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carola1475

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Insgesamt 234 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2025
Abel, Susanne

Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104


ausgezeichnet

Erschütternde und berührende Geschichte zweier Heimkinder

Margret und Hardy kennen sich seit ihrer Kindheit im Kinderheim. Die sechs Jahre ältere Margret versucht Hardy zu beschützen, so gut sie kann. Inzwischen ein altes Ehepaar, kümmern sie sich um ihre Urenkelin Emily, deren Mutter mit ihrem Kind überfordert ist.
Auf zwei Zeitebenen erzählt Susanne Abel Margrets und Hardys Geschichte ab Mitte der 1940er Jahre bis 2017 und verknüpft dabei verschiedene Episoden aus Vergangenheit und Gegenwart gekonnt, passend und in ausgewogenem Verhältnis miteinander. Von Beginn an haben mich beide Handlungsstränge gepackt und auch nach Beenden des Buchs nicht losgelassen. Reale zeitgeschichtliche Ereignisse werden eingeflochten und tragen zur Glaubwürdigkeit der Geschichte bei.
Auch ohne explizite Beschreibungen werden die unmenschlichen Bedingungen im Kinderheim deutlich, die Kinder werden von den Nonnen gequält, erniedrigt und für Kleinigkeiten bestraft. Susanne Abel schreibt anschaulich und bildhaft, ihre einfühlsame Sprache vermittelt das Leid der Kinder schmerzhaft eindringlich.
Erzählt wird hauptsächlich aus Margrets, Hardys und Emilys Perspektive, die Protagonisten sind glaubhafte, nahbare Figuren, die tief berühren. Die Unfähigkeit der ehemaligen Heimkinder, über ihre Erlebnisse zu sprechen kann ich verstehen, aber sie führt auch zu einer Sprachlosigkeit innerhalb der Familie. Die in der Kindheit gemachten Erfahrungen prägen das ganze Leben und unverarbeitete Traumata erzeugen weiteres Leid und Schmerzen auch für nachfolgende Generationen. Das zeigt Susanne Abel am Beispiel von Margrets und Hardys Familie so bedrückend wie überzeugend.

Der Autorin ist nach den beiden 'Gretchen'-Büchern um Familie Monderath mit 'Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104' erneut ein großartiger und wichtiger Roman gelungen, sehr gut recherchiert, realitätsnah und bewegend. Schon das Cover mit dem traurigen, verloren aussehenden kleinen Jungen berührt, um so mehr, als es sich um eine Fotografie handelt, wie Susanne Abel im Nachwort schreibt.

Erwähnen möchte ich die mangelhafte Bindung des Buchs, jedenfalls bei meinem Exemplar. Schon beim einmaligen Blättern lösten sich die Seiten, zumindest auf den ersten etwa 50 Seiten. Schade, dass der Verlag hier an der falschen Stelle gespart hat!

Bewertung vom 07.09.2025
Tuokko, Kaisu

Gerächt sein sollst du / Die Morde von Kristinestad Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Persönliche Sorgen der Erwachsenen überschatten aktuelle und schwerwiegende Probleme Jugendlicher


Im idyllischen Küstenort Kristinestad wird die Leiche des siebzehnjährigen Jonas im Meer gefunden. Die Ermittlungen unter Leitung von Kriminalkommissar Mats Bergholm ergeben ein verstörendes Bild des zurückhaltenden Jungen, wie war Jonas wirklich? Auch die Journalistin Eevi Manner recherchiert zu dem Fall, der den kleinen Ort aufwühlt, in dem jeder jeden kennt.
Erzählt wird aus den wechselnden Perspektiven Mats' und Eevis. Beide stammen aus Kristinestad, kennen sich seit der Jugend, und Gefühle füreinander flackern wieder auf, obwohl es eine Ehefrau bzw. einen Lebenspartner gibt. Mats' Gedanken kreisen oft um seine unglückliche Ehe und Eevis Gefühlswelt wird von ihrem unerfüllten Kinderwunsch beherrscht, diese privaten, oft wiederholten Sorgen waren mir schnell zu viel und störten für mich auch den eher flachen Spannungsbogen.

Kaisu Tuokkos Schreibstil ist angenehm zu lesen, aber ihr Textrhythmus zu gleichförmig, ein Cafébesuch wird genau so detailliert beschrieben und scheint genau so wichtig wie die Befragung eines Angehörigen. Ermittler verhalten sich unprofessionell oder bleiben Stereotypen, im allgemeinen ist die Figurenzeichnung blass, während die angesprochenen Themen Mobbing, physische und psychische Gewalt und Misogynie, real und in den Social Media, durchaus empathisch und glaubhaft dargestellt werden, aber leider fast in den Sorgen der Erwachsenen untergehen. Die überraschende Auflösung des Falls ist stimmig.
Das atmosphärische Cover passt zum Krimi und man merkt der finnischen Autorin ihre Verbundenheit zum Heimatort an. Ungeklärte Fragen zur Vergangenheit von Eevi und Mats werden bis zu einem Folgeband warten müssen, denn 'Gerächt sein sollst du' ist ein Reihenauftakt. Ich vergebe 2,5 Sterne für diesen Debütroman.

Bewertung vom 27.08.2025
Slupetzky, Stefan

Nichts wie weg (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Überraschend, schräg und sehr unterhaltsam

Vera Baum verliert plötzlich ihren Geruchs- und Geschmackssinn. Für die Zuckerbäckerin, die sich in der Küche ihres Cafés auslebt und verwirklicht, bricht eine Welt zusammen. Und dann erwischt sie auch noch ihren Mann und ihre beste Freundin in flagranti.
Als sie verstört und voller Selbstmitleid durch Wiens Straßen irrt, stößt sie auf den gerade aus der Haft entlassenen finnischen Geldfälscher Onni Vitala, dem von zwei albanischen Ganoven fehlerhaftes Falschgeld gestohlen wurde, das er zurückholen und entsorgen will. Diese zufällige Begegnung entwickelt sich zu einer so anrührenden wie überraschenden Geschichte.

Stefan Slupetzky schreibt bildhaft und sprachgewandt, sein trockener Humor und sein Wortwitz haben mich nicht nur schmunzeln, sondern bei manchen Szenen voller Situationskomik auch lachen lassen, während tiefsinnige Aussagen an anderen Stellen mich innehalten und nachdenken ließen.
Der Autor ist seinen Figuren zugewandt und macht sie mit ihrem jeweiligen ungewöhnlichen Hintergrund zu glaubwürdigen und liebenswerten Protagonisten, deren Handeln durchaus mal überrascht, aber auch plausibel ist. Die Charaktere trauen sich was und es hat mir viel Spaß gemacht zu verfolgen, wohin das alles führt.

'Nichts wie weg' mit dem passenden, Fernweh weckenden Cover hat mir sehr gefallen, für schöne Lesestunden gesorgt und mich bestens unterhalten. Ich freue mich, Stefan Slupetzky als für mich neuen Autor entdeckt zu haben.

Bewertung vom 24.08.2025
Navarro, Fabian

Vienna Falling (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Humorvoll, skurril und spannend

Der Titel von Navarros neuem Roman hat mich neugierig gemacht und sofort an Falcos 'Vienna calling' denken lassen und tatsächlich haben Buch und Song auch Themen gemeinsam.

Der deutsche Tourist Jürgen Weber stürzt in den Spalt vor dem Stephansdom, der sich nach einem starken, aber örtlich sehr begrenzten Erdbeben aufgetan hat. Die Ursache des Bebens gibt Rätsel auf. Jürgens Frau Renate fühlt sich von den Behörden allein gelassen und versucht einfallsreich und zielstrebig auf eigene Faust, ihren Mann wieder zu finden, nachdem sie den ersten Schock verarbeitet hat. Renate erhält bald doch noch Hilfe und Unterstützung durch den semi-seriösen Geisterjäger Reinhold, Elif von der Wiener Stadtverwaltung, Irina aus dem Landesarchiv und der Pfannenzauber Community, einem Koch- und Backforum, in dem auch Renate Rezepte und ihre unschönen Erfahrungen in Wien teilt. So unterschiedlich wie die Figuren sind auch die wechselnden Perspektiven, aus denen die schräge Geschichte erzählt wird. Sehr witzig fand ich, dass sich manche der Charaktere auch in ganz anderem Zusammenhang kennen, was sich erst allmählich erschließt.

Fabian Navarro macht in 'Vienna falling' die Stadt selbst zu einer Hauptfigur, vermittelt einen faszinierenden Aspekt der Wiener Stadtgeschichte, erklärt Kaffeehaus-Besonderheiten, teilt Rezepte, nimmt Wiener und Piefkes gleichermaßen aufs Korn, lässt die Protagonistin sich entwickeln und verleiht jeder Perspektive nicht zuletzt durch die jeweils passende Sprache Glaubwürdigkeit und Authentizität. Dabei bleibt der Schreibstil immer humorvoll, lebendig, bildhaft und angenehm zu lesen.
Obwohl für mich am Ende noch kleinere Fragen offen bleiben, hat mir 'Vienna falling' mit seinem auffälligen, passenden Cover und seiner ungewöhnlichen, skurrilen und überraschenden Geschichte gefallen und mich sehr gut unterhalten. Fabian Navarros erster Roman mit menschlichen statt tierischen Protagonisten ist gelungen und bekommt von mir 4,5 Sterne.

Bewertung vom 17.08.2025
Shusterman, Neal

All Better Now (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kann ein pandemischer Virus auch eine Chance sein?

Die nächste Pandemie nach Corona hat eine höhere Sterberate, aber wer Crown Royale überlebt, ist glücklich und zufrieden, ist ein gütiger Mensch geworden, der in sich ruht und anderen mit Empathie begegnet. Das Konsumverhalten der Genesenen ändert sich radikal, Sachen werden repariert statt neu gekauft, 2nd Hand ist angesagt. Wirtschaftsbosse und Ökonomen sind alarmiert und versuchen, die Genesenen zu diskreditieren, sie setzen Fake News und Gerüchte in die Welt, während Wissenschaftler im Geheimen an einem 'Gegenmittel' arbeiten.

Erzählt wird dieser Near Future Science Fiction Roman aus mehreren Perspektiven, die Crown Royale von verschiedenen Seiten beleuchten, seine Vorzüge, Risiken und mögliche Folgen aufzeigen. Die pragmatische Mariel hat ihre Mutter an den Virus verloren und würde sich auch gern anstecken, um endlich glücklich zu sein, der depressive Rón gehört zu einer Risikogruppe und ist das Sorgenkind seines reichen Vaters, die clevere und ehrgeizige Morgan hat sich das Ziel gesetzt, Crown Royale von der Erde zu tilgen.
Die Charaktere sind unterschiedlich glaubwürdig ausgearbeitet, die Liebesbeziehung der beiden Jugendlichen Mariel und Rón hat mich nicht überzeugt, anders als ihre Zweifel und Hoffnungen. Ihre Überlegungen regen mich an, über meinen eigenen Standpunkt nachzudenken.
Die Geschichte ist packend und überraschend, häufige Perspektivwechsel tragen zur Spannung bei. Neal Shusterman schreibt flüssig, bildhaft und mit feinem Humor, übt Gesellschaftskritik und spricht wichtige Fragen nach Glück, Zusammenhalt, einem wünschenswerten Miteinander an. Indem er Begriffe benutzt, die uns allen durch die Corona-Zeit geläufig sind, erscheint 'All better now' sehr realistisch und ich finde es mutig vom Autor, seine Geschichte in einer weiteren Pandemie anzusiedeln.

Nach der Vollendet-Reihe und der Scythe-Trilogie hat mir auch dieser Jugendroman mit seinem auffälligen blau-gelben und passenden Cover wieder sehr gut gefallen, ich vergebe 4,5 Sterne und freue mich auf den zweiten Teil der Dilogie.

Bewertung vom 14.08.2025
Wagner, Jan Costin

Eden (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Den Verlust akzeptieren

Kerstin und Markus haben ihre 12jährige Tochter Sofie bei einem Selbstmordattentat verloren. Die vorher glückliche Familie ist zerstört, beide Eltern sind verloren und voller Schmerz. Während Kerstin nach einiger Zeit Sofies Tod akzeptiert und erkennt, dass sie sich ein ganz neues Leben aufbauen müssen, auch wenn sie nicht weiß, wie das gelingen soll, ist Markus außerstande, Sofies Tod zu begreifen und wahrzuhaben. Er versucht, die Ereignisse rational zu verstehen, besucht sogar die Familie des Attentäters, um dessen Beweggründe analysieren zu können. In einer Talkshow wehrt Markus sich gegen die politische Instrumentalisierung seines Schicksals.

Jan Costin Wagner widmet sich in 'Eden' erneut einem schwierigen Thema, schreibt über Menschen im Ausnahmezustand. Dabei erzählt er aus den verschiedenen Perspektiven aller Beteiligten, auch der Täter kommt zu Wort, der etwas Großes vollbringen, endlich gesehen und bewundert werden wollte. Der Autor beschreibt, ohne zu werten, wie der jungen Mann zum Attentäter wurde.
Die Charaktere werden lebendig durch ihre Gedanken, Erinnerungen und Dialoge, die Gefühle transportieren. Alle Figuren haben mich berührt, besonders auch Sofies achtsamer Schulfreund Tobias, der durch Sofies Tod verstört ist und der unter der Atmosphäre zu Hause leidet, die sein Vater mit Verschwörungstheorien und rassistischen Gedanken vergiftet.

Jan Costin Wagner schreibt klar und schnörkellos, dennoch intensiv. Er kann mit einfachen, wenigen Worten Gefühle vermitteln, die mich treffen und die ich verstehe. Auch nach Beenden des Buchs bleiben mir Trauer, Mitgefühl und Hilflosigkeit.

Besonders gut gefällt mir die Gestaltung des Covers. 'Eden', das Paradies, ist als Einheit zerstört, in der Mitte durchtrennt und wenn man das Wort unten links entgegen des Uhrzeigersinns zu lesen beginnt, steht da 'Ende' - vielleicht vor dem zarten Schemen der tanzenden Sofie. Sehr gelungen und zum Roman perfekt passend.

Bewertung vom 14.08.2025
Voosen, Roman; Danielsson, Kerstin Signe

Schwüre, die wir brechen / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Komplexer und spannender Thriller mit ungewöhnlichem Hintergrund

Ein Toter mit dem Kopf eines Krokodils ist nur das erste Opfer, das mit einem angenähten Tierkopf gefunden wird. Jon Nordh würde den Fall lieber abgeben, er weiß, wie psychisch belastend derart abartige Fälle sein können, während Svea sich gern beweisen würde.
In diesem zweiten Band der 'Tatort Malmö'-Reihe ist aus dem verwitweten und alleinerziehenden Jon Nordh und der jungen, aus Stockholm strafversetzten Svea Karhuu ein gutes Team geworden. Svea schätzt den erfahrenen Jon inzwischen, sie hat viel von ihm gelernt und Verständnis für seine auch schroffe Art entwickelt, für Jon ist Svea, klug, strukturiert, analytisch, zu einer guten Partnerin geworden, auf die er sich verlassen kann.
Das düstere Cover passt zur bedrohlichen Atmosphäre der Geschichte, in der die altägyptische Götterwelt und Nachrichten in Form von Hieroglyphen eine Rolle spielen, ein ungewöhnliches und für mich sehr interessantes Thema für einen Thriller.
Erzählt wird auf verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen aus wechselnder personaler Perspektive der Protagonisten und eines weiteren Charakters, die in eine erschütternde Geschichte münden. Der Schreibstil ist bildhaft, klar, lebendig und sprachgewandt, sehr angenehm zu lesen. Die Figurenzeichnung ist auch bei Nebencharakteren gelungen, die Hauptfiguren entwickeln sich und sind nahbar und authentisch, das Verhältnis von Privatleben einerseits und Ermittlungsarbeit andererseits gefällt mir.

Der Thriller ist spannend und komplex, Voosen und Danielsson legen falsche Fährten und überraschen mit unerwarteten Wendungen, die mühsamen Ermittlungen des Teams werden glaubhaft geschildert. Gelegentlich fassen die Ermittler, eigentlich für ihre Kollegen, den Stand der Dinge zusammen, das empfand ich als hilfreichen Kniff der Autoren, damit der Leser den Überblick behält, sehr gut gemacht!
Immer wieder gibt es Rückblicke in Sveas und Jons Vergangenheit, so dass ich empfehlen würde, den ersten Band bereits zu kennen. Neue Erkenntnisse zu zurück liegenden Ereignissen, die beider Leben verändert haben, tragen neben dem aktuellen Fall ebenfalls zur Spannung bei und lassen mich erwartungsvoll auf einen weiteren Band der Reihe hoffen. 'Schwüre, die wir brechen' hat mir noch besser gefallen als der erste Band der Reihe und hat mich bestens unterhalten.

Bewertung vom 13.08.2025
Thomas, Alex

Totenbuch - Bloody Berlin (eBook, ePUB)


gut

Der zweite Band um die Kommissare Niedlich und Böhm hat mich enttäuscht

Da mir 'Pietà' sehr gut gefallen hatte, freute ich mich auf den zweiten Band mit dem Ermittlerteam Annetta Niedlich und Magnus Böhm. Auch das Umfeld des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel versprach einen interessanten Hintergrund.

Im Kuppelsaal der Nofretete wird von der Reinigungskraft Olga Barnick eine verstümmelte Leiche gefunden. Die junge Kommissarin Niedlich hat seit dem Pietà-Fall erfolgreich weitere Morde aufgeklärt und wird mit dem Fall betraut. Zur Unterstützung wird der frühpensionierte Magnus Böhm als 'Reservist' reaktiviert, mit dem die geradlinige Niedlich als Team gut funktioniert hat, sie kommt mit dem brummigen Böhm zurecht. Der Umgang der beiden Kommissare miteinander und ihre Dialoge sind durchaus humorvoll geschrieben.
Erzählt wird aus personaler Multiperspektive und auf zwei Zeit- und Handlungsebenen: einige Wochen zuvor ermittelt DCI Warren Reeves im British Museum in London.

Alex Thomas schreibt klar, nüchtern und detailliert, aber auch ausschweifend und versorgt mich mit einer Fülle von Informationen, die nicht zur Handlung beitragen. Sehr irritiert hat mich auch, dass Niedlich am Fundort des Toten eine (von mehreren) Verstümmelung erkennt, die später keine Erwähnung mehr findet.
Der herzkranke Magnus Böhm wird in seinem Alltag nahbar dargestellt, auch durch seinen neuen Mitbewohner Isbert und sein nachbarschaftliches Umfeld, während ich zur Person Annetta Niedlich trotz der Gespräche mit ihrem Bruder und einer nur angedeuteten schwierigen Kindheit kaum Zugang finde. Emotionen glaubhaft vermitteln konnten nur Olga Barnick und Claire Olsen, die jede für sich einen schockierenden Fund machen mussten.

Seine Kenntnisse um das Berliner Neue Museum, die Arbeiten an der 'Archäologischen Promenade' und die Geschichte der Nofretete-Büste kann das Autorenduo anschaulich vermitteln und konnte mich damit fast mehr fesseln als mit der Krimihandlung, hier blieb ich auch aufgrund des distanzierten Schreibstils nur Beobachter. Die Ermittlungsarbeit wird glaubhaft beschrieben, während ich die Figurenzeichnung des Täters zu blass finde, sein Hintergrund und sein Vorgehen erscheinen lückenhaft dargestellt.
'Totenbuch' mit dem schönen Cover der faszinierenden Nofretete ist für mich kein Thriller, sondern ein Krimi, der mich leider enttäuscht hat. Ich kann nur 2,5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 05.08.2025
Weinert, Steffen

Eisfeld - Dunkle Enthüllungen / Mara Eisfeld ermittelt Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Spannender Krimi um ein brisantes und aktuelles Thema

Der bekannte und angesehene Investigativ-Journalist Peter Hester wird mitten in der Stadt Opfer eines tödlichen Anschlags und Kriminalhauptkommissarin Mara Eisfeld vom LKA Berlin übernimmt die Ermittlungen. Die Boulevardpresse hat sich schnell auf die Tiznit-Drogenbande als Drahtzieher eingeschossen, deren Kopf aufgrund von Hesters Recherchen im Gefängnis sitzt, doch Eisfeld und ihr Team lassen sich nicht unter Druck setzen und verfolgen ermittelte Spuren und Hinweise unvoreingenommen. Erschwerend kommt hinzu, dass niemand weiß, woran Hester aktuell gearbeitet hat.

Ich hatte keine Verständnisschwierigkeiten, mit diesem zweiten Band in die Reihe einzusteigen, kurze Rückblicke zu früheren Ereignissen haben mir geholfen, die kollegialen Strukturen des Ermittlerteams besser zu erkennen. Die Figurenzeichnung ist glaubwürdig, besonders Mara ist sehr nahbar mit ihrer privaten Situation. Beruflich ist sie kompetent, teamfähig und unerschrocken, im Privatleben etwas chaotisch und mit der Trennung von ihrem Mann und der Organisation des Alltags des 4jährigen Sohnes manchmal überfordert. Der Autor findet eine gute Balance zwischen Berufsleben und privaten Konflikten, auf beiden Ebenen blieb ich immer gespannt, wie es weiter geht.
Steffen Weinert schreibt lebendig, flüssig und angenehm zu lesen, auch humorvoll, wenn es um Mara geht.
Die Ermittlungen werden realitätsnah geschildert, der Krimifall dreht sich um ein brisantes und aktuelles Thema, ist vielschichtig, überraschend und bis zum Ende spannend, nicht zuletzt durch eine weitere Erzählperspektive, die mich lange mit rätseln ließ, wer hier seine Überlegungen anstellt.
Ich hätte mir etwas mehr Berliner Lokalkolorit gewünscht, dennoch hat mir 'Dunkle Enthüllungen' gut gefallen und ich werde die Reihe gern weiter verfolgen.

Bewertung vom 05.08.2025
Deen, Mathijs

Die Lotsin (eBook, ePUB)


sehr gut

Undurchsichtiger Fall einer verschwundenen Wissenschaftlerin

Während einer gemeinsamen Übung des niederländischen, deutschen und dänischen Grenzschutzes vor Helgoland geht der Notruf eines Forschungsschiffes mit dem bemerkenswerten Namen Anthropocene ein, eine Wissenschaftlerin wird vermisst. Xander Rimbach von der Bundespolizei See übernimmt die Befragungen an Bord, nachdem die Suche nach der vermissten Iona Grimstedt erfolglos bleibt. Xander, der aus einem Weinbaugebiet am Neckar stammt, ist noch unsicher auf See und auch bei den Ermittlungen ist er unentschieden, wie er am besten vorgehen soll, ihm fehlt sein Kollege und Mentor Liewe Cupido, der zunächst anderweitig beschäftigt ist. Es bleibt das Gefühl, dass auf der Anthropocene irgendetwas nicht stimmt. Aber es kommt auf Fakten an, wie Liewe immer sagt.

Mathijs Deen beschreibt die Anthropocene detailliert und bildhaft, anschaulich und atmosphärisch, so dass ich mir die Abläufe auf dem Schiff vorstellen kann, wie auch das schwierige Leben und Arbeiten in der Forschungsstation auf Grönland zu Beginn der Geschichte, als die Glaziologin Iona, vielleicht desillusioniert, Eisbohrungen vornimmt und auswertet.
Die Ermittlungen verlaufen schleppend und schwierig, die Seeleute sind wortkarg und Iona hatte auf dem Schiff kaum Kontakte. Ihre Figurenzeichnung wird erst spät vervollständigt. Die auftretenden Charaktere finde ich interessant, sie werden alle glaubwürdig dargestellt.

Obwohl ich anfangs den schweigsamen, eigenwilligen Kommissar Cupido vermisst habe, gefällt mir, dass ich Xander diesmal besser kennenlerne. Trotz seiner Unsicherheit kann er seine Stärken zeigen, er entwickelt sich. Auch über Liewe Cupidos familiären Hintergrund erfahre ich mehr. Die Ermittler werden mir immer vertrauter, so dass ich mich jetzt schon auf den Folgeband freue.

Ruhig in die Handlung eingebettet und unaufdringlich greift Deen aktuelle Themen auf, den Klimawandel und wie Wissenschaftler viel zu oft nicht gehört werden, Angriffe und Hass in den Social Media, auch Kränkungen und verletzter Stolz spielen eine Rolle.

Den Titel finde ich nicht wirklich passend und auch das Cover ist weniger atmosphärisch als bei den Vorgängerbänden, aber das sind nur Äußerlichkeiten. Die Übersetzung durch Andreas Ecke ist versiert und wieder rundum gelungen. 'Die Lotsin' hat mir gefallen und mich gut unterhalten.