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Literaturentochter

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Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 19.03.2025
Prödel, Kurt

Klapper


ausgezeichnet

»Klapper nickte unsicher, und mit einer fast pathetischen Geste hielt sie ihm ihre Bärenpfote hin. Klapper schlug ein. Für einen Moment war es schön, ihre Haut zu spüren – doch alles an ihr fühlte sich heute so fremd an, dass er nur noch nach Hause wollte« (S. 130).

Nach den Sommerferien hat Klapper so gar kein Bock auf Schule. Innerhalb der Klassengemeinschaft gilt er als der blasse Nerd und Außenseiter. Sechs schöne Wochen in einem abgedunkelten Zimmer sind vorbei, Klapper muss sich notgedrungen von seinem Computer lösen und raus in die Sonne. Na ja, nach sechs Wochen wird es wohl auch mal Zeit zu lüften! Also Fenster auf und raus in die Welt. Ein entscheidendes Detail ist in Klappers Klasse anders – Vivi Marie! Die neue Mitschülerin stellt sich jedoch nicht mit ihrem anmutig klingenden Namen vor, sondern bevorzugt für sich die Bezeichnung »Bär«.
Mutig bahnt sich Bär den Weg in die letzte Reihe und setzt sich zielstrebig neben Klapper. Es kommt, wie es kommen muss – die beiden verbindet nach kurzer Zeit eine spannende Freundschaft. In ihrer Freizeit leben die beiden ihre Gaming Leidenschaft aus und verbringen viele schöne Stunden zusammen. Klapper fühlt sich wohl in Bärs Gegenwart und seit sie da ist, sind Klappers Probleme nur noch ein »leises Hintergrundrauschen« (S. 84).

In Klappers Elternhaus herrscht eine äußerst unangenehme Dynamik: Die Eltern pflegen einen dysfunktionalen Umgang miteinander. Das Verhalten von Klappers Vater Ralf löst in mir Fremdscham und Wut aus. Der Umgang der Eheleute miteinander ist nur schwer auszuhalten. Ralf möchte ich einfach nur schütteln und Mutter Conny in den Arm nehmen – ihr erstmal einen warmen Tee anbieten. Doch nicht nur bei Klapper Zuhause herrscht eine Schieflage, auch bei Bär ist die Situation nicht einfach.

Geschrieben ist Roman auf zwei Zeitebenen. 2011 ist Klapper ein 16-jähriger Jugendlicher. 2025 ist Klapper Erwachsen, aber hängt trotzdem noch sehr viel vor dem PC ab. Anstatt zu zocken verdient er als IT-SECURITY-Officer in einer Firma inzwischen Geld damit, sich mit Computern auszukennen. Auf seine berufliche Laufbahn ist Klapper, der eigentlich Thomas heißt, aber eher nicht so stolz. Auch in der Welt der Erwachsenen wird Klapper als nerdiger Computer-Mann abgestempelt, der bei Computer- oder Druckerproblemchen konsultiert wird. Privat lebt Thomas auf 27qm in einer anonymen und steril eingerichteten Wohnung.

Der Schreibstil von Kurt Prödel reißt mich mit. Vor allem die zwischenmenschlichen Aspekte im Buch haben mich total geflasht. Während Klapper und Bär auf der einen Seite reflektiert miteinander umgehen, stecken sie auf der anderen Seite in ihren pubertären Hormonkörpern fest! Gefühlschaos und Verwirrung ist vorprogrammiert. Beide sind geprägt von problematischen bzw. fragilen Elternhäusern. Während Klapper die patriarchalen Strukturen seines Vaters aushalten muss, gibt es bei Bär nebulöse Andeutungen, die für einen C2- und Medikamentenabusus sprechen. Bär wird zur parentifizierten Jugendlichen und muss Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister übernehmen, wenn die Eltern unpässlich sind. Diese Situationen beschreibt Kurt Prödel so authentisch und eindrucksvoll, dass dieses Buch für mich zu einem Highlight wird!

Wer Bock auf ein zwischenmenschlich spannendes Coming-of-Age hat, sollte unbedingt zu »Klapper« greifen.

Bewertung vom 27.02.2025
Wise, Spencer

Im Reich der Schuhe


gut

Im Mittelpunkt des Buches steht der 26-jährige Jude Alex Cohen aus Boston - seines Zeichens Sohn. Sein Vater führt ein Schuhimperium im chinesischen Shohan und wird als „Kaiser der Schuhe“ betitelt. Als der Vater beschließt die Firma in die Hände seines Sohnes Alex zu übergeben, fängt dieser an sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dabei trifft er auf Ivy, eine Wanderarbeiterin in der Schuhfabrik.

Auf knapp 400 Seiten erzählt Wise wie sich Alex aus der Rolle des Sohns befreit und sich auf eine Sinnsuche begibt. Dabei wird er von seinem Vater, dargestellt vom Autor als typische narzisstische Führungskraft und von Ivy, einer 36-jährigen Wanderarbeitern der Schuhfabrik beeinflusst.
Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet, gerade der Vater und das unbewusste Nacheifern des Sohnes ist eindrücklich beschrieben und wie sich Alex aus den starren Denkstrukturen des Vaters löst und doch immer wieder zwischen die Fronten der Führungsebene und den Arbeitern gerät. Der Autor spricht an dieser Stelle auch die Bekleidungsindustrie und die Arbeits- bzw. Lebenssituation in chinesischen Firmen an. Das Buch wird dadurch aber nicht schwer, sondern ist an den richtigen Stellen mit einem typisch amerikanischen Humor ausgeschmückt.

Für dieses Buch habe ich für meine Verhältnisse lange gebraucht. Es beinhaltet so viel und bremst mich in meinem sonst schnellen Lesefluss.
Der Schreibstil des Autors zwingt mich zu einem langsameren Leseverhalten, da ich auch nichts verpassen möchte. Insgesamt ist das Buch in der ersten Hälfte eher zäh, kommt dann aber in Fahrt und es lohnt sich dranzubleiben, da auch Nebensächlichkeiten und Nebenschauplätze fügen sich am Ende in das große Ganze ein.

Bewertung vom 27.02.2025
Bußmann, Nina

Drei Wochen im August


weniger gut

Leider musste ich das Buch nach ungefähr einem Drittel abbrechen.
Zu schleppend lief die Geschichte, die (bisher) aus Sicht von Elena und Eve erzählt wurde.

Die beiden Frauen sind sich fremd und trotzdem bestreiten sie zusammen eine Reise. Außerdem werden sie begleitet von Elenas Kindern und einer Freundin der 13-jährigen Tochter.

Eve arbeitet schon eine Weile als Babysittern für Elena und trotzdem kennen sich die beiden nicht wirklich. Auch in Elenas Ehe fühlt sie sich wie ein Fremdkörper. Die Ehe zwischen ihr läuft nicht mehr so gut.
Die Reise in ein abgelegenes Ferienhaus an der französischen Atlantikküste soll eine Verschnaufpause vom Alltag bringen, Elena bilanziert ihr bisheriges Leben.

Die Erzählung darüber konnte mich leider nicht abholen. Nur zäh komme ich im Buch voran. Der Erzählstil von Nina Bussmann kann mich leider nicht abholen. Ich kämpfe mich an den Seiten ab und gebe nach ungefähr 1/3 auf. Breche das Buch ab.

Für mich war das nichts!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.01.2025
Biringer, Eva

Unversehrt. Frauen und Schmerz


sehr gut

Eva Biringer verbindet in ihrem Buch »Unversehrt« eigene Erfahrungen und generationsübergreifende Berichte (zum Beispiel Einbezug der eigenen Großmutter) mit wissenschaftlichen Erkenntnissen!
Durch diese Mischung finde ich direkt einen lockeren Zugang zum Thema, gleichzeitig schafft es die Autorin mit wichtigen Fakten das Thema auch wissenschaftlich zu unterfüttern. Die Themen die Biringer aufgreift sind vielfältig und die Autorin schafft es einen guten Rahmen zu schaffen, damit ein Überblick gelingt, ohne zu tief in einem Gebiet zu versumpfen.

Ich kann zwar nicht uneingeschränkt allen Punkten zustimmen (beispielsweise schreibe ich in meine Tätowierungen einen ästhetischen Hintergrund zu und nicht wie die Autorin allgemein unterstellt den Wunsch nach Schmerzen), trotzdem konnte ich viel aus dem Buch mitnehmen.

Bewertung vom 29.11.2024
Mellors, Coco

Blue Sisters


sehr gut

Nachdem ich bereits »Cleopatra und Frankenstein« verschlungen hatte, konnte mich auch der zweite Roman von Coco Mellors »Blue Sisters« total abholen. Die Geschichte rund um die vier Schwester Nicky, Avery und Bonnie hat mich total in ihren Bann gezogen.

Ein Jahr nach dem Unfalltod von Nicky treffen sich die drei Schwestern in New York, um den Verkauf des Elternhauses zu verhindern. Die drei ungleichen Schwestern stehen mehr oder weniger fest im Leben. Jede von ihnen hat ihr Päckchen zu tragen. Nach und nach lassen die drei ihre emotionalen Hüllen fallen und öffnen sich einander, um die Dämonen ihrer Vergangenheit verarbeiten zu können. Mich konnte die Geschichte absolut fesseln und ich bin wieder einmal dem packenden Schreibstil von Coco Mellors verfallen. An dieser Stelle möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Übersetzerin Lisa Kögeböhn hier sehr gute Arbeit geleistet hat.

Bewertung vom 23.10.2024
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


sehr gut

Aus Angst vor dem nächsten Weltkrieg flüchtet der Ende 40-jährige Schweizer Drehbuchautor Ben Oppenheim mit seinen beiden Kindern und seiner Ex-Frau nach Brasilien. Ben und seine Ex-Frau Marina fühlen sich in der Schweiz nicht mehr sicher, da der nächste Atomkrieg wohl bevorsteht. Also ab ins Exil, ab nach Recife, Brasilien. Bei der überhasteten Entscheidung die Schweiz mit seiner Familie zu verlassen, vergisst Ben völlig seine Freundin Julia in seine Pläne miteinzubeziehen.

Das Leben von Ben Oppenheim ähnelt sehr dem des Stefan Zweig. In »Sobald wir angekommen sind« skizziert Micha Lewinsky zahlreiche parallelen zwischen den beiden Männern. Ben selbst vergleicht sich auch immer wieder mit Zweig. In seinem Handeln schwankt Ben Oppenheim zwischen halsbrecherischen Wagnissen und völlig rationalen Gedanken. Er erinnert mich an vielen Stellen an die Figur des Motti Wolkenbruch (Thomas Meyer). Waghalsig, mit einem Hang zur Komik.

Ein kurzweiliges Romandebüt mit hohem Unterhaltungsfaktor.

Bewertung vom 14.10.2024
Mustard, Jenny

Okaye Tage


sehr gut

Sam, geboren und aufgewachsen in Stockholm, lernt Luc in London kennen. Doch ihre Zeit in London ist begrenzt, da Sam in Stockholm fest angestellt ist. Und nur auf Zeit, für ein berufliches Praktikum, einen Sommer in London verbringt. Während Sam durch das Praktikum in London ihren Lebenslauf aufpolieren will, steht Luc in einer ganz anderen Phase des Lebens. Nach seinem Studium und diversen Abschlüssen ist er auf der Suche nach einem festen Job. Bisher erfolglos. Um sich über Wasser zu halten jobbt Luc in einer Boutique. Diese Arbeitsstelle hat er bereits seit der Uni – damals diente der Job als Einkommensquelle während der Uni, inzwischen hat sich seine Einstellung zur Arbeit in der Boutique geändert. Luc möchte endlich als Maschinenbauingenieur durchstarten, anstatt sich in der Boutique die Beine in den Bauch zu stehen.
Während Sam sich in London treiben lassen will, gerne unterwegs ist und auch mal mehr als ein Gläschen Alkohol trinkt, möchte Luc ein geregeltes Leben. Privat ist er hier gut aufgestellt – achtet auf seine Kalorien- und Nährstoffzufuhr und geht regelmäßig ins Fitnessstudio. Die Vorstellungen eines gelungenen Tages könnten nicht unterschiedlicher sein und doch finden Sam und Luc sehr schnell zusammen und beschließen den Sommer als Paar zu verbringen. Damit die Beziehung und der gemeinsame Sommer unbeschwert bleiben kann, finden die beiden sehr schnell eine Lösung: Sie verstellen sich und das Unglück nimmt seinen Lauf…

»Wir wussten, dass es nicht für immer war, und die zeitliche Begrenzung rechtfertigte die permanente Überdosis. Ohne Deadline hätten wir von Anfang an unsere Zweifel gehabt, weil wir so grundverschieden sind. So ist es besser. Ein sensationeller Sommer« (S. 102).

Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander. Die On-Off-Beziehung zwischen Sam und Luc zieht mich schleichend in ihren Bann und ohne es zu merken, bin ich tief drin, infiziert von ihrer Geschichte und kann nicht mehr aufhören zu lesen! 
Ein Plot Twist jagt den nächsten, so entsteht Tempo, ich kann kaum verschnaufen und was ich als Happy End in der Geschichte von Sam und Luc definiere, ändert sich gefühlt alle 10 Sekunden. Jenny Mustard schafft es, mich atemlos in eine Geschichte zu stecken, von der ich zwar nicht sofort begeistert war, aber ich am Ende kaum genug bekommen konnte. Was für ein tolles Debüt, bitte gerne mehr davon!

Und in ganz zarten Tönen erzählt »Okaye Tage« auch eine Geschichte, die über Migration und die eigene Herkunft spricht.

»Ich [Sams Pappa] bin glücklich in Stockholm. Ich habe mir die Stadt zu eigen gemacht. Natürlich werde ich immer Rumäne bleiben, aber ich bin eben auch Stockholmare. Man kann beides sein. Und ich glaube, du bist keine Stockholmare, sondern Londonare« (S. 181).



CN: C2- und Drogenkonsum, Abtreibung.

Aus dem Englischen von Lisa Kögeböhn. Vielen Dank für diese tolle Übersetzung und die Neologismen, die dieses Buch hergibt! »schlafgesättigt« (S. 139) oder »bubbleteagetränkt« (S. 310). Ich liebe sie alle 3

Bewertung vom 26.09.2024
Scherzant, Sina

Taumeln


ausgezeichnet

Hannah ist seit zwei Jahren verschwunden und trotzdem treffen sich einige der Bewohner:innen ihres Heimatortes jeden Samstag und suchen die Vermisste. Unter den Suchenden befinden sich beispielsweise Amaka, Emma, Frank, Christina, Enrico und Hartmut. Menschen, die ihre eigenen Päckchen zu tragen haben und doch die Energie aufbringen eine Familie zu unterstützen – bei der Suche nach der vermissten Tochter bzw. Schwester.


Der Fokus der Geschichte bildet nicht das Finden von Hannah, sondern ihr Suchen. Die Suchenden, die durch Hannas Verschwinden eine Gemeinschaft bilden. Der harte Kern, der sich auch zwei Jahre nach dem Verschwinden der jungen Frau noch trifft. Fremde Menschen, die sich kaum untereinander kennen, werden jedoch den Leser:innen näher gebracht. Der Einblick pro Person ist kurz, aber sehr intim und das Erlebte, im privaten, hinter verschlossenen Türen, unabhängig der Gemeinschaft ist vielfältig.


Bereits mit ihrem Debütroman »Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne« konnte mich Sina Scherzant abholen. Ihr zweites Buch »Taumeln« empfinden ich als ebenso stark.


Dieses Buch liefert einen ganz eigenen Sound, mit einem eigenwilligen Schreib- und Erzählstil. Ich bin absolut fasziniert von dieser Analyse menschlichen Seins.

Bewertung vom 26.09.2024
Phillips, Julia

Cascadia


weniger gut

Auf einer Insel im Nordwesten der USA leben Sam und Elena zusammen mit ihrer kranken Mutter in einfachen Verhältnissen. Das Geld, dass die beiden verdienen wird in Medikamente für die Mutter investiert. Das Haus in dem die Familie lebt ist marode, aber die beiden Schwestern träumen davon, ihre Heimat verlassen zu können, wenn sie von ihrer familiären Pflicht erlöst werden, da der gesundheitliche Zustand ihrer Mutter sich zunehmen verschlechtert. Als dann ein Bär auf dem Grundstück auftaucht gerät der Plan, die Insel zu verlassen ins wanken...


Der Umgang der Geschwister miteinander ist für mich schwer nachvollziehbar, ihre Dynamik miteinander ist fast schon toxisch und so baue ich ungewollt eine Distanz zu den Figuren auf, die ich bis zum Ende des Buches nicht ablegen kann.
Die Geschichte liest sich schön, die Landschaft wird zwar eindrücklich beschrieben und trotzdem wirkt das alles bei mir nicht, auch nicht die Symbolik, die das Auftauchen des Bären mit sich bringt.

Sehr schade. Das Buch liest sich, wie sich zu enge Schuhe anfühlen – unangenehm. Die Protagonistinnen sind nicht klar in ihren Handlungen, entwickeln sich nicht weiter und eine (emotionale) Ebene, die für die Nachvollziehbarkeit ihrer Handlungen sorgt, fehlt. Und so lese ich zwar das Buch bis zum Ende, aber der erhellende Moment bleibt aus. Ich werde am Ende aus einer Geschichte geworfen, die zu viele Fragen offen lässt.

Bewertung vom 17.07.2024
O'Donoghue, Caroline

Die Sache mit Rachel


ausgezeichnet

»Ich [Rachel] hatte einen Ozean voller Probleme geschaffen, in dem James der Navigator war, weil er der Einzige war, der von meiner Schwärmerei für Dr. Byrne wusste« (S. 84).

Rachel arbeitet während ihres Studiums in einer Buchhandlung, die kurz vor Jahresende im Jahre 2009 auch James einstellt. Er soll das Team als Aushilfe während des Weihnachtsgeschäfts unterstützen. Aus dem kollegialen Verhältnis der beiden entsteht schnell eine innige Freundschaft. Rachel und James beschließen, sich eine Wohnung zu teilen und sind von nun an unzertrennlich, hängen gemeinsam ab und erzählen sich ungefiltert alles. So erfährt James auch, dass sich Rachel in ihren Literaturprofessor Dr. Byrne verguckt hat. Das Duo tüftelt direkt an einem Plan, wie Rachel ihrem Crush näher kommen kann. Es kommt natürlich anders als geplant und die Freundschaft der beiden wird nicht nur einmal auf die Probe gestellt …

Die Geschichte rund um Rachel Murray, James Devlin und Dr. Fred Byrne spielt, wie bereits erwähnt, im Jahre 2009, erzählt wird sie jedoch 21 Jahre später aus der Sicht von Rachel. Durch die retrospektive Erzählweise entsteht ein besonderer Spannungsbogen und der Erzählstil erinnert mich an einen lockeren Plauderton einer Freundin, die mir eine Story von früher erzählt. Der Schreibstil gefällt mir demnach sehr gut. Mit den Figuren werde ich allerdings nicht so warm wie erhofft, vor allem Rachel macht es mir schwer und ihre Dynamik, die sich durch die Freundschaft mit James entwickelt. Ich hänge zwar an ihrer Erzählstimme und verfolge aufmerksam was passiert und bin neugierig, wie das Buch endet.



Gleichzeitig möchte ich mich auf eine Art dem Strudel entziehen – dieser Freundschaft zwischen ihr und James, die an vielen Stellen toxische Auswüchse hat und nicht auf Augenhöhe stattfindet. Es ist teils schon fast deprimierend, wie die Figuren miteinander umgehen.

»Wir laugten uns gegenseitig aus« (S. 314).


Geschickt baut die Autorin Caroline O’Donoghue feministische Themen in den Plot ein, ohne diese zu sehr in der Vordergrund zu rücken oder die leichte Stimmung der Geschichte durch leise Systemkritik zu ruinieren. Außerdem ist die Freundschaft zwischen Rachel und James von Klassenunterschieden geprägt. Diese Unterschiede im Aufwachsen und persönlichen Sein bringt Caroline O’Donoghue ebenfalls gekonnt ein und erweitert die Geschichte damit um eine weitere Dimension. Während Rachel mit ihren zwei Brüdern in einem behüteten Elternhaus aufwächst, versucht James’ alleinerziehende Mutter sich und ihre drei Kinder finanziell über Wasser zu halten. James Vater war drogenabhängig und saß im Gefängnis.

»Ich war ungewöhnlich untalentiert, was Haushaltsdinge betraf, weil meine Mutter uns vollkommen verwöhnt hatte, ohne dass uns das aufgefallen wäre. […] Zu meiner Verteidigung muss ich anmerken, dass James weitaus mehr Erfahrung hatte« (S. 66).

»Die Sache mit Rachel« bietet eine abwechslungsreiche Coming-of-Age-Geschichte, die sich den Titel modernen Unterhaltungsliteratur wahrlich verdient hat. Wer ein leichtes und gleichzeitig doch stimmungsgeladenes Buch sucht, ist hiermit bestens bedient.