Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
LichtundSchatten

Bewertungen

Insgesamt 290 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2025
Das konservative Manifest
Weimer, Wolfram

Das konservative Manifest


ausgezeichnet

Wissen Sie, auf wen die Aussage „Deutschland den Deutschen“ zurückgeht?

Roter Wedding’, kommunistisch Gläubige, gestartet im Jahr 1929, schmetterten in ihrem Marschlied:
…Wie Karl Marx es und Lenin gelehrt! / Und schlug auch der Feind unsere Besten tot,
Der Wedding kommt wieder, Berlin bleibt rot, / Damit Deutschland den Deutschen gehört!

Problem heute ist, dass in der gedankenlosen Eile globalistischer Hetzjagden kaum mehr Zeit bleibt, in einen Zeithorizont vor 1933 einzusteigen. N. ist das für alle nutzbare Argument gegen jene bösen Deutschen, die man endlich der Geschichte übergeben müsse, zugunsten des gewandelten, toleranten, offenen, alle Kulturen ausgleichenden und alle neben sich als Nachbarn aushaltenden Menschen. Jener Mensch also, der weiß, dass es keine deutsche Kultur mehr gäbe und das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt werden müsse. Alles Zerstören, was uns kaputt gemacht hat, die Alt-68er und ihre Ideologien sind heute zu einem wuchernden Acker des Selbstverständnisses eines Volkes geworden, das in den Abgrund blickt: wieder in das Auge einer totalitären Ideologie, wie sie die Welt im Abendland noch nicht gesehen hat.

Wer sich zurückerinnern möchte an die kulturellen Leistungen und das Selbstverständnis der Deutschen, der ist mir diesem klugen Buch von Wolfram Weimer (WW) an jener Quelle, die 1933-45 nicht ausblendet, sondern auch alles Davorliegende in einen geschichtlichen Horizont bringt und ein Gespür für totalitäre Strukturen entwickelt, die wir heute, in Zeiten wohlmeinender Demokratie, leider wieder feststellen müssen. Nahezu alles wurde dekonstruiert und in eine postmoderne Heilsideologie überführt, die fatal an die Gläubigkeit der 33er Zeit erinnert. Dabei ist entscheidendes Wissen versickert. Thorben Lütjen stellt fest: „Uns sind die langen, manchmal sogar Generationen überspannenden Zeithorizonte abhanden gekommen, die frühere Erzählungen auszeichneten und die so wichtig waren, um den langen Atem nicht zu verlieren.“

Wolfram Weimer diagnostiziert in diesem klugen Buch jenen schleichenden Freiheitsverlust, den viele gar nicht mehr wahrnehmen und seziert die unerträglichen Bemutterungsgesten des Staates und jener Parteien, die sich ohne Ende um ihre Wähler sorgen, statt ihnen die Selbstständigkeit und jenes Schwierigste überhaupt aufzubürden, das es gibt: zu denken. Der Nanny-Staat wuchert heute allerorten, während seine Bürger im rasanten Tempo des Netzes und einer vermeintlich globalisierten Welt untergehen. Als einziges Argument fällt vielen nur noch jenes eingangs genannte Totschlagargument ein, das ihnen irgendwie ein gutes Gewissen beschert und sie täglich neu in ein Karussell setzt, das ihnen Wind zufächelt.

Der polnische Philosoph Kolakowski schrieb: „Erstens: Hätten nicht neue Generationen unaufhörlich gegen die ererbte Tradition aufbegehrt, würden wir heute noch in Höhlen leben. Und zweitens: Würde das Aufbegehren gegen die ererbte Tradition einmal universell, würden wir uns bald wieder in den Höhlen befinden.“ Deutsche Parteien schaffen aktuell ein solches Höhlensystem, bestehend aus Übermuttern, Verboten und Paragraphen, die mehr lähmen als voran bringen, völlig geschichtsvergessen errichteten sie eine Staat, den keiner gewollt haben kann. Sie schaffen so viele Bedenken wie sie Pöstchen errichten und ergehen sich in Bemutterung/Bevormundung mehr als in mutigem, neuen, innovativen Denken. Aktuell haben sie die umfassende und totale Welten- und Menschenrettung auf ihre Fahnen geschrieben und werden solange am Kern dieses Problems weiterarbeiten, bis auch daraus eine vollumfängliche, problematische Ideologie geworden ist. Ja, sie leben diese Glaubensreligion so radikal und so total, dass jeder heute Angst haben muss, der nach Deutschland kommt.

Die Deutschen sind offensichtlich aus der Geschichte ausgetreten und sehen für sich keine vergangenen, guten Horizonte mehr. Die unsägliche Aussage der ehemaligen Integrationsbeauftragen der Bundesregierung (Es gäbe keine deutsche Kultur mehr, und das Zusammenleben müsse täglich neu ausgehandelt werden) markiert m.E. eine Zäsur (und den endgültigen Niedergang der SPD), gegen die sich dieses mehr als lesenswerte Buch von WW wehrt und mit dem Kernsatz Linien konservativen, bürgerlichen Handelns reflektiert: „Der Konservative tritt nicht aus der Geschichte aus, sie tritt vielmehr in ihn ein.“ Dieses Buch sollte offensiv im Geschichtsunterricht und an allen Stammtischen diskutiert werden. Leider aber finden dort nur Alt-68er Lehrer mit ihrem Schuldkult und Gespräche über Fußball statt. Ich habe nur wenig Hoffnung.

George B. Shaw formulierte: „Die Deutschen haben eine Besessenheit, jede Sache so weit zu treiben, bis eine böse daraus geworden ist.“ Heute sitzen sich am Kern des Problems Deutsche selbst gegenüber, die sich umfassend therapiert haben und an einem Regelwerk zu ersticken drohen, das sie ihrer eigenen Psychotherapie des Gutseins verschrieben haben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.04.2025
Vom Antlitz zum Cyberface
Köhler, Andrea

Vom Antlitz zum Cyberface


ausgezeichnet

Ein höchst lesenswertes Buch über eine Sache, die wir von uns selbst nicht sehen und die uns doch kennzeichnet wie nichts anderes: das eigene Gesicht.

Christoph Lichtenberg beschrieb das menschliche Antlitz als die unterhaltsamste Fläche der Erde. So startet dieses Buch und möchte die geheimnisvolle Welt der Gesichter erhellen. „Vom ersten Kinderlachen bis zum zerfurchten Greisengesicht, vom beglückten Strahlen bis zur Schmerzensfratze ist das Gesicht die Bühne für unsere Gefühle.“

„Big Nose“ nannte der Vater den eigenen Sohn Michael Jackson. Sein Irrweg weg vom Schwarzsein hin zu einem peinlich entstellten Gesicht und kleiner Nase war für die ganze Welt täglich nachvollziehbar und die Ablehnung seiner selbst drückte auch die Ablehnung der schwarzen Identität aus.

Wie sieht man sich selbst, vor dem Spiegel, der Kamera unter Freunden? Das big smile der Amerikaner wird bei uns als oberflächlich empfunden. Wissen wir, dass dieses Lächeln vermutlich der Sprachenvielfalt einer Einwanderungsnation zu verdanken ist, es also keinesfalls oberflächlich zu lesen ist?

„Vielleicht ist es eine weise Einrichtung der Natur, dass man sein eigenes Gesicht nicht sehen kann, jedenfalls nicht unvermittelt, so wie die andern uns sehen können.“ Mehr als 3,3 Sekunden sehen sich Menschen nicht ins Gesicht. Oft trifft Liebende eine Art Erinnerungsschock und sie sehen im anderen Gesicht jene nicht beschreibliche Zuneigung die Liebe auf den ersten Blick genannt wird.

Im Schwimmbad habe ich Stunden damit zugebracht im Wasser, unter flirrender Sonne und im Wellengang Gesichter zu erkennen. Ebenso in den ziehenden Wolken. Unsere Neigung, überall Gesichter zu erkennen, menschliche Züge zu lesen, scheint universell und wird auch in diesem Buch gespiegelt. Dass aus diesem Erkennen auch wiederkehrende Muster inkl. Stigmatisierungen entstehen können, es stimmt und wir neigen dazu, solchen Vor-Urteilen oder Kurzschlüssen immer wieder zu erliegen. „Wir forschen in den Zügen des Fremden unwillkürlich nach der Durchschrift des Herzens, dem Wesen einer Person.“

Schönheit des Gesichts, entstelltes Gesicht, Wiederherstellung von Gesichtern, abgewandtes Gesicht, Totenmaske, Verhüllungen, Mund-Nase-Schutz, Eindruck, Ausdruck, Passbild, Fake Face, Deepfake - das Buch von Andrea Köhler bietet eine Vielzahl von Zugangsmöglichkeiten zum wichtigsten äußeren Teil des Menschseins, kreativ und überraschend aufgefächert. Es hat mir viel Neues geboten, spannend zu lesen.

Bei mir selbst gibt es einen großen Widerwillen, mich fotografieren zu lassen. Jacob Burckhardt schrieb das ähnlich 1864 an einen Freund. Im Zeitalter der Selfies sei dies ungewöhnlich, lese ich, eine altmodische Scheu. Man hat Angst vor dem Aussehen, aber es ist mehr. „Es ist der Moment des Stillgestelltwerdens, das Erstarren im Bild, das Beklemmung auslöst.“ Indigene Völker hatten früher die Furcht, der Fotoapparat würde das Gesicht und gleichsam die Seele rauben. Im Moment der Ablichtung wird unser Gesicht also der eigenen Verfügungsgewalt entzogen.

Heute sind Werbegesichter das Ergebnis von Schönheitsoperationen, Kosmetik und Retuschen nach den Aufnahmen. Unvorstellbare Maßstäbe für den Einzelnen sind so entstanden und oft nur mit übermenschlichen Anstrengungen zu erreichen. Der Mensch aber und sein lebendiges Gesicht ist die Essenz unserer Humanität. Es im Internet oder mit Schleiern zu verhüllen, führt zum Verlust eines guten, zusammen klingenden, hilfreichen Miteinanders. „Ohne das Aufleuchten der Freude zwischen den Gesichtern, ohne das Wiedererkennen des Schmerzes in den Zügen des Gegenübers, wäre dies eine trostlose Welt.“

Bewertung vom 27.04.2025
Gemeinsam anders
Sarah Vecera

Gemeinsam anders


sehr gut

Ich schlage Bücher oft einfach auf und entscheide nach einigen Zeilen, ob ich es kaufe oder nicht. Hier hat mich die Geschichte „Woher kommst du eigentlich?“ von Tayo Awosusi-Onutor eingefangen. Gleich zu Beginn meint sie, dass sie mit dieser Fage schon so viele amüsante Geschichten erlebt hat. Sie hat also nichts dagegen und macht aus dieser bei vielen schon verbotenen Frage etwas Besonderes. Es hat mich amüsiert. Darüber hinaus ist sie eine tolle Sängerin, von der ich nie etwas zuvor gehört habe.

Es stimmt, zu Roman und Sinti herrscht ein großes Unwissen und Tayo hat mich gut informiert und ihre Geschichte spannend erzählt. Vater aus Nigeria, Mutter aus Rumänien, eine höchst ungewöhnliche Kombination. „Romani und sinti Gruppen sind im Zuge einer globalen Migration vor ca. 1000 Jahren aus der Punjab Region im Norden Indiens in Migrationswellen nach Europa gekommen.“ Die Sprache hat Ähnlichkeit mit dem altindischen Sanskrit und seit dem 15. Jh. werden Sinti*zzi und Roma*nja in fast allen europäischen Ländern erwähnt. Sie werden seit dem Mittelalter verfolgt und die Nazis haben zwischen 500.000 und 1,5 Mio ermordet.

Die Art, über sich zu erzählen hat mir in diesem Artikel sehr gefallen und ich würde mich freuen, Tayo Awosusi-Onutor zu begegnen und sie zu fragen, wo sie herkommt.

Ich habe weitere Artikel in diesem lesenswerten Buch gelesen und denke, dass sich jeder Gedanken machen sollte über Gruppen/Menschen, die ausgegrenzt werden und die auch heute kein Gehör finden.

Eine Vielzahl von Fragen ergeben sich für mich aus diesem wichtigen Buch, das ich vor allem auf die Aspekte Vielfalt und Gerechtigkeit abgeklopft habe. An Vielfalt per se glaube ich nicht, sehr wohl aber an die Vielfalt von Kulturen, deren Unterschiede und Inkompatibilitäten man kennen sollte. Dabei spielen Religionen eine zentrale Rolle. Nicht alle wollen, nicht alle können zusammenleben.

Dass unsere Gesellschaft auf Ausbeutung beruht, wie Sarah Vecera auf Seite 129 schreibt, halte ich für ein Gerücht. Jeder kann es bei uns schaffen, wenn er zentrale Aspekte des marktwirtschaftlichen Systems bejaht. Dann können Menschen sogar „Klassenmigranten“ werden wie es Frau Vecera über sich selbst schreibt. Kapitalistische Leistungsgesellschaft ist nicht negativ zu sehen, sondern führt oft über Selbstbewusstsein und Begeisterung an der eigenen Arbeit zum Erfolg. So sehe ich auch dieses Buch der Herausgeberin Sarah Vecera. Ein wunderschön gemachtes Druckwerk, das man gerne zur Hand nimmt, mit guter Werbung und einer Kommunikation, die berührt.

Ich selbst war multikulturell ein ganzes Leben auf der ganzen Welt unterwegs. Dabei hat mir eine Aussage von Manfred Rommel geholfen: „Das Gute kritisch sehen, um das Bessere zu erreichen.“ Es gibt mehr Unterschied als wir glauben und sie zu kennen, ist wichtig. Jesus sagte: „Ich bin nicht gekommen , den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“. (Matthäus 10,34) Übersetzt man diesen Satz tatsächlich aus dem Aramäischen in richtiger Weise (Franz Alt: Was Jesus wirklich gesagt hat) , dann heißt er: Seid nicht gutgläubig, seid wachsam! Wenn Ihr Euch mit anderen zusammensetzt, zieht das "Schwert der Worte" und streitet für Eure Sache. Meine Aufopferung, mein Selbstopfer bedeutet nicht Frieden, Erlösung als Automatismus, sie ist eher der Beginn des Kampfes um Wissen und Wahrheit.

Gerechtigkeit im umfassenden Sinne hat die Natur und wohl auch Gott nicht vorgesehen. Die Lotterie des Aussehens hat die Herausgeberin schon mal gewonnen. Golda Meir sagte, auch wenn man hässlich aussehe, wie sie selbst, könne man von innen her Schönheit entwickeln. Ich glaube, dass es weniger Rassismus gibt als in diesem Buch angenommen, ich habe zum Beispiel vor einigen Jahren aufgehört, mir fremd aussehende Personen nach ihrer Herkunft zu fragen. Tayo Awosusi-Onutor hat mir diese Angst genommen, alleine dafür hat sich dieses Buch gelohnt.

Bewertung vom 24.04.2025
Mein Skizzen- und Lerntagebuch
Brändle, Mägi

Mein Skizzen- und Lerntagebuch


ausgezeichnet

Im nächsten Leben möchte ich Illustrator werden, ich bewundere alles Skizzierte und Gezeichnete. Bis dorthin übe ich und bin mit diesem Buch von Mägi Brändle aufs Schönste fündig geworden. Viel zu viele Notiz- und Malbücher müssen besser gefüllt und erinnert werden, denn es stimmt: „Lernen klappt besser mit Bildern.“ Oder behalten, oder erneut zur Freude vorlegen. Wer weiß noch, was vor einer Woche war? Mit Bildern gelingt das immer besser, völlig egal wie gut man malt.

Mägi Brändle nimmt die Angst: „Ihrem Gehirn ist es nämlich egal, ob die Bilder schön sind oder nicht.“ Und es stimmt: es geht nicht um Kunst, sondern um Kommunikation.“ Mit sich selbst in Kontakt zu treten, heißt jene Dinge immer wieder vor sich zu sehen, die einem begegnet sind und die einem etwas sagen wollen.

Die Anleitungen führen mich zurück in die Kinderzeit, Dinge ganz einfach denken und zerlegen, von den Grundformen Strich, Quadrat, Dreieck, Halbkreis, Punkt, Kreis bis zur Glühlampe zu Beginn des Buches in den Einstiegsübungen. Es ist erstaunlich, dass man mit so wenig Basisobjekten so viel und spielerisch erzeugen kann.

Insgesamt ist das Lernbuch eine Erinnerung auch an mein Lieblingslied von Guns N’ Roses, Sweet Child o’ Mine: She′s got a smile that it seems to me, Reminds me of childhood memories. Zudem erinnert es mich an die Inhalte eines vor kurzem besprochenen Buches „Alles, was du im Leben wissen musst, hast du schon im Kindergarten gelernt.“

Texte in kleine Bilder umwandeln, Rahmen legen, ihre Vielfalt erkennen und anwenden, Lieblingssymbole, Bild und Text kombinieren, die Stärken Fahne, Buchtipps zum Thema - selten hat mir ein Buch so viel Freude bereitet, es füllt isch von ganz alleine, mit Lust und Laune. Es gehört mit Sicherheit zur 6-armigen Skizze auf Seite 78, mit der Überschrift: „Das tut mir gut.“

Bewertung vom 17.04.2025
Alles, was du im Leben wissen musst, hast du schon im Kindergarten gelernt
Wehner, Christian

Alles, was du im Leben wissen musst, hast du schon im Kindergarten gelernt


ausgezeichnet

Kinder vor der Schule sind die kreativsten Wesen des gesamten Universums. 98% von ihnen erreichen den NASA-Genie-Level (100%) in kreativem Denken. Dann schicken wir sie in die Schule, an die Uni, in Unternehmen, Institutionen. Ihr kreativer Geist verkümmert und ist mit Anfang dreißig bei kaum noch messbaren zwei Prozent. Mit diesem Einstieg hatte mich das Buch gefesselt.

Parallel dazu bin ich deshalb mitten im Thema, weil ein Einjähriger, unser Enkel, voller Lachen, Freude und Glück unser Leben bereichert und eine grenzenlose Kreativität ausstrahlt. Im ersten Kapitel des Buches (das freie Spiel) wird ein wesentliches Kriterium frühen Tuns benannt: sie ist nicht auf Wirkung, Erfolg oder Gefallen gerichtet und umfasst daher mehr als zielgerichtetes Arbeiten, sie ist eine Universum des Spannenden, vom Staubsauger bis zum ersten Puzzle.

Schiller hat es so ausgedrückt: „Wage du, zu irren und zu träumen: Hoher Sinn liegt oft in kindschem Spiel.“ Kreativität von Kindern sieht kein Müll oder Chaos, sondern Möglichkeiten des neuen Zusammensetzens, Kombinationen ohne Ende und Spaß. Im Lauf der Zeit verlieren Erwachsene den Zugang zu diesem Spiel, denn korrektes Arbeiten ist eine Tätigkeit, die ohne Fehler zu bewältigen ist. Unter anderem führt dieser Zwang zur Fehlerfreitheit zum Schließen der eigenen Raeume für Kreativität.

Es ist nie zu spät, den eigenen kreativen Geist wiederzuentdecken und dieses Buch bietet eine Fülle an Ideen und Treppen an, um hier wieder nach oben zu kommen, ganz bewusst durch Freiräume und Erinnerungen, die bei jedem darauf warten, wieder geöffnet zu werden. Es stimmt: „Kinder besitzen den sogenannten Anfängergeist, eine Offenheit und Bereitschaft, ohne festgelegte Annahmen an eine Aufgabe heranzugehen.“

Eine besonders schöne Maßnahme, die in diesem Buch wieder geweckt wird, ist die Zeitlosigkeit. Federballspielen solange bis der Ball wieder einmal nach unten fällt, endlos im Schwimmbad oder in Bücher sich verlieren. Wir alle kennen diese schönen Momente, leider aus der Vergangenheit. Aber es ist ganz einfach, sie wieder bewusst ins Heute zu zaubern, genau im Jetzt und in der Endlosigkeit und der Sorglosigkeit zu leben.

Diese Momente ganz bewusst in eine schnelle Zeit höchster Effizienz zu zaubern, ist ein großes Geheimnis, das sich jedem täglich anbietet und dass jeder öffnen kann, wie eine Tür zu Freunden und Freude. Sich mit anderen zwanglos und spielerisch, ohne Erwartungsdruck treffen, wieder Freundschaften pflegen, es gibt Möglichkeiten die Fülle, die Christan Wehner aufzeigt.

Besonders gefallen hat mir in der abschließenden Anthologie von Aussagen diese: „Wir verabschieden uns mehr und mehr von dem Wettbewerb des Wissens und münden in den Wettbewerb der Fragen.“ Und das: „Frag ihn nächstes Mal, ob ihr Freunde sein wollt.“

Bewertung vom 17.04.2025
Das Unternehmen bist du.
Henze, Matthias

Das Unternehmen bist du.


ausgezeichnet

Ich schlage Bücher oft einfach auf und entscheide nach einigen Zeilen, ob ich es kaufe oder nicht. Hier lande ich auf Seite 118 und lese das: „Für viele Menschen ist die Selbstständigkeit schlichtweg das bessere Lebensmodell.“ Es erfordert Willen und Zähigkeit, um alle Hürden zu überwinden und auf einem möglichen Hochplateau des Erfolges durchzuhalten.

Tatsächlich sollten nach meinem Empfinden alle Menschen zunächst Unternehmer sein und selbstständig denken lernen. Es würde alle wegbringen von Beamtenmentalität und sturem Befolgen vorgegebener Regeln. Es gibt Selbstständige auch als Angestellte und nur sie werden langfristig erfolgreich. So meine Erfahrungen.

Warum lese ich nochmals ein Buch über einen Selbstständigen und seine Empfehlungen? Weil es gut und fesselnd geschrieben ist, voller Ermutigungen und Tipps, die ich wieder erkenne, erinnere und allem neu zustimmen kann. Aber es gibt auch für mich alten Hasen Neues und Überraschendes.

Schon vom Äußeren her muss (für mich als Buchliebhaber) die Optik stimmen. In Tausenden von Büchern ist mir klar geworden, dass ich gelb eingebundene besonders schätze, alle, die so daherkommen, wirken auf mich positiver und optimistischer. Hier ist der Buchrücken und die Headline in Gelb gehalten, auch die U2 und die U3 sind gelb. Ein Seitenauftakt, der mich mitnimmt!

Es stimmt, Solounternehmen haben kein große Lobby, sie werden von der Politik übersehen, die gerne Großunternehmen in ihr Zentrum des Interesses stellt. Dieses Buch von Matthias Henze ist ein notwendiges Korrektiv, das jeden ermutigt, über den Schritt in die Selbstständigkeit nachzudenken. Bei mir sind es mit meiner angestellten Selbstständigkeit 50 Jahre, die mich auch heute noch bereichern, jeden Tag.

Wer mit Begeisterung für sich selbst arbeiten kann, muss nicht mehr arbeiten. Jeder Tag wird zu einem erfüllenden Tun! Dabei sind Regeln Krücken für kreativ Lahme und einer der Kernsätze der Selbstständigkeit. Der Beamten- und Staatsapparat ist das exakte Gegenteil: man versucht dort, kollektive Regeln aufzustellen, das Leben zu vereinheitlichen und sicher zu machen. Aber nur Schiffe im Hafen sind sicher. Wer auf der hohen, stürmischen See bestehen will, selbst und ständig, findet in diesem Buch wertvolle Hinweise für noch mehr Erfolg.

Langsam Dahinsiechen bis zur Rente, es ist langweilig. Kandidaten für das eigene Geschäft ticken ganz anders. Sie sind flexibel und kreativ, mutig und offen, herzlich und hilfreich. Matthias Henze hat diese Facetten in seinem Buch offen gelegt und lässt jeden teilhaben.

Bewertung vom 16.04.2025
Gemütlich war es nie: Erinnerungen eines Skeptikers (MP3-Download)
Herles, Wolfgang

Gemütlich war es nie: Erinnerungen eines Skeptikers (MP3-Download)


ausgezeichnet

An einem Fachwerkhaus in Stuttgart Degerloch liest man auf einem Fachwerkquerbalken eine Aussage von Manfred Rommel, dem ehemaligen OB von Stuttgart, die treffend charakterisiert, wie eine Gesellschaft, die Politik und Journalisten, alle zusammen agieren sollten: „Das Gute kritisch sehen, um das Bessere zu erreichen.“ (Manfred Rommel)

Wolfgang Herles arbeitete immer nach diesem Prinzip und wir begleiten den kritischen Denker in dieser Autobiografie durch den Lauf seines Lebens über seine Großeltern, Eltern, Jugend, Schule und alle Karrierestationen. Er blickt zurück, ordnet ein und zitiert immer wieder sein Tagebuch. Wir erfahren Hintergründe, die fesseln und die politische Zeit ab Mitte der 70er vermitteln. Damals startete er sein Journalistenleben.

„Ich hatte Irakus gespielt, der mit Flügeln aus Wachs der Sonne zu nahe kam.“ So schildert Herles sein Rausschmiss als Bonner Studioleiter des ZDF. Es ging um die Entscheidung über die zukünftige Hauptstadt, Berlin oder Bonn. Er war für Bonn und seine Argumente sind heute mehr als nachvollziehbar. Berlin hat sich zu einem eigenen Kosmos entwickelt, der sich nicht mehr an Wahl-Versprechen gebunden fühlt. Ein Machtapparat für Vielfalt und scheinheilige Gerechtigkeit, der kurz davor steht, komplett in sich zusammenzubrechen.

Vieles wusste ich nicht und Wolfang Herles wurde mir mit jeder Seite sympathischer. Sein Beharrungsvermögen lässt ihn im Urteil der Öffentlichkeit zum Linken wie zum Rechten werden, er eckt an und lässt sich nichts gefallen.

„Was immer Du tust, tue es um dich selbst zu bereichern“, rät ihm André Heller und wir begleiten Herles bei einer Vielzahl von Treffen mit Berühmten und weniger berühmten Personen. Selbst bei Steve Jobs lässt er sich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen, er bleibt immer skeptisch distanziert, fragt und bohrt.

Sich über alle Niederlagen hinweg dem ZDF verpflichtet zu fühlen, man hört bei Herles trotz allem immer Mut und Optimismus heraus. Er musste sich nie verbiegen. Wie er das schaffte, vermittelt dieses hervorragende Buch - vorgelesen durch Wolfgang Herles selbst! Auch das so, dass 8 Stunden wie im Flug vergehen.

„Verreisen will ich, nicht verreißen.“ Diese ehrliche Aussagen beschreibt seine literarische Karrierezeit. Wie Redakteure aus dem Vollen schöpfen können, wieviel Geld sie ausgeben dürfen, es wird einem leicht schwindelig und projiziert das auf viele Berichte im ZDF/ARD in heutigen Tagen. Druckfrisch und die Würfe in die Tonne, mich trifft auch bei der Konkurrenz leichte Übelkeit, berührt von der angenehmen Erinnerung an Wolfgang Herles auf dem Blauen Sofa, Aspekte und seinen anregenden Gesprächen.
Wolfgang Herles fehlt der Bewunderungsmodus, er mag skeptische Solitäre spiegelgleich wohl zu sich selbst. Er ist mir in jedem Fall lieber als alle konformistischen Jasager und Propagandisten aktueller TV Provenienz.

Bücher, die ich aufgrund der Gedanken von Wolfgang Herles lesen werde:
a) Naipaul, Jenseits des Glaubens
b) Martin Walser, Angstblüte
c) Schneider, Die Leben meiner Mutter
d) Alle Bücher von Wolfgang Herles, auch die Romane unter Pseudonymen

Ein Satz, der bleibt: „Die dümmsten Journalisten bewundern die mächtigsten Politiker.“ Gut, dass wir dem Gegenteil davon, Wolfang Herles auch weiterhin zuhören können, diesmal in alternativen Medien, die morgen schon die alten Herrschaften in ARD und ZDF ersetzt haben werden.

Bewertung vom 14.04.2025
Gemütlich war es nie
Herles, Wolfgang

Gemütlich war es nie


ausgezeichnet

An einem Fachwerkhaus in Stuttgart Degerloch liest man auf einem Fachwerkquerbalken eine Aussage von Manfred Rommel, dem ehemaligen OB von Stuttgart, die treffend charakterisiert, wie eine Gesellschaft, die Politik und Journalisten, alle zusammen agieren sollten: „Das Gute kritisch sehen, um das Bessere zu erreichen.“ (Manfred Rommel)

Wolfgang Herles arbeitete immer nach diesem Prinzip und wir begleiten den kritischen Denker in dieser Autobiografie durch den Lauf seines Lebens über seine Großeltern, Eltern, Jugend, Schule und alle Karrierestationen. Er blickt zurück, ordnet ein und zitiert immer wieder sein Tagebuch. Wir erfahren Hintergründe, die fesseln und die politische Zeit ab Mitte der 70er vermitteln. Damals startete er sein Journalistenleben.

„Ich hatte Irakus gespielt, der mit Flügeln aus Wachs der Sonne zu nahe kam.“ So schildert Herles sein Rausschmiss als Bonner Studioleiter des ZDF. Es ging um die Entscheidung über die zukünftige Hauptstadt, Berlin oder Bonn. Er war für Bonn und seine Argumente sind heute mehr als nachvollziehbar. Berlin hat sich zu einem eigenen Kosmos entwickelt, der sich nicht mehr an Wahl-Versprechen gebunden fühlt. Ein Machtapparat für Vielfalt und scheinheilige Gerechtigkeit, der kurz davor steht, komplett in sich zusammenzubrechen.

Vieles wusste ich nicht und Wolfang Herles wurde mir mit jeder Seite sympathischer. Sein Beharrungsvermögen lässt ihn im Urteil der Öffentlichkeit zum Linken wie zum Rechten werden, er eckt an und lässt sich nichts gefallen.

„Was immer Du tust, tue es um dich selbst zu bereichern“, rät ihm André Heller und wir begleiten Herles bei einer Vielzahl von Treffen mit Berühmten und weniger berühmten Personen. Selbst bei Steve Jobs lässt er sich nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen, er bleibt immer skeptisch distanziert, fragt und bohrt.

Sich über alle Niederlagen hinweg dem ZDF verpflichtet zu fühlen, man hört bei Herles trotz allem immer Mut und Optimismus heraus. Er musste sich nie verbiegen. Wie er das schaffte, vermittelt dieses hervorragende Buch - vorgelesen durch Wolfgang Herles selbst! Auch das so, dass 8 Stunden wie im Flug vergehen.

„Verreisen will ich, nicht verreißen.“ Diese ehrliche Aussagen beschreibt seine literarische Karrierezeit. Wie Redakteure aus dem Vollen schöpfen können, wieviel Geld sie ausgeben dürfen, es wird einem leicht schwindelig und projiziert das auf viele Berichte im ZDF/ARD in heutigen Tagen. Druckfrisch und die Würfe in die Tonne, mich trifft auch bei der Konkurrenz leichte Übelkeit, berührt von der angenehmen Erinnerung an Wolfgang Herles auf dem Blauen Sofa, Aspekte und seinen anregenden Gesprächen.
Wolfgang Herles fehlt der Bewunderungsmodus, er mag skeptische Solitäre spiegelgleich wohl zu sich selbst. Er ist mir in jedem Fall lieber als alle konformistischen Jasager und Propagandisten aktueller TV Provenienz.

Bücher, die ich aufgrund der Gedanken von Wolfgang Herles lesen werde:
a) Naipaul, Jenseits des Glaubens
b) Martin Walser, Angstblüte
c) Schneider, Die Leben meiner Mutter
d) Alle Bücher von Wolfgang Herles, auch die Romane unter Pseudonymen

Ein Satz, der bleibt: „Die dümmsten Journalisten bewundern die mächtigsten Politiker.“ Gut, dass wir dem Gegenteil davon, Wolfang Herles auch weiterhin zuhören können, diesmal in alternativen Medien, die morgen schon die alten Herrschaften in ARD und ZDF ersetzt haben werden.

Bewertung vom 10.04.2025
BEEP! BEEP! Read all about it!
Felixberger, Peter

BEEP! BEEP! Read all about it!


ausgezeichnet

Ich bin ein Buchliebhaber und mag neue Publikationen besonders, wenn sie mir vom Äußeren her schon signalisieren, dass etwas Besonderes drin steckt. Der Buchrücken dieses Druckwerkes ist in Orange gehalten, der Titel auf dickem Karton gedruckt, alles daran lockt und sagte mir: kaufen!

Das Unboxing des Buches, d.h. die Seiten aufzuschlagen, war ein Vergnügen: die ersten Innenseiten in Orange ohne Text, dann noch eine Orange Seite gefolgt von Grau und dem Text: "Beep! Beep! Wir haben sie nicht alle", dann zwei gelbe Seiten mit den Pflichtinformationen, dann eine Reihe von fiktiven Titeln und dem Hinweis rechts: Unser Bücherregal, anhand dieser fiktiven Bücher aus der Zukunft erklären wir BEEP, also wie man Bücher schreibt.

Eines meiner Lieblingsbücher heißt „Unsterblich“ und ist von Stephen Cave, mit dem Untertitel: „Die Sehnsucht nach dem ewigen Leben als Triebkraft unserer Zivilisation.“ Dort wird auch der Weg zur Unsterblichkeit über digitale Inhalte skizziert, eine Kopie unserer selbst also gespeichert für die Ewigkeit - und eines Tages wieder zum Leben erweckbar? Meine Aufmerksamkeit war schon auf Seite 28 von Beep! Beep! geweckt.

Im Buch von Peter Felixberger wird auf Seite 28 die 2041 erschienene Publikation von Nils auf den Beinen vorgestellt, Titel: „Ewig leben“. Es scheint mir höchst aktuell und müsste so wirklich geschrieben werden, wahrscheinlich viel früher als 2041.

Noch aber ist es fiktiv, wir schreiben das Jahr 2041, und Nils auf den Beinen, der fiktive Autor wird so umschrieben: „42 Jahre alt, Innovations- und Technologieforscher am MIT Massachusetts.“ Er skizziert sein Buch in den wesentlichen konzeptionellen Grundlagen und erklärt mithin folgende Aspekte:

Was mache ich in dem Buch?
Was wird dabei sichtbar?
Warum schreibe ich das Buch?
Welche Claims beschreiben das Buch am besten?
Welche Appelle für welche Leser?
Wie positionieren wir uns final?

Damit nichts von einem wertvollen Leben verloren geht, kann es fortlaufend gespeichert und gesichert, auch mit KI zum Leben erweckt werden. Ich kann mit diesem Leben sprechen, auch nach seinem Tod. „Das ist konsequent und radikal. Jeder Mensch wird in einem universellen Wissensspeicher auffindbar.“

Leichte Kritik von mir an dem zentralen Claim für das Buch: „Schafft Vielfalt und erweitert das Farbenspektrum.“ Ich denke, dass niemand dabei an die Vielfalt denkt, sondern eher egoistisch sich selbst „weiterleben“ lassen möchte. Zudem wird der Garten der Brüderlichkeit weiterhin ein Traum bleiben, herrschaftsfreie Paradiese sind ebenso wenig zu erwarten, wohl aber kreative Einzelwesen, die sich einreihen dürfen in das große, vielleicht erfolgreiche Wiki-Universum. Keiner muss dann das Rad neu erfinden, sondern kann sich bei der Unendlichkeit bisheriger Lösungen bedienen.

Das Cluetrain Manifest aus den Nuller Jahren hat mich immer inspiriert und zu Beginn war ich sehr optimistisch. Es abzugleichen mit der Realität und der Ideenkraft kreativer Menschen war dann doch eher ernüchternd. Menschen sind umso besser je egoistischer sie sich verhalten dürfen, um damit auch anderen zum Erfolg verhelfen zu können.

Ein höchst gelungenes Buch, das in mir Gespräche und Optimierungen anschob. Das Beste, was ein Buch überhaupt erreichen kann. Dabei vermitteln die 14 fiktiven Buchideen aus der Zukunft höchst kreative, spannende Herangehensweisen. Sie sind zeitlich viel näher an einer Realisierung im unmittelbaren Morgen als in den Konzepten im Hinblick auf ihre Veröffentlichungszeit angedeutet.

Bewertung vom 09.04.2025
Seid mutig und stark
Käßmann, Margot

Seid mutig und stark


sehr gut

Margot Käßmann blickt in diesem Buch insbesondere auf die bisherigen Kirchentage bzw. ihre Geschichte zurück und verbindet das mit allgemeinen Aussagen zu Zeitproblemen, die ihr wichtig sind. Was mich insgesamt beeindruckte war die Tatsache, dass theologische Themen im Vordergrund standen, man spürt wie sehr ihr Kirchentage immer geistliche Heimat waren, der sie viel verdankt. Sie hat seit 1979 an jedem Kirchentag teilgenommen, außer 2022. „2025 findet er in Hannover unter der Losung „mutig-stark-beherzt“ statt.

Margot Käßmann nimmt auf der Seite 10 kritisch Stellung zu sich selbst. Man habe ihr vorgeworfen, es gäbe in ihren Predigten zu viel politische oder gesellschaftliche Bezüge. Sie solle sich stärker auf das Eigentliche der Verkündigung konzentrieren. „Wer das einfordert, wünscht sich eine Kirche und ein Evangelium, die nichts mit der Welt zu tun haben. Das aber ist der Bibel fremd, ihre Texte stehen immer mitten im Leben.“ Die Haltung zur Welt kommt also aus einer Schärfung des christlichen Gewissens am Alltag und einer Haltung, die dem Nächsten wohl will.

Tatsächlich muss man aber doch von einer Dominanz progressiver Themen wie Klimaschutz, Antirassismus oder LGBTQ+-Rechten bei Kirchentagen ausgehen, während konservative oder alternative Standpunkte marginalisiert werden. Die in diesem Buch erkennbare Ausgrenzung der AfD und allem, was rechts ist, hätte für mich zumindest eine Definition von rechts erfordert. Wer im Buch schreibt, dass man alles sagen und vorbringen können müsse, widerspricht sich in dieser Hinsicht durchaus auf den eigenen Seiten.

Trotzdem hat mich das Buch berührt, weil man das Engagement von Margot Käßmann spürt. Dass der Sitz des Kirchentages in Fulda als der Mitte Deutschlands gewählt wurde, wusste ich nicht. Leitfaden ist ihr das Wort Jesus aus Matthäus 7,12: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ Die Goldenen Regel gilt auch in vielen anderen Religionen, wobei oft jedoch nur die Eigenen gemeint sind.

Wenn sich viele Migranten bei uns heute nicht wohl fühlen, dann hat es auch damit zu tun, dass sie eine Kritik an ihrer eigenen Religion nicht erlauben, ja, dies aus ihren Grundlagenwerken völlig ausgeschlossen ist. Wie soll ich mich einem anderen Glauben gegenüber verhalten, der die Trinität Gottes als größte Sünde ansieht und der sich keine Freunde bei Ungläubigen suchen darf?

Margot Käßmann geht in Hannover gerne in ein Café, auf dem dieser Spruch angebracht ist: „Wenn Du ein R…t, S…t, Ho….er oder ein Ar…h bist, kommt nicht rein.“ Ich halte das für bedenklich und würde auch hier eine Definition verlangen. Wie oft habe ich bei Antifa-Aufmärschen danach gefragt und nie eine Antwort bekommen.

Die Position zu Israel/Palästina (sie kann jede Seite verstehen) halte ich für lau und ein Wort Jesus zum Lauen wird jedem bekannt sein. Jesus sagte auch: „Ich bin nicht gekommen , den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“. (Matthäus 10,34) Übersetzt man diesen Satz tatsächlich aus dem Aramäischen in richtiger Weise (Franz Alt: Was Jesus wirklich gesagt hat) , dann heißt er: Seid nicht gutgläubig, seid wachsam! Wenn Ihr Euch mit anderen zusammensetzt, zieht das "Schwert der Worte" und streitet für Eure Sache. Meine Aufopferung, mein Selbstopfer bedeutet nicht Frieden, Erlösung als Automatismus, sie ist eher der Beginn des Kampfes um Wissen und Wahrheit.

Diesen letzten Punkt vermisse ich auf Kirchentagen und erinnere mich an den Kirchentag in Stuttgart, auf dem Prof. Khorchide einen Vortrag halten durfte und insgesamt suggerierte, dass der christliche Gott der Gleiche sei wie in seiner Religion. Bei meiner Frage nach der Trinität Gottes kam er ins Schlingern. Er wird heute von uns beschützt, weil seine Meinung keinesfalls eine Mehrheit in seinem Glaubens-Kreis darstellt.

Das Buch hat Zustimmung und Widerspruch bei mir ausgelöst - das Beste, was lange Briefe wie dieser in einem anderen auslösen können.