Ein Debüt von 2019 das mich wundervoll unterhalten hat! Der Misanthrop Karl Lipitsch wohnt alleine, Gesellschaft ist ihm zuwider und Gespräche versucht er tunlichst zu vermeiden. Vor allem aber erregen Frauen seinen Argwohn. Ihnen traut er nicht. Er fühlt sich wohl in seiner Rolle als Einsiedler und schreibt an seiner interdisziplinären philosophischen Abhandlung.
Tatsächlich erdreistet sich eine ihm unbekannte Nachbarin ihn freundlich anzusprechen. Lipitsch ist schockiert.
Doch die Nachbarin mit Namen Mathilde zeigt sich offen und charmant. Lipitsch und Mathilde nähern sich sachte an. Wobei bei Lipitsch die Gedanken sich in einer Art Achterbahn bewegen. Eine Annäherung mit dem anderen Geschlecht sieht er sehr misstrauisch entgegen. Denn er, Karl Lipitsch fühlt sich allen und jedem überlegen. Doch ein paar Federn muss er lassen, der Karl. Mathilde lädt ihn zu einen Salonfest mit Nachbarn und Freunden ein. Das ist schon ein große Herausforderung für den Einsiedler. Doch er nimmt die Einladung an und beobachtet die Gesellschaft, die er vorfindet mit Hohn. Bei jedem Kontakt meint er sich herablassen zu müssen.
Mit jeder Einladung seitens Mathildes wächst Lipitsch, er wir etwas zugänglicher. Man trifft sich nun häufiger.
Doch Lipitsch wäre nicht Lipitsch wenn er sich so einfach in die Fäden einer Frau verwickeln lies. Er spürt das Netz zieht sich zu. Es ist zuviel Nähe, die er doch nicht ertragen kann.
Dieser Debütroman von Ana Marwan ist selbst ein gesponnenes Netz. Ein Netz aus scharfsinniger Beobachtungsgabe, den feinfühligen Blick für Zwischenmenschliches, gehobener Sprachstil mit Schwung und charmanten Humor. Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen. Lipitschs Gedanken und Aussagen haben mich teils amüsiert und leicht konsterniert. Mathilde fand ich durchweg charmant und sympathisch. Lest dieses Modell einer Annäherung zwischen Frau und Mann. Köstlich!
Thomas Mann und die Liebe seines Lebens lautet hier der Untertitel. Der Literaturnobelpreisträger genoss sein ganzes Leben lang den Aufenthalt an der der Ostsee. Überhaupt war das Wasser, das Meer, ein wichtiges, grundlegendes Element für Thomas Mann. Ob es ihm von seiner Mutter Julia, die ihre ersten Lebensjahre in Brasilien verbrachte in die Wiege gelegt wurde? Möglich.
Thomas Mann wächst in Lübeck auf und wann immer es ihm möglich ist, reist er nach Italien, ans Mittelmeer, beobachtet Land und Leute, insbesondere junge Männer haben es ihm angetan. Diese Neigung wird sich sein Leben lang durchziehen. Doch heiratet er ganz konventionell Katia. Mit ihr bekommt er sechs Kinder. Doch zurück zu seiner Meer-Leidenschaft, die sich auch in seinen Büchern widerspiegelt, wie in Buddenbrooks, für dieses Werk erhielt Thomas Mann den Literaturnobelpreis. Sowie in Der Zauberberg, dieser entstand von 1913-1924 und auch natürlich im Tod in Venedig.
Doch Volker Weidermann beleuchtet nicht nur Thomas Manns Liebe zum Meer, seiner Familie und den Hang zu jungen Männern, nein, er zeigt uns den politischen Literaten. Dieser engagierte sich gegen die Nationalsozialisten.
Thomas Mann kämpft für die Demokratie, er reagiert zögerlich sein geliebtes Land zu verlassen, ist dann doch umso entschlossener und wandert 1938 mit seiner Familie nach Amerika aus. 1944 nimmt er die amerikanische Staatsbürgerschaft an, die er nicht mehr ablegt.
Mann vom Meer ist eine bemerkenswerte Biografie. Volker Weidermann gelingt es Zitate aus den Tagebüchern von Thomas Mann homogen in seine Recherchen einfließen zu lassen. Es ist ein große Thomas Mann Liebe von der ersten bis zur letzten Seite konstant spürbar. Der sprachliche Stil ist elegant, gleitend auf einer Woge des Respektes und der Hochachtung. Mit liebevoll ausgesuchten Zitaten und Passagen aus den Werken von Thomas Mann. Eine Leseempfehlung auch für noch nicht Thomas Mann Begeisterte!
Anmerkung: Elisabeth Mann, die Lieblingstochter, führte die Leidenschaft ihres Vaters als Meeresforscherin fort.
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