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sleepwalker

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Insgesamt 527 Bewertungen
Bewertung vom 05.05.2022
Peters, Katharina

Bornholmer Flucht / Sarah Pirohl ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Nach „Bornholmer Schatten“ und „Bornholmer Falle“ ist nun „Bornholmer Flucht“ der dritte Band aus Katharina Peters‘ Reihe um die ehemalige Polizistin Sarah Pirohl und die Verbindungen ihres Vaters ins rechtsradikale Milieu. Das Buch knüpft nahtlos an den Vorgänger an, daher empfiehlt es sich, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen, um das Maximum an Freude mit ihnen zu haben. Sarah Pirohl versucht jetzt schon im dritten Band, endlich auf der dänischen Insel Bornholm etwas Ruhe zu finden, nachdem sie sich nach einem missglückten Einsatz aus dem Polizeiberuf zurückgezogen hat. Doch natürlich gelingt ihr das auch dieses Mal nicht.
Aber von vorn.
Frederik Thomsen ist als investigativer Journalist eine Art Whistleblower. Sein Thema sind rechtsextreme Netzwerke, unter anderem das, zu dem der Vater seiner Freundin Sarah Pirohl gehört. Er recherchiert zu gewaltbereiten und finanzstarken Splittergruppen, einschließlich der Verstrickungen mit Behörden, Firmen und Politikern. Wie man im zweiten Band der Reihe lesen konnte, lässt sich Sarahs Vater das natürlich nicht gefallen. Und jetzt ist Frederik verschwunden und kurz darauf wird eine Leiche im Kofferraum eines verbrannten Autos gefunden. Und plötzlich ist Frederik kein Entführungsopfer, sondern ein Mordverdächtiger. Und Sarah findet sich in einer sehr schwierigen Lage wieder: einerseits liebt sie Frederik und vertraut ihm voll und ganz, auf der anderen Seite kämpft sie gegen das rechte Netzwerk ihres Vaters und natürlich kämpft sie als ehemalige Polizistin für die Wahrheit. Dadurch wird der Fall für Sarah zu einem sehr persönlichen und sie muss aufpassen, sich bei ihrem Einsatz bei der Suche nach ihrem Freund nicht zu verrennen und sich nicht von ihrem Misstrauen beeinflussen zu lassen („Sarah schloss die Augen. Dieses ständige Misstrauen, die Angst, in einen Hinterhalt zu geraten, machten sie langsam, aber sicher verrückt!“).
Wie schon die beiden Vorgänger in der Reihe, fand ich dieses Buch sehr spannend und gut zu lesen. Fast von der ersten Seite an hat mich die Geschichte gepackt und nicht mehr losgelassen. Der Spannungsbogen ist bis auf ein paar Stellen konstant hoch, alles in allem konzentriert sich das Buch auf den Fall und Dinge, die dazugehören und es gibt sehr wenige Nebenhandlungen. Die Protagonisten kannte ich schon aus den anderen Büchern, Wichtiges zu ihnen wird erzählt, sodass man eigentlich keine Verständnisprobleme hat. „Eigentlich“ sage ich deshalb, weil sich die Grundgeschichte, das rechtsradikale Netzwerk von Sarahs Vater, seit Teil eins durch die Krimis zieht und für das Verständnis dieser Zusammenhänge empfehle ich die Lektüre aller Teile in der richtigen Reihenfolge.
Der Schreibstil der Autorin ist sehr prägnant und sachlich, sie hält sich nicht mit Schnörkeln auf. Aber manchmal hält sie sich auch nicht mit sorgfältigem Korrekturlesen auf und leider stimmt ihr Dänisch nicht immer so ganz (fiel mir auf, weil ich kürzlich ein Buch auf Dänisch korrekturgelesen habe). Bei „Geld og lykke“ ist sie vermutlich ein Fehler der Autokorrektur geworden, „viel Glück“ heißt nämlich „Held og lykke“. „Godmorgen“ schreibt man in der Anrede zusammen, nur bei der Beschreibung „ein guter Morgen“ hieße es „(en) god morgen“. Und „Lone reichte ihr das Tablett“ – da ist es wohl eher das Tablet. Und wenn etwas vermutlich schief geht, fällt es einem auf die Füße und nicht „vor die Füße“.
Aber genug gemeckert, die Autorin kann ja nichts dafür, dass ich so mäkelig bin. Insgesamt hat mich das Buch sehr gut unterhalten, ich habe es in einer Nacht durchgelesen und, da es, wie üblich, mit einem Cliffhanger endet, freue ich mich jetzt schon auf den nächsten Teil. Von mir daher natürlich fünf Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.04.2022
Suchanek, Andreas

Flüsterwald - Der Schattenmeister erwacht: Das spannende Staffelfinale! (Flüsterwald, Staffel I, Bd. 4)


ausgezeichnet

Unterhaltsames Staffelfinale
Mit „Der Schattenmeister erwacht“ hat Andreas Suchanek die erste Staffel seiner „Flüsterwald“-Serie zu Ende gebracht. Obwohl ich mit meinen 45 Jahren nicht direkt zur Zielgruppe gehöre, hat mich das Buch tatsächlich noch mehr begeistert als die drei vorherigen Teile. Die überbordende Fantasie, mit der der Autor seine Leserschaft mit auf die Reise in den Flüsterwald nimmt, hat mich wieder einmal von der ersten Seite an gepackt und ich konnte das Buch bis zur letzten Seite nicht mehr aus der Hand legen. Ein würdiger Schluss für die Staffel, der Lust auf die zweite macht.
Aber von vorn.
Lukas ist wieder einmal zusammen mit seinen Freunden im Flüsterwald unterwegs. Zusammen mit seiner Klassenkameradin Ella, der Elfe Felicitas, der Katze Punchy und dem Menok Rani muss er den Schattenmeister, einen dunklen Magier, aufhalten. Den hatten sie kurz zuvor (in Band 3) aus Versehen befreit und nun will er das Herz des Waldes und den kompletten Flüsterwald zerstören. Das Abenteuer führt Lukas und Co. mal zu Fuß, mal mit der Blinzelbahn, quer durch die magische Wald-Welt, durch die Jahreszeitenschlucht zum Chronisten und weiter. Sie treffen auf Ranis Familie, befreien ein Menok-Mädchen aus ihrer Gefangenschaft und versuchen verzweifelt, ihre Welt zu retten. Eine wilde Reise gegen Zeit und Magie, die nicht nur den Protagonisten Atem und Sinne raubt, sondern auch der Leserschaft. Werden die Freunde es schaffen, den Wald zu retten?
Das Buch ist voller Gegensätze. Gut und Böse, Hass und Freundschaft, Schatten und Licht. Selbst in den einzelnen Menschen (Schattenmeister und Schattenmeisterin) lebt sowohl eine helle als auch eine dunkle Seite, beim Schattenmeister ist die dunkle übermächtig und er bedroht den Flüsterwald. Wer der Schattenmeister ist, werde ich allerdings hier nicht verraten, nur so viel: es hat mich überrascht.
„»Wie kannst du nur so viel hassen?« Ihre Stimme war ein Flüstern, sie musste begriffen haben, dass der Kampf sich dem Ende zuneigte.
»Ich hatte viele Jahre Zeit dafür.«“ Was für eine Aussage! Und trotzdem ist das Buch sehr positiv und die Freundschaft überwiegt. Bei allem, was momentan in der Welt passiert, tat es gut, ein Buch voller friedlichem Nebeneinander, fruchtbarer Zusammenarbeit zu lesen. Und wie die positive Energie den Hass durch cleveres Agieren und nicht durch Kampf besiegt.
Was mich aber an den Büchern noch viel mehr begeistert als die philosophischen und pädagogischen Ansätze, ist der Humor, mit dem viele Passagen erzählt werden. Vor allem der Menok Rani (ich gestehe, er ist mein persönlicher Liebling) und seine Art lockern die ganze Geschichte enorm auf und geben manchen sehr düsteren Stellen etwas Leichtigkeit, was sicher für sehr sensible Kinder eine Erleichterung sein kann. Der Spannungsbogen ist konstant hoch und die Geschichte ist sehr komplex, nicht nur innerhalb der Einzelbände, sondern in der ganzen Serie. Das Buch ist für Kinder ab acht Jahren empfohlen, sicher auch zum Vorlesen geeignet. Zwar kann man das Buch sicher auch ohne Vorkenntnisse aus den anderen drei Teilen lesen, aber warum sollte man? Die anderen Bücher sind auch großartig, witzig und voller Fantasie, daher lege ich allen, die solche Bücher mögen, die ganze Reihe ans Herz!
Die Geschichten sind stimmig, jedes Buch ist in sich abgeschlossen, hat aber einen Cliffhanger – so auch dieses. Jetzt heißt es also wieder: „Warten auf den nächsten Teil“. Der Epilog lässt ahnen, wie es weitergehen wird und ich freue mich jetzt schon drauf. Von mir natürlich fünf Sterne.

Bewertung vom 21.04.2022
Stelter, Bernd

Wer älter wird, braucht Spaß am Leben


ausgezeichnet

Bernd Stelter wurde 2021 60 Jahre alt und nutzte den runden Geburtstag zum Nachdenken. Über das Leben und das Alter. Herausgekommen ist sein Buch „Wer älter wird, braucht Spaß am Leben“. „Ich habe mich auf den Weg gemacht, um herauszufinden, wie das letzte Drittel meines Lebens ein schönes Drittel wird.“, damit nimmt der bekannte Komiker, Kabarettist, Sänger und Schriftsteller sein Publikum mit zu Stationen seines Lebens, ohne aber damit eine Autobiografie zu schreiben. Er streift seine Eltern, das Elternhaus in Unna („Die Erinnerungen an meine Kindheit sind wunderbar.“), die Reise mit seinem Vater in dessen Heimat, sein abgebrochenes Studium und seine Erfolge. Aber er flicht auch Faktenwissen ein, das er durch Gespräche mit Experten zu verschiedenen mit dem Älterwerden verbundenen Themen gewonnen hat. Obwohl das Buch hauptsächlich unterhaltsam war, regte es doch immer wieder zum Nachdenken an.
Aber von vorn.
Meine Oma sagte immer: Alt werden wollen sie alle, alt sein keiner. Und das lese ich so auch aus Bernd Stelters Buch heraus. Denn der 60. Geburtstag markiert den Beginn des dritten Lebensdrittels. „Das erste Drittel gehörte den Eltern, der Tanzschule, der Universität und der S*xschule. Das zweite Drittel gehörte der Familie, dem Reihenhaus, der Karriere und der Midlife-Crisis. Das dritte Drittel gehört mir!“ Und wenn das bedeutet, Junior-Sommelier zu werden oder Holländisch zu lernen, dann ist das so! Und natürlich muss man auch den Körper ein wenig fordern, Mens sana in corpore sano und so.
Als Gesprächspartner konnte er für sein Buch interessante Menschen gewinnen. Mit dem Sportwissenschaftler Prof. Ingo Froböse diskutiert er über Bewegung und Älterwerden. Mit dem Neurowissenschaftler und Gedächtnissportler Boris Nikolai Konrad redet er über einen regen Geist. Der Theologe und Psychiater Dr. Manfred Lütz schrieb in einem seiner Bücher unter anderem den Satz: „Aber mal ganz ehrlich: Es gibt Leute, die leben von morgens bis abends vorbeugend und sterben gesund. Aber auch die sind dann definitiv tot.“ – mit ihm sprach Stelter über die Lust am Leben. Stelter nahm aus den Gesprächen einige Anregung fürs weitere Leben mit – und ich auch. Ebenso aus seinem Gespräch mit Meik Wiking, dem CEO des Happiness Research Institute in Kopenhagen. Mit ihm plauderte er über „lykke“ (dänisch für Glück) und „hygge“ (für dieses Wort aus dem Dänischen und Norwegischen gibt es keine richtige Übersetzung).
Das Buch ist locker geschrieben, ernste Untertöne findet man eher nur, wenn man sie sucht, aber sie sind da. Bernd Stelter nimmt sich selbst nicht übermäßig ernst, er trägt alles mit Fassung und mit Humor. Er hat vor einigen Jahren sehr viel abgenommen – und wieder zugenommen. Ist gejoggt, hat aufgehört, jetzt geht er zu Fuß zum Bäcker. Und ist zufrieden. Und nicht zuletzt ist es für Bernd Stelter wichtig, ein Mensch zu sein, der die Menschen mag, ein Philanthrop und ein Mensch, der sich an Regeln hält. Erlebnisse sind wichtiger als Besitztümer und Freundlichkeit schreibt er in seinem Leben ganz groß. Er blickt auf ein Leben zurück, über das er sagt: „Ich habe in meinem Leben viel gearbeitet. Ich werde ganz sicher noch ein paar Jahre arbeiten.“ Und „Da habe ich gegenüber den meisten Altersgenossen einen gewaltigen Vorteil. Ich habe keinen Beruf. Ich gehe auf der Bühne meinem Hobby nach.“ Alles in allem liest sich sein Buch so, als sei er mit sich selbst im Reinen. Die beiden Kinder sind „aus dem Gröbsten raus“, er und seine Frau Anke sind seit über 30 Jahren verheiratet, er muss niemandem mehr etwas beweisen. Und schließlich kann man das Älterwerden nicht aufhalten, nur im Rahmen des Möglichen dafür sorgen, dass der Rest des Lebens fröhlicher wird. Auf dass ich in 15 Jahren ebenso optimistisch auf den 60. Geburtstag zusteuern werde!
Von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 19.04.2022
Krömer, Kurt

Du darfst nicht alles glauben, was du denkst


ausgezeichnet

Ich gestehe, dass ich Kurt Krömer bis zu seiner „Chez Krömer“-Sendung mit Torsten Sträter nicht kannte. Geschweige denn, dass ich wusste, dass sich hinter der Kunstfigur ein Komiker und Schauspieler namens Alexander Bojcan verbirgt. Kurt Krömer mag nicht ganz mein Fall sein und ich kann nicht behaupten, ein Fan zu sein. Aber sein Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst. Meine Depression“ war wirklich unterhaltsam und manchmal auch hilfreich. Da er sich in der Sendung mit Torsten Sträter ja praktisch schon „nackig gemacht hat“, war das Buch nichts wirklich Neues, aber es enthält mehr Details zu dem, was er im Fernsehen schon erzählt hat. Ein schonungsloser Bericht über dunkle Zeiten und die Schwierigkeiten, sich das alles einzugestehen.
Aber von vorn.
Alexander Bojcan ist 47 Jahre alt, alleinerziehender Vater von vier Kindern, trockener Alkoholiker und litt über 30 Jahre lang unter Depressionen, die meiste Zeit davon, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ich schreibe hier bewusst seinen bürgerlichen Namen, denn es ist ja er, der die Depression erlebt und nicht die Kunstfigur. Auf 192 Seiten schreibt er launig, flapsig und manchmal auch mit sehr ernstem und nachdenklichem Unterton über seine Erfahrungen mit Kliniken, Therapeuten und den Depressionen an sich. Über seine Familie deckt er das Mäntelchen der Anonymität, ein Zug, den ich sehr schätze.
Das Buch ist beileibe kein Ratgeber. Als Betroffener kann man mehr oder weniger nur zwei Dinge daraus mitnehmen: du bist nicht allein damit und such dir Hilfe! Depressionen sind etwas sehr Individuelles, das sieht man an Alexander Bojcan sehr deutlich. „Diese Krankheit verbindet einen so dermaßen, denn vieles läuft bei allen Depressiven gleich ab.“ Vieles, aber nicht alles. Und das stellt Alexander Bojcan auch deutlich klar. „Draußen habe ich eigentlich immer funktioniert“ – und das jahrelang. Und in „geschützter Umgebung“, sprich: zu Hause kam dann der Zusammenbruch. „Die Depression verändert eben auch dein Wesen. Du wirst fremdbestimmt, irgendetwas macht dich zu einem komplett anderen Menschen“ – auch das kennt wohl jeder Betroffene. Dieses „auf Autopilot Laufen“.
Das Buch ist authentisch, sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Der flapsige Ton mit den ernsten Zwischentönen, der Witz mit den sensiblen Untertönen – mich hat das Buch wirklich überrascht und ich habe es sehr gerne gelesen. Vor allem natürlich, weil ich mich selbst in vielem wiedererkannt habe, aber auch, weil es den Menschen hinter der Kunstfigur zeigt. Und der ist mir wesentlich sympathischer. Sehr bewegt hat mich seine deutlich spürbare Liebe für seine Kinder und auch für seine Freunde. Vor allem seine tiefe Trauer um seinen besten Freund Michael Gwisdek zeigte seine enorme Empfindsamkeit und mir einen ganz anderen Menschen als den, den er im Fernsehen darstellt. Danke fürs „Nackigmachen“, Herr Bojcan. Von mir gibt’s fünf Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.04.2022
Peters, Katharina

Todeswelle / Emma Klar Bd.6


ausgezeichnet

Freunde von spannenden Krimis mit vielen Verdächtigen und falschen Spuren sind mit „Todeswelle“ von Katharina Peters hervorragend bedient. Wie von der Autorin gewohnt, präsentiert sie einen Ostsee-Krimi mit vielen interessanten Charakteren und ebenso interessanten Wendungen. Ihr Publikum tappt, wie auch ihre Haupt-Ermittlerin Emma Klar, auf dem Wege zur Lösung des Falls lange im Dunkeln. Die Privatdetektivin unterstützt auch in ihrem sechsten Fall das BKA mit ihrer unkonventionellen Art und Kenner der Serie treffen auf einige alte Bekannte.
Aber von vorn.
Privatermittlerin Emma Klar wird von der Firma „Beratung und Konzept“ für eine Observierung gebucht. Sie folgt einige Tage lang dem Mitarbeiter Bastian Gundlach, der sich aber überwiegend unauffällig verhält. Fall beendet, Honorar überwiesen, Arbeit für Emma abgeschlossen. Falsch gedacht, denn kurz darauf werden am Strand von Hoben zwei Leichen gefunden. Die männliche Leiche ist Gundlach, die junge Frau wird später als die Studentin Louise Herzog identifiziert und schnell ist auch ein Unfall als Todesursache ausgeschlossen. Plötzlich wird aus der vermuteten Wirtschaftsspionage ein Mordfall und Emma Klar findet sich zusammen mit ihrer Chefin Johanna Krass, ihrem Freund Christoph Klausen und ihrem Journalistenkumpel Jörg Padorn in BKA-Ermittlungen wieder. Und tatsächlich ist in dem Fall nichts so, wie es scheint. Überraschend auftauchende Verbindungen zu mehreren einige Zeit zurückliegenden Todesfällen schaffen noch mehr Ungereimtheiten. Was hat der Tod des Unternehmers Ben Grashoff, der nach der Wende mit Immobiliengeschäften reich geworden ist, mit allem zu tun? Irgendwie hängt alles mit allem und jedem zusammen. Aber wie genau? Und wo laufen die Fäden zusammen?
Emma Klar kenne ich schon aus mehreren anderen Teilen der Serie und sie ist mit Sicherheit eine der unkonventionellsten Ermittlerinnen, die mir bislang untergekommen ist. Sie ist ein schwieriger, teilweise auch anstrengender Charakter, den die Autorin seit dem ersten Band konstant weiterentwickelt hat. Auch das Privatleben zwischen Emma und Christoph baut sie immer weiter aus. Allerdings stehen bei den Büchern immer der Fall und die Ermittlungen im Mittelpunkt, Privatleben der Protagonisten ist immer nur Beiwerk. Leider kommt das Lokalkolorit der Ostseeregion ein bisschen kurz, da hätte ich mir ein bisschen mehr gewünscht.
Sprachlich mag ich die Bücher von Katharina Peters gern, sie sind immer leicht und flüssig zu lesen, außerdem verzichtet die Autorin erfreulicherweise fast gänzlich auf Fäkalsprache, Kraftausdrücke und Anglizismen. Der Spannungsbogen ist konstant, durch die eher unblutige Handlung nicht enorm hoch, aber dennoch konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen und habe es in einer Nacht durchgelesen. Gelöst habe ich den Fall allerdings nicht, die vielen möglichen Verdächtigen haben mich gekonnt in die Irre geführt. Der Schluss ist daher eher überraschend, aber natürlich schlüssig und beim Lesen hatte ich mir dann mit einem „ja, klar“ die flache Hand vor die Stirn gepatscht.
Bahnbrechend Neues hat Katharina Peters mit ihrem Buch nicht geschaffen, dafür hält sie sich zu sehr an bewährte Strickmuster. Aber einen bodenständigen und unterhaltsamen Krimi, der durch seine Wendungen sehr viel Spannung aufbauen kann. Daher vergebe ich fünf Sterne und empfehle das Buch (und die ganze Serie) allen Fans der Autorin, Freunden von Emma Klar und Co. und natürlich allen, die gerne solide Krimis lesen. Denen lege ich aber auch Katharina Peters Serien um Romy Beccare und um Sarah Pirohl ans Herz.

Bewertung vom 12.04.2022
Thode, Michael

SCHULD! SEID! IHR! / Liebisch & Degenhardt Bd.2


sehr gut

Zu Anfang tat ich mich mit Michael Thodes Buch „Schuld! Seid! Ihr!“ zugegebenermaßen schwer. Der theaterstückartige Aufbau machte mir das Hineinkommen in den Thriller etwas holprig. Aber als ich mich daran gewöhnt habe, dass das Buch in sechs Akte gegliedert ist, von dem jeder einem Opfer gewidmet ist und außerdem jedes Kapitel mit einer Art „Regieanweisung“ überschrieben ist, ließ es mich nicht mehr los. Denn eigentlich sind die Beschreibungen sehr nützlich: man weiß immer, wo sich die Charaktere befinden, in welchem der Zeitstränge das Kapitel spielt und aus welcher Perspektive es erzählt wird. Da das Buch für mich am Anfang ziemlich undurchschaubar war, waren solche Fakten durchaus hilfreich.
Aber von vorn.
Ein obdachloser Mann wird tot aufgefunden. Todesursache: eine Überdosis Strychnin. Bei der Leiche wird die Tarotkarte „Der Gehängte“ gefunden. Kurz darauf das zweite Opfer: ein pensionierter Polizist stirbt an einem Herzinfarkt, der sich später ebenfalls als Strychninvergiftung herausstellt. Bei ihm wird die gleiche Tarotkarte gefunden. Damit ist sehr schnell klar, dass die beiden Morde zusammenhängen. Für Kommissar Rolf Degenhardt und seine Kollegin Jana Liebisch beginnt damit nicht nur die Ermittlungsarbeit, sondern auch ein rasanter Wettlauf gegen die Zeit. Denn, als die Polizei eine Ahnung bekommen hat, worum es dem Täter geht, ist den Ermittlern klar, dass er auf seinem Rachefeldzug wieder zuschlagen wird.
Das Buch ist der zweite Teil der Reihe um die beiden Ermittler Rolf Degenhardt und Jana Liebisch, es ist aber problemlos auch ohne Vorkenntnisse zu lesen. Das Konzept des Thrillers war für mich ungewöhnlich und gewagt, aber der Plan des Autors geht (zumindest bei mir) auf: durch den theaterstückartigen Aufbau, die beiden Zeitstränge und verschiedenen Perspektiven schafft er eine fesselnde Geschichte, die man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Selbst die fast tabellarischen Aufzählungen und Berichte, die der Autor einflicht, sind stimmig und passend. Die Zeitstränge spielen im „heute“ und in der bis zu 22 Jahre zurückliegenden Vergangenheit, die Kapitel sind überschrieben mit „Der Gehängte“ (also der Mörder) und „Die Anderen“ (das können sowohl die Ermittler als auch die Opfer sein). Äußerst pikant ist auch die Tatsache, die sich nach und nach herausstellt: der Mörder stellt seine Opfer vor die Wahl, entweder selbst durch Gift zu sterben oder einen ihnen wichtigen Menschen zu „opfern“.
Die Charaktere fand ich hervorragend beschrieben und sehr gut ausgearbeitet, selbst in den Mörder konnte ich mich gut einfühlen. Die „Vorworte“ zu den sechs Akten beinhalten Wissenswertes über Tarot und Tarotkarten, was ich sehr interessant fand. Die Balance, die der Autor zwischen den Taten aus Sicht von Täter und Opfer, der eigentlichen Ermittlungsarbeit und dem Privatleben der Ermittler findet, finde ich ausgewogen, wobei Jana Liebisch wesentlich blasser bleibt als ihr Kollege. Über Rolf Degenhardt erfährt man wesentlich mehr, seine gescheiterte Ehe und der Einzug seiner Tochter Alexandra bei ihm nehmen einigen Platz in den über 100 zum Teil sehr kurzen Kapiteln des Buchs ein. Personalpolitische Dinge aus der Polizeidienststelle werden meiner Meinung nach zu ausführlich behandelt.
Sprachlich fand ich das Buch sehr flott zu lesen, zum Schmunzeln brachte mich eine kleine Passage auf Plattdeutsch. Die kurzen Kapitel verleihen dem Thriller zusätzliche Geschwindigkeit und Spannung. Insgesamt ist der Spannungsbogen ziemlich hoch, aber durch Nebenhandlungen wie Degenhardts Privatleben oder das Geplänkel in der Dienststelle wird er immer wieder unterbrochen.
Der Schluss ist zwar schlüssig und stimmig, kam für mich aber ein bisschen überstürzt, fast, als hätte der Autor irgendwie die Lust an der Geschichte verloren und wollte schnell zum Ende kommen. Dennoch war das Buch für mich wirklich unterhaltsam und packend, für den etwas zu abrupten Schluss ziehe ich einen Stern ab und vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 06.04.2022
Laue, Mara

Talisker Blues


sehr gut

„Einmal Skyeman, immer Skyeman“ – deswegen kehr Kieran MacKinnon nach 20 Jahren Haft zurück in die Heimat. Und damit beginnt nicht nur Mara Laues Buch „Talisker Blues“, sondern auch seine eigene Reise. In die Vergangenheit, in die Zukunft und irgendwie auch zu sich selbst. Denn schließlich kann er sich an den Mord, den er damals begangen haben soll, gar nicht erinnern. Ja, das Rad hat die Autorin mit ihrem Buch nicht neu erfunden, dafür folgt sie zu sehr altbekannten Mustern. Aber sie hat mich mit dem Krimi bestens unterhalten und das ist genau das, was ich erwartet habe.
Aber von vorn.
1991 wurde auf der schottischen Insel Skye die 17jährige Allison tot aufgefunden. Der Täter ist schnell gefunden, denn halb auf der Leiche liegt ihr sturzbetrunkener 18jähriger Freund Kieran, das blutige Messer noch in der Hand. Niemand bezweifelt seine Schuld und er wird zu 20 Jahren Haft verurteilt, obwohl er sich an die Tat selbst nicht erinnern kann und sie immer wieder bestreitet. Seine Familie verstößt ihn, „Clan MacKinnon hat keinen Sohn Kieran mehr.“ Jetzt wurde er nach vollständiger Verbüßung entlassen und, obwohl ihm klar ist, dass ihn niemand mit offenen Armen empfangen wird, reist zurück in die Heimat. Außer seinem Bruder Paddy scheint sich niemand über seine Anwesenheit zu freuen, bis Kieran bei einer Wandung Catriona MacDonald trifft und ihr das Leben rettet. Die beiden kommen einander näher und dann passiert das Unfassbare: die Leiche einer Touristin wird gefunden. Daneben eine Flasche Talisker mit Kierans Fingerabdrücken. Und der sieht sich einem Déjà-Vu gegenüber, denn natürlich glaubt wieder keiner seinen Unschuldsbekundungen.
„Talisker Blues“ war mein erstes Buch von Mara Laue und ich muss sagen, dass es mich praktisch von der ersten Seite an gefesselt hat. Zwar ist die Spannung eher latent und unterschwellig und kommt auch ein bisschen langsam in Schwung, aber sie ist dennoch ständig vorhanden. Der Hass, der Kieran bei seiner Heimkehr vor allem aus der eigenen Familie entgegenschlägt, ist fast körperlich zu spüren. Ihn hat die Autorin für mich fast noch besser eingefangen und beschrieben als die Landschaft und die allgemeine Atmosphäre auf Skye. Zwar bin ich ziemlich schnell dahintergekommen, wo die Geschichte hinführen wird, aber sie hat mich trotzdem nie gelangweilt und vor allem gegen Schluss fand ich sie wirklich packend und konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.
Sprachlich fand ich das Buch auch sehr gut zu lesen, es sind zwar ein paar holprige Stellen in der Übersetzung, aber den Einbau der gälischen Sätze (die Übersetzungen finden sich im Glossar) fand ich wirklich gelungen. Erzählt wird die Geschichte in zwei Zeitebenen, die Gegenwart spielt 2011 (das Buch erschien 2013), der andere Strang spielt 1991, was klar an den Kapitelüberschriften erkennbar ist. Sehr interessant fand ich die Sitten und Gebräuche der schottischen Clans, die die Autorin beschreibt. Vor allem der ausgeprägte Familiensinn hat mich tief berührt. Die Charaktere sind etwas klischeehaft und sehr stereotyp: entweder zu gut, um wahr zu sein oder böse. Es gibt nichts dazwischen, was ich etwas schade fand. Aber die psychologischen Probleme, mit denen sich Kieran herumschlägt fand ich sehr gut beschrieben. Wie findet man sich in Freiheit zurecht, wenn man länger im Gefängnis war als draußen? Wie geht man mit Hass und Misstrauen um? Kurz: Wie findet man wieder zurück ins Leben? Antwort in diesem Buch: indem man eine herzensgute Frau trifft, die einem vom ersten Moment an vertraut. Nicht sehr realistisch, aber dennoch nicht unmöglich und natürlich durchaus romantisch.
Alles in allem fand ich das Buch aber gut konstruiert, gut geschrieben, spannend mit ein bisschen Lokalkolorit und der Bildungsauftrag bezüglich schottischer Clans ist auch erfüllt. Wegen der sehr vorhersehbaren Geschichte und den stereotypen Charakteren ziehe ich einen Punkt ab. Von mir also vier Sterne.

Bewertung vom 04.04.2022
Hancock, Anne Mette

Grabesstern / Heloise Kaldan Bd.3


sehr gut

Nach „Leichenblume“ und „Narbenherz“ ist „Grabesstern“ von Anne Mette Hancock der dritte Teil der Serie um die Investigativjournalistin Heloise Kaldan und Kriminalkommissar Erik Schäfer. Das Buch ist vielschichtig und spannend, hat einige unerwartete Wendungen und ist alles in allem ein solider Krimi. Obwohl es der dritte Teil ist, kann man das Buch natürlich auch ohne Vorkenntnisse lesen, alles Notwendige wird aufgegriffen, sodass es keine Verständnisprobleme gibt. Das einzige Manko ist, dass sich für mich wieder einmal bestätigt hat, dass ich Bücher besser im Original lesen sollte, denn die deutsche Übersetzung machte mir aufgrund handwerklicher Schwächen wesentlich weniger Freude als die dänische Fassung. Aber alles in allem fand ich das Buch besser und spannender als den Vorgänger.
Aber von vorn.
Heloise Kaldan, ihres Zeichens Investigativjournalistin, plant eine Artikelserie über Sterbebegleitung. Um es am eigenen Leib zu erleben, trifft sie den todkranken Jan Fischerhof und möchte ihn in seinen letzten Tagen und Wochen begleiten. Er ist unheilbar an Krebs erkrankt, zudem ist er dement. In einem klaren Moment offenbart er ihr ein grausames Geheimnis und weckt damit ihren kriminalistischen Spürsinn. Stecken hinter den wirren Aussagen des Sterbenden wahre Hinweise auf ein jahrealtes ungelöstes Verbrechen und zwei ebenso ungeklärte Vermisstenfälle? Um sich ein genaueres Bild zu verschaffen, reist Heloise von Kopenhagen ins eher beschauliche jütländische Sønderborg. Kommissar Erik Schäfer steht Heloise wie in den beiden anderen Teilen der Reihe mit Rat und Tat zur Seite und als die beiden sich dem Cold Case widmen, ist plötzlich nicht nur Heloise in höchster Gefahr.
Das Thema Sterbebegleitung fand ich für einen Krimi ungewöhnlich, aber in Zusammenhang mit Demenz wirklich gut verarbeitet. Denn eigentlich haben sterbende Menschen ja nichts mehr zu verlieren und können sich durch die Wahrheit erleichtern. Andererseits ist Jan Fischerhof dement, wieviel Wahrheitsgehalt steckt also in seiner Wahrheit? Diese Frage stellte sich für mich fast bis zum Schluss, den Anne Mette Hancock wirklich meisterhaft in eine (nicht nur für mich) völlig unerwartete Richtung drehte. Aber natürlich ist auch die eigentliche Krimi-Handlung ein zentrales Element, auch wenn sie erst verhältnismäßig spät beginnt. Der Anfang des Buchs ist ein bisschen wie das „Warten aufs Christkind“, denn, wer die Autorin kennt, weiß, dass irgendwann die Spannung einsetzen wird, die Frage ist nur, wann.
Die Charaktere sind, wie ich es von der Autorin gewohnt bin, gut ausgearbeitet und facettenreich beschrieben. Sowohl von Heloise Kaldan als auch von Erik Schäfer erfährt man ein bisschen aus dem Privatleben. Manchmal fand ich Heloises Art etwas anstrengend, sie ist sehr zielstrebig oder, weniger höflich ausgedrückt: nervig und übergriffig. Sprachlich fand ich das Buch eigentlich gut, die deutsche Übersetzung hat einige Schwächen, was mir die Lektüre ab und an vermiest hat. Das fand ich sehr schade, da hätte das Buch Besseres verdient. Auch weiß ich nicht, wie der Titel zustande kam, denn „Pitbull“ (so heißt das Buch im Original) passt wesentlich besser. Als Thriller würde ich „Grabesstern“ auch nicht wirklich bezeichnen, für mich war es eher ein bodenständiger Krimi. Die Geschichte ist natürlich trotzdem gut und spannend, wenn man die Fehler ausblendet, ist sie auch sehr gut zu lesen. Daher vergebe ich für die Geschichte fünf Sterne, wegen der Übersetzung ziehe ich einen ab, also gibt’s von mir insgesamt vier und ich freue mich jetzt schon auf einen vierten Band, denn vor allem in Bezug auf Heloise und ihre Vergangenheit sind noch sehr viele Fragen offen. Diesen Teil empfehle ich für alle Fans der Serie, von Dänemark oder von nordic noir Krimis.

Bewertung vom 31.03.2022
Indriðason, Arnaldur

Tiefe Schluchten / Kommissar Konrad Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dass ein packender Krimi keine übermäßige Gewalt oder Blutvergießen braucht, zeigt das neue Buch von Arnaldur Indriðason ganz deutlich. „Tiefe Schluchten“ lebt vielmehr von der Atmosphäre und verlangt dem Publikum einiges an Konzentration ab. Daher fand ich die Lektüre anstrengender als bei den meisten anderen Krimis. Zugegeben, er ist der einzige isländische Autor, der mir namentlich bekannt war, das Buch war allerdings mein erstes von ihm. Aber sicher nicht mein letztes, denn sein Stil und das feine Gespür für Zwischentöne haben mich beeindruckt und die Lektüre des Buchs zu etwas Besonderem gemacht. Die Geschichte an sich fand ich zwar gut konzipiert und spannend, aber das wahre Highlight für mich war die Fähigkeit des Autors, eine enorm düstere und bedrückende Atmosphäre zu schaffen.
Aber von vorn.
Eine Frau wird ermordet, ihre Wohnung verwüstet. Da auf ihrem Schreibtisch ein Zettel mit Konráðs Telefonnummer liegt, gerät er ins Visier der Ermittlungen. Schnell wird klar: die Tote hatte ihn vor einiger Zeit gebeten, ihr vor Jahrzehnten zur Adoption freigegebenes Kind zu suchen, was er allerdings abgelehnt hatte. So wie sie es offenbar bereute, das Kind weggegeben zu haben, bereut er nun, ihr ihren Wunsch abgeschlagen zu haben. Zumal er als Kommissar im Ruhestand auch Zeit gehabt hätte, nach dem Kind zu suchen, von dem sie selbst nicht einmal wusste, ob es männlich oder weiblich war. Die Polizei ermittelt im Mordfall und er macht sich aus schlechtem Gewissen und Langeweile auf die Suche nach dem inzwischen rund 50 Jahre alten „Kind“. Seine Ermittlungen sind sehr vielschichtig und schnell stößt er auf eine Hebamme, die wohl Schwangere überredete, ihre Kinder auszutragen und dann zur Adoption freizugeben. Konráðs größtes Problem bei seinen Nachforschungen ist allerdings, dass die meisten Beteiligten inzwischen verstorben sind. Er hat große Schwierigkeiten, überhaupt noch jemanden zu finden, der ihm weiterhelfen kann. Und dann ist ja da auch noch der Mord an seinem eigenen Vater, den er aufklären möchte.
„Tiefe Schluchten“ erinnerte mich beim Lesen ein bisschen an einen See. Augenscheinlich ruhig, die Handlung scheint sich lange überhaupt nicht zu tun, aber unter der Oberfläche bewegt sich ständig etwas. Aber ab und zu, so kam es mir vor, wirft jemand in Form von Ermittlungserfolgen einen Stein ins Wasser und es gibt schlagartig Wellen und die Handlung kommt voran. Manchmal scheint die Suche nach dem „verschwundenen Kind“ etwas aus dem Fokus zu geraten, vor allem, da Konráð auch noch im Cold Case um seinen ermordeten Vater ermittelt. Vermutlich habe auch nicht nur ich mich immer wieder gefragt, wie man denn nun eigentlich die isländischen Namen ausspricht. Und nicht nur die (in isländischen Buchstaben gesetzten) Namen waren gewöhnungsbedürftig, zumal alle immer geduzt werden und nur einen Vornamen haben (obwohl ich weiß, wie es in Island mit Vor- und Nachnamen funktioniert, hat es hat mich ab und zu irritiert).
Die Geschichte verläuft nicht linear, sondern eher im Zickzack auf der Zeitachse. Der Autor springt von der Gegenwart in die Vergangenheit (seine eigene, die des Opfers, die seiner Freundin Eygló oder die seines ermordeten Vaters) – wie gesagt: das Buch verlangt Konzentration und Mitdenken, das ist nichts für nebenbei. Und auch die oft verschachtelten Sätze sorgten dafür, dass ich einige Kapitel mehrfach lesen musste. Die Geschichte ist gut konzipiert. Die Gräben, die der Titel suggeriert sind in den Alltagsdramen häufig zu finden. Die Verkettung der Schicksale gelingt dem Autor meisterhaft, ich habe mich oft gefragt, wie er die verschachtelte Handlung zu einem stimmigen Ende bringen will. Die Übersetzung ist bis auf wenige sprachliche Fehler äußerst gelungen.
Ich vergebe für dieses überaus düstere Buch vier Sterne. Empfehlenswert ist es auf jeden Fall für alle, die ruhige, düstere und atmosphärisch packende Krimis mit intelligenten, engagierten und unnachgiebigen Ermittlern mögen.

Bewertung vom 21.03.2022
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

2022 scheint ein Jahr der wirklich guten Krimis zu werden. Zumindest habe ich dieses Jahr schon einige wirklich gute Bücher dieses Genres gelesen. „Gezeitenmord“ von Dennis Jürgensen ist auf jeden Fall auch eines davon. Von der ersten Seite an hat der Krimi über die deutsch-dänische Zusammenarbeit von Lykke Teit und Rudi Lehmann mich gefesselt. Einzig die vielen Anglizismen haben mich gestört, aber das ist nur ein winziger Kritikpunkt in einer Fülle von Lob.
Aber von vorn.
Bei einer naturkundlichen Wanderung finden Lehrer Lasse Espersen und sein elfjähriger Schüler Villads im Watt an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark im dichten Nebel die vergrabene Leiche eines Mannes. Lasse wird von einem gesichtslosen hustenden Unbekannten niedergeschlagen, Villads verschwindet spurlos. Die junge Kopenhagener Polizistin Lykke Teit darf im Südjütländischen Grenzgebiet ihren ersten eigenen Fall leiten, zu ihrer Unterstützung wird ihr der wesentlich ältere und erfahrenere deutsche Kommissar Rudi Lehmann zur Seite gestellt. So harmonisch die Zusammenarbeit der beiden ist, so trügerisch scheint die Harmonie im Dorf, denn Villads ist nicht das erste Kind, das in Melum verschwunden ist. Vor über einem Jahr verschwand die sechsjährige Rosa ebenfalls spurlos. Pikant am aktuellen Fall ist, dass Lykke den Toten aus dem Watt kannte. Und dann werden noch die Leichen zweier im Dorf als eher zwielichtig angesehener Menschen gefunden und der Fall nimmt Fahrt auf. Aber wie passen die Fälle zusammen, und tun sie das überhaupt? Und was hat der inhaftierte pädophile Kannibale Peik Gravesen mit allem zu tun?
Ich liebe dänische Krimis wirklich sehr. Am liebsten lese ich sie im Original, wenngleich die Übersetzung dieses Buchs sehr gelungen ist. Der Übersetzer hat es geschafft, den feinen Sprachwitz genau zu erfassen und ich musste inmitten der Spannung oft schmunzeln. Auch die Animositäten zwischen den Dänen in Südjütland sowohl gegenüber den Deutschen als auch gegenüber der Polizistin aus Kopenhagen waren pointiert und genau getroffen, ebenso die kleineren internen Kompetenzgerangel unter den Polizisten. Das Buch ist flüssig zu lesen, obwohl mich die Anglizismen wie „point taken“, „no way“ oder „Don’t push it“ irgendwie stören. Allerdings sind sie im Original ebenso zu finden, daher kann man sie zumindest nicht dem Übersetzer ankreiden. Die Charaktere fand ich hervorragend ausgearbeitet und sehr plastisch beschrieben, vor allem die beiden Protagonisten sind mit allen Ecken, Kanten und ihrer eigenen Vergangenheit dargestellt. Da beide „ihr Päckchen zu tragen haben“ und jeder einen eigenen ungeklärten persönlichen Fall mitbringt, macht das Buch Lust und Neugier auf mehr. Dennis Jürgensen ist als „Wiederholungstäter“ bekannt, viele der 60 Bücher, die er in Skandinavien veröffentlicht hat, gehören zu Serien. Leider gibt es weder die Spukgeschichten für Kinder noch die Reihe um den Ermittler Roland Triel auf Deutsch, „Gezeitenmord“ das erste seiner Bücher, das in der Übersetzung erschienen ist. Vielleicht kommt da ja mehr nach – ich würde mich freuen.
Für mich war „Gezeitenmord“ auf jeden Fall ein Erfolg auf ganzer Linie und daher vergebe ich fünf Sterne und empfehle dieses Buch jedem Scandi Noir-Fan.