Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lila Lula
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 01.07.2021
Lass das Land erzählen
Zeevi, Assaf

Lass das Land erzählen


sehr gut

Die Bibel ist das Buch mit der wohl höchsten Auflage der Welt und wird Tag für Tag an den unterschiedlichsten Orten gelesen. Doch während vermutlich mehrere Millionen Menschen täglich in der Bibel lesen, wissen nicht alle dieser Leser etwas über ihren Kontext: Wo spielen die Geschichten? Wie ist die Landschaft dort aufgebaut? Was war für die Menschen damals wichtig? Wie dachten sie? Assaf Zeevi ist in Israel aufgewachsen und führt als Reiseleiter christliche Gruppen aus Deutschland durch das Land. Mit „Lass das Land erzählen. Eine Reise durch das biblische Israel“ versucht er all denen das Land der Bibel näherzubringen, die bisher (noch) nicht da waren oder noch mehr über diesen spannenden Ort erfahren möchten.

Der Aufbau des Buches folgt dabei dem der Bibel – von den Urvätern geht es zur Richterzeit, zu den Königen und schließlich zum Neuen Testament und den Berichten über Jesus. Immer wieder werden dabei Karten eingebunden, die dem Leser dabei helfen, die Orte des jeweiligen Abschnittes zu verorten; eine große, gesamte Übersichtskarte fehlt allerdings leider. Auch Bilder finden sich immer wieder, jedoch ohne Beschriftungen (die sich erst im Anhang finden), sodass es mir manchmal schwerfiel, einen Steinhaufen vom nächsten zu unterscheiden.

Inhaltlich ist das Buch jedoch absolut empfehlenswert. Zeevi bringt eine Unmenge an Hintergrundwissen ein, erklärt antike und moderne Phänomene und lässt auch seine eigene Stimme und Erfahrungen nicht außen vor. Gerade dieser persönliche Ansatz macht die Reise sehr lebendig. Zeevis Erzählstil ist unterhaltsam und kurzweilig, sodass zumindest für mich die eher ‚trockenen‘ Geschichtsthemen quasi vorbeigeflogen sind und ich dabei noch eine Unmenge an Wissen mitnehmen konnte.

Zwei Sachen möchte ich allerdings noch anmerken: Zum einen sei darauf hingewiesen, dass Zeevi z.B. bei archäologischen Berichten oft eine sehr eindeutige Meinung vertritt; nämlich, dass archäologische Funde, die in die biblischen Berichte passen könnten, auch auf jeden Fall die Dinge sind, für die man sie hält. Wer also (wie ich) aus der Wissenschaft kommt und der Meinung ist, dass es zwischen schwarz und weiß viele Grauzonen gibt, der wird sich an manchen Stellen vielleicht wundern, wie überzeugt er für bestimmte Dinge eintritt.

Außerdem sei angemerkt, dass das Buch nicht unbedingt als Reiseführer taugt, da es statt nach Orten nach Geschichten gegliedert ist und das Nachschlagen einzelner Orte nur durch Durchblättern, also sehr mühselig, möglich ist. Wer nach einem Nachschlagewerk mit netten Berichten sucht, ist hier also eher fehl am Platz.

Allen Lesern, die gerne allgemein etwas über Israel und den Zusammenhang zwischen Land, Geschichte und Geschichten erfahren möchten, kann ich es jedoch nur ans Herz legen, einen Blick in Zeevis Buch zu werfen. Mir hat es insgesamt sehr gut gefallen und ich freue mich schon darauf, wenn es für mich im nächsten Frühjahr endlich so weit ist und ich das Land der Bibel (hoffentlich) live erleben darf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.06.2021
Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
Green, John

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?


ausgezeichnet

In einer globalen Pandemie, während der man an fast nichts anderes mehr denken kann, ist es schwer, nicht über eben diese Pandemie zu schreiben. Wie sie uns verändert. Wie sie unsere Erfahrungen prägt, so wie andere Pandemien vor uns das Leben anderer Menschen geprägt haben. Aber vielleicht braucht man darüber auch nicht zu schweigen! "Wie hat ihnen das Anthropozän bisher gefallen?" ist ein Kind seiner Zeit - und noch so viel mehr.

Auch wenn ich normalerweise nicht der Typ für Sachbücher bin, hat mich John Green mit seinem neuen Buch wieder einmal komplett in seinen Bann gezogen, sodass ich bis zur letzten Seite jedes Wort verschlungen habe. Erzählt wird von großen und kleinen Emotionen, von den unterschiedlichsten Dingen, die unser Leben ausmachen und am Ende die verschiedensten Phänomene auf einer Skala von einem bis fünf Sternen bewertet. Das Konzept ist simpel und doch erfrischend neu, weil ich mich nicht daran erinnern kann, je ein derartiges Buch gelesen zu haben. Es ist ein buntes Durcheinander und ergibt am Ende doch ein Mosaik; ermöglicht einen Blick auf uns Menschen aus den unterschiedlichsten Perspektiven und stimmt nicht nur nachdenklich, sondern auch hoffnungsvoll.

Greens Erzählstil ist mir bereits aus seinen anderen Büchern bekannt und wird von mir sehr geschätzt. Ruhig und unterhaltsam führt er seine Leser durch die unterschiedlichsten Themen und lässt dabei seine Persönlichkeit durchscheinen. Dadurch, dass es sich um seine privaten Bewertungen der verschiedensten Phänomene handelt, erhält man immer wieder einen Einblick in sein Leben, seine Gedanken und seine Welt, was das Buch unglaublich sympathisch macht.

Von Duftstickern über Nachrichtensendern bis hin zur größten Farbkugel der Welt deckt "Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen" eine faszinierende Bandbreite an Themen ab und doch kommt immer wieder eines durch, dass keine eigene Bewertung erhält und doch wie die Basslinie zu allem dazugehört: Unsere aktuelle Situation in der Pandemie. Meist ist sie nur durch einen Nebensatz oder eine Erinnerung an frühere Zeiten präsent und doch wirkt sie wie eine klare Brille, ohne die sich die Themen nicht betrachten lassen. Wer von so etwas nichts wissen will, sollte also lieber die Finger von diesem Buch lassen - und vielleicht ist es auch diese Brille, die es Lesern nach dieser Pandemie (die womöglich sogar erst in vielen Jahren auf dieses Buch stoßen und sich nicht mehr an diese Zeit erinnern können) schwer machen wird, Green zu verstehen. (Wobei das gut auch bei anderen Sachen der Fall sein kann, denn auch die hier beschriebenen Themen werden sich ändern.) "Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen" ist vieles, aber zeitlos ist es nicht.

Durch seine Vielfalt und die es umgebende Situation erinnert mich das Buch ein wenig an Boccaccios Decamerone. Es tat gut, ein Buch zu lesen, dass die Welt durch eine ähnliche Brille sieht, wie man selbst. "Like a bridge over troubled water" wie Simon & Garfunkel singen und vielleicht ist es ja auch das: Vielleicht hilft uns Greens Perspektive, wenn die Welt wieder zur 'Normalität' zurückkehrt, anders auf die Dinge zu blicken und die Themen, die wir schätzen von den 1-Stern-Phänomenen zu unterscheiden.

"Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen?" war für mich wie ein unsichtbares Pflaster, hat mich getröstet und hoffnungsvoll gestimmt, in einer Zeit, in der die Welt (mal wieder) zu enden scheint und es vermutlich doch nicht tun wird, sodass das Buch weniger eine Abschlussbeurteilung als vielmehr ein Aufbruch zu neuen Ufern sein wird. Ich gebe "Wie hat Ihnen das Anthropozän bisher gefallen?" deshalb fünf Sterne.

Bewertung vom 13.03.2021
Die Erfindung der Sprache
Baumheier, Anja

Die Erfindung der Sprache


ausgezeichnet

Man nehme einen facettenreichen Charakter, sende ihn auf Reisen auf der Suche nach einer Person, der er sich verbunden fühlt - und ich bin dabei! "Die Erfindung der Sprache" hat aus meiner Sicht alles, was es für einen großartigen Roman braucht und nicht nur das Konzept, sondern auch die Umsetzung haben mich voll überzeugt.

Adam Riese (welch genialer Name!) ist Doktor der Sprachwissenschaft, stammt aus Ostfriesland, lebt in Berlin und hat eine verrückte Familie. Dazu gehören absolut liebenswerte Personen wie seine Großmutter Leska, die für ihren Mann ihre Heimat im Riesengebirge verlassen hat und seitdem mit ihm auf einer kleinen Insel im Wattenmeer eine Bäckerei führt, die nicht nur ostfriesisches, sondern auch tschechisches Gebäck anbietet. Dazu gehören traurige Personen, wie seine Mutter, die einst Radiomoderation war und inzwischen kein Wort mehr spricht - und verschwundene Personen wie sein Vater, der sich irgendwie in Luft aufgelöst hat. Doch die Rieses haben gelernt, damit zu leben, bis Adams Mutter eines Tages in einem Buch eine Spur auf ihren Mann entdeckt - worauf es an Adam ist, das Rätsel um dessen Verschwinden zu lösen. Mit dabei ist Zola Hübner, die Autorin des besagten Buches, welche Adam dabei hilft, seine Komfortzone zu verlassen und das Netz der Spuren immer weiterzuverfolgen.

Als Leser hat man immer mal wieder das Glück, einer Figur zu begegnen, die einem wie aus dem Herzen geschrieben zu sein scheint und so ging es mir mit Adam. Er ist das genaue Gegenteil der aufgedrehten Zola und trotzdem ergeben sie ein hervorragendes Team, wenn es um die Suche nach dem Mann geht, der ihre Leben geprägt hat. Die Geschichte selbst wird dabei mit jedem Kapitel spannender, denn man erfährt nicht nur mehr über den Verbleib von Adams Vater, sondern auch mehr über seine Vergangenheit, seine Familie und dass nicht immer alles so einfach ist, wie es scheint. Alle Charaktere sind dabei nicht nur absolut liebenswert, sondern auch facettenreich und tragen so zu einer unterhaltsamen Handlung bei.

Trotz mancher schwierigen Themen ist "Die Erfindung der Sprache" ein relativ unbeschwertes Buch, das nicht in etwa in depressiven Gedanken versinkt, sondern vielmehr hoffnungsfroh in die Zukunft blickt. Auch in aussichtslosen Situationen scheinen die meisten der Charaktere wirklich optimistisch zu bleiben, was ich bewundere. Es ist eine Ermutigung dazu, die Hoffnung nicht so schnell aufzugeben.

Ein Highlight war für mich auch die Ungezwungenheit der Geschichte. Während andere Autoren krampfhaft bestimmte Elemente einbinden, damit sich ihr Buch besser verkauft, belässt es Anja Baumheier bei dem, worum es eigentlich geht und so wirkt alles sehr natürlich und harmonisch. Eine uneingeschränkte Empfehlung also von meiner Seite!

Bewertung vom 13.03.2021
Der Zirkus von Girifalco
Dara, Domenico

Der Zirkus von Girifalco


ausgezeichnet

Dass die Zufälle des Lebens oft keine sind und nicht jede Geschichte glücklich endet, dürfte jeder, der bereits Domenica Daras "Postbote von Girifalco" gelesen hat, bereits wissen. Seine Erzählungen haben nichts Gekünsteltes, schließen direkt ans "echte Leben" an - und genau darin liegt ihre Schönheit.

Für Girifalco, einen kleinen Ort ganz im Süden Italiens, ist das Fest des Dorfheiligen San Rocco, kaum eine Woche von Mariä Himmelfahrt entfernt, das Highlight des Jahres, denn jedes Jahr gibt es außerhalb der Stadt zum Fest einen Jahrmarkt. Nur in diesem Jahr ist alles anders, denn statt der Schausteller verirrt sich ein Zirkus in Girifalco und beschließt, für eine Woche zu bleiben. Eine Woche voller Magie, die das Leben nicht weniger Bewohner nachhaltig verändert. Unbekannte Emotionen werden geweckt, lang gehegte Wünsche gehen in Erfüllung - nur dass man manchmal doch erst später merkt, dass trotzdem Unsicherheiten bleiben können.

Auch wenn das Buch zunächst wie eine Fortsetzung des "Postboten" wirkt, ist dem nicht so. "Der Zirkus von Girifalco" spielt gute 20-30 Jahre nach dem "Postboten" und von den bekannten Charakteren tritt lediglich der Dorfarzt noch einmal am Rand auf. Wer sich eine Klärung der offenen Enden erhofft hatte, ist hier fehl am Platz - wer aber umgekehrt auch ohne den "Postboten" gelesen zu haben in Daras Welt eintauchen möchte, ist hier genau richtig.

Domenico Dara erzählt seine Geschichte mit Leichtigkeit, voller Emotionen und mit Charakteren, die so vielschichtig sind, dass sie sich schwer in Schubladen stecken lassen. Mit wenigen Ausnahmen habe ich sie alle ins Herz geschlossen und möchte sie von dort nicht wieder gehen lassen! Anders als in seinem Debütroman spielt hier das Zwischenmenschliche eine kleinere Rolle und es geht vielmehr darum, dass sich die Charaktere selbst finden - angestoßen durch Ereignisse des Ortes oder durch die Magie des Zirkus. (Wobei: Wer weiß, ob das nicht ein und dasselbe ist?) Wie im "Postboten" ist allerdings auch hier der Spannungsbogen eher flach, man fiebert hin und wieder mit den Charakteren mit, ärgert sich mit ihnen aber es ist nie so, dass man vor Spannung das Buch nicht aus der Hand legen kann.

Insgesamt ist "Der Zirkus von Girifalco" ein berührender Roman; eine Sammlung von Geschichten so unterschiedlicher Leute, die doch irgendwie zusammenhängen. Wer auf der Suche nach einem ruhigen Buch ist, das Freud und Leid vereint und doch die schönen Seiten des Lebens und unerwartete Wunder hervorhebt, dem sei das Buch wärmstens empfohlen!

Bewertung vom 19.11.2020
Follower
Engel, Gunnar

Follower


ausgezeichnet

Pastor Gunnar Engel ist in der christlichen Szene kein Unbekannter mehr. Über seine YouTube Videos, Blogbeiträge, Instagram-Posts und verschiedene Podcasts erreicht er nicht wenige Menschen aus den unterschiedlichsten Altersgruppen, die vermutlich alle eins gemeinsam haben: Sie wollen Gott näher kommen. Sicher wird ihm deshalb auch immer wieder die Frage gestellt, wie das gehen soll - worauf dieses Buch antwortet.

Inhaltlich handelt es sich um eine Mischung aus Bibelarbeit, generellen Überlegungen dazu, wie Nachfolge funktionieren kann und aus persönlichen Erfahrungen. Dabei zeigt Pastor Engel ganz offen und ehrlich, dass auch Pfarrer nur Menschen sind und entsprechend manchmal an ihre Grenzen geraten. Erfrischend ist dabei auch die Perspektive: Während viele Bücher auf dem christlichen Markt aus eher evangelikalen Kreisen stammen, ist Pastor Engel in einer lutherischen Landeskirche verwurzelt. Entsprechend rücken auch in Bezug auf Gemeinde u.ä. andere Themen in den Fokus, die einen die eigene Gemeinde in einem neuen Licht sehen lassen.

Während Gemeinde eine große Rolle spielt, geht es in "Follower" jedoch hauptsächlich um die persönliche Gottesbeziehung. Anhand starker biblischer Charaktere zeigt Pastor Engel, wie ein Berufungsmoment aussehen kann - und wie darauf (idealerweise) reagiert wird. "Hier bin ich, sende mich" heißt es immer wieder und entsprechend gliedert er auch sein Buch und fokussiert sich auf die einzelnen Aspekte dieser Aussage.

Die Sprache des Buches ist authentisch und ehrlich, leicht verständlich auch für etwas kirchenferneres Publikum und insofern für fast jede Lesergruppe geeignet. Dabei dürfte das Buch vor allem junge Menschen sehr ansprechen. Wer auf der Suche nach hochgeistiger Lektüre ist, wird mit diesem Buch vielleicht nicht sonderlich glücklich werden. Trotzdem sollte sich keiner, den Cover und Klappentext ansprechen, von der Lektüre abschrecken lassen, denn letztendlich kann wirklich jeder etwas aus diesem Buch für sich mitnehmen.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2020
QualityLand 2.0 / QualityLand Bd.2
Kling, Marc-Uwe

QualityLand 2.0 / QualityLand Bd.2


ausgezeichnet

Wieder einmal entführt Marc-Uwe Kling, äh, die E-Poetin Kalliope 7.3 ihre Leser in ein Land in nicht allzu ferner Zukunft. Wieder einmal begegnet man altbekannten Charakteren. Doch wo in ihrem ersten Roman, "Qualityland - Peters Problem" tatsächlich 'nur' ein Systemfehler im Vordergrund stand und der Unterhaltungsfaktor vornehmlich aus den Figuren entwuchs, kommt in "Kikis Geheimnis" ein Mysterium dazu und ein ordentlicher Spannungsfaktor.

Der Roman setzt eine Weile nach dem Ende des Vorbands ein. Von ihren vorherigen Abenteuern erholt haben sich die Charaktere mehr oder weniger in ihrem neuen Leben eingerichtet. Peter arbeitet als professioneller Maschinentherapeut während Martin Vorstand seine Existenz neu begründen muss. Kiki ist hingegen von der Bildfläche verschwunden - doch nicht lang, denn schließlich ist es ihr Geheimnis, welches gelöst werden will. Ein mysteriöser Killer ist ihr auf der Spur und die einzige Möglichkeit, ihn zu finden, scheint darin zu bestehen, ihn zu finden und das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften.

In gewohnter Manier erzählt Kling von einer Gesellschaft mit viel Verbesserungspotential und spart dabei nicht an Kapitalismus- und Neoliberalismus-Kritik. Wenn auch nicht ganz so scharf wie in seinen Kängurubüchern, so ist der Grundtenor doch gleich und wer davon nichts wissen oder lesen will, sollte die Finger von diesem Roman lassen.

Wem jedoch "Qualityland" gefallen hat, der sollte auch hier einen Versuch wagen. Meiner Meinung nach ist der Roman noch besser geworden als sein Vorgänger - weniger obszön, dafür wesentlich spannender und mit vielen überraschenden unterhaltsamen Wendungen. "Qualityland 2.0" entführt zwar in eine fremde Welt, doch wie so oft ist sie gar nicht so fremd und man erkennt doch vieles wieder. Gewissermaßen also eher eine Realsatire, die zum Nachdenken über die eigenen Einstellungen anregt.

Um es mit Kalliope 7.3 zu sagen: Ich habe es ja erst nicht geglaubt, aber das Produkt ist wirklich so toll! Das klingt super. Danke, Gaby. Ihr solltet euch auf jeden Fall auch eines zulegen.

Bewertung vom 11.11.2020
Westwind
Harvey, Samantha

Westwind


sehr gut

In ihrem Roman "Westwind" entführt Samatha Harvey ihre Leser in eine längst vergangene Zeit. Eine naturgemäß junge Dorfgemeinschaft wird vom Tod eines bedeutenden Mitglieds erschüttert und versucht, damit klarzukommen. Gleichzeitig versuchen aber aus auswärtige, die Lage aufzuklären - denn dieser Tod kann kein Zufall gewesen sein! Im Zwiespalt der Interessen steckt John Reve, Priester der Gemeinde, der als Sheriff ermitteln soll, wer für den Tod von Thomas Newman verantwortlich ist. Doch geht das so leicht?

Sowohl das Wetter als auch die Begebenheiten in diesem Buch sind nicht schön. Vielleicht ein wenig wie in "Sturmhöhe" sind die guten Charaktere rar und wohl kaum eine Figur mag oder hasst man am Ende des Buches so sehr wie zu Beginn. Die Welt, die Harvey zeichnet, ist eine düstere, erfüllt mit Kälte und Nässe, mit Grautönen und durch und durch unangenehm. Anders vielleicht als bei manch anderem historischen Roman möchte in diesem Mittelalter niemand leben.

Von den anderen Mittelalter-Romanen unterscheidet sich dieses Buch auch durch seine Sprache. Mit gekonnten Formulierungen lässt Harvey einen gebildeten Ich-Erzähler sprechen, der noch dazu seine Geschichte von hinten aufwickelt und chronologisch rückwärts berichtet.

Gemeinsam hat es, dass man an einigen Stellen die Augen zudrücken muss, was die historische Akkuratheit anbelangt. Auch aus theologischer Perspektive passt nicht alles ganz zusammen - so scheint John Reve zwar tief gläubig zu sein und wenn es nötig ist ein paar passende theologische Finten parat zu haben, ein tieferes Verständnis für die Grundansichten der Kirche der damaligen Zeit fehlt jedoch.

Trotz allem ist der Roman unterhaltsam und spannend. Manche Passagen sind etwas langatmig und erdrücken einen regelrecht, insgesamt lässt er sich jedoch gut lesen. Empfehlen würde ich das Buch allen Fans der Zeit und allen, die gern eindrücklich erzählte Geschichten lesen.

Bewertung vom 17.09.2020
Omama
Eckhart, Lisa

Omama


gut

Als ich Lisa Eckharts erste Auftritte gesehen habe, gehörte ich, ehrlich gesagt, eher zu den Skeptikern. Zu provokativ, zu auffällig, zu dramatisch. Doch nach einer Weile habe ich ihr doch noch einmal eine Chance gegeben und war erstaunt, wie sie sich gemausert hat. Der Weg, den sie gewählt hat, ist sicher kein leichter - zumal sie es sich ja zum Ziel gesetzt haben zu scheint, früher oder später jeden mindestens einmal anzufeinden. Hat man jedoch einmal den eigenen gekränkten Stolz überwunden, kann man ihre kunstfertige Art bewundern. Ihre Bühnenauftritte sind keine Zufallsprodukte sondern sorgfältig ausgefeilte Performances und das merkt man auch in "Omama": Jedes Wort ist genau ausgewogen, geschickt platziert und trifft haarscharf zu. Rhetorisch sind die Erzähleinheiten ein Meisterwerk.

Aber (es musste natürlich kommen) als Gesamtwerk funktioniert das Buch eher mäßig. Wie bereits erwähnt, liest sich der Roman wie einer ihrer Auftritte - nur dass dieser eben, je nach Lesegeschwindigkeit, über sieben Stunden dauert. Bei den normalen Auftritten, 10-15 min, ist man danach schon ziemlich geschafft - hier ist das ganze um das 30ig-fache potenziert. Und so findet man zwar gut in den Text rein, hat aber nach einer Weile keine Lust mehr, weiter zu lesen. Der Leser wird von einer haarscharfen Beobachtung zur nächsten Pointe zur nächsten Philosopherei quer durchs Gemüsebeet gejagt und schon bald geht einem die Puste aus. Und weil man weiß, dass die Hatz jedes Mal, wenn man das Buch aufnimmt, weiter geht, vergeht einem irgendwann ganz die Lust am Lesen.

Der Fehler hängt, meiner Ansicht nach, in der Formatierung des "Romans". Statt alles durcheinander zu wurschteln, manchmal nur mit halb erkennbarem roten Faden, hätte dieses Buch so viel mehr sein können. Eine Sammlung von Erzählungen zum Beispiel. Kürzer und pointierter als die Kapitel und dadurch leichter, vielleicht auch mal zwischendurch zu lesen. Im Zweifelsfall hätten auch ein paar Zwischenüberschriften gereicht, um das Buch aufzulockern. So wirkt es nicht nur erschlagend, sondern ist es auch.

Da es ein Roman ist anbei noch ein paar Worte zur Geschichte. Die "Omama", die eigentlich eine Großmutter ist (was natürlich die Frage aufwirft, warum das Buch nicht so benannt wurde) ist ein ziemlicher Charakterkopf. Nicht unbedingt symphatisch, aber auch nicht zwingend unsymphatisch. Eine Entwicklung der Figur innerhalb des Buches ist, abgesehen vom Alter, eher nicht zu sehen. Aber die Großmutter steht ja auch nur scheinbar im Mittelpunkt, denn eigentlich sind es die anderen Charaktere, die im Vordergrund stehen. Die Inge zum Beispiel, die zwar auch kein sonderlich tiefer, dafür aber sehr lustiger Charakter ist. Oder die Wirtin, die von allen Figuren am lebendigsten wirkt. Man kann natürlich sagen, dass Lisa Eckhart nichts dafür kann, dass ihre Hauptfiguren, da dem echten Leben entnommen, zeitweise etwas langweilig sind, aber dem möchte ich entgegen halten, dass a) jede Person spannend wird, wenn man nur lang genug "im Dreck" wühlt und irgendwelche Charakterticks entdeckt, die dann auf der Romanbühne entwickelt werden können und v.a. dass b) ein Roman nicht ohne Grund nicht Biographie heißt. Dem ("toten") Autor ist alles erlaubt und er sollte sich nicht von der rein zufällig ähnlichen Realität einschränken lassen in dem, was er mit seinen Figuren und der Handlung anstellt.

Insgesamt bin ich mit meiner Empfehlung für "Omama" eher zurückhaltend. Man braucht viel Geduld, viel Durchhaltevermögen und sollte sicherheitshalber vorher überprüfen, ob man mit Lisa Eckharts Art klar kommt. Fans ihrer ausgefeilten Texte sei das Buch jedoch empfohlen, denn zumindest aus dieser Hinsicht steht es ihren Auftritten in nichts nach.

Bewertung vom 30.06.2020
Tochter Gottes, erobere die Welt / Tochter Gottes Bd.2
Hammond, Inka

Tochter Gottes, erobere die Welt / Tochter Gottes Bd.2


gut

Als Inka Hammond vor einigen Jahren ihr Buch "Tochter Gottes, erhebe dich" auf den Markt brachte, war ich - wie viele andere Leserinnen vermutlich auch - ziemlich baff. Und begeistert! Sie sprach Dinge mutig und aus einer neuen Perspektive an und hat sicherlich viele Frauen dazu gebracht, ihr Leben zu überdenken und neue Wege zu gehen. In diesem *neue-Wege-gehen* möchte sie nun mit "Tochter Gottes, erobere die Welt" unterstützen. Doch mit dem ersten Band im Hinterkopf sind die Erwartungen an dieses Buch wohl zu hoch, um erreicht zu werden.

Sprachlich gibt es dabei nichts auszusetzen. Inka Hammonds Schreibstil nimmt den Leser mit, ist reich an Bildern und kann dadurch auch durchaus berühren. Von der reinen Leseerfahrung her ist es also kein schlechtes Buch.

Was mich an "Tochter Gottes, erhebe dich" besonders angesprochen hatte, waren die vielen Berichte aus dem Leben der Autorin. Immer wieder wurden ihre Botschaften durch eigene Erfahrungen und (Miss-) Erfolgsgeschichten untermalt und haben dem Buch damit etwas Authentisches gegeben. Im Scheitern, in der Verzweiflung, konnte man sich wiederentdecken und gemeinsam "erheben" in Richtung einer besseren Zukunft. Dieser persönliche Aspekt fehlte hier fast komplett. Stattdessen hat sich die Autorin vieler biblischer Geschichten zur Untermalung bedient - was an sich nicht schlecht ist. Wenn die Leser allerdings bereits grundsätzlich mit den Geschichten vertraut sind und vonseiten der Verfasserin keine wesentlich neue Perspektive auf die Texte geboten wird, entsteht dadurch wenig Mehrwert.

Wurde denn im ersten Buch schon alles erzählt? Beim Leser von "Tochter Gottes, erobere die Welt" entsteht durchaus dieser Verdacht. Es sind nicht nur die persönlichen Berichte, die fehlen, sondern auch neue Botschaften. Vieles wirkt aufgewärmt und manchmal wird sogar direkt auf den ersten Band verwiesen. Dazu kommt eine fast propagandistische Wiederholung ihrer Hauptbotschaft ("Bist du bereit?") und es fällt kein Wort zu denen, die vielleicht noch nicht bereit sind.

Insgesamt bin ich mir nicht ganz sicher, wie ich dieses Buch bewerten und wem ich es weiterempfehlen soll. Am meisten Freude werden wohl diejenigen daran haben, die das Vorgängerbuch noch nicht kennen und mit diesem Band einsteigen. Wer "Tochter Gottes, erhebe dich" bereits kennt, wird sich sicher auch an einigen Passagen freuen können, sollte allerdings nicht mit zu hohen Erwartungen an das Buch herangehen.

Bewertung vom 30.06.2020
Paradise Valley: Die Entscheidung
Meier, Carlo;ZoomCrew

Paradise Valley: Die Entscheidung


sehr gut

Nachdem Lena durch ein mysteriöses Amulett einen Hinweis darauf erhalten hat, wohin ihre Mutter vor 12 Jahren verschwunden sein könnte, hat sie sich mit ihren Freunden auf die Reise in die Sierra Nevada begeben und dort tatsächlich ihre Mutter gefunden - doch irgendwie ist alles anders als gedacht. Sie lebt im Paradise Valley zusammen mit einer Gruppe von Aussteigern, die sich vor der modernen Welt und ihren Strahlungen zu schützen versuchen. Angeführt wird die Gemeinschaft von White, einem alten Mann, der ein auffälliges Interesse an Lenas Amulett hat. Doch warum? Dem versuchen Lena und ihre Freunde auf den Grund zu gehen und geraten dabei selbst in Gefahr. Denn wenn schon nur ein Weg in das Tal hinein geht, wie viele gehen dann hinaus?

Zwischen dem Erscheinungsdatum "Paradise Valley" und "Paradise Valley: Das Verhängnis" lag kaum ein Jahr, für "Paradise Valley: Die Entscheidung" hat sich dieser Zeitraum verdoppelt - und das merkt man dem Buch an. Die Geschichte setzt direkt im Anschluss an den vorherigen Band ein und doch sind die Details irgendwie holprig. Die Charaktere wissen aus dem nichts Dinge, die ihnen (und damit in diesem Fall auch den Lesern) vorher nicht bekannt waren und so stolpert man erstmal in das Buch hinein.

Dabei ist der Roman an sich nicht weniger spannend als sein Vorgänger - erst ganz zum Schluss wird klar, worum es wirklich geht und dann darf natürlich auch ein spektakulärer Showdown nicht fehlen. (Dabei wird die Lösung unterschiedliche Leser unterschiedlich stark überraschen.)

Die Charaktere verändern sich dabei, mit wenigen Ausnahmen, innerhalb des Buches, aber auch innerhalb der Trilogie, in ihrer Persönlichkeit fast gar nicht. Die Abenteuerreise bleibt dabei also auf der wörtlichen Rede. Auch die Sprache gleicht der der ersten beiden Bände - entweder man mag es oder man mag es nicht. Die Perspektivwechsel tragen auf jeden Fall zur Spannung bei und die kurz gehaltenen Sätze und Kapitel dürften auch zurückhaltendere Leser motivieren.

Insgesamt kann ich dieses Buch und die zugehörige Trilogie aus der Warte empfehlen, dass es sich um eine spannende christliche Abenteuerreihe handelt. Und dort liegt vermutlich auch die hauptsächliche Zielgruppe. Gerade deshalb ist es aber auch schon wieder fast schade, dass christliche Themen - abgesehen von der gelebten Nächstenliebe - so gut wie gar nicht im Buch enthalten sind und auch die Risiken von spirituellen Gemeinschaften, die man gerade mit der Valley-Gruppe gut hätte beleuchten können, bleiben unberührt.