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Calendula

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Insgesamt 118 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2025
Kamani, Nasanin

Lonely Hearts Club (Erstauflage exklusiv mit Farbschnitt)


gut

Healthy Romance – noch nie davon gehört, aber es klang ansprechend genug um einen Versuch zu wagen. Und ich war durchaus positiv überrascht. Saint-Malo ist im Übrigen wirklich so schön wie im Buch beschrieben und ein lohnenswertes Urlaubsziel. Zusammen mit Paris ergibt es ein schönes Setting. Ich mochte es, dass klassische Musik eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt und auch zeigt, dass diese auch modern interpretiert werden kann und dann sogar die sozialen Medien erobern kann. Die angesprochenen Stücke passend stimmungstechnisch wirklich gut dazu,

Mit Clara und Milly hat die Autorin zwei sympathische Figuren geschaffen. Clara ist musikalisch sehr begabt und hat neben ihrem Musikstudium eine durchaus beachtenswerte Karriere in den sozialen Medien gestartet. Gleichzeitig steht Clara unter einem enormen inneren Druck. Die Beziehung zu ihren getrennt lebenden Eltern ist schwierig, die zu ihrer Mutter besonders angespannt. Sie kämpft mit psychischen Belastungen, die ihr soziales Leben stark beeinflussen.
Milly (Emilian... ich möchte an dieser Stelle ein seufz unterbringen...den Spitznamen fand ich so fürchterlich) ist ein zurückhaltender, einfühlsamer und kluger junger Mann. Er erkennt recht schnell, dass Clara hinter ihrer heiteren Fassade eine große Traurigkeit verbirgt. Die Annäherung der beiden aneinander fand ich schön beschrieben. Unsicherheiten, Herzklopfen, Gefühlschaos, Ängste – die ganze Palette an Gefühlen. Zurückhaltend und einfühlsam geschrieben, nichts übertrieben und der Fokus auf den Personen und ihren Empfindungen.

Zwischendurch hat das Buch allerdings auch einige Längen. Grundsätzlich sind die Emotionen aller Beteiligter (Bruder, Mutter, Freundinnen, Hauptfiguren) nachvollziehbar dargestellt, die positiven wie die negativen und die daraus resultierenden Ängste und zugefügten Verletzungen. Ungefähr in der Mitte des Buches geht dann aber der Schwung verloren und ich hatte den Eindruck, dass es sich im Kreis dreht, die Beschreibungen sich wiederholen und die Handlung auf der Strecke bleibt. Ich gestehe, dass ich an der Stelle recht viel quer gelesen habe. Mir wurde dort jedes Wort des Anderen, jede Handlung zu sehr seziert und in seine Einzelteile zerlegt.
Schade fand ich auch, dass der namensgebende Lonely Hearts Club leider viel zu kurz kommt und zu einer minimalen Randerscheinung verkommt. In dieser Idee hätte viel mehr Potential gesteckt.

Es ist empathisch erzählt, nicht zu kitschig (Liebe ist eben nicht immer genug) und mit durchaus realistischen Anteilen. Mit hat es insgesamt gut gefallen.

Bewertung vom 21.04.2025
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


weniger gut

Ich wollte das Buch wirklich mögen, hat es doch ein Setting, welches ich unheimlich gerne lese. Aber um ehrlich zu sein, fand ich es unheimlich langatmig und mit der Zeit auch richtig nervig. Es fiel mir streckenweise wirklich schwer, am Ball zu bleiben.
Es gibt den ein oder anderen Punkt, der mir gefallen hat. Ich mochte die Beschreibungen des Landes zu den verschiedenen Tageszeiten. Das fühlte sich dann fast schon real an, als stünde man selbst ganz früh morgens im Tau auf der beschriebenen Wiese. Auch die Sicht der verschiedenen Personen auf den Verstorbenen fand ich gut wiedergegeben. Der Mann hat viel zerschlagenes Porzellan hinterlassen, aber die Beziehungen veränderten sich über die Jahre. Am Ende hat jeder ein eigenes Fazit über die gemeinsame Zeit ziehen können. Das diese überwiegend negativ ausfallen, dürfte nicht überraschen. Aber eine durchaus realistische Darstellung.

Die angesprochenen Themen wie Rassismus und Klassensystem, verbunden mit den Auswirkungen in heutige Generationen, finde ich grundsätzlich spannend im Kontext einer Familiengeschichte. Wie geht man als Familie, zudem auch noch häufig uneinig, mit so einem Erbe um, von dem man bisher nichts wusste? Wie verändert es den Blickwinkel auf die eigene Familiengeschichte, auf die damit einhergehenden Privilegien? Das hätte enorm viel Potential gehabt.

Leider passiert im Grunde so gut wie nichts. Es wird sehr kleinteilig erzählt, dadurch zieht sich selbst das kleinste Geschehen unheimlich in die Länge. Die Konflikte innerhalb der Familie werden höchstens angerissen, aber nie wirklich ausgesprochen und zu Ende geführt. Figuren und Handlung bleiben immer oberflächlich, es gibt keine Figur, die so richtig heraussticht. Dafür springt mir eine ziemliche Negativität aus den Seiten entgegen. Ich kann für keine der Personen Sympathie aufbringen, so gut ihre Absichten oder der empfundene Schmerz auch gewesen sein mögen. Und es ist für mich sehr vorhersehbar gewesen. Es gab keinen Punkt in der Handlung, die mich überrascht hätte oder wo es mal so richtig in die Tiefe geht.
Es geht sehr viel um die Natur und um die Renaturierung des großen Anwesens. Diesen permanenten verkappten Hippie-Stil, fand ich am Anfang noch etwas überraschend, mit der Zeit aber so fürchterlich nervend und durchaus auch moralisierend.

Schade um die investierte Zeit, mich hat das Buch leider nicht begeistern können.

Bewertung vom 11.04.2025
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


gut

Aufgrund des Klappentextes hatte ich eher mit einer bissigen und humorvollen Satire gerechnet. Das hat das Buch letztlich für mich nur halbwegs geschafft.
Erzählt wird die Geschichte nur aus der Sicht einer Familie, sondern auch aus der einer Flugbegleiterin und eines Hotelangestellten. Judith und Hugo verbringen in der Hotelanlage gemeinsam mit ihrer Tochter Ava ihren Urlaub und Hugo hofft auch ein wenig darauf, ihre Ehe wieder kitten zu können. Ava ist die meiste Zeit mit ihrer Maltafel beschäftigt und stellt so ihre eigenen Beobachtungen über ihre Eltern an. Celeste berichtet über den Flug und Waldemar schildert seine Sicht über die Ankunft der Urlauber. Es ist nicht unwitzig geschrieben. Die einzelnen Beobachtungen von Celeste und Waldemar finde ich schon humorvoll.
Und es gibt auch Punkte, die wie nebenbei erzählt werden, aber einen ernsteren Hintergrund haben. Wie etwa Müllsammler am Strand. Oder Judiths Enttäuschung und auch ihr Schreck, als sich das Korallenriff zum Schnorcheln sich als mausetot herausstellt. Der Autor zeigt da für mich eine seiner Stärken. Einen ernsten Sachverhalt so leicht zu erzählen, dass man die Ernsthaftigkeit dahinter erst auf den zweiten Blick erkennt.

Für mich bleibt die Geschichte aber hinter ihren Möglichkeiten zurück. Mir fehlt es an Pepp und Spitzzüngigkeit. Letzteres blitzt zwar hin und wieder durch und sorgt dann auch schon mal für skurrile Szenen und Dialogen, geht aber dann leider noch im allgemeinen Rauschen unter. Die zwischenmenschlichen Abgründe, die durch den Gestank ja erst so richtig rausgekitzelt werden, kommen mir leider auch viel zu kurz.
Mir ist bewusst, dass hier absoluter Metaphern-Alarm herrscht. Es ist geschickt geschrieben, für mich hätte der Autor aber viel mehr überziehen dürfen. Es plätschert leider alles etwas sehr behäbig daher und daher wirkt es manchmal leider wie eine Aneinanderreihung von Klischees.

Bewertung vom 28.03.2025
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


ausgezeichnet

Ein Buch, das mir wirklich zu Herzen ging. Annett Gröschner erzählt die Lebensgeschichte von Hanna Krause. Sie verliert schon früh ihre Mutter, der Vater ist auch nur durch den Nachnamen existent. Sie erlebt 2 Weltkriege, bekommt sechs Kinder und erlebt eine Welt, die immer wieder am Rande des Abgrunds taumelt.
Hannas Leben ist von Beginn an alles andere als leicht Die Beziehung zu ihren (Halb-)Geschwistern ist wenig herzlich, sie wird überall als Last empfunden. Sie heiratet früh, wird schnell schwanger und wird ihr Leben damit zubringen, die Familie durchzubringen ohne darüber zu klagen. Sentimentalitäten oder große Gefühle, dafür bleibt in ihrem Leben kein Platz.

Ich empfand die Geschichte als sehr berührend und gleichzeitig auch oft ungerecht gegenüber Hannah. Hätte die Autorin ihrer Hauptfigur nicht wenigstens gelegentlich einen Moment des Glücks gönnen können? Aber dann ist mir bewusst geworden, dass Hannas Geschichte auch stellvertretend für all die Frauen dieser Zeit steht. Die Kinder und Familien verloren haben, ohne diese begraben zu können. Bei denen die täglichen Sorgen über Lebensmittelt, Heizmaterial und Kleidung das Leben bestimmten. Die ausgebombt wurden und trotzdem die Familie am Laufen halten mussten. Die schlicht und einfach mit dem Überleben beschäftigt waren.

Die Autorin schreibt in einer einfachen und schnörkellosen Sprache. Dadurch war ich emotional sehr schnell mit Hannah verbunden. Die ganze Tragik, die Tristesse, die Ängste, Hoffnungen und auch die vielen kleinen Momenten, werden dadurch sehr gut herausgearbeitet. Gleichzeitig ist das aber auch leicht erzählt, mit hin und wieder einer Lakonie, die sich in überraschenden Momenten zeigt. Ich konnte gar nicht anders, als Hanna für ihre Zähigkeit, ihr Durchhaltevermögen und ihren starken Willen zu bewundern. Und es tat mir im Herzen weh zu lesen, dass all diese Umstände es ihr nicht ermöglichten, eine gesunde und schöne Beziehung zu ihren Kindern zu entwickeln. Hannas Liebe zu den Blumen steht dem eigentlich gegenüber, aber hier wird sie beinahe zärtlich. Bei den Blumen fühlt sie sich verstanden und angenommen.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Es erzählt nicht nur die Lebensgeschichte einer stillen und unbekannten Heldin, sondern auch die Geschichte eines Landes. Es hat mich sehr bewegt, nötigt mir jede Menge Respekt ab und ist keines der Bücher, die man nach einem halben Jahr wieder vergisst.

Bewertung vom 23.03.2025
Lloyd, Josie

Der Bright-Side-Running-Club


ausgezeichnet

Don't judge a Book by it's Cover - das gilt auf jeden Fall für dieses Buch. Das Cover ist zartrosa und mit nett aussehenden Läuferinnen bestückt. Dabei wäre es wirklich schade, im Buchladen daran einfach vorbeizugehen. Denn die Geschichte hat wirklich mehr zu bieten als nur nett zu sein.
Denn das Grundthema ist ernst. Brustkrebs. Bei Keira wird Brustkrebs diagnostiziert. Damit steht ihr Leben und natürlich auch das ihrer Familie erstmal auf dem Kopf. Währen die Autorin uns auf Keiras Reise durch die Behandlung mitnimmt und wir ihre Zuversicht, aber auch ihre Angst und ihre Zweifel miterleben, zeigt sie zugleich, wie diese Diagnose sich auf Partner, Familie, Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen auswirkt. Wie sich Keira in den Augen anderer Menschen "angemessen korrekt" als Krebspatientin zu verhalten hat. Joggen gehört schon mal ganz offensichtlich nicht dazu. Da sind die gut gemeinten Ernährungstipps am wenigsten nervig. Am schlimmsten fand ich, dass jeder Ungefragt die Todesgeschichte einer Person Keira aufs Auge drückt. Fürchterlich! Dabei ist Keira gerade am Anfang noch vollauf damit beschäftigt, die Diagnose zu verdauen, die Organisation ihrer Familie unter einen Hut zu kriegen und sich nicht aus dem eigenen Geschäft drängen zu lassen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man gewohnt ist, ein aktiver und zupackender Mensch zu sein.

Die Frauen aus dem Lauf-Club sind mir schnell sehr ans Herz gewachsen. Jede Frau hat ihre Stärken und Schwächen, über die sie in dieser Runde frei und offen sprechen. Sie sind unheimlich stark und sehr verletzlich zugleich. Sie unterstützen einander, motivieren sich, teilen gute und schlechte Nachrichten miteinander, verarbeiten Tiefschläge und verlieren dabei nicht die Hoffnung und ihren Sinn für Humor.

Josie Lloyd erzählt hier ein schweres Thema auf eine sehr leichte und doch sensible Art. Da die Autorin selbst an Brustkrebs erkrankte, stecken in dem Buch eine Menge eigener Erfahrungen. Dabei wird sie nie kitschig und stellt nicht die Krankheit in den Vordergrund, sondern die Menschen und ihren jeweils persönlichen Umgang damit. Eine gute Portion (schwarzem) britischen Humor darf dabei natürlich auch nicht fehlen.
Ich wünsche diesem herzerwärmenden Buch, das zwar sehr emotional, aber gleichzeitig auch humorvoll ist, ganz ganz viele Leser. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen.

Bewertung vom 15.03.2025
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


gut

Ich wollte das Buch wirklich mögen, weil ich die Grundidee wirklich gut finde. Mir gefällt die Darstellung, von Wandas sozialem Umfeld, der Tristesse, der Ausweglosigkeit, dem Wohnviertel. Den Menschen, die sich ihr Leben irgendwie eingerichtet haben. Diese Schicksalsgemeinschaft der Nachbarinnen hat gleichzeitig auch etwas sehr rühriges. Es führt mir auch vor Augen, wie privilegiert ich im Grunde lebe.
Und dann ist da Wanda, die ich auf den ersten Seiten noch halbwegs sympathisch finde, was sich mit der Zeit immer mehr verliert. Dieses permanente Herausstellen, dass sie etwas Besseres ist, nicht zum unteren Ende der Gesellschaft gehört - basierend auf einer vor Jahren gedrehten Waschmittelwerbung. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich auch im realen Leben mit solchen Menschen nur schwer zurecht komme.
Vielleicht ist das auch der Grund, dass ich Wanda nicht mochte. Ich konnte ihre Handlungen oft nicht nachvollziehen und mein Mitleid mit ihr hielt sich wirklich sehr in Grenzen. Durch das hohe Erzähltempo passiert auf wenigen Seiten doch ziemlich viel, aber es ist immer direkt das große Drama. Wanda erfährt nur Ungerechtigkeiten, niemand ist für sie. Dabei wandelt sie so unüberlegt und planlos durch die Welt, dass man sich zwischendurch schon fragt, wie sie es schafft ein Kind zu versorgen. Das war mir einfach zu viel. Zu viel Klischee, zu überzogen. Als Wanda dann für ihren Traum auch noch ihr Kind massiv vernachlässigt, musste ich das Buch wirklich erstmal beiseite legen.
Gute Idee, wirklich guter Anfang, danach wurde es für mich einfach unsympathisch und wirr.

Bewertung vom 09.03.2025
Schroeder, Steffen

Der ewige Tanz


gut

Das Buch beschreibt in Rückblicken das wahrlich wilde Leben der Künstlerin Anita Berber. In Rückblicken deshalb, weil Anita zu Beginn des Buches bereits schwer an Tuberkulose erkrankt ist und ihre Geschichte aus dem Krankenbett erinnert.
Und so erzählt sie aus ihrem Leben, von ihrer Kunst, von ihren Lieben und ihren Erlebnissen. Sie hat ohne Zweifel die Konventionen der damaligen Zeit gesprengt. Liebte Männer und Frauen gleichermaßen, war mehrfach verheiratet, erschuft Skandale, war kompromisslos in ihrer Kunst und maßlos bei Alkohol und Drogen. Und auch oftmals unverstanden ihrer Kunst. Während Anita sich auf der Bühne regelrecht die Seele aus dem Leib tanzt, dem Publikum ihr Innerstes darbietet, wird sie doch oft nur als "die Nackttänzerin" wahrgenommen. Für Anita Berber, die zeitlebens um die Anerkennung der eigenen Mutter kämpfen musste und von ihrem Vater abgelehnt wurde, ist diese einseitige Wahrnehmung eine Kränkung.
Gleichzeitig traut sie ihrem Publikum auch oft nicht zu, ihre Tänze überhaupt zu verstehen und betitelt sie sehr von oben herab als Idioten.
Steffen Schroeder hat ihre Karriere sehr eindrucksvoll erzählt. Während ihrer Glanzzeit hat sie mit vielen bekannten Persönlichkeiten aus Theater, Tanz, Malerei und Film zusammengearbeitet. Das Geld mit vollen Händen ausgegeben, so wie es mit ihren Engagements hereinkam. Ihre Drogensucht macht sie aber maßlos und auch ein Stück weit größenwahnsinnig. Als sich in der Branche ihre Unzuverlässigkeit herumspricht und dadurch Angebote ausbleiben, bezieht sie dies als persönliche Angriffe auf sich und geht mit ehemals ihr sehr zugetane Menschen äußerst hart ins Gericht. Erst als die Hotels, in denen sie absteigt, immer weniger luxuriös werden und die Engagements immer kleiner und unbed0eutender werden, erkennt auch Anita, dass ihr Stern im Begriff ist zu sinken.

Anita ist ein rastloser Charakter. Sie lebt ihr Leben in einem rasanten Tempo, lässt keine Erfahrung aus. Immer vorwärts, immer mehr, immer schneller. Es erscheint, als ob Ruhe ihr Angst macht und für sie Stillstand bedeutet. Nicht immer kommt sie sympathisch bei mir an.
Was mir allerdings zu kurz gekommen ist, sind die Beziehungen zu ihrer Familie. Mutter, Tante und Großmutter wurden am Anfang noch häufiger einbezogen, irgendwann nur noch in einzelnen Sätzen abgehandelt. Dabei hatte Anita aber ganz offenbar eine enge Beziehung zu ihrer Großmutter. Darüber hätte ich gerne mehr gelesen. Oder auch die komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter. Anitas Gefühlswelt bleibt außerhalb ihrer Kunst für mich leider auf der Strecke. In ihrer Ehe mit Sebastian Droste bekommt man eine Ahnung davon, wie es in ihr aussieht. Aber die Frau hinter der exzentrischen Künstlerin wird für den Leser leider nur an wenigen Stellen sichtbar.

Bewertung vom 01.03.2025
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Zuerst hat mich die Handlung ein wenig an Juli Zeh erinnert. Junge Familie aus der Stadt kauft sich ein Haus auf dem Land, der Anschluss an das Dorf fällt schwer, die erhoffte Zufriedenheit will sich nicht so richtig einstellen. Nach einigen Seiten hat sich für mich herausgestellt, dass ich es um Längen besser finde als Juli Zeh.
Martina Behm schreibt sehr warmherzig und menschlich über "ihr" Dorf. Ihre Figuren sind sehr bildhaft und detailreich beschrieben. Aber nicht so extrem kleinteilig, sondern mit wenigen Worten sehr lebendig. Ich hatte direkt Bilder vor Augen, vom Dorf, den Menschen, den Veranstaltungen. Und dabei geht sie sehr respektvoll mit ihren Figuren und deren Eigenheiten um. Es wird niemand vorgeführt, der Ton ist nicht ätzend, sondern einfach nur neutral geschildert. Der Leser kann und soll sich selbst ein Bild von jeder Person machen.

Das Dorfleben ist anschaulich erzählt. Dabei werden zwar viele Familien erwähnt, sie konzentriert sich aber lediglich auf nur wenige Personen. Was angenehm ist, man läuft nicht Gefahr von zu vielen Namen erschlagen zu werden. Man könnte es umschreiben mit "Unter jedem Dach ein Ach". Denn längst ist nicht alles so idyllisch, wie es nach außen scheint.
Da wären Lara und Ingo, die neu in den Ort gezogen sind. Sie müssen nun nicht nur feststellen, dass so ein Resthof jede Menge (auch ungeliebte) Arbeit ist und die Landromantik oft auch auf der Strecke bleibt, es stellen sich auch viele grundsätzliche Fragen ein. Die Vorstellungen von Augenhöhe in der Partnerschaft und Kindererziehung gehen auseinander. Wessen Arbeit ist jetzt wichtiger? Wer steckt für die kranken Kinder zurück? Und wer geht jetzt mit dem Hund raus?
Und Tove und Enno. Sie sind seit vielen Jahren verheiratet, steuern auf die goldene Hochzeit zu. Und Tove ist so unglücklich in ihrer Ehe. Was kein Wunder ist, denn Enno ist ein Arsch vor dem Herrn mit der Empathie eines Holzschuhs. Man möchte bei Tove schon fast von Schicksal sprechen. Ihre Geschichte hat mich so berührt und unheimlich traurig gemacht. Ihre Gedanken waren für mich zwar nachvollziehbar, aber in so einem Leben sollte keine Frau gezwungen sein zu verharren.

Und so hat jede im Buch beschriebene Familie ihr Päckchen zu tragen, während nach außen die Fenster immer geputzt sind, die Auffahrt sauber gefegt ist und der Vorgarten in Schuss gehalten ist.
Martina Behm hat in ihrer Geschichte viele aktuelle Themen verarbeitet und den Umgang unterschiedlicher Generationen damit. Ein bisschen spielen mit Klischees gehört da für mich dazu, aber es ist gut dosiert.
Und natürlich die weiße Hirschkuh, die hier eine ganz besondere Rolle einnimmt und wie ein Verbindungsfaden zu allen Figuren wirkt.

Ich kann mir vorstellen, dass man sich in dem Buch wiederfindet, wenn man auf dem Dorf oder sogar in einem landwirtschaftlich geprägten aufgewachsen ist. Die Rituale, die Veranstaltungen, die Menschen, die Dynamik der Gemeinschaft - Behm hat das in so vielen Details fast schon liebevoll einfangen. Wer die Dynamik des Dorflebens nicht kennt, für den dürfte das tatsächlich von Zeit zu Zeit ein wenig rückständig und aus der Zeit gefallen wirken.

Mir hat diese Mischung aus guter Beobachtung, Fingerspitzengefühl, Menschlichkeit und feinem Humor unglaublich gut gefallen und Martina Behm ist eine Autorin, die ich auf jeden Fall weiter im Blick behalten werde.

Bewertung vom 17.02.2025
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Mir hat das Buch viel Spaß gemacht. Auf den ersten Seiten, in den Glattauer seinen Protagonisten in den Zug einsteigen und ankommen, sein Gegenüber mustern lässt, da habe ich mich schon ein wenig ertappt gefühlt und musste schmunzeln über seine treffsichere Beobachtung. Auch ich sehe im Zug nicht einfach aus dem Fenster, sondern lese oder höre Musik über Kopfhörer. Und schaue mir heimlich meinen Sitznachbarn an um den "Nervigkeitsfaktor" abschätzen zu können. Wir sind eben alle nur Menschen.
Glattauers Beschreibungen über seine Figuren sind sehr bildhaft und ich konnte mir beide unheimlich gut in einem angeregten Gespräch vorstellen.

Brünhöfers Gedankeneinschübe finde ich, wenn sie nicht in ernsthafte Richtungen gehen, humorvoll und unterhaltsam, ich habe mich immer wieder ertappt wie ich darüber lächeln oder schmunzeln musste. Das entstehende Gespräch beginnt sehr vorsichtig und sich gegenseitig abtastend, wird aber doch recht schnell ziemlich persönlich. Catrins Anliegen ist offenbar die Liebe. Und wer wäre da besser als Gesprächspartner geeignet, als ein Autor von Liebesromanen? Auch wenn dieser in einer Schreibblock feststeckt - das Gefühl dafür muss noch da sein. Und während Catrin Eduard verbal in die Zange nimmt, lässt dieser zwischendurch seine Gedanken schweifen. Über seine Frau, seine Tochter, seine langjährige Ehe, all die Höhen und Tiefen, die er und Regina gemeinsam gemeistert haben. Und dabei spricht er einige wirklich schöne Gedanken über die Liebe im allgemeinen und seine Frau im besonderen aus.

Allgemein ist mir Eduard Brünhöfer mit seiner ein wenig brummeligen Art sympathisch. Die Art wie er gedanklich abschweift, wie er seine Schwächen zum Teil mit einem Augenzwinkern sieht und manches auch schönredet. Ich finde ihn sehr alltagsnah beschrieben.
Catrin finde ich ehrlich gesagt nicht ganz so positiv. Das mag auch mit dem Ende des Buches und ihrer Enthüllung zusammenhängen, aber ich finde sie ziemlich penetrant und merkwürdig fokussiert auf sexuelle Themen. Sie legt Eduards Aussagen auf ganz komische Art und Weise aus.
Man wird den Eindruck nicht los, dass dieses Gespräch ein bestimmtes Ziel verfolgt. Das Ende des Buches bestätigt diesen Eindruck. Auch, wenn es Eduards vordringlichstes Problem löst, finde ich das Vorgehen fürchterlich. Vor diesem Hintergrund find ich Catrins eindringliche Befragung zum Thema Sex noch unmöglicher.

Mit knappen 200 Seiten ist es nicht das dickste Buch, aber länger hätte es auch gar nicht sein dürfen. So hat es einen gewissen Charme und auch Zauber, der in einer längeren Handlung wohl verloren gegangen wäre. u

Bewertung vom 12.02.2025
Rosen, Jessie

Something Old, Someone New


gut

Die Grundidee finde ich witzig gedacht. Welche persönliche Geschichte hat ein Schmuckstück? Diese zu recherchieren und die vorherigen Besitzerinnen ausfindig zu machen, klingt nach einer interessanten Art von Schnitzeljagd. Leider bleibt die Geschichte dann aber doch ziemlich hinter meinen Erwartungen zurück. Mir fehlte einfach dieses cosy Gefühl, die Leichtigkeit, die mich die Geschichte mit Genuss und Spaß lesen lässt.

Die Reise nach Italien und Portugal wird eher halbherzig abgehandelt. Man hat den Eindruck, dass Shea ziemlich planlos einen Flug gebucht und keine Ahnung hat, wie sie die Vorbesitzerinnen ihres Rings finden soll. Die Recherche beläuft sich daher auch eher auf mehr oder weniger auf Zufälle und diverse ominöse Kontakte im Hintergrund, die Graham aus dem Hut zaubert. Funktioniert mal etwas nicht so, wie angedacht, gibt es einfach eine überraschende Wendung und schon sind alle wieder auf dem richtigen Weg. Das geht einmal und eventuell auch noch ein zweites Mal, aber doch bitte nicht bei jeder sich auch nur halbwegs bietenden Gelegenheit. Ich habe auch grundsätzlich nichts gegen kurze Kapitel. Hier aber habe ich das Gefühl, dass sie meinen Lesefluss stören. Sie sind mir teilweise zu kurz, springen dann schnell von einer Szene bzw Begebenheit zur nächsten und lassen nicht wirklich Platz damit sich eine Handlung auch entwickeln kann.

Ich erwarte ja gar keine ausgefeilten Figuren, aber ein bisschen mehr hätte es dann doch sein dürfen. Am ehesten bin ich noch mit Sheas Schwester Annie warm geworden. Diese holt Shea immer wieder auf den Boden zurück, wenn Shea sich mal wieder in ihren Aberglauben reinsteigert.
Shea ist ganz nett gezeichnet, aber ich konnte mich für sie nicht so richtig begeistern. Sie ist schon ziemlich oberflächlich, hinterfragt entweder gar nichts oder alles bis ins Detail und dieses Pochen auf den Aberglauben der Großmutter und das Sehen von Zeichen - man ahnt es - lässt mich dann doch irgendwann nur noch mit den Augen rollen.
John und Graham waren einfach nur nettes Beiwerk, auch wenn man über Graham ein wenig mehr erfährt. Graham verschwindet dann einfach in der Versenkung, Verlobter John taucht aus dieser erst gar nicht so richtig auf und hinterlässt keinen tieferen Eindruck.

Gefallen hat mir dann doch das Ende. Es ist nicht so ausgegangen, wie ich es zuvor erwartet habe. Ich mochte die Erkenntnis, die Shea gewonnen hat. Die Einsicht, mit der sie sich mit ihrer Kindheit, ihren Erinnerungen und Gefühlen auseinandersetzt und so am Ende wirklich zu sich selbst findet. Und damit wirklich aus tiefstem Herzen und mit voller Überzeugung Ja zu ihrer Beziehung sagen kann.