Benutzer
Benutzername: 
Milienne
Wohnort: 
Essen

Bewertungen

Insgesamt 163 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2025
Willbrand, Klaus;Razumovych, Daria

Einfach Literatur


ausgezeichnet

Ein ganz besonderer Guideline durch die literarische Welt

Klaus Willbrand ist nicht ohne Grund ein kleines TikTok- und Instagram-Phänomen, wie ich im Nachhinein feststellen durfte. Seine Art, über Literatur zu sprechen, strotzt nur so vor Fachwissen, bleibt dabei aber stets zugänglich und nahbar. Dieses tiefe Wissen erklärt sich in seinem Buch auf beeindruckende Weise.

Seine Lesesozialisation unterscheidet sich deutlich von der heutigen. Schon früh wandte er sich von Jugendliteratur ab und widmete sein Leben der Welt der Bücher. Die Leselisten, die er präsentiert, sind nicht bloße Aufzählungen, sondern eingebettet in persönliche Erzählungen und Anekdoten: Begegnungen mit Literatur, die ihn geprägt haben. Dass er die Zeiten großer Schriftsteller*innen miterlebt hat, den Gründer von Kiepenheuer & Witsch persönlich kannte und sich beruflich wie privat ganz dem Lesen verschrieben hat, verschafft ihm natürlich einen einzigartigen Einblick in die literarische Welt. Besonders beeindruckt hat mich, wie er sich tageweise zurückzog, um sich ganz dem Lesen zu widmen, eine Hingabe, die tiefen Respekt verdient.

Sein Wissen ist in dieser Tiefe sicherlich nicht für jeden erreichbar, doch sollte man sich davon nicht einschüchtern lassen. Vielmehr sehe ich darin eine inspirierende, gut strukturierte Einladung, sich (wieder) der klassischen Literatur zu nähern.

Das Buch lässt sich wunderbar am Stück lesen, um einen chronologischen Einblick in Willbrands Leben und literarische Entwicklung zu bekommen. Ich persönlich werde künftig je nach Stimmung einzelne Kapitel zur Hand nehmen, um neue Lektüreinspirationen zu finden.

Eine liebevoll gestaltete Hommage an einen außergewöhnlichen Bücherliebhaber.

Bewertung vom 31.07.2025
Soukupová, Petra

Klub der seltsamen Kinder


gut

Wir befinden uns in Tschechien und begleiten vier sehr unterschiedliche Kinder auf ihrem Weg zueinander: zu einem gemeinsamen Ausbruch und zu einer entstehenden Freundschaft. Mila, die mit ihren Aussetzern und ihrer großen Tierliebe als „seltsam“ gilt, ist sich ihrer Andersartigkeit bewusst, ebenso wie Peter, der nachts noch Angst im Dunkeln hat. Katka, die Älteste, fühlt sich aufgrund ihres Übergewichts und ihres einsamen Hobbys, dem Lesen, oft ausgegrenzt. Franta, der später zur Gruppe stößt, hat eine körperliche Beeinträchtigung an den Beinen.
Anhand der Buchstaben erkennt man, wer gerade erzählt. Sehr schön umgesetzt, denn so spricht jedes Kind für sich selbst und gibt Einblick in seine ganz persönliche Sicht auf die Welt, samt der von außen zugeschriebenen Rolle als Außenseiter*in.
Gut gelungen ist auch, dass die Kinder bei ihrem kleinen Abenteuer bewusst ihre Handys zu Hause lassen. Ohne Google Maps wird die Unternehmung zu einer echten Herausforderung und dadurch umso abenteuerlicher. Die Illustrationen fangen die jeweilige Stimmung feinfühlig ein und passen gut zum Inhalt.
Die kindliche Perspektive ist inhaltlich überzeugend dargestellt: Die Gewichtung der Probleme, Sorgen und Ängste entspricht tatsächlich der Erfahrungswelt von Kindern. Die Sprache hingegen wirkt an manchen Stellen wenig authentisch, möglicherweise ein Problem der Übersetzung. Ob der Stil im Original dem Tschechischen entspricht, lässt sich schwer beurteilen. Einige Ausdrücke erinnern eher an ein älteres Kinderbuch oder sind für die Zielgruppe untypisch. Ich wusste zum Beispiel in der 5. Klasse nicht, was „lallen“ im Zusammenhang mit Alkohol bedeutet. Oder wenn Katka ganz selbstverständlich „arg“ steigert oder „Würstel“ anbietet. Das klingt wenig kindgerecht. Auch die häufig sehr langen Sätze, die sich durch alle Erzählperspektiven ziehen, machen es schwer, die Figuren sprachlich voneinander zu unterscheiden.
Die Geschichte an sich ist durchaus schön, vor allem durch die bunt zusammengewürfelte Truppe. Zwischendurch zieht sie sich allerdings ein wenig. Ich würde das Buch daher eher älteren Leser*innen empfehlen, vielleicht ab der 6. Klasse.

Bewertung vom 30.07.2025
Mohl, Nils

Engel der letzten Nacht


ausgezeichnet

Kester träumt aus unterschiedlichen Gründen von der Nacht der Nächte. Für ihn fühlt sich das Ende der Schulzeit nicht wie ein Neuanfang an, sondern wie ein letzter Höhepunkt. Erwachsenwerden? Klingt nach Enttäuschung. Und als beim Feiern des Abiturs eine Situation eskaliert, ist für Kester klar: Diese Nacht soll die letzte sein, ganz oder gar nicht.

Mit dieser radikalen Haltung stürzt er sich in das nächtliche Hamburg, begegnet Menschen, denen er im Alltag nie begegnet wäre, schillernden, verletzlichen, rätselhaften Figuren, die alle ihre eigene Geschichte mit sich tragen. Doch keine Begegnung, keine Version dieser Nacht erfüllt seinen Traum. Kester sucht weiter, fragt sich, wie sein Leben und sogar sein Tod aussehen soll. Vielleicht denkt er zu viel, vielleicht ist es Blanka, die ihn nicht loslässt. Klar ist: Eine Erzählweise reicht nicht. Die Nacht der Nächte braucht mehr.

Gerade darin liegt der Reiz dieses Romans: Er ist offen, vieldeutig, widersprüchlich und genau deshalb so nah dran an der Wirklichkeit junger Menschen im Umbruch. Der Roman fordert seine definitiv Leser*innen heraus. Er spricht wichtige Fragen an: Was kommt nach der Schule? Was macht das Leben lebenswert? Und wer rettet eigentlich wen? Der Freund, der Engel, oder eine fremde Gestalt in einer Sommernacht?

Der Roman ist nicht die leichteste Kost, aber ein intensives, atmosphärisches Leseerlebnis. Ein Buch für Jugendliche eher ab etwa 16, die Lust auf Tiefe, ehrliche Gefühle und ein bisschen Magie inmitten der Realität haben.

Bewertung vom 11.07.2025
Scheweling, Nina

Anatomie einer Verschwörung / Academy of Lies Bd.1


sehr gut

Quinn Schreiber hat mit 8 Jahren ein Spenderherz bekommen. Sie weiß: So ein Herz hält vielleicht zehn Jahre, wenn man Glück hat. Doch anstatt sich davon unterkriegen zu lassen, beginnt sie, sich intensiv mit dem Tod zu beschäftigen. Nicht, weil sie ihn besiegen will, sondern weil sie ihn verstehen möchte. In einem Tagebuch sammelt sie seit Jahren Todesursachen, analysiert sie und erklärt sie sachlich.

Jetzt schreibt sie sich an der renommierten, elitären Schreiber-Akademie ein, mitgegründet von ihrem Großvater. Auch ihr Bruder studiert dort bereits im zweiten Jahr und scheint in etwas Geheimes verwickelt zu sein. Doch das ist erstmal Nebensache, denn gleich zu Beginn wird Quinn Zeugin eines Mordes. Und zwar an niemand Geringerem als dem neuen Direktor der Akademie.

Quinn hat einen klaren, fast sterilen und emotionslosen Blick auf alles (außer ihren Bruder). Was sie zu einer gut geeigneten Medizinstudentin macht, aber vermutlich würde sie keine gute Ärztin werden. Ihre Art fand ich total spannend, weil sie viele Fragen aufwirft: Darf man sich mit dem Tod abfinden, obwohl man noch lebt? Muss man deshalb aufhören, das Leben zu genießen? Diese Fragen stellt sich nicht nur Quinn, auch ihr Bruder bringt sie ins Spiel.

Toll fand ich, dass Quinn sich im Laufe der Geschichte subtil weiterentwickelt, ohne sich dabei untreu zu werden. Ihr Bruder, der schon auf dem Klappentext erwähnt wird, bleibt lange eher im Hintergrund. Erst gegen Ende wird es um ihn richtig spannend. Deshalb würde ich ihn im Klappentext vielleicht gar nicht extra hervorheben.


Die Atmosphäre der Akademie, die geheimnisvolle Verbindung, das medizinische Wissen
Die Akademie, die Verbindung, das medizinische Wissen und die dunkle Atmosphäre schaffen natürlich Spannung und die besagte Dark Academia Stimmung. Zwar empfand ich bei der Handlung zwischendurch ein Plateau, für das rasante Ende, aber wenn man in mehreren Teilen denkt ist das vielleicht durchaus sinnvoll.

Ein besonderer Thriller mit einer starken Idee, spannender Umsetzung und einer Hauptfigur, die so ganz anders ist als der typische Ermittler*innen.

Bewertung vom 22.06.2025
Höllbacher, Franziska

Peggys Perioden-Projekt - Paint it red! - Nominiert für den Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis 2025


ausgezeichnet

Ein Buch über die Periode – und plötzlich ging’s um viel mehr

Wie spricht man über die Periode, wenn die eigene Mutter nicht mehr da ist, um einem alles zu erklären? Und sollte es eigentlich nicht ganz normal sein, dass alle etwas dazu sagen können, egal, ob sie selbst bluten oder nicht?
Genau diese Fragen stellen sich Leni und Peggy. Inspiriert von Lenis älterer, engagierter Nachbarin starten sie ein Schulprojekt: eine Ausstellung rund um das Thema Menstruation. Was zunächst nach einem typischen Aufklärungsprojekt klingt, entwickelt sich schnell zu etwas viel Größerem. Nicht nur in der Schule, sondern auch in ihrem eigenen Leben.

Peggy verarbeitet noch immer das Verschwinden ihrer Mutter und merkt plötzlich, dass sie beginnt, sich zu verlieben. Leni hingegen ist trans, sie blutet also gar nicht, bleibt von den körperlichen Schmerzen verschont. Und trotzdem: So richtig wohl fühlt sie sich mit diesem „Nicht-Erleben“ auch nicht.
Ich muss zugeben: Anfangs hatte ich Sorge, das Buch würde das Thema zu gewollt oder belehrend behandeln. Auch bei der Idee mit der Ausstellung war ich erst skeptisch. Aber die Beiträge darin haben mich echt überzeugt. Besonders die visuelle Gestaltung hat mich abgeholt: Die Illustrationen der Autorin passen perfekt zum Ton und Inhalt des Romans.

Ein Roman mit vielen verschiedenen Perspektiven gerade zur ersten Periode, mit spannender Handlung, die es noch einmal lesenswerter macht!

Bewertung vom 06.06.2025
Tack, Stella

Der schlafende Prinz / Ever & After Bd.1


ausgezeichnet

Rain White würde sich lieber ihrer Band und den alltäglichen Sorgen widmen, doch als Nachfahrin von Schneewittchen muss sie sich der Tradition stellen, der alle anderen Mädchen entgegenfiebern: dem schlafenden (toten) Prinzen zu ihrem 18. Geburtstag einen Kuss zu geben. Vor allem ihre Großmutter glaubt fest daran, dass Rain ihn wirklich wachküssen könnte und scheut sich nicht, sie zu ihrer “Bestimmung” zu zwingen.
Plötzlich ist die Welt weniger märchenhaft in unserem klassischen Sinne: Tod, Plagen, Flüche und böse Wesen suchen die Menschen heim. Und genau damit kommt die Geschichte dem eigentlich brutalen Kern von Märchen vermutlich näher als all unsere romantischen Vorstellungen vom Prinzen auf dem weißen Pferd. Dieser Aspekt hat mir auch am besten gefallen. Die Märchen wurden zwar in eine neue Welt übertragen und neu verpackt, aber in ihrem brutalen Kern ernst genommen. Dadurch zeigen sie die Schattenseiten des Lebens und der Welt. “Brutal” sollte man dabei wirklich wörtlich nehmen: Einige Szenen sind sehr blutig und schwer zu lesen.
Ein weiteres Highlight waren für mich die märchenhaften Zitate zu Beginn jedes Kapitels. Sie betonen den Kontrast zwischen der nostalgisch-vertrauten Märchenwelt und der düsteren Realität der Handlung.
Auch in Sachen Romantik bleibt es spannend: Statt eines von Anfang an klaren „Love Interests“ gibt es hier zwei.
Rain selbst bewegt sich ständig zwischen Extremen: Traum und Wirklichkeit, Licht und Schatten, Zweifel und Pflicht. Doch das wirkt nie verwirrend, sondern macht ihre innere Zerrissenheit spürbar
Das Ende hat allem die (Märchen-)Krone aufgesetzt. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht!

Bewertung vom 01.06.2025
Weiler, Rebekka

A Poet's Heart / Broken Artists Bd.1


weniger gut

Eine Romance-Geschichte, die unter dem Trope slow burn fällt und wirklich slow und für mich unauthentisch voranschleicht.

Fenn ist eine extrem wortkarge Figur. Warum das so ist, erfährt man erst spät, aber die Erklärung ist durchaus nachvollziehbar. Äußerlich wirkt er natürlich absolut makellos, und seine Gedanken kreisen angeblich ausschließlich um tiefgründige Themen. Dass er Musiker ist, macht ihn als einsamen Künstler aus, aber fiktive Musik in Büchern überzeugt mich selten. Auch hier fällt es mir schwer, eine Verbindung zu den Songs aufzubauen, da man nur den Text vor sich hat. Seine englischsprachigen Lieder wirken auf mich eher plump, mit Botschaften, die gefühlt alle „Oh, I wanna talk to you, but I can’t“ aussagen. Dass Yva davon so beeindruckt ist, konnte ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen.

Natürlich braucht eine Liebesgeschichte ein Hindernis, das die Figuren zunächst voneinander trennt. Ich hatte allerdings erwartet, dass Yvas traumatisches Erlebnis vom Anfang eine tiefere Rolle spielen würde. Stattdessen gerät es bald in den Hintergrund, was auf mich etwas konstruiert wirkte. Insgesamt fand ich viele Stellen stark kitschüberladen. Auch die Dialoge in den Freundschaften wirkten oft unauthentisch, als würden sie nur dazu dienen, dem Lesepublikum nochmal die Hintergründe zu erklären.

Yva ist recht reflektiert, selbst wenn sie so komische Sachen sagt wie „In seiner Nähe zu sein ist ein Privileg”, sieht sie als Vorzeige-Figur ohne Ecken und Kanten ein, wie toxisch das ist. Es ist aber schön, dass hier eine junge, selbstbewusste Frau im Mittelpunkt steht. Auch das Setting in Stockholm fand ich cool.

Wen all die anderen Punkte nicht stören, wird Freude damit haben. Ich wurde mit dem Roman gar nicht warm, das komische Ende hat es leider nicht retten können.

Bewertung vom 26.05.2025
Rutherford, Mara

Schloss der Lügen


sehr gut

„Eldridge Hall war auf Lügen gebaut“ – so beginnt der Roman und sofort wird klar, wie brüchig und vielschichtig dieses Lügengebäude ist. Allein deshalb finde ich den deutschen Titel viel treffender als den englischen A Multitude of Dreams, denn er bringt das zentrale Thema auf den Punkt: Schein und Wahrheit.
Die Geschichte spielt in einer düsteren, abgeschotteten Welt: Das Königreich Goslind wurde vor Jahren von der Mori Roja, der tödlichen Pest, heimgesucht. Seitdem herrscht auf Eldridge Hall ein bizarrer Alltag: streng geregelt, vollkommen abgeschirmt von der Außenwelt. Niemand verlässt das Schloss, niemand schaut nach draußen. Was passiert, wenn die Vorräte zur Neige gehen, bleibt ungewiss.


Im Mittelpunkt stehen zwei Figuren, deren Fokus kapitelweise wechselt : Prinzessin Imogene, die im goldenen Käfig lebt, und Nico, der draußen überlebt hat, immun gegen die Pest. Als er beginnt, seine Vergangenheit und die offizielle Version der Geschichte zu hinterfragen, stößt er auf eine verstörende Wahrheit: Neben Toten und Überlebenden gibt es auch Wiedergeborene: Mittlerweile blutsaugende Kreaturen.

Eine große Lüge, die mit einer geheimen Identität verknüpft ist, wird recht früh enthüllt, aber ihr voller Umfang entfaltet sich erst nach und nach, was den Spannungsbogen abrundet. Ich habe einige Kritiken gelesen, die den Plot als unlogisch oder unausgewogen bezeichnen, das konnte ich persönlich nicht so nachvollziehen. Klar, manches hätte etwas ausführlicher erklärt werden können, etwa die Herkunft und Natur der Wiedergeborenen, aber insgesamt fand ich die Spannung gut gehalten.
Besonders positiv fand ich, dass das Buch auch gesellschaftlich relevante Themen anspricht, etwa soziale Ungleichheit und Antisemitismus. Das verleiht der Geschichte Tiefe, ohne aufgesetzt zu wirken. Auch der Umgang mit Liebesbeziehungen war für mich erfrischend anders: Es läuft nicht sofort auf die eine große, vorhersehbare Liebe hinaus. Die Figuren begegnen mehreren Menschen, mit denen etwas möglich wäre. Logisch, denn in einer Welt, die von Angst und Isolation geprägt ist, steht Romantik nicht an erster Stelle.
Zugegeben: Ohne den Fantasy-Aspekt hätte mir das Buch vielleicht noch besser gefallen, gleichzeitig wären dann aber auch die Monster, und damit die große, spannende Bedrohung, weggefallen.

Fazit: Wer Geschichten mag, die in einer mittelalterlich angehauchten, düsteren Welt spielen, gerne mit Fantasy-Elementen, aber auch ernsten Themen und glaubwürdigen Figuren, dem*der kann ich Eldridge Hall wirklich empfehlen. Ein Buch, das mehr ist als eine typische Liebesgeschichte und dabei nicht nur an der Oberfläche bleibt. Außerdem ist es ein recht geschlossenes Ende, weil nicht, wie sonst auch gerne üblich, auf eine Trilogie hingearbeitet wird.

Bewertung vom 24.05.2025
Kinstner, Margarita

Theo, Tim, Kurkuma und ich


ausgezeichnet

„In der Küche bin ich dir tausendmal näher als auf dem dämlichen Friedhof. Auch wenn ich zu den Red Hot Chili Peppers tanze [...] überall bin ich dir näher als auf diesem scheußlichen Friedhof.‟

Amelies Stiefvater lebt seit anderthalb Jahren nicht mehr, was ihr Bedürfnis, mit ihm zu sprechen, nur noch größer macht. In ihrer Erzählung spricht sie ihn weiterhin mit „Du“ an und baut dabei eine neue, ganz eigene Beziehung zu ihm auf: Sie nimmt ihn mit in ihre Klasse, tanzt zu der Musik seiner Lieblingsband, den Red Hot Chili Peppers, erzählt von Mitschüler*innen, ihrer Leidenschaft für Fotografie, ihren alten und neuen Sorgen als Teenager, der mit einem schweren Verlust leben muss und mit einer Mutter, die die Liebe ihres Lebens verloren hat.
So bekommen wir einen sehr persönlichen und ehrlichen Einblick in Amelies Gefühlswelt. Sie musste plötzlich Verantwortung übernehmen, ihre Freundschaft zu Selina hat sich verändert, und die Fotografie wird für sie zu einem wichtigen Ventil. Und dann ist da noch Theo, ein schräger, aber irgendwie lieber Typ, bei dem sie einfach sie selbst sein kann: ein trauerndes Mädchen, das versucht, mit all dem Schmerz klarzukommen. Und bei allem, was sie tut, ist Stefan in Gedanken dabei, sie fragt sich immer wieder, was er wohl denken würde.
Besonders interessant finde ich, dass die titelgebenden Figuren erst relativ spät alle auftauchen. Das nimmt ihnen nicht ihre Bedeutung, gibt Amelie aber den Raum, erst einmal ihre eigene Geschichte zu erzählen. Auch die Rolle von Kunst und Freundschaft im Trauerprozess wird auf sehr einfühlsame Weise gezeigt.
Eine berührende Geschichte über Trauer, Neuanfänge und darüber, wie sehr ein einziger Mensch fehlen kann, erzählt mit viel Gefühl und von schönen und stimmungsvollen Illustrationen begleitet.

Bewertung vom 12.05.2025
Licht, Kira

Ein Date mit Mr Darcy / A Spark of Time Bd.2


gut

Lillys Herz ist gebrochen. Ray – alias Damien – kann ebenfalls durch die Zeit reisen und wollte ihr einst sogar das Zahnrad stehlen. Seine Sorge um seine Schwester Ruby kann Lilly zwar nachvollziehen, doch verzeihen kann sie ihm (noch) nicht. Dennoch bleibt ihnen keine Wahl: Sie müssen erneut gemeinsam in die Vergangenheit reisen, denn Damiens Vater erpresst Lilly – mit dem Schicksal ihres eigenen Vaters.
Die Reise führt sie ins England der Regency-Zeit, mitten hinein in das Leben von Jane Austen. Dort treffen sie nicht nur auf die berühmte Autorin von Stolz und Vorurteil, sondern auch auf ihren ganz realen Mr. Darcy. Die gesellschaftlichen Normen dieser Epoche bringen die beiden mehr als einmal in prekäre Situationen – und in große Gefahr. Lilly ist von der historischen Kulisse fasziniert und glänzt mit ihrem geschichtlichen Wissen.
Doch zwischen ihr und Damien knistert es – trotz Vertrauensproblemen ist da etwas. Dieses "Etwas" wird allerdings in einer viel zu ausufernden und unpassenden Sexszene derart übertrieben dargestellt, dass es den Lesefluss stört. Die Szene wirkt fehl am Platz und hätte der Geschichte nicht gefehlt – im Gegenteil.
Auch der Fokus auf die eigentliche Mission geht stellenweise verloren. Die Handlung in der Vergangenheit ist so spannend und atmosphärisch dicht, dass man leicht vergisst, in welcher Gefahr die Figuren eigentlich schweben. Das liegt auch daran, dass Damiens Vater von Beginn an überzeichnet böse dargestellt wird – ohne klare Entwicklung oder Aufbau. Dadurch fehlt es an echter Bedrohung oder Spannung.
Zudem wird am Ende eine weitere Figur plötzlich als Gegenspieler enthüllt, was eher verwirrt als überrascht und die Handlung auf eher merkwürdige Weise weiterspinnt.
Trotzdem: Die historischen Fakten und die Einbindung Jane Austens und ihrer Zeit sind großartig gelungen. Eine tolle Geschichte für Zeitreise-Fans – mit einer Einschränkung: Würde man auf die erwähnte Szene verzichten, wäre das Buch auch für jüngere Leser:innen geeignet.