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Elchi130
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Insgesamt 448 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2025
Zwickau, Dora

Gesellschaftsspiel


gut

Die Idee ist gelungen, die Umsetzung leider nicht immer

Als Gabi stirbt, kommen drei Frauen zusammen. Isabelle, die Lehrerin, die in Weimar geblieben ist und einen Sohn hat, wollte in der Nähe ihrer Mutter Gabi bleiben. Ihre Schwester Annika ist in die USA gegangen und lebt dort mit einem IT-Spezialisten zusammen. Die Tante Dagmar ist Dozentin an der Universität in Weimar. Zur gleichen Zeit, in der die Drei wieder aufeinandertreffen, verkündet der Tech-Milliardär Double Z, dass er ein neues Gesellschaftssystem auf die Beine stellen will, und zwar in Weimar. Sofort stehen die Welt, das Internet und Weimar Kopf.
Die Vorstellung, in Form eines Experiments eine neue Gesellschaftsordnung in einem streng abgesteckten Bereich einzuführen, klingt zum einen sehr verlockend, schürt bei mir als Leserin jedoch auch sofort Ängste. Ich finde, die Autorin Dora Zwickau hat in ihrem Buch „Gesellschaftsspiel“ sehr gut mit den Möglichkeiten, Ängsten, Vorbehalten, Sehnsüchten usw. gespielt. Sie hat das Szenario sehr glaubhaft aufgebaut, indem es eine App gibt, in der sich alles über die Utopie „Syndicat“ befindet. Hier stellt Double Z seine Vision vor, lässt die Bürger alles mitgestalten. Jede Person darf Vorschläge einreichen, eigene Ideen einstellen und die restlichen Bürger können mit abstimmen. Schnell wird dabei klar, dass auch die Skeptiker und Feinde dieser Ideen aktiv werden und durch die App trollen. Das Für und Wider hat die Autorin sehr gut dargestellt. Doch fehlt mir ein Höhepunkt, eine dramatische Entwicklung, auf die die Geschichte zuläuft und an deren Ende eine Entscheidung für oder gegen die Idee steht. Das Gesellschaftsspiel bleibt, was es ist, nämlich ein Spiel. Da hätte ich mir ein klareres Ergebnis gewünscht.
Gelungen ist der Autorin zudem die Darstellung von Isabelle, Annika und Dagmar. Ihre Vorbehalte gegeneinander, ihre Annäherung, die alten Wunden, die neue Gemeinschaft. Doch auch hier fehlt mir ein konkretes Ende. Das Buch beginnt, wir begleiten die drei Frauen und über sie das Experiment von Double Z. Doch zum Ende hin verlassen wir sie, wie ich finde, ziemlich unspektakulär wieder.
Die Idee der Autorin war super, aber ich hatte mir einfach mehr erhofft.

Bewertung vom 24.07.2025
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


ausgezeichnet

Der Erzählstil gefällt mir unglaublich gut

Arpa und Sophie Braun führen ein luxuriöses Leben in Genf. Sie ist Anwältin und er Finanzberater in einer Privatbank. Sie leben mit ihren beiden Kindern in einem noblen Glashaus direkt am Wald. Ihr perfektes Leben gerät jedoch ins Wanken, als ein alter Freund aus der Vergangenheit auftaucht.
Es gibt zwei Gründe, warum ich diesen Autor so gerne lese. Zum einen erzählt er seine Geschichten nicht linear. Vielmehr springt er vor und zurück, noch weiter zurück und noch weiter nach vorne. Das erfordert von den Lesenden eine erhöhte Aufmerksamkeit. Dabei hält er uns manches vor, das er erst im Laufe der Erzählung nachreicht. Da werden Szenen, die wir bereits kennen, ergänzt und erscheinen dadurch oft in einem ganz neuen Licht. Gerade das macht für mich die Spannung des Buches aus. Es ist unterhaltsam, geheimnisvoll, spannend, führt mich auf falsche Fährten, löst diese gelungen und logisch auf. Das Geschehen entblättert sich nach und nach vor mir, bis ich zum Kern vorstoße und am Ende nur staunen kann, wie originell mich Joel Dicker wieder einmal unterhalten hat.
Zum anderen liebe ich seine Figurenzeichnungen. Diese sind nie eindimensional. Es gibt keine ausschließlich guten oder bösen Menschen. Alle Personen verfügen über eine vollständige Persönlichkeit, so wie auch wir Menschen im realen Leben nicht eindimensional sind. Das finde ich sehr spannend, denn die einzelnen Personen verändern bzw. vervollständigen sich im Laufe des Geschehens immer wieder. Dabei muss auch ich wiederholt meine Meinung zu den Figuren hinterfragen und meine Sicht auf sie anpassen. Wie bereits bei seinem Schreibstil, präsentiert der Autor den Blick auf eine Person, nur um diesen nach und nach vollkommen über den Haufen zu werfen. Vor unseren Augen werden unsere automatischen Annahmen entlarvt und wir revidieren im Laufe der Geschichte mehrfach das Bild, welches wir uns beim Lesen von der Figur gemacht haben. Das ist spannend und unterhaltsam, lässt meine Neugierde darauf, was ich noch nicht über die Person weiß, ins Unendliche wachsen.
Genau diese beiden typischen Eigenheiten bietet mir der Autor auch wieder in seinem Buch „Das ungezähmte Tier“ und hat mich damit erstklassig unterhalten. Bis zum Ende der Geschichte bin ich mir nie sicher, welche Wendung die Handlung noch nehmen und was mit den Personen passieren wird. Am Ende des Buches bin ich zufrieden mit der Erzählung, die der Autor mir geliefert hat. Manches habe ich gemutmaßt, anderes kam überraschend.
Gelesen wird das Hörbuch von Torben Kessler. Er liest auch die anderen Bücher des Autors. Das macht er sehr gut und er passt für mich perfekt zum Erzählstil von Joel Dicker.
„Das ungezähmte Tier“ kommt vielleicht nicht an die Romane um seine berühmte Figur Harry Quebert heran. Das Buch ist jedoch besser als viele andere Romane, die gehypt werden und in den Bestsellerlisten zu finden sind.

Bewertung vom 14.07.2025
Weis, Marie

Words Like Feathers


sehr gut

Zum Teil kitschig, aber auch schön

Olivia und Tristan teilten die erste große Liebe miteinander. Als diese auseinanderbrach, blieben viele Dinge zwischen ihnen ungesagt. Nun, drei Jahre später treffen sich die beiden unverhofft, auf einem Retreat für Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Schauspiel und Musical wieder. Ausgerechnet beim Cinestage Hill, dem Retreat, an dem teilzunehmen für Olivia schon immer ein großer Lebenstraum war. Womit sie nicht gerechnet hat, war, hier auf Tristan zu treffen, der als Stargast an den CineStage Hill Tagen teilnimmt. Denn in den letzten drei Jahren ist aus ihm ein erfolgreicher und bekannter Musicaldarsteller geworden.
Die Chemie zwischen Olivia und Tristan stimmte direkt wieder von der ersten Sekunde an. Sowohl in den Szenen, in denen sie sich noch nicht ausgesprochen hatten als auch in denen, in denen eine Annäherung stattfand. Zudem werden wir auch in die Zeit zurückgeführt, als die beiden sich als Teenager kennen- und liebengelernt haben. Ich konnte die Anziehung der beiden von Anfang an spüren. Daher fand ich die Szenen der beiden sehr romantisch und wunderschön. Allerdings treibt die Autorin Marie Weis es oft auf die Spitze, sodass ich manche Gesten, Aussagen und Verhaltensweisen besonders von Tristan richtig kitschig fand.
Für meinen Geschmack ist die Einleitung des Buches, in der wir Olivia und ihre Freunde kennenlernen, viel zu lang geraten. Auch die Beschreibung des Anwesens, in dem das Retreat stattfand, war viel zu ausführlich. Gefühlt wurde jeder Raum intensiv beschrieben. Zum Glück hat die Autorin dann jedoch noch die Kurve gekriegt und sich mehr auf die Handlung als auf Beschreibungen konzentriert.
Am Ende des Buches musste ich für mich feststellen, dass es der Autorin leider nicht gelungen ist, mich nach dem obligatorischen Konflikt wieder vertrauensvoll und versöhnlich zu stimmen. Ich hätte nicht so leicht verzeihen und hätte schon gar nicht einfach so wieder vertrauen können.
Insgesamt jedoch eine schöne Liebesgeschichte mit zwei tollen Protagonisten, denen ich das Glück aus vollem Herzen gewünscht habe. Mein Wunsch an die Autorin: Bitte mehr davon.

Bewertung vom 29.06.2025
Kadota, Yumiko

Emotional Female


gut

Zu seicht

Yumiko, wurde zwar in Japan geboren, lebte dort jedoch nie. Ihre Schule beendet sie in Sydney als Musterschülerin, um dort im Anschluss Medizin zu studieren. Das Studium dauert 6 Jahre. Im Anschluss arbeitet sie als Ärztin im Praktikum und nicht-akkreditierte Assistenzärztin in unterschiedlichen Kliniken in Australien. Dabei hat sie stets ihr Ziel im Blick – Chirurgin der plastischen Chirurgie. Diesem Ziel ordnet sie alles unter. Und dann erleidet sie nach 8 Jahren, in denen sie in verschiedenen Krankenhäusern tätig war, jedoch noch nicht in das Ausbildungsprogramm zur Fachärztin der plastischen Chirurgie aufgenommen wurde, einen Burnout.
Ich war sehr neugierig auf die Lebens- und Leidensgeschichte von Yumiko Kadota. Schnell musste ich jedoch feststellen, dass mir ihre Schilderungen zu sehr an der Oberfläche blieben. Sie breitet ihre Ausbildung in aller Breite vor uns aus. Gefühlt lässt sie keinen Arzt, keine Erkrankung und keinen Patienten aus, denen sie begegnet ist. Das ist natürlich eine Übertreibung, Die Geschichte fühlte sich für mich jedoch so an. Lieber wäre mir gewesen, wenn die Autorin in einzelne Szenen tiefer eingetaucht wäre. Weniger wäre hier mehr gewesen. So plätscherte das Buch für mich vor sich hin.
Mit Yumiko konnte ich mich weder identifizieren noch konnte ich ihr Leid nachfühlen. Bei vielen Belastungen/Beschwernissen, die sie beklagte, dachte ich mir, dass das im Arbeitsleben ganz selbstverständlich und normal ist. Sie erschien mir oft zu sensible und auf sich selbst bezogen. Dazu möchte ich jedoch anmerken, dass ich die Arbeitswelt generell als toxisch beschreiben würde, Yumikos als auch meine. Chefs spielen eigentlich immer ihre Macht an einem gewissen Punkt aus und erwarten, dass der Arbeitnehmer/Untergebene Folge leistet. Arbeit bedeutet keine Beziehung auf Augenhöhe, es gibt stets ein Machtgefälle.
Emotionen konnte ich bei Yumiko erst spüren, nachdem sie im Krankenhaus gekündigt hatte. Ihren Weg aus dem Burnout und der Depression konnte ich fühlen.
Im gesamten Buch wird Yumikos Sozialisation deutlich. Als Kind musste sie neben der regulären Schule am Nachmittag noch eine japanische Schulbildung meistern. Daher und aufgrund ihrer Erziehung durch ihre japanischen Eltern, verfügte sie über großen Ehrgeiz, eine hohe Opferbereitschaft, einen strengen Umgang mit sich selbst. Das alles führte neben einem unmenschlichen Krankenhaussystem zu ihrem Zusammenbruch. Diese Wechselwirkung ist sehr deutlich geworden.
Im Großen und Ganzen wird mich das Buch jedoch nicht sonderlich begleiten und ich werde den Inhalt bestimmt schnell wieder vergessen haben. Es war einfach nicht eindringlich genug. Zu fremd ist mir der Mensch Yumiko geblieben.

Bewertung vom 22.06.2025
Wesseling, Antonia

Loverboy - Niemand liebt dich so wie ich


sehr gut

Pageturner

Als Lola und ihre Mitbewohnerin Vivian in einem Berliner Club feiern, lernt Vivian den charismatischen Pascal kennen. Sie verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Lola freut sich riesig für die stille, zurückhaltende Vivian. Doch schon nach wenigen Wochen erkennt sie ihre Mitbewohnerin nicht mehr wieder, so sehr hat diese sich verändert. Als Vivian kurz darauf spurlos verschwindet und die Polizei Lola abwimmelt, begibt sie sich auf die Suche nach ihrer Freundin. Unterstützung erhält sie von Vivians Halbbruder Elias.
Das Buch „Loverboy – Niemand liebt dich so wie ich“ von Antonia Wesseling wird im Wesentlichen aus der Sicht von Lola und Elias erzählt. Aus Vivians Perspektive berichtet nur ein Kapitel und ein Online-Tagebuch. Das hat mich zu Beginn sehr irritiert. Denn dadurch erfahren wir nur sehr wenig über die Beziehung zwischen Pascal und Vivian. Erzählt wird die Geschichte aus den Perspektiven von Lola und Elias, sodass wir nie ganz sicher sein können, inwieweit die subjektiven Wahrnehmungen der beiden der objektiven Realität entsprechen.
Vivian kommt in Form ihres Tagebuches zu Wort, das bis in ihre Jugendzeit zurück reicht. Da ich die Person Vivian jedoch als sehr anstrengend wahrgenommen habe, war ich nach ein paar Kapiteln sehr froh, dass ihre Sicht auf die Dinge nur am Rande geschildert wird.
Zwischen Lola und Elias entspinnt sich nach anfänglichem Misstrauen und Ablehnung immer mehr eine Ebene, in der die beiden zusammen nach Vivian suchen und sich schließlich auch freundschaftlich und persönlich immer näherkommen. Die Schilderung der Ablehnung, des Misstrauens, der Annäherung, des Vertrauens, des Zweifels der beiden Personen fand ich sehr gelungen. Sie sind grundverschieden, bewerten die Welt sehr unterschiedlich, haben beide ein Problem, anderen zu vertrauen und finden trotzdem zueinander. Zwischen dieser persönlichen Ebene, die sich entwickelt, versuchen sie auch immer wieder Vivian zu finden, ihr Verschwinden zu klären, Pascal zu finden und zu verstehen, was eigentlich passiert ist.
War die Geschichte zu Beginn noch eher harmlos, die vielen Rätsel sehr undurchsichtig, so entwickelte das Geschehen jedoch schnell eine Sogwirkung auf mich. Ich konnte das Buch nicht zur Seite legen, musste noch ein Kapitel lesen und noch eins, bis endlich am Ende alle meine Fragen geklärt waren. Wie ich das Ende bewerte? Zwiegespalten. Es erscheint mir nicht unbedingt unrealistisch, aber doch zum Teil ernüchternd.

Bewertung vom 22.06.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


gut

Ich verstehe es einfach nicht

Toni lebt mit ihrem Partner Jakob in Berlin. Lange haben die beiden erfolglos versucht, ein Kind zu bekommen. Doch jetzt will Toni nicht mehr. Stattdessen wacht sie eines morgens in einem anderen Leben auf. Hier nennt sie sich Antonia, ist nicht nach Berlin gezogen, sondern in ihrem Heimatort geblieben, hat ihre erste große Liebe geheiratet und ist gerade Mutter geworden.

Der Schreibstil der Autorin Anne Sauer ist eingängig, bildhaft und sehr angenehm. Doch inhaltlich hatte mich das Buch sehr schnell verloren. Wir wechseln zwischen den Perspektiven von Toni und Antonia. Antonia, die sich in einem ihr unbekannten Leben wiederfindet und ihr Leben als Toni zurück möchte. Immer wieder habe ich mich beim Lesen gefragt, wer die Zielgruppe dieses Buches sein soll? Für wen hat Anne Sauer das Buch geschrieben? Was will sie mir damit sagen?

Oder hat sie dieses Buch geschrieben, um ihr Leben als Mutter oder ihr Leben als kinderlose Frau zu verarbeiten? Will sie die Vor- und Nachteile beider Leben herausarbeiten, um sich besser entscheiden zu können, was sie will?

Mich lässt das Buch auf jeden Fall ratlos zurück. Ich verstehe es einfach nicht und auch das Ende hat das Buch für mich nicht verständlicher gemacht.

Bewertung vom 22.06.2025
Foss, Nanna

Die Geminiden (MP3-Download)


ausgezeichnet

Temporeich

Band 2 der Spektrum-Reihe, Die Geminiden, von Nana Foss wird aus der Sicht von Pi erzählt. Nachdem wir in Band 1, Die Leoniden, alles aus der Sicht von Emilie erzählt bekommen haben, brauchte ich nun ein paar Kapitel, um mich in Band 2 zurecht zu finden. Allerdings wurde mir schnell klar, dass Pi die viel interessantere Figur ist.
Vielen Szenen aus Band 1 begegnen wir hier als Lesenden noch einmal wieder. Dabei werden ganz nebenbei viele unserer Fragen aus Band 1 beantwortet. Doch freut euch nicht zu früh. Denn mit jedem gelüfteten Geheimnis, tauchen mindestens zwei neue auf.
Besonders beeindruckt hat mich, dass mir nicht einen Moment langweilig wurde. Es passiert ständig etwas. Ein Abenteuer jagt das nächste. Ist die Gruppe der Zeitreisenden gerade einer Gefahr entkommen, taucht auch schon das nächste Problem auf. Ich finde, die Autorin kann das Niveau und das Tempo bis zum Schluss halten. Selbstverständlich endet Band 2 auch wieder mit jede Menge Geheimnissen und Fragen. Ich bin nun so gespannt auf Teil 3 und was da noch alles passieren wird.
Mir hat zudem die Liebesgeschichte sehr gut gefallen. Ich hoffe, sie spielt auch in den weiteren Bänden noch eine Rolle. Denn natürlich wechselt im dritten Band wieder die Erzählperspektive. Aber das macht die Spektrum-Reihe nur umso besser für mich.
Wie Band 1, habe ich auch Band 2 wieder als Hörbuch gehört. Zu Beginn hatte ich ein wenig Probleme mit der Sprecherin Ann-Kathrin Hinz. Sie wirkte auf mich ein wenig gelangweilt und die Betonung kam mir unnatürlich vor. Doch das änderte sich schnell, als die Geschichte mich mitgerissen hatte und Ann-Kathrin Hinz für mich Pi verkörperte. Ab da hätte ich mir niemanden vorstellen können, der mir das Geschehen lebendiger und spannender hätte erzählen können.

Bewertung vom 04.06.2025
McLean, Jay

Loving Lucas / Preston Brothers Bd.1


gut

Ist diese Geschichte wirklich noch zeitgemäß

Sie lernen sich kennen, als sie beide 11 Jahre alt sind und werden allerbeste Freunde. Lucas und Laney sind unzertrennlich und für alle ist klar, dass die beiden füreinander bestimmt sind. Auch sie sind sich ihrer eigenen Gefühle sicher. Aber fühlt der andere genauso?
Jay McLean hat es geschafft, dass ich „Loving Lucas“ vom ersten Augenblick an geliebt habe. Jeden Satz habe ich genossen. Die Freundschaft zwischen Lucas und Laney war so toll, ihre Gedanken und Gefühle einfach wundervoll. Geschafft hat die Autorin dies durch ihren gefühlvollen Schreibstil, der sich ganz nah an den Hauptpersonen bewegte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte die Geschichte genauso weitergehen können.
Jay McLean hat ihrem Buch jedoch einen anderen Verlauf gegeben. Es gab ein paar Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet habe und die mich von der Erzählung, aber auch von den Personen entfremdet haben. Ganz besonders Laney ist mir fremd geworden und ich habe bis zum Ende auch keinen neuen Zugang mehr zu ihr gefunden. Zu sehr hatte sie mich enttäuscht.
Laney entwickelt sich im Laufe der Geschichte zur gebrochenen Heldin. Das hat mich zuerst enttäuscht und im weiteren Verlauf sehr geärgert. Das hat mich zu der Frage geführt, ob die gebrochene Heldin noch zeitgemäß ist? Haben wir Leserinnen nicht vielmehr eine starke, selbstbewusste Heldin verdient, die für uns ein Vorbild ist und uns zeigt, wie wir es besser machen können?
Auch mit Lucas habe ich immer wieder gehadert. Zu Beginn war er mir oft zu unaufmerksam und zu sehr mit seinem Bedürfnis nach Spaß beschäftigt. Im weiteren Verlauf fand ich ihn schon fast ungesund behütend. Auch hier hat die Autorin ein, wie ich finde, überholtes Rollenbild ins Zentrum gestellt.
Beides finde ich sehr schade, denn die Autorin kann wirklich sehr gut schreiben. Ihr Erzählstil ist sehr bildlich und beim Lesen stelle ich mir sofort einen Film zu der Geschichte vor. Ihr Buch „Be my first“ aus dem Jahr 2023 ist einer meiner Lieblingsromane aus dem Genre der Liebesgeschichten. Die Reihe „Preston Brothers“, deren Band 1 „Loving Lucas“ ist, umfasst drei Bände und ich hoffe, dass die anderen beiden mich wieder mehr begeistern. „Loving Lucas“ bekommt von mir 3,5 Sterne, weil ich den Schreibstil liebe, mir der Anfang sehr gefallen hat und das Ende durchaus versöhnlich war.

Bewertung vom 25.05.2025
Eui-kyung, Kim

Hello Baby


ausgezeichnet

Das Martyrium der kinderlosen Frauen

„Hello Baby“ heißt die Gruppe, in der sich sechs kinderlose Frauen austauschen, die sich in einer Kinderwunschklinik in Südkorea kennengelernt haben. Alle Frauen sind auf natürlichem Weg nicht schwanger geworden und versuchen es nun mit allen Möglichkeiten, die eine Kinderwunschklinik bietet.
In jedem Kapitel erfahren wir etwas über das Leben einer dieser Frauen. Dabei geht es um die Verfahren, die in der Klinik angewandt werden. Es geht um die körperlichen und seelischen Schmerzen, die dieser Schritt bedeutet. Die Frauen stecken voller Gefühle der Angst, der Hoffnung, der Scham, der Freude und des Leids, wenn es wieder nicht geklappt hat. Sie erleben Fehlgeburten, Ausschabungen, Einnistungen.
Der Druck auf die Frauen durch ihre Familien und die Familien der Ehemänner ist unbeschreiblich groß. Denn Mutterschaft wird den Frauen immer noch als der natürliche Weg zugeordnet. Werden die Frauen nicht schwanger, ist es stets ihr Versagen und nicht das ihrer Partner bzw. Ehemänner. Selbst dann nicht, wenn sich nach einer Untersuchung herausstellt, dass der Mann auf dem natürlichen Weg keine Kinder zeugen kann. Häufig ist dies dann ein Tabuthema, über welches in der Familie nicht geredet wird.
Und so sind die Frauen bereit, jegliches Leid zu ertragen, um schwanger zu werden. Der Weg dahin ist in der Klinik steinig, langwierig und mit Schmerz verbunden. Sind die Frauen zu Beginn noch voller Hoffnung, so sind sie nach ein paar Jahren oft gebrochen. Denn der Druck von außen wird nicht geringer, sondern stärker. Auf Verständnis können sie nicht hoffen. Die Männer dagegen führen ihr Leben wie vorher auch einfach weiter. Für sie ändert sich kaum etwas. Oft ziehen sie sich schnell aus den Prozessen zurück, sofern sie nicht unbedingt gebraucht werden.
Doch das alles reicht noch nicht aus an Schuld, Scham und Schmerz, der auf die kinderlosen Frauen abgeladen wird. Sind sie berufstätig, so verschweigen sie ihre Behandlungen, ihren Wunsch nach Schwangerschaft und Kindern. Denn trotz Gesetzen, die sie unterstützen sollten, sieht die berufliche Wirklichkeit anders aus. Eine Frau, die sich für Termine in der Kinderwunschklinik, für die Schwangerschaft oder später aufgrund der Kinder frei nimmt bzw. nicht mehr allzeit für ihre Arbeit zur Verfügung steht, ist mit einem Makel behaftet. Dies lässt sie der Vorgesetzte spüren, indem er ihr regelmäßig ein schlechtes Gewissen macht, wenn sie frei benötigt. Die Kollegen werfen den Frauen vor, das Team verraten zu haben, sich für etwas Besseres zu halten und ihre Arbeit zu vernachlässigen. Denn Arbeit bedeutet Aufopferung, steter Fleiß, Einsatz weit über die täglichen Arbeitszeiten hinaus.
Mich hat das Buch von Kim Eui-kyung tief beeindruckt. Sie schafft es auf 220 Seiten, mir einen komplexen Einblick zu vermitteln, in das Leben der Frauen, in ihre Psyche, ihre Gefühlswelt, in die gesellschaftlichen Strukturen, in denen die Frauen leben und auch in das körperliche Martyrium, das sie erleiden. Dieses Buch kann und will ich mindestens allen Frauen empfehlen.

Bewertung vom 10.05.2025
Pauss, Julia

Hide Me / Kodiak Echoes Bd.1


weniger gut

Ein Leseerlebnis der negativen Art

Nachdem die Softwareentwicklerin Brynn gegen ihren Chef ausgesagt hat, kommt sie ins Zeugenschutzprogramm. Mit einem neuen Leben, einer neuen Legende, ausgestattet, soll Brynn nun im 620-Seelen-Ort Echo Cove im entlegenen Alaska untertauchen. Doch ausgerechnet hier hat es vor 10 Jahren einen Mord gegeben. Seitdem sind die Einwohner Fremden gegenüber sehr misstrauisch. Und auch untereinander ist die Dorfgemeinschaft zerstritten. Denn der Mörder wurde nie gefasst.
Jetzt einmal ehrlich: Wenn du ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen würdest, wäre es für dich okay, in einem Dorf zu landen, das dir offen feindselig gesinnt ist? Du wirst in einem baufälligen Haus untergebracht, in dem dein Handyempfang schlecht und Internet erst gar nicht vorhanden ist. Die neue Legende, die du erhältst, ist so ungewöhnlich, dass du nicht eine einzige Frage dazu beantworten kannst. Weißt du, was ich gemacht hätte? Ich wäre wieder in mein altes Leben zurück gegangen und hätte meine Aussage vor Gericht widerrufen.
Die Autorin Julia Pauss schreibt dem Klappentext zufolge „gerne über Frauen, die ihren Weg finden“. Das würde für mich voraussetzen, dass bei der weiblichen Hauptfigur im Laufe des Buches eine Entwicklung stattfindet. Brynn ist zu Beginn des Buches naiv, hysterisch und unfassbar nervtötend. Zum Ende ist sie naiv, hysterisch und unfassbar nervtötend. Eine Softwareentwicklerin sollte doch zu analytischem Denken fähig sein. Brynn ist jedoch nicht einmal zu einfachem Denken in der Lage. Ich habe selten eine Figur erlebt, die aus ihren Erfahrungen nichts lernt. Wiederholt habe ich überlegt, ob ich das Buch abbreche. Ich möchte keine Geschichten über Menschen lesen, die nur über Instinkte verfügen, die sie ängstlich und hysterisch machen. Die dabei jedoch nie reflektieren, ihr Handeln und Situationen überdenken und sich einfach nie weiterentwickeln.
Gegen Ende steckt Brynn dann auch noch Archer an und auch er handelt lieber instinktiv und irrational. Doch zum Glück bleibt dies nur ein kleiner Ausrutscher.
Da ich nun noch unbedingt erfahren will, warum Ada vor 10 Jahren sterben musste, werde ich Band 2 auch noch lesen müssen. Dabei hoffe ich darauf, dass die Hauptfiguren des zweiten Teils reflektierter, klüger und weniger hysterisch handeln.