Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 180 Bewertungen
Bewertung vom 17.03.2024
Tatort Hafen - Tod an den Landungsbrücken / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.1
Kästner & Kästner

Tatort Hafen - Tod an den Landungsbrücken / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.1


ausgezeichnet

Der Barkassenkapitän Dominic Lutteroth wird tot auf seinem an den Landungsbrücken liegenden Ausflugsdampfer aufgefunden. Das mediale Interesse ist groß und die erfahrene Hauptkommissarin Jonna Jacobi wird mit den Ermittlungen betraut; unterstützt wird sie dabei von dem Wasserschutzpolizisten Tom Bendixen, der "seinen" Hafen kennt wie kein zweiter. Mit im Boot ist auch die Psychologin Charlotte Severin vom Opferschutz, die die Witwe unterstützen soll, jedoch auch eigene Probleme mit dem plötzlich wieder aufgetauchten gewalttätigen Vater ihrer Tochter hat ....

Hinter "Kästner & Kästner" verbergen sich die Eheleute Angélique und Andreas Kästner; Angélique eine promovierte Psychologin und erfahrene Autorin zahlreicher Bücher, Andreas ehemaliger Hauptkommissar der Hamburger Wasserschutzpolizei. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse sind in dem fast wie eine True Crime Story anmutenden Kriminalroman "Tod an den Landungsbrücken" eingegangen und die Liebe der Autoren zum Microkosmos des Hamburger Hafens spricht aus jeder Zeile. Gerade die detaillierten Insiderkenntnisse machen dieses Buch zu etwas ganz besonderem und heben es angenehm von der Masse der zahlreichen Regionalkrimis ab.

Beginnend mit dem Mord am klassischen Barkassenkapitän spannt sich ein gefälliger Spannungsbogen über das gesamte Buch, um schließlich nach einem actionreichen Showdown eine logische und nachvollziehbare Auflösung zu finden. Fleißige Polizeiarbeit, zahlreiche Wendungen, frustrierende Sackgassen und immer neue Erkenntnisse lassen den Leser miträtseln, doch lange Zeit hatte ich überhaupt keine Idee, wie sich die losen Enden sinnvoll verbinden lassen sollten, so dass die Spannung stetig wuchs.

Der angenehme Schreibstil machte das Lesen zu einem Vergnügen, das obendrein noch sehr lehrreich war, denn es gab viel über die Arbeit der Wasserschutzpolizei zu erfahren und Fachausdrücke (z. B. "ausklarieren" als das Erledigen von Formalitäten beim Auslaufen aus einem Hafen) oder sprachliche Besonderheiten (Polizisten als "Schmiermichel" ) zu entdecken, die selbstverständlich erklärt wurden. Somit fühlte ich mich beim Lesen nicht nur aufgrund der genauen, mit viel Kenntnis und Liebe vorgetragenen Beschreibungen der Geschehnisse, sondern auch der Sprache, voll im Hafen zuhause.

Die Hauptfiguren Jonna, Tom und Charlotte werden aufs Genaueste geschrieben; sie alle waren mir sympathisch und wirkten in ihrer Arbeit, aber auch ihren privaten und beruflichen Problemen sehr authentisch, so dass ich gerne mit ihnen mitfieberte. Aber auch die Ausarbeitung der Nebenfiguren - allen voran der außergewöhnliche, tolle Kollege Toms, genannt Quetsche, oder die widerwärtige Chefin und Gegenspielerin Jonnas, ist überaus gelungen und ich hatte während des Lesens ein bildreiches Kopfkino.

Abgerundet wird der Krimi durch zwei Karten vorne und hinten im Buch, so dass sich die Wege der Handelnden gut nachverfolgen lassen.

Die Entwicklung der Polizisten ist - im Gegensatz zu dem hier geschilderten Fall - nicht abgeschlossen und verspricht noch einiges an Dramen, so dass ich den zweiten Band dieser Dilogie, der für Dezember 2024 angekündigt ist, sehnlichst erwarte.

"Tod an den Landungsbrücken" sticht aus dem Gros der (regionalen) Kriminalromane heraus - ein Muss für jeden Hamburg-Fan und allen Lesern, die sich über die Schilderung nicht alltäglicher Aufgaben der Polizei wie denen der WSP, freuen, wärmstens zu empfehlen.

Bewertung vom 10.03.2024
Das verborgene Genie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.5
Benedict, Marie

Das verborgene Genie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.5


ausgezeichnet

Rosalind Franklin (1920-1958), Engländerin aus wohlhabendem, angesehenem jüdischen Haus, wollte nicht in die Fußstapfen ihrer Familie treten und Charity-Arbeit leisten, sondern ihr Leben der Wissenschaft widmen. Als Spezialistin für Röntgenstrukturanalyse geht die promovierte Wissenschaftlerin gegen den ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters zunächst als Forscherin nach Paris, kehrt dann aber zurück nach London ans King's College, wo sie unter unklaren Aufgabenverteilungen Röntgenbeugungsdiagramme zur Erforschung der DNA anfertigt und die Doppelhelixstruktur derselben erkennt. Doch sie muss gegen den permanenten Widerstand der anderen Forscher ankämpfen, gegen Ausgrenzung, Sexismus, mangelnde Anerkennung und schließlich Sabotage und Diebstahl - und so erhalten schließlich lediglich die Forscher James Watson und Francis Crick die wissenschaftliche Anerkennung und den Nobelpreis für das Modell der Doppelhelixstruktur, die Franklin entdeckt hatte.

Marie Benedict studierte zunächst Geschichte und Kunstgeschichte, bevor sie auch ein Rechtsstudium erfolgreich abschloss. Seit 2016 verfolgt die US-amerikanische Benedict ein Projekt, in welchem sie in historischen Biografien die besonderen Leistungen von Frauen thematisiert und diesen so posthum Gerechtigkeit zukommen lässt. Mit der Romanbiografie "Das verborgene Genie", dem fünften Band aus ihrer Reihe "Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte" widmet sie sich der Forscherin Rosalind Franklin, die durch ihre Forschungen zur Doppelhelixstruktur unserer DNA entscheidend die Weltgeschichte mit geprägt hat, der jedoch nicht die ihr zustehende Anerkennung zuteil wurde, sondern ihr Name in Vergessenheit geriet und stattdessen nur die Männer geehrt wurden.

Marie Benedict hat auch für diesen Band wieder ausgezeichnet recherchiert und orientiert sich bei der Schilderung von Franklins Geschichte eng an den Aufzeichnungen von Benedicts Freundin Anne Sayre.

Der Schreibstil ist überaus flüssig und ansprechend, so dass sich die Seiten quasi von selbst umblätterten; und der Wettlauf in der Erforschung der DNA liest sich fast wie ein Krimi. Die Romanbiografie ist in der Ich-Perspektive geschrieben, so dass sich Franklins Gedanken und Einstellungen sehr gut nachempfinden lassen. Da ihr Leben sich um ein hochkomplexes Wissenschafts-Thema rankte, finden sich natürlich auch etliche Fachbegriffe und Erläuterungen in diesem Buch, die meiner Meinung nach aber so gehalten sind, dass auch der Laie zumindest nachvollziehen kann, worum es geht. Und auch die Verwendung französischer Ausdrücke zu Franklins Pariser ZEit hemmen den Lesefluss nicht.
Leider findet diese Romanbiografie aufgrund der Verhaltensweisen der männlichen Wissenschafts-Welt, aber auch durch Franklins frühen Tod aufgrund ihres sorglosen Umgangs mit der Röntgenstrahlung ein trauriges Ende.

Da Franklin ihr Leben voll und ganz ihren Forschungen widmete, finden sich auch nur begrenzte Schilderungen ihres Privatlebens. Doch ihre Leidenschaft und ihr Charakter sowie ihr wissenschaftliches Genie kommen voll und ganz zum Ausdruck. Eine bemerkenswerte Frau, die mit diesem Buch endlich die Aufmerksamkeit erhält, die sie verdient!

Ein Nachwort der Autorin rundet "Das verborgene Genie" ab, das mich begeistert hat und das ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann!

Bewertung vom 15.02.2024
Essex Dogs
Jones, Dan

Essex Dogs


gut

Im Hundertjährigen Krieg (1337 bis 1453) kämpften (nicht nur) der englische König Edward III. (Haus Plantagenet) und der französischen König Philippe VI. (Haus Valois) um die Thronfolge in Frankreich.
Unter den 1346 in der Normandie landeten englischen Truppen befinden sich auch der kleine Pismire, der starke Scotsman, der Steinmetz Millstone, der abgedrehte und trunksüchtige Priester Father, der Bogenschütze Romford und ihr kampferprobter Anführer Loveday, die "Essex Dogs" genannt werden. Sie haben sich als Söldner verdingt und ziehen mit dem englischen Heer durch Nordfrankreich, kämpfen, morden, bekommen selbstmörderische Sonderaufträge, werden von Franzosen, Hunger, dem Wetter und anderen Unbilden geplagt bis zur entscheidenden Schlacht von Crécy ....

Dan Jones ist britischer Historiker, Journalist und Buchautor und hat sich auf die Geschichte des Mittelalters spezialisiert. In seinem neuen populärhistorischen Werk "Essex Dogs" hat er sich auf den frühen 100jährigen Krieg konzentriert; herausragend ist dabei seine genaue Recherche. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren stehen in diesem Werk jedoch nicht die Könige und Adligen im Mittelpunkt, sondern Jones erzählt von und aus der Sicht der einfachen Söldner, die entfernt von den strategischen Entscheidungen an vorderster Front stehen und das schmutzige Handwerk ausüben.

Jones' Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen; er legt Wert auf detailgetreue Schilderungen vieler - für uns moderne Menschen oft fremder - brutaler und blutiger Vorkommnisse, genauer Schlachtpläne und Hintergründe in den Kriegsführungen und schildert damit das Leben im Mittelalter absolut ungeschönt oder romantisch verklärt.

Das Buch ist in drei Teile mit den Titeln "Wasser", "Feuer" und Blut" unterteilt. Den einzelnen Kapiteln stehen kurze Auszüge aus historischen Berichten voran; diese nüchternen Informationen werden dann in der folgenden Passage mit Leben gefüllt, indem das Schicksal der Essex Dogs geschildert wird.

Gut gefallen hat mir die eher ungewöhnliche Perspektive, die Ereignisse aus der Sicht der Söldner zu erzählen. Diese Figuren sind mehrdimensional und anschaulich gezeichnet und ich konnte mir durchaus ein Bild von ihnen machen. Und trotzdem blieben sie mir irgendwie fern und ich konnte keine Beziehung zu ihnen aufbauen oder echte Sympathie empfinden. Stellenweise drängten sich mir weitergehende Fragen auf, die nicht beantwortet wurden.

Eine Karte von Südengland/Nordfrankreich mit der eingezeichneten Route des im Buch geschilderten Kriegszuges von Portsmouth bis nach Crécy sowie Anmerkungen des Autors zur Abgrenzung von Fiktion und Historie und Lektüreempfehlungen runden das Buch ab.

Trotz des interessanten Themas und der vielen durchaus spannenden Details konnte Dan Jones mich nicht wirklich packen und mitreißen. und es kam kaum Spannung bei mir auf, so dass das Buch meinen - zugegebenermaßen hohen - Erwartungen nicht gerecht wurde.

Bewertung vom 05.02.2024
Schneesturm
Walsh, Tríona

Schneesturm


gut

Die verstreut lebenden sechs Freunde Cara, Maura, Daithi, Sorcha, Ferdy und Seamus treffen sich auf Innishmore, um Caras vor zehn Jahren verstorbenen Ehemannes Cillian zu gedenken. Nach dem ersten Abend wird Maura ermordet aufgefunden und Cara, die auch die Inselpolizistin ist, beginnt auf eigene Faust zu ermittelt, weil die zuständigen Kriminalisten wegen eines Schneesturms nicht auf die Insel gelangen können - und niemand herunter....

Die irische Autorin Triona Walsh hat einen atmosphärischen Roman vorgelegt; das Setting liegt auf der kleinen Insel Inishmore (größte der Aran-Inseln) vor der Westküste Irlands mit nur 900 Einwohnern und einer kargen Felsenlandschaft. Die Autorin schafft eine düstere Stimmung, in der ein bedrohlicher Schneesturm den Bewohnern alles abverlangt, die Stromversorgung unterbricht, Handyempfang unmöglich ist und niemand die Insel verlassen oder betreten kann. Und auch die Gälische Sprache hat einen wichtigen Part inne, was die Erzählung sehr authentisch macht.

Wenngleich "Schneesturm" auch als Thriller gekennzeichnet ist, findet sich meiner Meinung nach keine atemberaubende Spannungskurve; vielmehr verfolgen wir Cara bei ihren Ermittlungen, die immer wieder neue Fragen aufbringen und Verdächtige erschaffen und ich war zumindest sehr gespannt darauf, was die Auflösung schlussendlich ans Licht bringen bringen würde und ob meine eigenen Überlegungen richtig waren.

Triona Walsh legt hier einen klaren "Whodunnit" vor im Stile von Agatha Christie und ich war oftmals an ihre Ermittler erinnert, die beobachten, nachforschen und schließlich am Ende alle Verdächtigen zusammenrufen, um in einem großen Showdown den von ihnen schlussgefolgerten Tathergang zu inszenieren, so wie Cara ihre ehemaligen Freunde kurz vor deren Abreise mit ihren Beweisen konfrontiert.

Cara, die eigentlich gar nicht ermitteln darf, sich ihrer ermordeten Freundin Maura gegenüber jedoch in der Pflicht sieht, agiert ruhig, aber eher unerfahren und nicht alle ihre Handlungen sind schlüssig nachvollziehbar. Die Freunde, die - fast - allesamt ihre schmutzigen Geheimnisse haben, bleiben oft undurchschaubar und unsympathisch und ich wurde kaum in die Story hineingezogen. Auch betrachte ich einige Elemente der Story als eher unnötiges Drumherum, das die Handlung nicht voran bringt.

Trotz meiner Kritikpunkte hat mich "Schneesturm" durchaus unterhalten und mir Inishmore nahe gebracht; ich vergebe 3 Sterne.

Bewertung vom 09.01.2024
Verschwörung (eBook, ePUB)
Eldering, Frank

Verschwörung (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Fanatiker Morten DeLanier plant die Zerstörung der drei Weltreligionen und damit den Beginn eines neuen Zeitalters. Durch einen Hinweis auf Unregelmäßigkeiten in der nahen Seniorenresidenz beginnt Gregor Hanig nachzuforschen, doch er und seine Freundin Lena verschwinden und so beginnt seine Nichte, Dr, Helen Schumann, mit der Suche nach ihnen und dem Geheimnis, das Gregor entdeckt zu haben schien. Unterstützt wird sie dabei von Chris Lucas, nichtsahnend. dass er ein Ex-Geheimagent ist und bereits mit Morten DeLanier zu tun hatte. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, bevor es Mengen von Toten geben wird....

Der Autor Frank Eldering legt mit "Verschwörung" den dritten Teil der atemberaubenden Trilogie um den Geheimbund "Fraternitas Confluentis" vor, der allerdings hier nicht mehr so präsent im Vordergrund steht, sondern in dem der Autor eine neue Geschichte um den Kampf für und gegen die Religionen spinnt. Den Leser erwarten aus den ersten Teilen vertraute Figuren (wie Helen, Chris, Gregor und Lena) und Schauplätze, doch auch Neueinsteiger werden sich problemlos zurechtfinden.

Nach einem etwas geruhsameren Auftakt, in dem zunächst einige Grundlagen geklärt werden, steigt die Spannungskurve nach dem ersten Drittel steil an, bis es schließlich zu einem gewaltigen Showdown kommt. Verbunden mit dem angenehmen Schreibstil Elderings vermochte ich das Buch dann nicht mehr aus der Hand zu legen. Die abwechselnden Blickwinkel in der Erzählung und die Hintergrundinformationen veranlassen den Leser, nicht nur mitzufiebern, sondern auch mitzurätseln und ich verzeihe gerne, dass zugunsten eines Happy Ends die Krisen allesamt gut bewältigt werden können.

Die Figuren sind mehrdimensional angelegt, genau und bildhaft beschrieben und ich sah alle vor meinem geistigen Auge, während ich mit ihnen litt oder sie scheitern sah. Schmunzeln musste ich, dass auch in der Gegenwart wieder ein Assassine seine blutrünstige Rolle spielte. Der Schwerpunkt der Handlung liegt in Deutschland, aber es gibt viele Schauplatzwechsel zwischen dem Deutschen Eck in Koblenz und Zürich.

Sehr viele Details der Handlung erinnern nur zu deutlich an unsere reale Gegenwart; so könnten die beschriebenen Waffensysteme F16 Kampfjet, so wie Marschflugkörper des Typs Storm Shadow und Taurus, die gegenwärtig im Ukraine-Krieg zum Einsatz kommen, die Religionskritik sowie das Verhalten der Kirche, Fanatismus und Geheimdienste, Verkehrstote und Pflegedienste durchaus eine Triggerwarnung für sensible Leser gebrauchen.

Die kleinen Ausflüge in das Schachspiel haben mir sehr gefallen; die Kampfszenen und militärischen Bezüge haben mich zwar weniger gefesselt, waren aber sicher nötig für den Aufbau der Geschichte. Auch, wenn die Trilogie nun abgeschlossen ist, bleibt das Ende in einigen Punkten offen, so dass eine Fortsetzung denkbar wäre.

Die Mischung aus Thriller und Action hat mir überaus unterhaltsame Lesestunden bereitet und ich empfehle diese Trilogie gerne weiter; am besten gefallen hat mir jedoch der erste Band.

Bewertung vom 09.01.2024
Aufs Meer hinaus
Enger, Cecilie

Aufs Meer hinaus


gut

Bertha Torgersen, die schon früh ihre Mutter verloren hat, verbringt mit ihrer Stieffamilie eine harte, dabei aber für die Zeit nicht unnormale Kindheit in Südnorwegen. Schon früh wird ihr klar, dass sie sich nicht in der Rolle der Hausfrau und Mutter sieht, und nimmt stattdessen eine Stellung als Ladenmädchen in der entfernten modernen Bergarbeiterstadt Karmoy an. Dort trifft sie schon bald Hanna Brummenaes wieder, die sich kleidet und verhält wie ein Mann. Die beiden Frauen finden nicht nur privat zueinander, sondern übernehmen den Laden, bringen neue geschäftliche Ideen ein und entwickeln sich und ihre Firma immer weiter hin zur ersten von Frauen geführten Reederei ....

Die Journalistin und Autorin Cecile Enger hat mit "Aufs Meer hinaus" einen sehr leisen Roman über zwei außergewöhnliche Frauen geschrieben. Genau beobachtet bringt sie die Zeit- und Lebensumstände der Menschen genauestens ihren Lesern näher. Ihr Schreibstil dabei ist präzise und durchaus anspruchsvoll, bleibt dabei aber doch recht distanziert.

Gerne hätte ich noch mehr über die Gefühle der beiden sehr spannenden Frauen im allgemeinen und füreinander gelesen; doch durch den genauen Blick von außen blieben diese mir fremd und ich hatte immer wieder neue Fragen im Kopf. Insbesondere zu Hanna konnte ich keinen Zugang finden.

Wenngleich mir die unaufgeregte Erzählweise durchaus zusagte, fehlte dennoch ein Spannungsbogen, und das Geschehen, das mich durchaus nicht kalt ließ, plätscherte eher dahin, als dass es mich fesselte. Die Liebe der beiden Hauptfiguren zueinander in einer Zeit, in der Homosexualität geächtet war, halten die Frauen vor der Außenwelt verborgen - aber leider auch vor ihren Leser*Innen; sie ist mehr zu erahnen, als dass diese Thematik vertieft werden würde.

Anhand des Klappentextes hatte ich eigentlich auch andere Erwartungen an das Buch: Dass Bertha und Hanna die ersten Reederinnen Europas werden, wird eher am Rande erzählt. Dieses Detail verschwindet nahezu in der ausführlichen Beschreibung fast ihrer ganzen Leben.

Anhand der Quellenangaben am Ende des Buches wird noch einmal deutlich, dass die Geschichte der zwei Frauen auf historischen Grundlagen beruht, die genau von der Autorin recherchiert wurden; ich vermisse aber ein Nachwort von Cecile Enger mit einer Abgrenzung zu fiktiven Elementen.

Da ich Bücher über starke Frauen der Geschichte sehr schätze, hat mir diese ruhige Erzählung durchaus gefallen; ich hätte mir jedoch noch etwas intensivere Beschäftigung mit den Hintergründen gewünscht.

Bewertung vom 17.12.2023
Ausgelöscht
Prammer, Theresa

Ausgelöscht


gut

Zwei entführte Frauen tauchen nach drei Wochen wieder auf - und obwohl ein Fall in Wien, der andere in Berlin angesiedelt ist. haben beide völlig gleiche Erinnerungen. Die Erinnerungsforscherin Lea Goldberg wird von der Polizei zu den Ermittlungen hinzugezogen; zum einen wegen ihres Forschungsgebietes, zum anderen wird sie immer mehr persönlich hineingezogen....

Die österreichische Autorin und Regisseurin Theresa Prammer legt mit "Ausgelöscht" einen atemberaubenden Thriller vor, der durch seinen angenehmen Schreibstil verbunden mit einem mitreißenden Tempo besticht. Das Setting liegt nicht nur in der Heimat der Auorin, Wien, sondern auch in Berlin und Südfrankreich.

In ihrem Thriller thematisiert Prammer die aktuelle Erinnerungsforschung und die Beeinflussbarkeit und Unzuverlässigkeit der menschlichen Erinnerungen und gibt spannende Einblicke. Ich finde diese Fragestellungen äußerst interessant, habe mich damit bereits intensiv auseinandergesetzt und habe mich darum sehr gefreut, in einem fiktiven Roman darüber zu lesen.

Die Figuren sind mehrdimensional angelegt und gerade die Hauptfigur Lea Goldberg war mir sympathisch, während ihr direkter Gegenspieler, ein Staatsanwalt in Berlin abstoßend agierte.

Der auktoriale Erzählstil wechselt zwischen dem "Jetzt" und einem "Damals", in dem die Geschichte und Motivation der Kriminellen aufgearbeitet wird; das "Damals" wird im Laufe der Handlung immer dominanter, bevor sich alles immer mehr zu einer komplexen Geschichte verbindet. Insgesamt führt die Autorin ihre Leser*Innen immer wieder auf falsche Spuren und erdenkt spannende Wendungen - und es bleibt bis zum Ende absolut mitreißend. Auf den Showdown folgt allerdings noch ein Cliffhanger, der auf eine Fortsetzung hindeutet (eine Tatsache, die ich nicht an Büchern mag).

Mein Kritikpunkt an der Handlung ist jedoch, dass diese mir ab der Mitte des Buches zu konstruiert wirkte und ich einige Aktionen der Hauptfiguren nicht nachvollziehen konnte. Dies trübte den Genuss des ansonsten großartigen Thrillers leider doch.

Bewertung vom 17.12.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


ausgezeichnet

Die Choreografin Wally, begeistert vom Swing aus den USA, gründet eine Tanzgruppe, mit der sie - entgegen den marionettenhaften Revuegirls - neue Wege gehen will. Ihre Tänzerinnen findet sie mit Berliner Mädchen aus allen Gesellschaftsschichten. Doch die "Lindy Girls" drohen zu scheitern, weil die Männer die Frauen nicht ernst nehmen.

Die Berliner Roman-Autorin Anne Stern hat wieder einmal hervorragend recherchiert und präsentiert ihren Leser*Innen einen Roman, der die goldenen 20er Jahre aufleben lässt. Durch die geschickt gewählten Figuren aus allen Gesellschaftsschichten zeichnet Anne Stern ein lebendiges und einprägsames Bild der Zeit, die geprägt war durch die Nachwirkungen des Erstes Weltkrieges , harter Arbeit und viel Elend, dem Aufkommen der Nazis, und viel Brutalität, aber auch den kleinen und großen Fluchten in Alkohol und Tanz und wilden Feiern. Ein besonderes Augenmerk legt die Autorin auch hier wieder auf die Frauenschicksale. die von den Männern dominiert wurden und denen es nahezu unmöglich war, ihren eigenen selbstbestimmten Weg zu gehen und unabhängig zu bleiben; und so ist der Ruf nach Freiheit ein zentrales Thema.

Dass auch das Thema "Liebe" eine Rolle spielt, macht diesen Roman keinesfalls kitschig, sondern verdeutlich dagegen das soziale Umfeld und die Machtverhältnisse.

Die Figuren - in den Hauptrollen fast ausschließlich weiblich und starke Frauen - sind großartig charakterisiert; mehrdimensional und viel Liebe und Intensität von der Autorin angelegt. Die ständigen Perspektivwechsel ergaben ein stimmiges Gesamtbild, dessen Vielfalt durch den Tanz geeint wurde.

Besonders hervorzuheben ist der ausdrucksstarke Schreibstil von Anne Stern. Flüssig, leicht und dabei intensiv, mit wunderschöner Sprache ist es dieser Roman wieder ein Lesegenuss, der mitten hinein in diese spannende Zeit in Berlin führt - und genauso temporeich wie die wilden 1920er scheint.

Dass Stern sich in Berlin gut auskennt, wird ebenfalls deutlich; wir begleiten ihre Figuren zu zahlreichen bekannten Orten und lernen das historische Berlin kennen.

Eine Playlist darf bei diesem temporeichen Roman über den modernen Swing und den Lindy Hop natürlich nicht fehlen.

Mir sind Wally, Alice, Thea und Gila schnell ans Herz gewachsen und ich durfte mit ihnen träumen und leiden, leben und lieben.
Mehr davon!

Bewertung vom 17.12.2023
Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen
Engel, Henrike

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen


sehr gut

Hamburg 1911. Nach dem Niederbrennen ihrer Praxis ist die Ärztin Anne van der Zwaan unterwegs zu ihren zahlreichen Patientinnen. Immer mehr spielt der Heroinmissbrauch eine Rolle, an dessen Folgen Frauen sterben. Doch woher stammt das Heroin - aus der Asservatenkammer der Polizei, den Geschäften der Triaden oder aus den kriminellen Geschäften ihres Vaters, gegen den Anne auch noch vor Gericht aussagen soll. Der ermittelnde Kommissar Berthold Rheydt hat allerdings private Probleme, denn offenbar lebt seine erste Ehefrau - die Selbstmord begangen haben sollte - doch noch, was die Heirat mit Helene Curtius platzen lässt.....

Mit "Die Hafenärztin. Ein Leben für die Hoffnung der Menschen" legt die Bestsellerautorin und frühere Drehbuchautorin Henrike Engel bereits den vierten Band ihrer großen Reihe um die Hamburger Hafenärztin Anne van der Zwaan vor. Obwohl ich die ersten drei Bände nicht kannte, hatte ich keinerlei Verständnisprobleme; da sich die durchaus komplexen Beziehungen jedoch stetig entwickeln, ist es sicher ein großer Genuss, die Serie am Stück zu lesen.

Der Schreibstil von Henrike Engel ist flüssig, bildgewaltig und höchst unterhaltsam; mühelos flog ich durch die 456 Seiten.

Dass Hamburg die heimliche Liebe der Autorin ist, wird sehr deutlich in den anschaulichen Beschreibungen der Handlungsschauplätze in der Hafenstadt Hamburg, die für so viele Deutsche zu den Lieblingsstädten zählt.

Neben einer packenden Handlung ist ein ganz wichtiges Thema für Engel - dem ich mich unbedingt anschließe - die Frauenrechte. In nahezu allen Sequenzen des Romans spielen diese Frauenrechte - oder eben das Fehler derselben - eine große Rolle. So ist Anne als weibliche Ärztin noch immer nicht anerkannt bei vielen, Helenes Studium hängt am seidenen Faden wenn sie heiratet, ihre Freundin Paulina wird für die Karriere ihres Vaters verheiratet und schließlich vom Ehemann verprügelt, Frauenwahlrecht, Frauenarbeit und Selbstbestimmung sind wiederholt wichtige Themen. So findet sich ein umfangreiches Sittengemälde zur Kaiserzeit. Gerade auch von den Anfängen der Psychoanalyse und Sigmund Freud hätte ich noch viel mehr lesen können, doch das hätte den Rahmen dieses Bandes gesprengt.

Weiterhin kommt in diesem vierten Band, neben allgemeinen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, ein spannendes Kernthema hinzu: Süchte und Abhängige. Auch hier hat die Autorin gut recherchiert und webt spannende Informationen und die wahre Geschichte harmonisch in ihren Roman ein. Denn während Heroin Kindern noch als Hustenstiller verabreicht wird und als Therapie zur Alkoholentwöhnung eingesetzt wurde, erkennt die Hafenärztin in dem Rauschgift die Todesursache bei ihren Patientinnen und verfolgt die Aufklärung über die hohen Risiken. Viele der im Buch geschilderten Ansichten aus der Kaiserzeit ließen mich wieder einmal nur den Kopf schütteln.

Die Handlung lebt von einer ganzen Reihe von hervorragend beschriebenen Figuren, die in ihrer Unterschiedlichkeit dennoch miteinander verwoben sind; trotz der Komplexität fiel es mir leicht, der Erzählung zu folgen und die Beziehungen nachzuvollziehen. Die mehrdimensionalen Figuren wirkten authentisch und gaben einen guten geschichtlichen Einblick und gerade Anne, Helene und Paulina waren mir sehr sympathisch.

Spannende Unterhaltung mit viel Geschichtswissen - diese Reihe kann ich definitiv empfehlen!

Bewertung vom 22.11.2023
Sturmlichter
Theisen, Patricia

Sturmlichter


sehr gut

1911. Die höhere Tochter Torie träumt davon, Automechanikerin zu werden, Clarissa ist Malerin aus Leidenschaft und Mia setzt sich für die Rechte von Frauen ein - drei unkonventionelle Lebenswege, die durch Männer eingeschränkt und in Frage gestellt werden ...

Die überaus erfolgreiche Autorin Patricia Mennen hat unter dem Pseudonym Patricia Theisen den höchst unterhaltsamen und einfühlsamen Roman "Sturmlichter" veröffentlicht, in dem sie die Lebenswege von drei Frauen schildert. die entgegen den herrschenden Konventionen mutig und unerschrocken ihre Träume verfolgen und andere Ziele im Leben haben als die von ihren Eltern vorgesehenen.

Patricia Theisen hat umfangreich recherchiert und schildert authentisch das Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts, einer Zeit, in der ein Frauenwahlrecht und wirtschaftliche Gleichstellung noch in weiter Ferne lagen. Die mutigen Frauen in ihrer Saga gehen jedoch - unabhängig voneinander und jede auf ihre Weise - ihren eigenen Weg zu persönlicher Freiheit. Dass diese Wege in eine neue Zeit nicht ohne Schwierigkeiten, große Herausforderungen und auf Umwegen erfolgen, wenn das Schicksal oder die Männer es negativ beeinflussen, versteht sich dabei von selbst. Auch, wenn Theisen eine fiktive Geschichte erzählt, ist doch klar, dass es so hätte sein können und viele Menschen ähnliche Schicksale durchlaufen haben. Vor allem die dramatischen Beschreibungen und Auswirkungen des Ersten Weltkrieges lassen die Leser*Innen nicht kalt.

Der Schwerpunkt dieses Buches liegt eindeutig auf der Französin Victoria, genannt Torie, und ihrer Leidenschaft für die Ingenieurskunst. Anhand ihrer Figur wird auch viel über die Geschichte Citroëns und vor allem der legendären "Expédition Citroën Centre Afrique 1924 /1925", auch die Croisière Noire genannt, ersichtlich, die seinerzeit ein weltbewegendes Ereignis war und heute in Vergessenheit geraten ist. Allein dieser Teil hätte ein eigenständiges Buch verdient und ich fieberte mit beim spannenden Verlauf dieser Reise. Die künstlerische Entfaltung von der Jüdin Clarissa, aber vor allem Mias Kontakte zu Frauenrechtlerinnen und ihr Kampf gegen die Ausbeutung und Ungleichbehandlung der Frauen blieb leider auf ein kleines Maß beschränkt; hier hätte ich so gerne noch mehr gelesen.

Die glaubwürdige Darstellung der Figuren mit ihren Stärken und Schwächen gefiel mir besonders; ebenso wie die Tatsache, dass dieser Roman niemals zu einem flachen Frauenbuch oder gar Liebesroman entglitt.

Der überaus flüssige Schreibstil, verbunden mit anschaulichen Beschreibungen und vielen detaillierten interessanten Informationen machten das Buch zu einem wahren Lesegenuss. Ich werde sicher die Augen nach weiteren Büchern von Patricia Mennen aufhalten!