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Krimisofa.com

Bewertungen

Insgesamt 69 Bewertungen
Bewertung vom 04.07.2018
Missing - Niemand sagt die ganze Wahrheit
Douglas, Claire

Missing - Niemand sagt die ganze Wahrheit


sehr gut

„Missing" von Claire Douglas ist ein irrsinnig interessantes und intensives Leseerlebnis, ein Buch, bei dem man mit dem ersten Satz in der Story ist und nicht mehr raus will, weil sie so packend ist. Eine Geschichte über zwei beste Freundinnen, über Liebe, Verlust und Drohungen. Gespickt mit Grusel, der zunächst redundant wirkt, nach der Auflösung aber doch zur Geschichte passt.

Bewertung vom 25.06.2018
Die rote Frau / August Emmerich Bd.2
Beer, Alex

Die rote Frau / August Emmerich Bd.2


sehr gut

Alex Beer hat mit „Der zweite Reiter“ den Erfolg bekommen, den sie unter ihrem bürgerlichen Namen und einer zeitgenössischeren Serie vergeblich gesucht hat. Das Feuilleton hat das erste Buch um August Emmerich gefeiert, Beer hat einen der wichtigsten Literaturpreise Österreichs gewonnen und auch mich hat sie begeistert. Nicht nur, weil es in meiner Heimatstadt spielt, sondern auch zu einer absolut interessanten Zeit – einer völlig vernachlässigten Zeit, wie Beer dem Krimisofa in einem Interview verriet. Jetzt kam der Zweite Teil heraus, der mich allerdings nicht mehr so euphorisch zurückließ.

August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter haben es in die „Leib und Leben“-Abteilung geschafft – jene Abteilung, in die Emmerich schon vor seinem letzten Fall wollte. Winter ist noch von seinen schweren Verletzungen gezeichnet, die er im „zweiten Reiter“ erlitten hatte und kann nur einen Arm nutzen. Aber mehr als Protokolle abzutippen, haben die zwei, die vom Rest der Abteilung geschnitten und hinter ihren Rücken „Krüppelbrigade“ genannt werden, ohnehin nicht zu tun. Emmerich hingegen ist vom Heroin, das er im ersten Teil gegen seine Knieschmerzen genommen hat, losgekommen. Da er von seiner Luise ausziehen musste, weil ihr Mann es wider Erwarten aus der russischen Kriegsgefangenschaft heim geschafft hat, wohnt Emmerich jetzt in einem der neuen und von der Presse gefeierten Männerlogierhäusern. Anstatt einen Mordfall zu untersuchen, müssen die zwei sich den Fall der angeblich verfluchten Schauspielerin Rita Haidrich ansehen – eine weitere Schikane ihrer Vorgesetzten. Doch über diesen Fall stoßen die zwei auf den Fall des ermordeten Wiener Stadtrats Fürst, den die restliche Abteilung bearbeitet und die auch schnell einen Täter verhaftet. Aber Emmerich ist sicher, das es der falsche ist.

Manchmal frage ich mich, ob man ein Buch nicht so gut findet, weil man in der falschen Stimmung ist, einen harten Tag hatte und deshalb nicht richtig in die Geschichte reinkommt – genau so erging es mir bei „Die rote Frau“, das ich erst gegen Ende richtig gut fand. Auch fragte ich mich, was die Sache mit dem Fluch am Anfang sollte, die so gar nicht in die Geschichte passen will – am Ende war ich dann aber schlauer, denn beim hervorragenden und historisch interessanten Showdown löst sich alles auf. Die Charaktere von Emmerich und Winter haben sich weiterentwickelt und die zwei sind sich gegenseitig wesentlich loyaler als zu Beginn von „Der zweite Reiter“, obwohl „Die rote Frau“ nicht mal ein halbes Jahr danach spielt.

Obwohl es ein völlig anderes und wesentlich politischeres Buch ist als „Der zweite Reiter“, gibt es einige ähnliche Abläufe. Zum Beispiel hat Emmerich im ersten Teil der Serie sein lädiertes Knie verheimlicht – diesmal verheimlicht er, dass er in einem Männerlogierhaus in einer drei Quadratmeter Kabine haust. Oder dass die zwei Protagonisten über einen Fall zu einen Mordfall kommen – das gab es im ersten Teil schon. Dort war es der Schleichhändler, den sie dingfest machen solltest und über den sie dann zu einem Mordfall kamen. Aber das ist wohl der Preis, den man zahlt, wenn man eine Serie schreibt.

Teilweise macht Beer es sich beim Plot zu einfach: da findet Emmerich, der kein Latein kann, ein Heft, das in  reinstem Latein geschrieben ist – „Na kloa, do kenn i wen, der mir des übersetzt" (überspitzt zitiert). Oder Emmerich wird schwer verletzt, kann sich aber keine ärztlich Behandlung leisten – Winter schickt ihn zum Hausarzt seiner Oma, der macht's gratis. Und was mir leider sauer aufstößt, ist die Vermischung von Deutschem und Wiener Dialekt. Da findet ein regelrechtes Meet & Greet zwischen „die Faxen dicke“ und „Heast Oida“ statt und das geht leider auf Kosten der sonst so hohen und abermals herausragend recherchierten Authentizität. Denn ich glaube nicht, dass es in Wien 1920 gängig war, „die Faxen dicke" oder „klauen" zu sagen. Und falls doch – mea culpa.

Bewertung vom 18.06.2018
In deinem Namen
Coben, Harlan

In deinem Namen


gut

„In deinem Namen“ von Harlan Coben hinterlässt mich mit gemischten Gefühlen und müsste eigentlich mit zwei verschiedenen Bewertungen rezensiert werden. Das Buch hat einiges von seinem Vorgänger „In ewiger Schuld“, aber in abgewandelter Form und mit anderem Ausgang. (Auszug aus der Rezension)

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Bewertung vom 14.06.2018
DNA / Kommissar Huldar Bd.1
Sigurdardóttir, Yrsa

DNA / Kommissar Huldar Bd.1


ausgezeichnet

„DNA“ von Yrsa Sigurdadóttir schlägt in die Kerbe von Mankell und anderen skandinavischen Autoren und inszeniert in „DNA" besonders grausame, gleichwohl unblutige Morde. Die Autorin hat eine sehr ausschweifende Erzählweise und lässt sich mit der Einführung der Charaktere teilweise sehr viel Zeit. Nach und nach wird es aber immer spannender.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.06.2018
Finale
Langstrup, Steen

Finale


sehr gut

Kennt ihr Steen Langstrup? Vermutlich nicht, vermutlich kennen ihn im deutschsprachigen Raum nur Dänemark-Experten. Steen Langstrup ist Horror-Autor, und „Finale“ kam in Dänemark bereits 2011 heraus, sieben Jahre später sollen dem Buch mit einer Verfilmung Bilder verliehen werden. Aber nach lesen des Buches will ich nicht wissen, wie das Ganze bebildert aussieht, die Bilder in meinem Kopf haben mir genügt. Eines steht nämlich fest: „Finale“ ist nichts für schwache Nerven.

Agnes ist Studentin der Anthropologie, ihre Magisterarbeit widmet sie den Buschmännern in Botswana. Ihr Freund Benjamin ist Arzt und hofft auf eine Stelle im Staatskrankenhaus. Man merkt, dass Agnes gebildet ist und vermutlich aus einer höheren Gesellschaftsschicht kommt, oder zumindest vor hat, mit Benjamin dort anzukommen. Wenn er den Job bekommt, müsste sie nicht mehr in der Tankstelle arbeiten und sich nicht mehr mit Leuten wie der Tussi Belinda abgeben. Am Ende des Tages wird sie jedoch andere Sorgen haben.

Belinda ist eine andere Kategorie, sie ist Anfang 20 und steht auf Jackass-Humor, dem Agnes gar nichts abgewinnen kann, weshalb Belinda Agnes langweilig findet. Das sagt sie ihr nicht, denkt es aber. Ihre Mutter macht Belinda gerade die Hölle heiß, weil sie ihr droht, sie hinauszuwerfen, wenn sie ihren Freund Christoffer nicht in den Wind schießt. Sie versteht die Welt nicht mehr, so schlimm ist Christoffer doch gar nicht – okay, er ist vorbestraft, aber er hat bei dem Verbrechen gar nichts getan, außer seine Clique dabei gefilmt.

Das sind die zwei Hauptcharaktere in „Finale“, recht viel mehr Charaktere gibt es in dem Buch auch nicht – und selbst die zwei sind jetzt nicht das Allerwichtigste. Im Vordergrund steht die Atmosphäre, die Spannung, der Grusel. Denn davon gibt es massenhaft. Es ist nicht schwer, in die Geschichte hineinzukommen; man wird hineingeworfen und kommt dann nicht mehr raus, will auch gar nicht, man liest sich durch die sehr kurzen Kapitel und plötzlich hat man das Buch ausgelesen. Gleich zu Beginn findet extremes Foreshadowing statt – wenn man es dem Klappentext nicht entnommen hätte, man wüsste innerhalb weniger Seiten, dass etwas passieren wird.

Aber es dauert seine Zeit, Langstrup baut die Geschichte geschickt auf, setzt zunächst auf Grusel mit Luftpumpen, um dem Leser danach aber mal so richtig die Fresse zu polieren. Denn es wird brutal, verdammt brutal und blutig. So blutig, dass die Seiten fast nach Metall riechen. Auch wenn am Cover „Thriller" steht, ist es viel zu brutal für dieses Genre. Aber es gibt auch abgesehen von der Brutalität einiges zum Nachdenken, Langstrup setzt nicht nur auf Snuff, vor allem das Ende wird einige ratlos zurücklassen.  So wie der Originaltitel, der übersetzt „Alles, was sie wollte, verstand sie nicht" - darüber lässt sich schon nachdenken.

Neben dem Haupterzählstrang gibt es noch einen zweiten, beide Münden später in einen, ohne dass man es merkt – auch hier erkennt man das Genie von Langstrup, denn so nahtlos habe ich das noch nicht erlebt. Bei dem Finale, das im offiziellen Klappentext erwähnt wird und am Rande der Handlung stattfindet, erfährt man übrigens nie, um welches Finale es sich handelt – Fußball liegt zwar nahe, in dem Buch kommt aber kein einziges Mal das Wort „Fußball“ vor; genau so verhält es sich beim Wort „Weltmeisterschaft“.  Zugegeben, der Plot ist nicht der anspruchsvollste und die Charaktere nicht die tiefgründigsten, aber beides ist auch eher sekundär. „Finale" macht definitiv Spaß, wenn man das nötige Rüstzeug mitbringt.

Tl;dr: „Finale" von Steen Langstrup ist gruselig und entwickelt sich später zum Snuff in Textform. Es ist brutal, gnadenlos und nichts für schwache Nerven, macht aber dennoch Spaß wenn man auf Bücher solcher Art steht. Langstrup jagt den Leser mit seinem Schreibstil durchs ohnehin dünne Buch, dessen Ende etwas abrupt kommt.

Bewertung vom 30.05.2018
Ich beobachte dich
Stevens, Chevy

Ich beobachte dich


gut

In Chevy Stevens‘ Bücher stehen immer starke Frauen im Mittelpunkt. Frauen, die flüchten – vor Männern oder ihrer Vergangenheit. Manchmal beides. In ihren letzten zwei Büchern - „That Night“ und „Those Girls“ - hat sie ins Coming of Age Genre gewechselt. Es waren Geschichten, die mich zum Fan von ihr werden ließ, weil es Geschichten waren, die unter die Haut gingen, bei denen man als Leser mitgelitten hat und die anders waren, als andere Thriller. Deshalb habe ich ihr neues Buch, „Ich beobachte dich“ sehnlichst erwartet – um dann zu erleben, dass es doch nur more of the same ist.

Lindsey ist Ende dreißig und lebt in der kanadischen Kleinstadt Dogwood Bay mit ihrer Tochter Sophie zusammen. Lindsey hat eine Geschichte, die man nicht unbedingt selbst erlebt haben will. Ein Leben wie in einem Gefängnis, mit einem manipulativen, alkoholsüchtigen Kontrollfreak als Gefängniswärter – nur dass dieser ihr Mann ist, den sie aus freien Stücken geheiratet hat. Heute sitzt ihr – mittlerweile Ex – Mann im Gefängnis, nachdem er eine Frau bei einem Autounfall getötet hat – oder besser gesagt bis heute. Denn er wurde nach zehn Jahre gerade freigelassen, und Lindsey hat Angst, dass es wieder genau so werden könnte wie damals.

Sophie spielt mindestens eine genau so große Rolle wie Lindsey. Sie kennt Andrew als ihren liebenswerten Vater und hat ihn nie böse erlebt. Also beschließt die heute siebzehnjährige im Zuge eines Schulprojektes, Kontakt zu ihm aufzunehmen und schickt ihm neben Briefen auch eine Zeichnung, denn Sophie ist künstlerisch veranlagt. Nebenbei lernt sie Jared kennen, dem in der Schule alle Mädchen hinterherrennen – bis auf sie, denn er rennt vielmehr ihr nach.

Es ist dann doch irgendwie Coming of Age, was Stevens hier geschrieben hat, denn die Kapitel um Sophie sind ähnlich wichtig wie die um Lindsey, die sich immer abwechseln und uns die Geschichte jeweils aus der ersten Person näherbringen. Es sind zumeist flotte und spannende Kapitel, manchmal lässt uns die Kanadierin aber auch mal durchschnaufen und das verarbeiten, was wir gerade gelesen haben. Das Buch besteht aus drei Teilen, die alle bis auf einen im Präsens gehalten sind. Vor allem im ersten gibt es häufige Zeitsprünge zwischen Lindseys Vergangenheit und Gegenwart; in der Vergangenheit wird uns das ganze Martyrium, das Lindsey durchstehen musste, nähergebracht – in der Gegenwart erleben wir eine Lindsey, die in ihrer Selbsthilfegruppe ist oder Selbstverteidigung trainiert. Sie hat zwar einen Freund – Greg –, aber der wirkt in der gesamten Geschichte wie ein Fremdkörper.

Wie geschrieben ist die Idee für das Buch alles andere als neu – wenngleich wichtig. Häusliche Gewalt haben wir zuletzt unter anderem bei „Was ich getan habe“ von Anna George erlebt, es wird nur um den stalking-Aspekt erweitert. Dazu kommt, dass die Geschichte so durchschaubar wie ein Glas Wasser ist und selbst die Hälfte aller Plot-Twists erwartbar sind. Ich hatte nach „That Night“ und „Those Girls“, die beide ihr eigenes Thema und ihren eigenen Stil hatten, sehr große Erwartungen an „Ich beobachte dich“ – aber die wurden nicht mal im Ansatz erfüllt. Leider kam dann doch ein völlig uninspiriertes Buch heraus. Am Ende lässt Stevens auch etliche Fragen offen, die den Eindruck vermitteln, als hätte sie sich in ihrer eigenen Idee verrannt. Schade. Da wurde einiges Potential verbrannt.

Tl;dr: „Ich beobachte dich“ von Chevy Stevens bringt ein wichtiges feministisches Thema mit einer starken Message aufs Tapet, das als Unterhaltungsmedium zwar ein Stück weit zu unterhalten weiß, aber letztendlich doch nur more of the same mitbringt. Dazu ist die Geschichte durchschaubar und die Plot-Twists erwartbar.

Bewertung vom 23.05.2018
ESCAPE - Wenn die Angst dich einholt
Laurin, Nina

ESCAPE - Wenn die Angst dich einholt


ausgezeichnet

Lainey Moreno hat einiges durchgemacht, und das merkt man ihr an. Lainey ist 23 und vor zehn Jahren hat sie es nach dreijähriger Gefangenschaft zurück in die Freiheit geschafft. Seitdem ist sie nicht nur in psychiatrischer Behandlung, sondern auch medikamentenabhängig, denn sie nimmt wesentlich mehr als die verschriebenen Dosen – und trinkt auch mal gerne einen über den Durst. Mit Menschen kann sie nicht viel anfangen und tritt ihnen oft ungeschickt und schmallippig gegenüber. Aber wer mag es ihr verdenken, nachdem sie drei Jahre lang nur einen gesehen hat und von dem nur seinen Schwanz in Erinnerung hat, der sie penetrierte.Jetzt ist eben jenes Mädchen verschwunden, das wie ihr zehnjähriges Ich aussieht – natürlich ihre Tochter, ein Abschiedsgeschenk des Entführers, das sie nach der Geburt zur Adoption freigegeben hat. Jetzt setzt sie alles daran, sie zu finden; wegen ihrer Tochter, aber vor allem, um Licht ins Dunkel ihrer eigenen Entführung zu bringen, denn der Täter von damals wurde nie gefasst.

Die Protagonistin von Nina Laurins Debüt ist nicht sympathisch, keineswegs. Sie nimmt Drogen, ist launenhaft und weiß nicht so wirklich mit ihren Gefühlen umzugehen, verwechselt Liebe mit Dankbarkeit. Obwohl man als Leser in ihrem Kopf ist, bleibt sie unnahbar, obwohl man ihr Handeln mitbekommt, versteht man es nicht immer – fast ist es so, als lebe sie in ihrer eigenen Welt. Aber man ist als Leser zu keinem Zeitpunkt böse auf sie, und wenn doch, dann hat man doch auch Verständnis. Für ihr Denken und Handeln. Das liegt nicht nur an der Geschichte, die uns Laurin erzählt, sondern vor allem an der Atmosphäre, die darin herrscht. Denn die ist von Anfang an so dicht, dass man manchmal nicht weiterlesen kann, weil sie einen sonst erdrückt. Das spricht vor allem für die Authentizität, aber auch für die kreative Leistung von Nina Laurin. Dass die Geschichte in der ersten Person im Präsens erzählt wird, tut ihr übriges dazu.

Es gibt nur einen Erzählstrang, vom Opfer bekommt man nichts mit, und irgendwie doch. Denn Lainey wird erneut zum Opfer, wird dem ganzen Martyrium in ihrem Kopf erneut ausgesetzt – diesmal entscheidet sie sich aber proaktiv dafür, weil sie sich damals erhofft hat, dass man sich für sie genau so einsetzt. Dass ein anderer Mensch, obendrein ihre Tochter, das durchmachen muss, was sie durchgemacht hat, will sie nicht zulassen – da steckt natürlich auch eine Menge Justizkritik von Laurin drin.

Obwohl man als Leser in Laineys Kopf steckt, weiß man nicht sicher, ob man auch wirklich alles mitbekommt. In einer Szene leert sie ihr Konto, um sich von dem Geld Drogen zu kaufen, in einer anderen, späteren, Szene, hat sie plötzlich Geld für ein Motel. Ganz nachvollziehbar ist die Geschichte also nicht immer. Die Liebesgeschichte, die zwischendurch immer wieder aufblitzt wirkt ebenfalls etwas deplatziert und passt weder in den Kontext, noch zur düsteren Stimmung der Geschichte; andererseits aber sehr wohl zu dem Gefühlsdurcheinander von Lainey.

Der Showdown ist spektakulär, auch wenn der Täter, der am Ende demaskiert wird, genau die Person ist, die man von Anfang an verdächtigt. Dennoch hält das Ende ein paar kleine Plot-Twists bereit, mit denen man nicht unbedingt rechnet.

Tl;dr: „Escape“ von Nina Laurin ist ein Psychothriller mit einer dichten Atmosphäre und einer so hohen Authentizität, dass man nicht immer weiter

Bewertung vom 16.05.2018
Das Ende
Laymon, Richard

Das Ende


gut

Laymon war Kult und ist auch posthum Kult. Er hat Bücher in der Frequenz veröffentlicht wie andere ihre Unterhose wechseln, und dabei ist den Wenigsten aufgefallen, dass er sich mit seinen Büchern nur über das Horror-Genre lustig macht. Doch mit „Das Ende" ging Richard Laymon neue Wege – entfernt sich vom Horror und baut neue Elemente ein, die es so bei ihm noch nicht gab. Das könnte Laymon-Afficionados verstören – oder man lässt sich darauf ein und genießt.

Rusty Hodges ist, wie oben geschrieben, der Sherrif von Sierra County, das in Kalifornien liegt und tatsächlich existiert. Ich konnte nicht herausfinden, wie viele Einwohner Sierra County hat, im Buch wirkt es wie ein kleines Kaff. Über Hodges erfährt man nicht viel, außer, dass er verheiratet ist und einen Sohn hat, der mit Mary Hodges verheiratet ist, die von allen nur Pac genannt wird, weil sie glühender Fan der Football-Mannschaft Green Bay Packers ist – Football spielt in dem Buch allerdings nicht mal ansatzweise eine Rolle. Pac und Rusty ermitteln in dem Fall der kopflosen Frau, denn Pac ist Debuty – warum ihr Mann, der ebenfalls Polizist ist, nicht ebenfalls ermittelt, wird nicht erwähnt. Generell tritt er nur als Randfigur auf.

Wir haben hier also einen bodenständigen Ermittlungsthriller, was für sich genommen schon ein Novum bei Laymon ist, das – wenn überhaupt – relativ selten vorkommt. Laymon steht ansonsten eher für Coming-of-age Horror-Splatter-Geschichten, wo gerne mal übersinnliche Dinge oder Figuren auftreten. „Das Ende“ ist vergleichbar mit der Promise-Falls-Trilogie von Linwood Barclay, zumindest ist mir das beim Lesen in den Sinn gekommen. Die Geschichte spielt an einem Tag in den 1990ern und macht trotz des relativ banalen Settings irre Spaß und lässt sich ziemlich zügig weglesen, denn der altbekannte laymonsche Schreibstil ist auch hier vorhanden.

Ebenfalls vorhanden ist die explizite Freizügigkeit, die in diesem Genre ein Trademark von Laymon war und ist. Dabei sind auch Sexszenen immanent – neu ist (für mich zumindest), dass es auch gleichgeschlechtliche Sexszenen gibt, was ich sehr erfrischend finde, weil man merkt, dass sich Laymon auch hier weiterentwickelt hat und mit der Zeit gegangen ist.

Was weniger erfrischend ist, sind die Charaktere, die samt und sonders blass und generisch sind, was ebenfalls neu bei Laymon ist, denn sonst hat man als Leser bei Laymon immer mitbekommen, wie die Figuren ticken und was sie denken – legendär sind die inneren Monologe in diversen anderen Büchern von Laymon, die hier nur sehr reduziert stattfinden.

Tl;dr: „Das Ende“ von Richard Laymon ist ein bodenständiger Ermittlungsthriller ohne übersinnlichem Schnickschnack, der trotzdem Spaß macht und sich schnell liest. Bei den Sexszenen gibt es nun auch welche mit gleichgeschlechtlichen Paaren, was sehr erfrischend ist. Die Charaktere sind allerdings völlig und Laymon-untypisch blass.

Bewertung vom 07.05.2018
Das Inselhaus
Skov, Leonora Christina

Das Inselhaus


gut

Das btb im Namen des btb Verlages steht für „besondere Taschenbücher", und besonders sind sie wirklich, das hat man schon bei „Was ich getan habe“ gemerkt. Nicht immer steht das, was im Klappentext der Bücher geschrieben wird, im Vordergrund – dafür viel mehr die Charaktere. So ist es auch beim „Inselhaus“, der kein Haudrauf-Thriller ist, sondern sich sehr langsam und subtil aufbaut. Auf diversen Shoppingportalen – allen voran das mit dem A vorne und dem N hinten – wurde das Buch ziemlich runtergeschrieben. Doch so schlecht ist es gar nicht.

Wir reisen also mit sieben Charaktere im Gepäck auf die fiktive Insel Stormø, und jeder dieser sieben Charaktere hat seine ganz persönliche Geschichte in der Tasche, die uns erzählt wird. Da ist zum Beispiel Robin, die Reisejournalistin, die wir bereits im ungenannten Prolog, der nach der Zeit auf Stormø spielt, kennenlernen. Oder der Wissenschaftler Kevin, dessen Freundin schwanger ist – mit einem Kind, das er nie wollte und bei dem die Möglichkeit besteht, dass es behindert ist. Oder Greta, die Duftexpertin, die ausnehmend zynisch und mindestens genau so unsympathisch ist. Diese und weitere vier Leute werden wegen ihrer „herausragenden Leistungen zur Freude Dänemarks“ ins Haus auf Stormø eingeladen. Wobei man sich als Leser recht schnell fragt, welche Leistung es ist, wenn man als Autor ein paar hundert Bücher verkauft hat oder inwiefern es zur Freude Dänemarks beiträgt, wenn man noch an der Leistung arbeitet. Es wird also recht schnell klar, dass dieses Label die reinste Farce ist.

Letztlich sollte man nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt und tunlichst sein Geschäft im Keller verrichten. Beides machen die sieben oder eben nicht, denn Steine hat jeder von ihnen in der Vergangenheit schon geworfen, weshalb sie es auf Stormø nicht mehr müssen – das erledigt auf der Insel schon wer anderer. Man merkt aber, dass die Geschichte eines jeden einzelnen Charakters interessant ist. Dass Leonora Christina Skov einen guten und einnehmenden Schreibstil hat, macht die Sache nur noch besser. Einen Hauptcharakter gibt es auf den ersten Blick jedoch nicht, wir springen immer von einem der sieben Charaktere zum nächsten, was anfangs ziemlich lähmend sein kann, weil man vielleicht nicht die Lebensgeschichte eines jeden einzelnen erzählt bekommen will, und man sich fragt, wann wir denn endlich zum Teil, der auf dem Klappentext steht, kommen. Aber den sollte man in den ersten 200 Seiten ausblenden – erst dann können wir den Thriller in dem Buch erahnen. Wobei es gesamt betrachtet dann doch mehr ein Drama als sonst etwas ist, das bestätigt auch das Fehlen eines jeglichen Showdowns. Hintenraus wird es noch ziemlich psychologisch und der Nachhall dessen war bei mir enorm.

Negativ anlasten kann man dem Buch, dass es eigentlich keine Innovationen bereithält und dass natürlich von Anfang an klar ist, dass es auf der Insel weder Handy- noch Internetempfang gibt und die Fähre, die die sieben zur Insel gebracht hat, erst zu einer unbekannten Zeit wieder kommt – das alles hat man zuletzt bei Jonas Winners „Murder Park“ gelesen. Auch der Täter, also jener Mensch, der die sieben auf die Insel eingeladen hat, ist am Ende alles andere als eine Überraschung.

Tl;dr: „Das Inselhaus“ von Leonora Christina Skov ist eine gut erzählte Geschichte mit interessanten Charakteren, die alle ihre ganz eigene Geschichte mit auf die Insel nehmen. Bis zuletzt ist das Buch eher dem Drama- als dem Thriller-Genre zuzuordnen und hält auch keinerlei Innovationen bereit – dafür gräbt die Geschichte bei jedem Charakter ziemlich tief.

Bewertung vom 01.05.2018
Mit einem Bein im Grab
Konrath, J. A.

Mit einem Bein im Grab


sehr gut

J. A. Konrath kennt man auch unter dem Namen Jack Kilborn, unter dem er Horrorgeschichten veröffentlicht. Unter J. A. Konrath veröffentlicht er Thriller wie die Jack-Daniels-Reihe. Jetzt erst wurde die Phineas-Troutt-Trilogie veröffentlicht bzw. deren erster Teil „Mit einem Bein im Grab“. „Erst“ deshalb, weil die Trilogie weit vor den Büchern rund um die Mordermittlerin Jaqueline „Jack“ Daniels entstand, nämlich 1994. Damals war Konrath zarte 24 Jahre alt, aber seine Bücher fanden damals keinen Verleger. Ich habe einige die Jack Daniels gelesen, bis mich der ewig gleiche Ablauf der Geschichten zu nerven begann. Die Troutt-Trilogie ist ein Spin-off der Jack-Daniels-Reihe, in der sowohl Jack Daniels als auch Harry McGlade vorkommen – dennoch merkt man einige erhebliche Unterschiede zur Jack-Daniels-Reihe.

Phineas Troutt ist eigentlich ein Krimineller, er löst Probleme auf seine Art, und die ist selten legal. Doch mittlerweile spielt das keine Rolle mehr für ihn, denn er ist so gut wie tot. Troutt hat Bauchspeicheldrüsenkrebs, den er liebevoll Earl getauft hat und mit dem er gerne mal – weniger liebevoll – spricht. Die Chemotherapie hat er abgebrochen, stattdessen lebt er ein Lotterleben mit Alkohol, Koks und Nutten. Früher war er Türsteher, Rausschmeißer und Yogatrainer; heute nennt er sich „Problemlöser“ und tut genau das – Probleme lösen. Jetzt soll er das von Bipasha Kapoor, die einfach nur Pasha genannt wird, lösen. Doch alleine gegen die Mafia zu kämpfen ist unmöglich, weshalb er sich Verstärkung holt; unter anderem Harry McGlade, der größten Nervensäge, die ich je in der Kriminalliteratur gesehen habe. McGlade war regelmäßig bei der Jack-Daniels-Reihe dabei und müsste eigentlich nicht mehr arbeiten – der Typ hat Geld wie Heu und obendrein eine Fernsehserie über sein Leben. Auch Jack Daniels, mit der McGlade früher zusammengearbeitet hat, ist mit dabei, fungiert aber eher als Randerscheinung.

Es ist schon eine interessante Erfahrung, die ich mit den Büchern von J. A. Konrath mache. Die Jack Daniels Reihe hat mich irgendwann nur mehr gelangweilt und den Auftakt zur Troutt-Trilogie wollte ich nach vierzig Seiten gleich wieder abbrechen – doch ich zog durch und wurde verdammt positiv überrascht. So sehr, dass ich die letzten hundertzwanzig Seiten fast an einem Stück las. Die Unterschiede der zwei Serien sind immens und vor allem Phineas Troutts Krebserkrankung gibt dem Buch die Tiefe, die der Daniels-Reihe fehlt.

Nicht fehlen darf aber der Humor, für den Konraths Bücher bekannt sind und zwischen vulgär und sarkastisch schwankt. Für den Vulgären ist vor allem Harry McGlade zuständig und zeitweise wird einem das als Leser zu viel und man rollt irgendwann nur mehr mit den Augen – aber das zeigt nur, wie gut diese Figur gezeichnet ist; sie bleibt dem Leser im Kopf. Neben dem Humor wird auch noch knisternde Romantik geboten. So hat das Buch für beide Geschlechter etwas – für Männer den Untenrum-Humor und für Frauen etwas fürs Herz. Oder andersrum, je nachdem, wie die Präferenzen gelagert sind.

Was man definitiv hervorheben muss, ist der Charakter des Phineas Troutt, dessen Einstellung einerseits – aufgrund seiner Erkrankung – lethargisch ist, andererseits will er die Probleme anderer Leute lösen; und macht dies genau so, wie es zu seiner Lethargie passt – nämlich so, als hätte er nichts mehr zu verlieren.

Dennoch fehlt mir etwas, das mir bei allen Konraths gefehlt hat – nämlich das gewisse Etwas. Das merkt man am ehesten an der Atmosphäre, die irgendwie nicht aufkommen will, weil die Stimmung ständig zwischen todernst und superlustig schwankt.

Tl;dr: „Mit einem Bein im Grab“ von J. A. Konrath ist ein flotter, humorvoller und tiefsinniger Auftakt zur Phineas-Troutt-Trilogie. Der Spin-off der Jack-Daniels-Reihe hat genau die Tiefgründigkeit, die der Daniels-Reihe fehlt. Neben Jack Daniels hat auch Harry McGlade seinen Auftritt, der für deftigen Humor sorgt – zum Ausgleich gibt es dafür knisternde Romantik.