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Hamaru
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Nürtingen

Bewertungen

Insgesamt 76 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2025
Kushner, Rachel

See der Schöpfung


sehr gut

Zuerst fand ich die Figur der Sadie Smith, agente provocatrice in einer französischen Kommune, zu konstruiert, zu sehr auf super woman getrimmt. Und der ökoesoterische Guru Bruno Lacombe, der in einer Höhle lebt und den Neandertaler dem Homo sapiens vorzieht, erschien mir wenig glaubwürdig. Aber so eindimensional entwickelt sich die Geschichte nicht weiter. "See der Schöpfung" der Amerikanerin Rachel Kushner ist ein etwas anderer Agentenroman, in dem alle ihr Fett abbekommen, selbst der Starautor Michel Houllebecq.

Bewertung vom 17.06.2025
Mingels, Annette

Der letzte Liebende


ausgezeichnet

Ist es Ironie, dass dieser Roman "Der letzte Liebende" und nicht der letzte Frauenheld heißt? Auf jeden Fall ist vom alten weißen Mann schon lange nicht mehr ein so differenziertes Porträt gezeichnet worden wie von Annette Mingels. Ihr unprätentiöses Erzählen, bei dem der Fortgang oft beiläufig als Rückblick erfolgt, erinnert an die großartige Elizabeth Strout.

Bewertung vom 10.06.2025
Suter, Martin;Stuckrad-Barre, Benjamin von

Alle sind so ernst geworden


gut

Martin Suter und Benjamin von Stuckrad - Barre unterhalten sich über Wichtiges und Unwichtiges. Das ist manchmal witzig und manchmal gewollt witzig. Für ersteres ist meist der Schweizer zuständig, für letzteres meist der Deutsche.

Bewertung vom 08.06.2025
Heidenreich, Elke

Altern


gut

Von Seneca bis Trotzki ist so alles versammelt, was mal etwas zum Thema Altern gesagt hat. Fazit: Man ist so alt, wie man sich fühlt.

Bewertung vom 05.06.2025
Lewinsky, Charles

Rauch und Schall


ausgezeichnet

"Goethe hatte Hämorrhoiden ." Ein erster Satz, der natürlich neugierig macht. Und dann kommt noch eine veritable Schreibblockade dazu. Selten hat man den großen Olympier so menschlich geschildert bekommen wie von Charles Lewinsky. Wie Goethe von seinen Gebrechen geheilt und wie außerdem einer der größten Literaturskandale aufgedeckt wird, sei hier nicht verraten. Auf jeden Fall ein großer Lesespaß. Und ein wenig klassische Bildung gibt es obendrein gratis.

Bewertung vom 01.06.2025
Meyerhoff, Joachim

Man kann auch in die Höhe fallen / Alle Toten fliegen hoch Bd.6


sehr gut

Man muss kein Prophet sein: Auch Meyerhoffs 6. Roman "Man kann auch in die Höhe fallen" wird ein Bestseller. Was ist das Erfolgsrezept des Autors? Er schreibt witzig, detailgenau und vor allem schonungslos gegenüber sich selbst und seinen kleineren und größeren Katastrophen. Von daher trifft der Titel, Teil eines Hölderlinzitats, ziemlich genau ins Schwarze, obwohl das gegen die Schwerkraft ist. Dass er darüber hinaus noch seiner 86jährigen Mutter mit diesem Buch ein Denkmal setzt, wird vor allem der weiblichen Leserschaft gefallen.

Bewertung vom 27.05.2025
Cohen, Joshua

Die Netanjahus


ausgezeichnet

Ein Alptraum bricht über die Familie des jüdischen Historikers Ruben Blum herein, als er einen Gastdozenten mit seiner Familie beherbergen muss. Dieser Ben-Zion Netanjahu ist ein konservativer Zionist, der verzweifelt versucht, eine Anstellung an der kleinen Provinzuni zu erlangen. Würde dieser Roman auch funktionieren, wenn dieser Netanjahu nicht der Vater des jetzigen israelischen Ministerpräsidenten wäre und dieser nicht selbst als einer der flegelhaften Söhne auftauchen würde? Ja! Dafür ist dieser Roman einfach zu gut geschrieben, der den Leser zwischen Fremdschämen und befreiendem Lachen hin und her schüttelt. Aber so bekommt dieses Buch, das anscheinend auf ein historisches Ereignis zurückgeht, natürlich eine besondere Note.

Bewertung vom 22.05.2025
Seiler, Lutz

Die Zeitwaage


sehr gut

"Die Zeitwaage" ist ein elektronisches Gerät, um eine Unregelmäßigkeit im Gang eines Uhrwerks festzustellen. In der gleichnamigen Erzählung schildert Lutz Seiler seine ersten Versuche als Autor und das Gefühl von der gesellschaftlichen Ausgeschlossenheit. Als Außenstehender zeichnet Seiler wie eine Zeitwaage in seinen 13 Erzählungen hochsensibel das Aufwachsen im Arbeiter- und Bauernstaat bis zur Wende auf. Dass er als Lyriker begonnen hat, spürt man bei diesen ersten epischen Kleinformen. Vieles wird nur angedeutet, ist hermetisch verschlossen und erfordert ein genaues Lesen. Aber dieses Verfahren ermöglicht einen genauen Blick in das Räderwerk der untergegangenen DDR.

Bewertung vom 19.05.2025
Seethaler, Robert

Jetzt wirds ernst


gut

"Jetzt wird's ernst" ist eines der frühen Bücher von Robert Seethaler. Ein Coming-of-age-Buch, dem eine ganze Reihe von Romanen von Schauspielern (Meyerhoff, Selge, Tukur u.v.m.) folgten. Die Szenen aus dem Leben des Ich-Erzählers beginnen harmlos und kippen dann meist in groteske Überteibungen. Das ist am Anfang ganz unterhaltsam, mit der Zeit aber ermüdend. Man hat den Eindruck von "overacting", ein Fehler, den viele Schauspielereleven machen. Die späteren Seethalerromane zeichnen sich durch ein viel differenzierteres Personentableau aus.

Bewertung vom 14.05.2025
McEwan, Ian

Honig


ausgezeichnet

Eine doppelbödige Liebes- und Spionagegeschichte über einen jungen Autor, der von einer jungen Agentin für den MI5 angeworben wird. Eine raffinierte Honigfalle, die McEwan hier aufstellt, in die der Leser gar zu gerne hineintappt.