute Möglichkeit, sich einen Eindruck von Steins Humor und Zeichenkunst zu verschaffen. Obwohl ich früher viel von ihm gelesen habe (und auch einige Bücher besitze), hat mich die Katzenzusammenstellung gut amüsiert und einige neue Sachen habe ich auch entdeckt. Und als Geschenk für KatzenliebhaberInnen ist es schlicht unschlagbar ;-)

Bewertung vom 26.04.2019
Hauser, Franziska

Die Gewitterschwimmerin


gut

Als der 60jährigen Tamara Hirsch mitgeteilt wird, dass ihre Mutter gestorben ist, setzt dies einen Erinnerungsstrom in Gang, der Tamara ihr ganzes Leben vor Augen stellt. Parallel dazu wird die Geschichte ihrer Vorfahren erzählt, beginnend mit dem sechsjährigen Friedrich Hirsch, Tamaras Grossvater. Er und seine Eltern sind Juden, die bereits seit langer Zeit im badischen Endingen leben und erfolgreich eine Schneiderei betreiben. Dennoch gehören sie nicht dazu, was ihnen immer wieder deutlich gemacht wird. Friedrich wird ein erfolgreicher Mathematikprofessor, doch als der Nationalsozialismus sich in Deutschland breit macht, muss er erkennen, dass er und seine Familie unerwünscht sind. Es zerstreut sie in alle Himmelsrichtungen, Friedrichs Kinder wenden sich voller Hingabe dem Kommunismus zu und wie durch ein Wunder finden sie sich alle nach Kriegsende wieder. Sie beginnen ein neues Leben in der DDR und haben dort ebenfalls Erfolg; doch der Krieg hat Spuren hinterlassen, mit denen nicht nur Friedrichs Kinder, sondern auch seine Enkel sehr zu kämpfen haben.
Es ist unglaublich, was den einzelnen Mitgliedern dieser Familie widerfährt, vom moralischen Abgrund bis zu schwindelerregenden Höhen durchqueren sie praktisch jeden erdenklichen Punkt. Es gibt Demütigungen, Gewalt, sexuellen Missbrauch, aber auch die reine Lebensfreude, Ehrungen, Würdigungen, Luxus - die Familie lässt nichts aus. Eine Achterbahn von Erlebnissen und Gefühlen, die insbesondere die Generation Tamaras zeitlebens daran hindert, Glück zu empfinden. Doch ihre Eltern sind ebenfalls durch die Kriegserlebnisse schwer gezeichnet, wenn auch beide aus unterschiedlichen Gründen.
Eigentlich eine grandiose Familiengeschichte, denn die Autorin hat zudem einen sehr eindringlichen Sprachstil: "Sie hatten jahrelang die Zähne zusammengebissen vor Angst, und die Angst hatte ihnen die Kieferknochen zermahlen."- "Offenbar bin ich in einem System groß geworden, das mit dem Erwachsenwerden seiner Kinder nicht gerechnet hat." Doch zwei Dinge lassen mich hadern mit diesem Roman.
Zum einen ist es die Nichtreflektiertheit fast aller ProtagonistInnen, die sich weigern, sich mit ihrer Vergangenheit und den daraus resultierenden Verletzungen auseinanderzusetzen. Stattdessen wird auf Teufel komm raus gelebt, um Alles zu vergessen, auch wenn es den Kindern die grössten Schmerzen zufügt. Bei der Kriegsgeneration ist dies vielleicht noch halbwegs nachzuvollziehen, aber bei deren Kindern? Insbesondere Tamara mit ihrer Wut und Aggression gegen alles und jeden wurde mir immer unsympathischer, auch wenn diese durch die Ursachen nachvollziehbar wurden.
Zum andern habe ich so meine Schwierigkeiten mit der Erzählweise. Tamara erzählt chronologisch rückwärts ausgehend vom Tod ihrer Mutter, immer mit mehreren Jahren Abstand dazwischen. Zwischen ihren Abschnitten findet sich die Geschichte Friedrichs und seiner Söhne, diese aber chronologisch vorwärts, auch hier mit grösseren Zeitabständen. Zum Verständnis hier der Aufbau der ersten 100 Seiten: 2011, 1889, 1996, 1903, 1991, 1918, 1989, 1932, 1986, 1933 usw. Ich mag diese Form des Erzählens nicht allzu sehr, da ich durch diese ständigen Wechsel sowohl zeitlich wie auch personell keine richtige Beziehung zu den Figuren aufbauen kann. Man springt hin und her und zumindest zu Beginn musste ich ständig den glücklicherweise auf der letzten Seite vorhandenen Stammbaum der Familie zu Hilfe nehmen.
So bleiben letztendlich gemischte Gefühle.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.04.2019
Calberac, Ivan

Der Sommer mit Pauline


ausgezeichnet

Émile, 15 Jahre, ist bis über beide Ohren verliebt. Er kann sein Glück kaum fassen, als seine Angebetete ihn einlädt, sie in Venedig zu besuchen, wo sie in einem Jugendorchester einen Auftritt hat. Doch zu seinem Entsetzen entschliesst sich der Rest seiner Familie, die Gelegenheit zu nutzen und auf diese Weise gemeinsam einen Kurzurlaub in Venedig zu verbringen.
'Der Frühling mit Pauline' hätte als Titel deutlich besser gepasst als 'Der Sommer ...', denn die Geschichte spielt vom 12. März bis zum 30. April. Es sind Tagebucheinträge von Émile, der auf diese Weise versucht in Worte zu fassen, was ihn zur Zeit so beschäftigt und verwirrt: seine Gefühle für Pauline. Da er Klassenbester und ein Matheass ist (obwohl ihm nach eigener Auskunft Worte mehr liegen), sind seine Berichte entsprechend gut gelungen. Die Beschreibungen seiner Verzweiflung, wenn seine chaotische Familie sich mal wieder viel zu sehr in sein Leben einmischt, sind so herrlich amüsant übertrieben, dass das Mitgefühl für den jungen Mann schnell zugunsten der Heiterkeit verschwindet. "Mir war so schwer ums Herz, dass ich vor dem Einschlafen wieder zu heulen anfing. Ich wollte an diese Leidstelle beim Katastrophenschutz schreiben, damit sie sich um mein Elend kümmert, aber das ist bestimmt auch so eine Sache, die ich noch nicht darf. ... Das Bett nässe ich nicht mehr ein, aus dem Alter bin ich raus, nur noch das Kopfkissen. Keine Ahnung, ob das besser ist, immerhin trocknen Tränen schneller und stinken nicht, und man muss nicht groß Wäsche machen am nächsten Morgen."
Doch nicht nur seine Verzweiflungsausbrüche sind lesenswert, sondern auch seine fast schon philosophischen Überlegungen. Wie wohl beinahe alle Jugendlichen in diesem Alter stellt er sich Fragen und macht sich Gedanken zum Sinn und Unsinn des Lebens, die so wunderbar geschrieben sind, dass man sie aufschreiben und an die Wand hängen könnte: "Es müsste wirklich einen Minister fürs Innere geben, für innerliche Leere, Gefühle und Hemmungen überhaupt, der hätte alle Hände voll zu tun. Aber der normale Innenminister kümmert sich nur ums Aussen. Am liebsten bringt er Leute aus seinem Land heraus, jeden in seine Heimat, auch wenn es die nicht mehr gibt. Aber dem Gesundheitsminister geht es ja auch eher um die Kranken. Diese Titel sollen den Feind verwirren, sagt mein Vater, und der Feind sind anscheinend wir."
Ein durchweg schönes und humorvolles Buch für Jugendliche und Erwachsene über die Zeit der ersten Liebe, die trotz aller Freuden auch ziemlich anstrengend sein kann.

Bewertung vom 15.04.2019
Dicker, Joël

Das Verschwinden der Stephanie Mailer


gut

In einer kleinen Stadt beschäftigt sich die talentierte Journalistin Stephanie Mailer mit einem Verbrechen, das 20 Jahre zurückliegt. Vier Menschen wurden damals ermordet und der Täter nach langen Untersuchungen ermittelt. Doch Stephanie Mailer hat Zweifel an diesem Ergebnis und es gelingt ihr, die damals mit dieser Angelegenheit beauftragten Cops mit ihren Zweifeln anzustecken. Als sie auch noch als vermisst gemeldet wird, ist bald Allen klar: Dieser alte Fall ist noch immer nicht abgeschlossen.
Wer den Erstling ‚Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert‘ von Joël Dicker gelesen hat, wird schnell feststellen, dass eine Reihe von Ähnlichkeiten vorhanden ist: ein lang zurückliegender Fall; viele unerwartete Wendungen; die meisten Personen haben etwas zu verbergen; das Offensichtliche ist garantiert nicht die Wahrheit. Doch leider erreicht dieses dritte Buch des Autors nicht die Qualität von ‚Harry Quebert‘.
Je länger die Suche nach der Wahrheit andauert, umso mehr Figuren stehen zumindest zeitweise im Mittelpunkt, deren Geschichte ebenso wie die aller Anderen ausführlich erzählt wird. Leider auch dann, wenn sie mit dem eigentlichen Fall nichts bzw. nur wenig zu tun haben, sodass man sich fragt: Wozu dafür nun 50 oder mehr Seiten? Kein Zweifel, Joël Dicker kann erzählen. Aber warum bei einer derart komplexen Geschichte noch zusätzliche Episoden hinzugefügt werden, die zum eigentlichen Ganzen nichts beitragen, bleibt mir unverständlich. Vielleicht um die 600er-Seitenzahl zu überschreiten?
Das zweite Manko ist die Exzentrik einzelner Figuren, insbesondere die des ehemaligen Chief Kirk Harvey. Diese Witzfigur ist derart überzogen dargestellt, dass ich sie nicht ernst nehmen konnte und mich immer wieder kopfschüttelnd fragte: ‚Was soll das?‘ Völlig unglaubwürdig wird es, als er trotz seines abstrusen Verhaltens (erinnerte mich ein bisschen an Rumpelstilzchen) umschmeichelt und verehrt wird, anstatt ihn einfach vor die Luft zu setzen.
Doch trotz meiner Mäkeleien ist es ein spannender und unterhaltsamer Krimi, der darauf hoffen lässt, dass das vierte Buch des Autors es durchaus wieder mit der Qualität von ‚Harry Quebert‘ aufnehmen kann.

Bewertung vom 15.04.2019
Dueñas, María

Eine eigene Zukunft


sehr gut

Eine neue Heimat, eine unbekannte Sprache, fremde Gesichter - es ist wirklich eine neue Welt, die die drei spanischen Schwestern Victoria, Mona und Luz im Jahre 1936 in New York eher widerwillig betreten. Ihr Vater hat sie und ihre Mutter aus dem armen Südeuropa geholt, um für sich und seine Familie in Amerika ein neues Leben aufzubauen. Ein Restaurant soll dies ermöglichen, El Capitán, und obwohl die Aussichten nicht sehr rosig sind, arbeiten sie weiter und weiter. Bis der Vater bei einem Unfall stirbt und keine der Frauen mehr weiß, wie es weitergehen soll. Zurück wollen sie, nach Spanien, doch sie haben Schulden und die Überfahrt ist teuer. Da eröffnet sich ihnen eine ungeahnte Möglichkeit, die sie umgehend nutzen wollen; doch plötzlich gibt es eine weitere Chance, die noch erfolgversprechender scheint.
Es sind aufregende Monate und Jahre, in denen man die sehr unterschiedlichen Schwestern auf ihren Wegen in der neuen Heimat begleitet. Die Autorin beschreibt das Leben der Drei beispielhaft für die vielen (sicherlich nicht nur) spanischen ImmigrantInnen, die mit viel Mühe danach streben, sich eine neue Existenz aufzubauen. Ohne die Hilfe und Solidarität ihrer schon länger dort lebenden Landsleute hätten sie vermutlich kaum eine Chance, denn immer wieder geraten sie an Menschen, die versuchen, ihre prekäre Existenz zum eigenen Vorteil auszunutzen. Obwohl alle Drei starke Persönlichkeiten mit einem unbeugsamen Willen sind, kommen sie angesichts windiger Künstleragenten und krimineller Rechtsanwälte doch an ihre Grenzen.
Ein allwissender Erzähler begleitet die Geschichte, sodass man nicht nur die Schwestern im Blick hat sondern auch jene, die sie unterstützen und ihnen zugetan sind. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb man den Hauptfiguren nicht so nahe kommt, wie es in manch anderen Büchern der Fall ist. Die Szenenwechsel sind manchmal abrupt und es gilt so Vieles im Blick zu behalten, dass es auf diese Weise einfach schwierig ist, eine größere Nähe zu den Protagonistinnen aufzubauen. Trotzdem ist es eine unterhaltsame und lesenswerte Lektüre, die zudem zeigt, wie mühsam es ist, sich ein neues Leben in der Fremde aufzubauen.

Bewertung vom 05.04.2019
Weisgarber, Ann

Unter Heiligen


sehr gut

Unser Nächster ist jeder Mensch, besonders der, der unsere Hilfe braucht. (Luther)
Ein scheinbar einfacher Satz, der jedoch alles andere als einfach umzusetzen ist. Davon erzählt dieses Buch in einer ungewöhnlich schlichten Sprache, die vielleicht gerade deshalb umso eindringlicher wirkt.
Während eines kalten Winters im Jahre 1888 im Staate Utah wartet Deborah wie jedes Jahr auf die Rückkehr ihres Mannes Samuel, der mehrere Monate zum Arbeiten unterwegs ist. Sie leben in einer kleinen Siedlung, die aus acht Familien besteht und ebenfalls Mormonen sind. Alle haben sich dort ein neues Leben aufgebaut, etwas entfernt von ihrer Kirche mit ihren autoritären und strengen Regularien. Doch sie fühlen sich weiter ihrer Glaubensgemeinschaft verbunden, sodass sie Mitgliedern, die wegen Polygamie auf der Flucht sind, helfen, auch wenn sie deren Einstellung nicht teilen. Als es eines Abends an Deborahs Tür klopft, ist ihr klar, dass sie helfen muss. Doch sie ahnt nicht, dass sie damit ihre ganze Umgebung in große Gefahr bringt. Und ihre Hilfe noch viel stärker beansprucht werden wird.
Beginnt man mit dem Lesen dieses Buches, ist man vermutlich zu Beginn etwas verwundert über die doch sehr einfache Sprache. Die Sätze sind häufig kurz, fast schon knapp: "Entsetzen durchfuhr mich. Ich stand auf. Der Raum schwankte. Ich setzte mich an den Tisch." Man sollte sich etwas Zeit lassen, um sich an diesen Stil zu gewöhnen, denn recht bald schon kann man sich gut in das Innenleben der Protagonisten hinein versetzen. Erzählt wird immer wieder abwechselnd nach mehreren Kapiteln aus der Sicht Deborahs und dem Stiefbruder ihres Mannes Nels, deren Erlebnisse sowie steten Gedanken (oder Selbstgesprächen) man begleitet.
Zu Beginn ist Deborah voller Angst, Samuel kehrt einfach nicht zurück, und sie überlegt ständig, was wäre wenn. Sie beschwört das Schlimmste herauf und vielleicht gerade durch diese schlichte Sprache entwickelt sich ein unterschwelliges Gefühl der Gefahr, die langsam aber unvermeidbar auf die Siedlung zukommt. Später begleitet sie ihre Handlungen mit stets wiederkehrenden Gedanken, die letzten Endes um die Frage kreisen: "Kümmere ich mich um den Menschen in Not, auch wenn es für meine Lieben Nachteile und/oder Gefahr bedeuten könnte?" Man spürt ihre Schwierigkeiten, hier eine Antwort zu finden, und fühlt sich selbst fast ebenso betroffen. Mir ist es zumindest so ergangen.
Eine Geschichte (nicht nur) über das Gebot der Nächstenliebe und wie schwierig es ist, tatsächlich danach zu leben.