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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 784 Bewertungen
Bewertung vom 08.02.2021
Dürrenmatt, Friedrich;Pelster, Theodor

Der Richter und sein Henker von Friedrich Dürrenmatt: Lektüreschlüssel mit Inhaltsangabe, Interpretation, Prüfungsaufgaben mit Lösungen, Lernglossar. (Reclam Lektüreschlüssel XL)


sehr gut

Hilfreiche Interpretationsansätze

„Der Richter und sein Henker“ zählt zu Friedrich Dürrenmatts Frühwerken. Es handelt sich um einen Kriminalroman, in dem es nicht nur um die Aufklärung eines Mordfalles geht, sondern um Grenzen des Rechtsweges und insbesondere um Grenzüberschreitungen bei der Anwendung von Methoden, mit denen Gerechtigkeit eingefordert werden kann, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist oder versagt.

Der Lektüreschlüssel enthält eine übersichtliche Inhaltsangabe, Beschreibungen der Protagonisten Bärlach, Gastmann, Dr. Lutz, Tschanz und des namenlosen Schriftstellers, einschließlich der Darstellung des Beziehungsgeflechts und auf 24 Seiten Interpretationsansätze zum Roman. Bei den Beschreibungen der Figuren habe ich Nationalrat von Schwendi, den dominanten Anwalt von Gastmann, vermisst.

Eine Biographie Friedrich Dürrenmatts einschließlich einer Übersicht mit kurzen Beschreibungen seiner Werke schließen sich an. Für Schüler und Studenten dürften die Prüfungsaufgaben mit Lösungshinweisen hilfreich sein. Fremdwörter im Text werden ebenso erklärt wie wichtige Begriffe zur Interpretation. Der Lektüreschlüssel ist ein geeignetes Hilfsmittel zum Verständnis und zur literarischen Einordnung des Romans.

Bewertung vom 06.02.2021
Dürrenmatt, Friedrich

Der Richter und sein Henker


ausgezeichnet

Recht und Gerechtigkeit

Der Schweizer Dorfpolizist Alphons Clenin kontrolliert bei einer Routinefahrt in der Nähe von Lamboing, Kanton Bern, einen am Straßenrand abgestellten blauen Mercedes. Zu seiner Überraschung stellt er fest, dass der Fahrer erschossen wurde. Bei dem Toten handelt es sich um Polizeileutnant Ulrich Schmied. Schmieds Vorgesetzter Kommissär Bärlach leitet eine Untersuchung ein. Warum sein junger Mitarbeiter Tschanz den Mord aufklären soll, erweist sich als weitsichtiger Winkelzug Bärlachs.

Die Protagonisten sind der unterschätzte Stratege Bärlach, sein von Neid geplagter Mitarbeiter Tschanz, der einflussreiche Kriminelle Gastmann, sein zwielichtiger Anwalt und Nationalrat von Schwendi und der mit Blindheit geschlagene Chef der Berner Kriminalpolizei Dr. Lutz. Eine besondere Nebenrolle kommt dem namenlosen Schriftsteller zu, der sich in der intellektuellen Beobachterrolle verortet, Gastmanns dunkle Seite kennt und mit seinen Anspielungen die Romanebene überschreitet.

Im Zuge der Aufklärung kristallisieren sich die unterschiedlichen Motive der Personen im Umfeld des ermordeten Polizisten heraus. Nach und nach wird ein Spannungsfeld sichtbar, dessen Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen. Es wird deutlich, wer wen hinters Licht führt. Menschen werden wissentlich und unwissentlich instrumentalisiert, um persönliche Ziele zu erreichen. Es geht in diesem Roman nicht nur um die Aufklärung des Mordfalles, sondern um Grenzüberschreitungen.

Friedrich Dürrenmatt zeichnet kein schwarz-weiß Bild der Welt, hier die Guten und dort die Bösen. Die Wirklichkeit ist viel komplexer, als menschliche Ordnungsstrukturen uns weismachen wollen. Persönliche Motive überlagern diese Strukturen, höhlen diese aus. Sie haben ein hohes Gewicht, sie bestimmen die Handlungen der Protagonisten. Der Einzelne gerät in Konflikt mit der Gesellschaftsordnung, legt diese zur Befriedigung eigener Bedürfnisse subjektiv aus.

Im Fokus stehen Recht, Gerechtigkeit, Schuld und Verantwortung. Mit welchen Mitteln darf Gerechtigkeit eingefordert werden, wenn rechtliche Wege ausgeschöpft sind? Mit welchen Mitteln darf das Böse bekämpft werden? Wo liegen die Grenzen persönlicher Motive? Der Roman besitzt Tiefe, die über den reinen Kriminalfall hinausgehen. Er wirft Fragen auf und hinterlässt Spuren. Damit bietet er eine Diskussionsgrundlage für die Auslotung der Grenzen von Recht und Gerechtigkeit.

Bewertung vom 02.02.2021
Dostojewskij, Fjodor M.

Werdejahre


sehr gut

„Der Jüngling“ („Werdejahre“) ist der vierte von fünf Romanen, die zu Dostojewskijs Hauptwerken zählen. Protagonist ist der 19-jährige Abiturient Arkadi Makarowitsch Dolgoruki, außerehelicher Sohn von Andrej Petrowitsch Wersilow und dem Dienstmädchen Sofja Andrejewna Dolgoruki. Letztere ist mit dem Gärtner Makar Iwanowitsch Dolgoruki verheiratet.

Damit hat Arkadi zwar einen Vater aus dem Adelsstand, er selbst gehört aber nicht dazu. Dieses „zwischen den Stühlen sitzen“ belastet ihn in seiner Schulzeit und späteren Entwicklung. Er ist naiv, unbeherrscht, verliert sich in Idealen und findet seine gesellschaftliche Rolle nicht. Seine Entwicklung über einen Zeitraum von mehreren Monaten macht den Kern des Romans aus.

Ich-Erzähler Arkadi erzählt seine Geschichte, deutet künftige Ereignisse und künftige Bewertungen der Situationen an und unterbricht den Handlungsstrang durch Einschübe über parallele oder vergangene Ereignisse und über Beziehungen zu Dritten. Der Lesefluss wird dadurch häufig unterbrochen, was das Verständnis für die Zusammenhänge letztlich erschwert.

Es geht aber nicht nur um Arkadi und auch nicht nur um seine Beziehung zu seinem leiblichen Vater. Seine Erlebnisse sind ein Spiegelbild einer gespaltenen russischen Gesellschaft. Die Figuren in seinem Umfeld sind Sinnbilder für unterschiedliche Charaktertypen. Entsprechend vielfältig sind die von Intrigen, Leiden und Verbitterung geprägten Beziehungen in diesem gesellschaftlichen Spannungsfeld.

Einzig Makar Iwanowitsch Dolgoruki, der von einer Pilgerreise krank zurückkehrt, erweist sich durch seine Bedürfnislosigkeit und gelebte Nächstenliebe als Lichtblick in einer zerfallenden Gesellschaft. Dostojewskij verarbeitet in diesem Roman Themen wie Glaube, Spielleidenschaft, psychische Erkrankungen, fatale Beziehungen, Schuld und Sühne, die auch seine anderen Werke prägen.

Bewertung vom 01.02.2021
Kang, Han

Die Vegetarierin


ausgezeichnet

In Südkoreo gelten Vegetarier, anders als in Westeuropa, als Exoten. Protagonistin Yong-Hye entwickelt sich aus Gründen, die sie nur selbst verstehen kann, hin zur Veganerin. Insofern ist der Titel „Die Vegetarierin“ irreführend. Ihre Entwicklung hat mit ihren seltsamen Träumen zu tun. Sie bricht damit aus aus den gesellschaftlichen Normen ihrer Familie und ihres Landes. Der Vegetarismus dient insofern als Mittel zum Zweck für ihren selbstbestimmt wirkenden eigenen Weg.

An dieser Stelle könnte bereits die Frage diskutiert werden, ob ihr Weg wirklich selbstbestimmt ist oder ob sie eine Getriebene ist, die nicht anders kann. Ihre unscheinbare und auch lieblose Opferrolle lässt verschiedene Deutungen zu bis hin zu einer sich entwickelnden Psychose als Reaktion auf subjektiv erlebte Zwänge. Diese permanent gefühlte Spannung belebt den Roman ungemein.

Die Geschichte besteht aus drei Teilen mit jeweils unterschiedlicher Erzählperspektive. Zu Wort kommen ihr Ehemann im ersten Teil, ihr Schwager im zweiten Teil und ihre Schwester im dritten Teil des Buches. Alle drei haben unterschiedliche Beziehungen zu Yong-Hye, aber keiner versteht ihre Verweigerungshaltung. Während ihr Ehemann sich ihr gegenüber lieblos verhält, nutzt ihr Schwager sie sexuell aus und ihre Schwester versucht ihr zu helfen.

So wie in dem Provinznest Bosque in Dal Masettos „Brot und Spiele“ ist den Menschen im Umfeld von Yong-Hye die Liebe abhanden gekommen. Der Roman ist düster, erkennbar an der gleichgültigen Beziehung zum Ehemann und an der kompromisslosen Strenge des Vaters, der sie zum Essen zwingen will. Und er ist von Egoismus geprägt, was in der unwürdigen sexuellen Beziehung zum Schwager zum Ausdruck kommt, der sie für seine Zwecke missbraucht.

Aber die Geschichte hat weitere Facetten. Autorin Kang behandelt an Hand der Figur Yong-Hye, die zur Pflanze werden will, das Thema Realitätsverlust und wagt sich an Grenzfragen wie dem Recht zu sterben. Wo liegt die Grenze zwischen zu behandelnder Psychose und Selbstbestimmung? Der Autorin ist es gelungen, einen vielschichtigen sozialkritischen und psychologischen Roman zu schreiben, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2021
Peter, Konietschke

Zitate - Von Thomas von Aquin bis Oscar Wilde


weniger gut

Das Buch enthält eine Zusammenstellung von Weisheiten aus 55 Joker-Katalogen. Es handelt sich um eine Vielzahl von Autoren aus der Geschichte und aus der Neuzeit. Die meisten Sprüche können konkreten Personen zugeordnet werden.

Sind alle Sprüche authentisch? Zumindest bei Archimedes „Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde.“ kommen mir Zweifel, da dieser Spruch sinnentstellt wirkt und ich ihn in anderer Form kenne ("Gebt mir einen festen Punkt und ich werde die Erde aus den Angeln heben.").

Eine Überprüfung ist ohne Quellenangabe nicht möglich. Auch vermisse ich ein Autorenverzeichnis und zur gezielten Suche ein Stichwortverzeichnis.

Im Sinne des o.g. Zitats von Joubert müssen nicht alle Sprüche gefallen, aber manche sind es wert, in Erinnerung zu bleiben. Um welche es sich dabei handelt, dürfte individuell unterschiedlich gesehen werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2021
Vollmer, Gerhard

Gretchenfragen an Naturalisten


sehr gut

Geht es in in der Welt mit rechten Dingen zu? Der Naturalist vertritt die Auffassung, dass alles Existierende, egal ob materiell, geistig oder ethisch, aus der Natur heraus erklärbar ist. Damit lehnt er Supranaturalismus (Gott, Esoterik, Okkultismus etc.) ab.

Gerhard Vollmer, Physiker und Philosoph, behandelt in seinem Büchlein „Gretchenfragen an den Naturalisten“ die Position des Naturalismus im Hinblick auf existenzielle Fragen der Wissenschaft, Philosophie und Gesellschaft.

Vollmer gelingt es das Thema auf nur 90 Seiten prägnant zum Ausdruck zu bringen. Bücher mit einer solchen Informationsdichte, zudem ohne Wiederholungen und Ausschmückungen, sind selten auf dem Büchermarkt zu finden.

Die Bandbreite reicht von Mathematik, Realismus, Naturwissenschaft und Kosmologie über philosophische Fragen wie dem Leib-Seele-Problem, Willensfreiheit, Religion, Moral bis zu Para- und Pseudowissenschaften.

Die Ausführungen überzeugen weitgehend, dennoch ein paar Anmerkungen:

Zur Frage, warum die Mathematik so gut zur Beschreibung unserer Welt taugt, schreibt Vollmer, dass wir Glück gehabt haben, es hätte ja auch anders sein können. (20) Diese Antwort klingt recht platt. Geist und Materie haben eine gemeinsame Entwicklung (Evolution) hinter sich. Muss man sich da wundern, dass auch gleiche Strukturen zugrunde liegen? Davon abgesehen, wäre ein Überleben in einer Welt, die keinen Gesetzmäßigkeiten folgt, kaum möglich und Gesetzmäßigkeiten sind immer mathematisch beschreibbar.

Den Zufall (34) hat Vollmer gut erklärt. Wer sich für dieses Thema interessiert findet in „Alles Zufall“ von Stefan Klein eine umfassende Analyse, in der u.a. die Unterscheidung von Koinzidenz und Korrelation ausführlich behandelt wird.

Vollmer erläutert, dass unser Wissen vorläufig ist und warum es nicht sinnvoll ist, eine übernatürliche Instanz als Erklärung in Anspruch zu nehmen. (38/39) Das würde den wissenschaftlichen Fortschritt letztlich abwürgen.

Wie Leben entstanden ist, wissen wir nicht. Ist Leben außerhalb der Erde entstanden, wie John Gribbin in „Geschöpfe aus Sternenstaub“ thematisiert? Vollmer würgt diese Diskussion ab, weil eine Erklärung außerhalb der Erde noch viel schwieriger zu finden ist. (53) Dadurch, dass es schwieriger ist, wird es aber nicht unwahrscheinlicher.

Im Zusammenhang mit dem Leib-Seele-Problem erläutert Vollmer den Unterschied zwischen Gründen und Ursachen. (58) Die Erklärung ist auch für ein kompaktes Buch recht dünn. Eine anschauliche Gegenüberstellung finden Leser in „Was ist der Mensch?“ von Michael Pauen.

Bei aller Kritik an Religiosität. (68) Aus dem Blickwinkel der Evolution müssen damit Überlebensvorteile verknüpft gewesen sein, sonst wäre sie nicht so verbreitet. Allerdings hat Zweckmäßigkeit nichts mit Wahrheit zu tun.

Gegen die Parawissenschaften führt Vollmer einen Rundumschlag. (77) Es gibt manchmal Wirkungen für die die Ursache noch nebulös ist. Auch wenn vieles Humbug ist, können die Parawissenschaften auf Phänomene aufmerksam machen, die (noch) kein Gegenstand der Naturwissenschaften sind.

Wer wissen will, wie Naturalismus abgegrenzt wird, sollte das Buch lesen. Die Darstellung ist kompakt und schnörkellos. Der Naturalist geht von der Fehlbarkeit und Vorläufigkeit des Wissens aus und das ist auch gut so. Das Gegenteil wäre Dogmatismus.

Bewertung vom 01.02.2021
Thesmann, Stephan;Burkard, Werner

Wirtschaftsinformatik für Dummies


ausgezeichnet

Die Informatik befasst sich mit der systematischen Verarbeitung von Informationen. Damit stellt sich bereits die erste Frage, was Informationen sind. Die Antwort erhalten die Leser auf Seite 240, wo die Begriffe "Daten", "Informationen" und "Wissen" erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Der Zusatz "Wirtschaft" impliziert, dass es sich um angewandte Informatik für Wirtschaftsunternehmen handelt.

Das Buch gliedert sich in 28 übersichtlich strukturierte Kapitel. Die Grundlagen und Aufgaben der Wirtschaftsinformatik werden verständlich vorgestellt. Die für Bücher aus der Reihe Dummies typischen Konventionen werden auch im vorliegenden Buch beachtet. Dazu gehören u.a. der Lehrbuchcharakter, die Abgeschlossenheit der Kapitel, die spezielle Symbolik und der Top-Ten-Teil am Schluss.

Die einzelnen Kapitel sind fünf Hauptteilen zugeordnet, in denen es um die Grundlagen der Informatik, um betriebliche Informationssysteme (Übersicht) und den Betrieb von Informationssystemen (Schwerpunkt Sicherheit) sowie um die Entwicklung von Informationssystemen geht. Der Top-Ten-Teil enthält in humorvoller Aufbereitung Tipps, Denkfehler und Gebote zur Wirtschaftsinformatik und deren Protagonisten.

Die Aufgaben und Probleme der Wirtschaftsinformatik werden anhand eines durchgängigen Beispiels erläutert. Im Fokus steht die Meblo-AG, ein Einrichtungshaus, welches Möbel importiert, anfertigt und veräußert. Deutlich wird, dass das Rad nicht ständig neu erfunden werden muss, sondern dass Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur von Firmen auch zu Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur von IT-Systemen führen.

Die Autoren erläutern keine Programmiersprachen, sondern die Architektur von IT-Systemen für Unternehmen und in groben Zügen, wie diese entwickelt werden. Es geht um betriebliche Abhängigkeiten, Abläufe und Zusammenhänge und die Methoden, wie diese in der Informatik abgebildet werden können. Die Leser werden keine Experten für DV-Konzepte und Datenbanken, aber sie erhalten einen Einblick in die Methoden.

Ausgehend vom Architekturkonzept integrierter Informationssysteme (ARIS) wird die Konzeption verschiedener Sichten und Ebenen erläutert. Die Leser werden mit Produktbäumen, Organigrammen, ERD/ERM und Funktionsbäumen konfrontiert. An manchen Stellen ist der Leser direkt gefordert, wenn es darum geht, Aufgaben zu lösen. Am Ende vieler Kapitel folgen Hinweise auf weitergehende Literatur.

Aber auch die Erläuterungen zu komplexen Systemen wie ERP sind hilfreich. Es geht darum, Aufbau und Funktionen solcher Systeme zu verstehen und nicht darum, solche Systeme zu bedienen oder gar zu administrieren. Die Leser erhalten einen Überblick über die Aufgaben und Anwendungsgebiete der Wirtschaftsinformatik. Das ist schon sehr viel und mehr ist in einem einzelnen Buch auch nicht möglich.

Bewertung vom 01.02.2021
Spitzer, Manfred;Bertram, Wulf

Braintertainment


sehr gut

Wie der Titel bereits andeutet, steht die Unterhaltung im Fokus. Es ist das Anliegen der Autoren, Erkenntnisse der modernen Hirnforschung einem breiten Publikum humorvoll zu vermitteln. Darüber hinaus sind die Leser Testkandidaten für die Verifizierung der zentralen Hypothese des Buches: „Ein vergnügtes Gehirn lernt besser als ein angestrengtes.“ Aber die Leser brauchen sich nicht zu sorgen, es erfolgt am Schluss keine Prüfung.

Das Vorwort kündigt an, was der Epilog in vorzüglicher Form dann auch leistet. Die Ausführungen von Eckart von Hirschhausen im Epilog eignen sich für das Kabarett. Dazwischen befinden sich Beiträge, die mehr oder weniger unterhaltsam aufklären über das Gehirn und seine Eigenarten. Das „weniger“ kann dazu führen, dass Leser nach kurzer Zeit zur Seite 196 wechseln und dort süffisant von Eckart von Hirschhausen gefragt werden, ob sie wirklich das Buch bis hierhin gelesen haben.

Aber auch zwischen Vorwort und Epilog befinden sich lesenswerte Passagen, die Orientierung bieten. Valentin Braitenberg bringt den Sinn des Gehirns auf den Punkt: „Wichtigste Aufgabe des Gehirns ist es, Halluzinationen zu erzeugen, aber nur solche, die dem wirklichen Zustand der Welt möglichst ähnlich sind.“ (20) Denn „die Welt ist viel größer als jedes Gehirn und voll von unberechenbaren Überraschungen.“ (19)

Während sich Barbara Wild damit beschäftigt, welche Hirngebiete bei der Verarbeitung von Witzen bzw. beim Lächeln aktiv sind, sind es Robert Gernhardt und F.-K. Waechter, die dafür die Voraussetzungen schaffen. Sie parodieren bekannte optische Täuschungen und thematisieren, wie weit wir uns auf den Augenschein verlassen können. Zu den Darstellungen gehören auch Paradoxa (158), die interessierte Leser u.a. in „Die Scheinwelt des Paradoxons“ von Patrick Hughes und George Brecht vertiefen können.

Gerhard Roth legt, in Anlehnung an Sigmund Freud, gar das Gehirn auf die Couch. Er analysiert das angespannte Verhältnis zwischen Psychoanalyse und Hirnforschung und macht deutlich, dass Freud sich sehr wohl für die neurobiologischen Grundlagen der Psychoanalyse interessiert hat, aber zu seiner Zeit die Wissensdefizite zu groß waren. Roth untersucht Kernaussagen von Freud und erläutert, inwieweit sie von der Neurobiologie gestützt werden.

Kann man Glück wissenschaftlich untersuchen? Manfred Spitzer zeigt auf, dass es sehr lehrreich sein kann, Glück wissenschaftlich zu analysieren. Er beschreibt Simulationsexperimente und betrachtet die Ergebnisse aus dem Blickwinkel der Evolution. Glück ist relativ und abhängig von der Ausgangslage. In diesem Sinne hatte die Nachkriegsgeneration in späteren Jahren viele Glücksmomente zu verzeichnen. Der Mensch strebt nach Glück, ist aber nicht für das dauernde Erleben von Glück geeignet.

In dem Buch kommen hochkarätige Experten zu Wort, die wissen, wovon sie sprechen. Auch wenn einige Beiträge humoristisch untermalt sind, ändert das nichts an der Qualität des Inhalts. Was ein wenig stört, ist der fehlende Zusammenhang zwischen den Beiträgen und die unterschiedliche Umsetzung der Intention, einen humorvollen Beitrag zur Hirnforschung zu liefern. Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 01.02.2021
Kotte, Henner

Um Kopf und Kragen (eBook, ePUB)


gut

Auffallend ist das Fehlen von Prolog und Epilog. Zwischen den Buchdeckeln befinden sich nur das Inhaltsverzeichnis und acht aufbereitete authentische Kriminalfälle aus der deutschen Geschichte. Eine Einführung über die Motivation des Autors, sich mit derartigen Fällen zu beschäftigen, hätte ich hilfreich gefunden.

Es handelt sich überwiegend um Fälle aus den letzten 100 Jahren, meist geht es um Mord. Der Autor hat offensichtlich für seine Studien alte Polizeiakten und Zeitungsberichte ausgewertet. Der Stil ist eher nüchtern sachlich und weniger romanhaft. Lehrreich sind aus historischer Sicht die Hintergrundinformationen. Hier erhalten die Leser Einblick in das jeweilige gesellschaftliche Umfeld.

Die Leser werden beim Thema „Taschendiebe im Leipziger Bahnhof“ nebenbei eingeweiht in den Konkurrenzkampf der königlich sächsischen und der preußischen Eisenbahngesellschaft. Beim Fall Kähne werden Auswüchse des Großgrundbesitzertums in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts augenscheinlich und „Hasenmaul“ ist ein Beispiel dafür, wie ein Serienmörder die Wirren des Krieges für seine Interessen zu nutzen wusste.

Der Autor wohnt in Leipzig und so darf auch eine Geschichte über den zu Lebzeiten unterschätzten Komponisten Johann Sebastian Bach nicht fehlen. Die Möglichkeiten der plastischen Gesichtsrekonstruktion werden überzeugend unter Beweis gestellt. Es handelt sich um ein Sachbuch für eine spezielle Leserschaft, die meines Erachtens am Ehesten bei den Freunden der Kriminalliteratur zu finden ist.

Bewertung vom 31.01.2021
Uwe Karstädt

Die Säure des Lebens


sehr gut

Die Säure, um die es in diesem Buch geht, ist die Magensäure. Im Falle eines Rückflusses der Magensäure in die Speiseröhre kommt es zu Sodbrennen. Behandelt wird Sodbrennen oft mit Mitteln, die die Magensäure reduzieren, obwohl die Ursache darin bestehen kann, dass nicht zu viel, sondern zu wenig Magensäure vorhanden ist.

In der Schulmedizin werden Schmerzmittel, Psychopharmaka, Cortison und Antibiotika eingesetzt, um Symptome zu bekämpfen, für die Erforschung der Ursachen und damit einer nachhaltigen Heilung der Krankheit bleibt oft keine Zeit. Heilpraktiker Uwe Karstädt zeigt Schwächen der Schulmedizin auf und stellt Alternativen vor.

Das Buch besteht aus 25 übersichtlich strukturierten Kapiteln, in denen sich Autor Karstädt zu Verdauungsproblemen, Ernährungsfragen, Grenzwerten und zur Schulmedizin äußert. Er bringt das Dilemma auf den Punkt. „Wir werden von einer Nahrungsmittelindustrie ernährt, die sich nicht um Gesundheit kümmert. Wenn wir dann krank sind, werden wir von der Gesundheitsindustrie behandelt, die sich nicht um die Nahrung kümmert.“ (105)

Letztlich müssen die Leser eigenverantwortlich entscheiden, in welchen Fällen sie sich an der Schulmedizin orientieren und in welchen Fällen Alternativen infrage kommen. Um dies besser einschätzen zu können, sind vielschichtige Informationen erforderlich. Autor Karstädt trägt seinen Teil dazu bei. Er benennt Produkte bzw. Therapien, die nach seiner Erfahrung helfen und wenig aggressiv wirken.