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clematis

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Insgesamt 266 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2024
Popp, Susanne

Strom der Zeit / Loreley Bd.2


ausgezeichnet

Die Tochter

1842 am Rhein: Lisette, Julies Tochter, steht nun, 17 Jahre später, im Mittelpunkt der Erzählung rund um die Sage der Loreley und anderen Geheimnissen. Aktuelle Geschehnisse und Vergangenes beantworten (fast) alle Fragen, welche nach Band Eins noch offen waren.

Nach dem frühen Verlust der Mutter wächst Lisette, Lissi, gemeinsam mit ihrer Halbschwester Hildchen in Bacharach auf und verliebt sich in den Gastwirtssohn Manuel. Einer gemeinsamen Zukunft stehen allerdings einige Hindernisse im Wege. Während Manuel im Rahmen seiner Ausbildung nach London geht, verbringt Lissi den Sommer am Dampfschiff, welches ihr Vater Johann geschickt den Rhein stromauf, stromab manövriert. Und hier, nahe am Loerelyfelsen, wo schon Mutter Julie verschollen ist, ereignet sich ein folgenschweres Unglück.

Susanne Popps angenehme Sprachmelodie begleitet den Leser in vergangene Zeiten, die Verquickung von Lissis Geschichte und Rückblenden zu Mutter und Großmutter gelingen wunderbar. Berührende Szenen, interessante historische Details, die Autorin bringt von allem etwas, und das in sehr ausgewogener Form, sodass der Roman stets kurzweilig bleibt und man da und dort auch mitfiebern darf mit den sehr glaubwürdig gezeichneten Figuren.

Die lebendige Handlung mit teils historisch belegten Persönlichkeiten bietet beste Unterhaltung. Ich empfehle die beiden Loreley-Romane sehr gerne weiter.

Bewertung vom 25.09.2024
Welsh, Renate

Leih mir dein Ohr


ausgezeichnet

Lyrik

Nach den sehr berührenden Prosa-Werken rund um „Johanna“ und etlichen anderen Stücken liegt nun ein schöner Gedichtband von Renate Welsh vor, in welchem sie recht persönliche Erlebnisse in melodischer und ansprechender Weise transportiert.

Mit einem Blick in einen tragischen Abgrund beginnt Welsh ihre Reise zurück ins Leben nach einem Schlaganfall. Sofort nimmt sie den Leser mit zu vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, die ganz und gar nicht selbstverständlich sind.

Bei den einzelnen Gedichten handelt es sich nicht um klassische Lyrik mit steten Verszeilen, gleichbleibenden Strophen oder Reimen, dennoch spürt man sogleich die mitschwingende Melodie, die hoffnungsfrohe Botschaft, die zwischen den Gesagten hervorleuchtet. Wunderbare Metaphern mit Naturelementen finden sich eingeflochten in Gedanken an frühere Fehler und Missverständnisse. Verzeihen und Vergeben sind zentrale Themen bei einschneidenden Lebensmomenten, aber ebenso nehmen ganz banale Alltagstätigkeiten Raum ein, an die man sich erinnert. Zwischendurch darf der geneigte Leser mit auf Urlaubsreisen gehen, fremde Schicksale kennenlernen. Besonders gut gefallen mir die Zeilen zum Thema Sehnsucht im Gedicht „Zwischen Tür und Angel“, welches Renate Welsh aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und zu einem sehr gut nachvollziehbaren Schluss kommt. Und dann gibt es am Ende noch „Brennnesseln“ mit einem ganz speziellen Humor, der mich das Buch zufrieden zur Seite legen lässt.

Eine wunderbare Reise durch ihr Leben verpackt Renate Welsh in diesem schmalen Gedichtbändchen und spricht damit allerlei unterschiedliche Bereiche an, erzählt dem Leser von ihren Erlebnissen. Ein phantastischer Schreibstil begleitet all das von der ersten bis zur letzten Seite und darf allen Freunden inhaltsreicher Lyrik empfohlen werden.

Bewertung vom 25.09.2024
O'Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing


ausgezeichnet

Lass uns gehen

Im Jahre 1849 herrscht in Irland eine große Hungersnot. Die irischen Pachtbauern sind abhängig von englischen Gutsherren, erfahren aber von diesen keinerlei Unterstützung. Etliche Menschen verhungern, einige wollen auswandern, überleben jedoch die Schiffspassage nach Amerika nicht, wenige bauen sich im fremden Land ein neues Leben auf. Stellvertretend für sie steht die junge Honora, die ganz allein und völlig auf sich gestellt die Reise in die Ferne antritt, aber auch dort die erhoffte Freiheit nicht so schnell findet. „Lass uns gehen“, wird zu ihrem Leitspruch.

In Amerika beginnt diese sehr berührende Geschichte über eine starke Frau, deren Mut und Ausdauer überaus bewundernswert ist. Anschließend an diesen kurzen Einstieg mittendrinnen kehren wir zu den Anfängen in Irland zurück. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter und dem Aufwachsen bei einem gestrengen Vater ist Honora alsbald von ihrem Ehemann abhängig und steht nach der Hungerkatastrophe von Doolough mittellos da. Auf diesen sehr spannenden, aber auch bedrückenden Teil in Irland folgt ein zweiter Teil über Honoras Zeit in Amerika. Mittels elegantem Sprachstil und detaillierten historischen Fakten (siehe Nachbemerkungen und Interview mit Jacqueline O’Mahony) entführt uns die Autorin in eine düstere Zeit, wo man schon einen enormen Überlebenswillen gebraucht hat, um in einer Situation wie der Honoras noch Hoffnung und Zuversicht zu verspüren, zu grausam spielt ihr das Schicksal mit.

Auch wenn Honora eine fiktive Figur ist, verspürt der Leser sofort eine gewisse Nähe zu ihr, die Authentizität, mit welcher sie stets beschrieben wird, ist großartig, ihr Lebenskampf einzigartig. Die Autorin schafft an allen Orten eine sehr gut vorstellbare und realistische Atmosphäre, man kann nicht anders, als mit der jungen Frau mitzufühlen und Seite für Seite gespannt ihrem Weg zu folgen. Sie will frei sein, scheint aber stets vom bösen Omen des piseog (Rotkehlchen), das in der Nacht ihrer Geburt ins Haus geflogen ist, verfolgt zu werden. Lass uns gehen, überlegt sie immer wieder und wandert von einem Ort zum nächsten. Kann sie irgendwo ihr Glück finden?

Ein großartiger Roman über die schreckliche Hungersnot in Irland, verknüpft mit den Parallelen zu den indigenen Amerikanern. Honoras Reise nach Amerika und weiter bis in den Wilden Westen ist bewegend, berührend, zuweilen erschütternd. Wer an historisch belegten Fakten interessiert ist und eine willensstarke, zupackende Frau kennenlernen möchte, der liegt hier auf jeden Fall richtig. Ich empfehle „Sing, wilder Vogel, sing“ sehr gerne weiter!

Bewertung vom 22.09.2024
Lyne, Charlotte

Die Blüten der Träume


sehr gut

Viktoria

Eine heimliche Liebschaft zwischen der Bürgerlichen Viktoria Liebenfels und dem Adeligen Rudolph von Auersperg, ein alljährlicher Urlaub mit den Eltern in Triest und eine Rückkehr mit der Erkenntnis, dass Rudolph anderweitig verlobt und Viktoria ein „gefallenes Mädchen“ ist. Aufgrund der kühlen Distanz insbesondere der Mutter, zieht es Vicky zurück nach Triest, wo sie eine folgenschwere Entscheidung trifft.

Die blumige und bildhafte Schreibweise Charlotte Lynes führt uns zurück ins Jahre 1900, Wien, ein kleines Hotel in Triest und ein Weingut in Montechiaro d’Aqui im Piemont sind die wesentlichen Schauplätze der Handlung. Liebevoll charakterisierte Figuren und eine Atmosphäre „wie damals“ bescheren dem Leser unterhaltsame Stunden mit Vicky, die anfangs eher naiv wirkt, aber bald erkennt, dass sie sich auf eigene Beine stellen muss. Eine Frau vor mehr als hundert Jahren war entweder vom Vater, vom Ehemann oder einem Vormund abhängig, was Viktoria schließlich dazu veranlasst, ihr Schicksal als ungeliebte Tochter selbst in die Hand zu nehmen. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln darf man die Handlung verfolgen, Pech und verschiedenste Unglücksmomente brechen über Viktoria herein. Wie sie damit umgeht, ob sie sich unterkriegen lässt? Einige Fragen werden bereits in diesem Roman geklärt, andere wecken die Neugierde auf eine weitere Begegnung mit den liebgewonnenen Figuren.

Fazit: ein schöner Roman, der die Atmosphäre längst vergangener Zeiten einfängt und mutigen Frauen Raum für ihre Entwicklung gibt. Ich empfehle diesen Beginn der Triest-Saga gerne weiter und freue mich auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 20.09.2024
Vogelsang, Lilia

Soul Talk


sehr gut

Inspirationen

„Die Kunst des klugen Fragens“ ist der Untertitel zu Lilia Vogelsangs überaus hübsch gestaltetem Ratgeber zum Thema Fragen stellen, Menschen (näher) kennenlernen. Der Klappentext hat meine Neugierde geweckt, werde ich nach der Lektüre sympathischer und lockerer kommunizieren können?

Abgesehen von den wirren Kreisen im Inhaltsverzeichnis und rund um die Kapitelüberschriften ist das Buch sehr übersichtlich gestaltet und angenehm strukturiert. Der Schreibstil Lilia Vogelsangs ist angenehm, der Text verständlich und weder oberlehrerhaft noch besserwisserisch, lediglich manche Genderstruktur (Mediatorinnen, wo wohl beide Geschlechter gemeint sind) oder Mitarbeitende anstelle von Mitarbeitern hätte ich persönlich nicht gebraucht. Während mir die umformulierten Fragen für „Wie geht’s dir?“ und andere typische Plaudereien zu Beginn eher gekünstelt erscheinen, ergeben sich in späteren Kapiteln durchaus interessante und probierenswerte Vorschläge, welche ich im Hinterkopf behalten möchte. Insbesondere die Themen und Ideen zu Eltern, Geschwistern, Autofahren und Partnerschaft finde ich spannend und lebensnah. Die Anregungen können hier jedenfalls dazu beitragen, die betreffenden Personen noch besser und intensiver kennenzulernen.

Besonders gut gefällt mir die Fragensammlung am Ende, welche nach der kurzweilig aufbereiteten Lektüre nochmals alles schön zusammenfasst und sich insbesondere für schnelles Nachschlagen gut eignet.

Alles in allem ein informatives und sinnvolles Buch, das Aspekte anführt, welche man in Gesprächen womöglich bisher noch nicht berücksichtigt hat. Ich denke, es enthält für jeden neue Impulse und Inspirationen, die man gut im Alltag umsetzen kann und vergebe somit gerne vier Sterne.

Bewertung vom 19.09.2024
McCreight, Kimberly

Die perfekte Mutter


sehr gut

Babyleiche

Molly Sanderson braucht nach einer Totgeburt Abstand und einen Neubeginn. Da ihr Ehemann Justin eine Professorenstelle an der Universität in Ridgedale erhält, übersiedelt das Paar mit Töchterchen Ella kurzerhand dorthin und Molly arbeitet als freie Journalistin für die lokale Zeitung. Als sie überraschend im Fall einer Babyleiche am Fluss recherchieren soll, befürchtet Justin, dass alte Wunden wieder aufreißen, aber Molly nimmt die Herausforderung entschlossen an.

Mollys Blickwinkel in der Ich-Form und weitere Sichtweisen der wesentlichen Protagonisten werden klug ergänzt durch Zeitungsartikel und Kommentare im Internet. Das Auftauchen des toten Neugeborenen löst Aufregung aus im kleinen Städtchen, die Polizeiarbeit geht nur stockend voran. Nicht nur Journalistin Molly tappt im Dunklen, auch der Leser hat wenige Anhaltspunkte, wie die einzelnen Handlungsstränge zusammenhängen und was es mit den Informationen aus dem Jahre 1994 auf sich hat. Ein recht sachlicher Schreibstil führt durch die Handlung, die für einen Thriller allerdings mehr Spannung vertragen hätte. Die Figuren sind gut vorstellbar ausgearbeitet und dennoch liegt ein Nebelschleier über allem, der sich erst spät lichtet, aber dann sogar noch im Epilog für Überraschungen sorgt.

Ein Buch mit ungeahnten Verstrickungen und Zusammenhängen, welche sehr lange im Verborgenen bleiben und gleichzeitig den Leser mit den unterschiedlichsten Facetten des Mutterseins konfrontiert. Vier Sterne!

Bewertung vom 18.09.2024
Mahler, Nico

Bella Famiglia (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Aus den Dolomiten

Aus Val di Zoldo, mitten in den Dolomiten, stammt der Eissalonbesitzer Lorenzo, der hier in München für jeweils sechs Monate köstliche Kreationen von Gefrorenem serviert, bevor er über den Winter wieder zurückkehrt in die Heimat seiner Eltern und Großeltern. Sofia, eine junge Kindergärtnerin, sitzt jeden Freitag unter der knorrigen Kastanie und bestellt Erdbeereis. Beide sind sehr ruhig und zurückhaltend, dennoch spüren sie eine ganz besondere Verbindung zueinander. Da Sofia einmal Venedig sehen möchte und das Meer, nimmt Lorenzo sie im Herbst mit nach Italien und erzählt ihr die Geschichte seiner Familie.

Die Rahmenhandlung im Jahre 1966 umfängt frühere Geschehnisse von 1900 weg über zwei Weltkriege bis 1963. Abwechslungsreich schildert Nico Mahler die Ereignisse in unterschiedlichen Zeitebenen und zeigt, wie malerisch es in den Dolomiten aussieht, aber auch, wie karg und hart das Leben dort früher war. Durch moderne Maschinen und stete neue Erfindungen besteht immer weniger Nachfrage nach Holzkohle oder handgeschmiedeten Erzeugnissen, das (Über)Leben wird immer schwieriger. So kommt es, dass Speiseeis die Welt erobert und seinen Weg nach Österreich, Deutschland, Frankreich, ja bis in die Niederlande oder nach England findet. Herausfordernde Schicksalsschläge bestimmen das Leben der Familie Battaglia, dennoch lassen sie sich, Stehaufmännchen gleich, nicht unterkriegen. Überaus lebendige und sehr gut vorstellbare Schauplätze vom Zoldotal über Transsilvanien (Rumänien) und Wien bis nach München beherrschen die Handlung, die Figuren sind realistisch und glaubwürdig angelegt. Viel Historisches fließt wie nebenbei mit ein in die Geschichte, sodass man etliche interessante Dinge liest, ohne das Gefühl zu haben, belehrt zu werden. Der Spagat zwischen wissenswerten Tatsachen und fiktiver Handlung ist jedenfalls sehr gut gelungen. Dass am Ende der Zufall vielleicht ein bisschen zu präsent ist, tut dem Ganzen keinen Abbruch.

Unterhaltsame Stunden, Spannendes über das Zoldotal und die Eisherstellung, dazu noch sehr persönliche Schicksale, die einem beim Lesen nahegehen – so verdient ein Roman seine fünf Sterne!

Bewertung vom 17.09.2024
Klementovic, Roman

Tränengrab (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Augenkiller

Evelyns Ehemann Hans ist verstorben, Tochter Manuela sieht es als ihre Pflicht, die Mutter für einige Zeit bei sich aufzunehmen, um deren Trauer ein wenig zu zerstreuen. Seit Hans‘ Krebserkrankung ist Evelyn nicht mehr in dem malerischen Städtchen gewesen, vieles hat sich hier verändert, bis hin zur mittlerweile 17jährigen Enkelin Anja. Und das Schlimmste: ein Mörder geht in der Gegend um und verstümmelt seine Opfer, insbesondere auf die Augen hat er es abgesehen.

Vom Prolog weg erzeugt Roman Klementovic eine derart fesselnde Spannung, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte. Gekonnt schildert er auf ruhige, aber eben doch packende Weise die Geschehnisse, welche großteils chronologisch ablaufen, da und dort aber auch mit klugen Vorgriffen und Rückblenden die Neugierde des Lesers anfachen. Zur Verfügung stehen Evelyns Blickwinkel und Anjas Tagebucheinträge, ob die daraus gezogenen Schlüsse wahr sind, ist allerdings immer wieder fraglich. Augenscheinliches und falsche Fährten verschwimmen derart miteinander, dass man bald nicht mehr weiß, was man für bare Münze nehmen darf. Insbesondere die Empfindungen und Gedanken Evelyns sind ausgesprochen gut spürbar, die anderen Figuren bleiben eher im Schatten, was sehr gut zur Handlung passt. Die Atmosphäre spiegelt sich durch das Waldstück hinter dem Haus und die lähmende Hitze bildlich wider. Und – was nicht zuletzt zum gelungenen Lesevergnügen beiträgt – das Ende, das ist ganz genau nach meinem Geschmack!

Kurzum: ein mitnehmender Schreibstil, der die unheilvolle Stimmung perfekt transportiert, eine kürzlich verwitwete Frau, der möglicherweise die Phantasie durchgeht, ein Mörder, der immer wieder brutal zuschlägt – ein hervorragender Thriller in gewohnter Klementovic-Manier. Lesenswert!

Bewertung vom 17.09.2024
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses


ausgezeichnet

McGrath

Eine 20jährige Krankenschwester aus Coronado, Kalifornien, fasst den Entschluss, sich als Feldschwester für den Vietnamkrieg zu bewerben, nachdem schon ihr älterer Bruder Finley als Pilot in den Kampf gezogen ist. Erschütternd, was sie in den dortigen Evac-Hospitals erleben muss, aber ebenso erschütternd, was sie bei ihrer Rückkehr erwartet.

Frances McGrath, genannt Frankie, wird von Kristin Hannah dermaßen gut beschrieben, sodass man als Leser sofort an ihrer Seite ist und das Grauen im Kriegslazarett sowie ihre Rückkehr ins „zivilisierte“ Leben mit Gänsehaut mitverfolgen darf. Von 1966 an bis zum Jahre 1982 begleiten wir diese überaus mutige und unerschrockene Frau, welche sich stets verantwortlich fühlt für andere. In zwei große Abschnitte gegliedert, erzählt Teil Eins direkt aus dem vietnamesischen Kriegsgebiet, während sich Teil Zwei dem Leben „danach“ in Nordamerika widmet. Es ist nicht einfach, dieses herausragende Zeitzeugnis mit eigenen Worten zu bewerten, so realistisch, erschütternd und überaus gelungen sind die Darstellungen der Angriffe der Bomber, die auch Krankenhäuser nicht verschonen, der Verwundeten, welche schrecklich entstellt ins Evac-Hospital eingeliefert werden, der beschwingten Tanzabende im O-Club mit toller Musik, ohne die man vermutlich völlig verrückt geworden wäre in dieser ausweglos scheinenden Hölle. [Danke für die Nennung der Musiktitel, nicht nur an dieser Stelle!] Es ist bewegend, zu lesen, wie Frankie lernt, mit Situationen zurechtzukommen, auf die sie in keiner Weise vorbereitet worden ist, wie sie wächst an den Herausforderungen, welche über sie hereinbrechen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kann sie zwei Jahre später, zurück auf Coronado Island, kaum an ihr altes Leben anknüpfen, kämpft mit Vorurteilen, wird bespuckt und als „Babykiller“ beschimpft. Frauen können auch Helden sein? Frankie spürt nichts davon und Kristin Hannah erzählt schonungslos und realistisch, wie man mit einem Kriegstrauma weiterlebt.

Voller Emotionen, voller Leid und Schmerz, aber auch voller Freundschaft und Liebe steckt dieses herausragende Buch, das man kaum ohne Tränen in den Augen beenden kann. Ich habe einige Pausen gebraucht und bin immer noch mitgenommen von dieser Achterbahn der Gefühle. Unerwartete Wendungen haben diese nur noch weiter angefacht, die Spannung hält vom Anfang bis zum Ende, welches zum Glück noch Raum für eigene Spekulationen offen lässt. Ich bin überwältigt und kann diesen traurigen, aber dennoch hoffnungsvollen Roman nur weiterempfehlen.

Bewertung vom 16.09.2024
Conti, Giulia

Die Frau in Rot / Camilla di Salvo ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In Turin

Der Po in Turin bringt mit seinem hohen Wasserstand eine Leiche mit, eine Frau im roten Kleid, die Frau eines stadtbekannten FIAT-Funktionärs. Als Alba, die Tochter der Toten, die Psychoanalytikerin Camilla di Salvo aufsucht, beginnt diese, Nachforschungen anzustellen, welche die Kriminalpolizei schon wieder beendet und den Fall als Selbstmord abgeschlossen hat.

In einer sehr angenehmen, fast sachlichen Schreibweise beleuchtet Giulia Conti diesen ungewöhnlichen Kriminalfall und versetzt den Leser zur Abwechslung in die interessante Stadt Turin, deren Einwohner als in sich gekehrt und wortkarg gelten. Mit Camilla schafft die Autorin eine unkonventionelle Figur, die einem ungeklärten Mord nachgeht und auf Okkultes ebenso stößt wie auf Spuren zu den bekannten Autoherstellern FIAT und BMW. Nicht zuletzt verschlägt es die zielstrebige junge Frau ins Aostatal, wo sie talentiert auf ihre Ski steigt. Sehr gut vorstellbare Charaktere, verzwickte Zusammenhänge und ein sympathischer Hund aus dem Tierheim lassen die Handlung kurzweilig dahingleiten, Schmankerl aus Italien und Bayern sorgen zwischendurch für den leiblichen Genuss. Die Spannung während des Lesens ergibt sich mitunter daraus, dass Camilla selbst an ihre Kindheit erinnert wird, sonst hätte sie wohl Alba an ihre Kollegin verwiesen und keine abenteuerlichen Fragen gestellt.

Ein erfrischender Kriminalfall, der wohltuend aus der Masse hervorsticht und Neugierde weckt auf weitere Episoden mit Psychoanalytikerin di Salvo.