Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2102 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2024
Vaglio Tanet, Maddalena

In den Wald


ausgezeichnet

Rückkehr aus dem Wald
Der Debütroman der italienischen Schriftstellerin Maddalena Vaglio Tanet ist sehr atmosphärisch gestaltet und interessant, denn es hat ein geheimnisvolles, rätselhaftes Element.
Die 42jährige Lehrerin Silvia verschwindet eines Tages ohne ersichtlichen Grund aus ihrer Wohnung in den Wald. Die Handlung zieht ihren Reiz daraus, dass man als Leser natürlich erfahren will, was sie dazu veranlasst hat.
Eine zweite wichtige Figur ist die Schülerin Giovanna. Sie ist keine gute Schülerin, wird von ihrem Vater geschlagen und leidet darunter, in die Pubertät gekommen zu sein. Auf der Gebirgsalm ihres Onkels fühlt sie sich frei.
Gewalt ist verbreitet und wird fast wie normal wahrgenommen.
Eine weitere wichtige Figur ist der Schüler Martino, der neu in der Gegend ist und dem Biella am Fuße der Alpen zunächst nicht besonders gefällt. Doch er wrd es sein, der die Lehrerin, die sich im Wald versteckt, findet.
Die Gespräche zwischen ihnen enthüllen ein Stück Leben.
Die Autorin vermag es, die Situationen ihrer sensiblen Figuren nachdrücklich zu beschreiben und findet ausgezeichnete Formulierungen, die zu einer eigentümlichen Stimmung führen. Dazu gehört aber auch die ländliche Umgebung von Piemont.
Ein mehr als gelungener Roman!

Bewertung vom 08.09.2024
Jarck, Volker

Und später für immer


sehr gut

In der Scheune
Und später für immer ist ein Roman, der unmittelbar in den Monaten 1945 vor Kriegsende ansetzt. Im Mittelpunkt der Soldat Johann Meinert, der desertiert ist und sich auf dem Hof seiner Tante versteckt. Ihn begleiten seine Tagebuchaufzeichnungen.
Das Buch basiert auf das Tagebuch des Großvaters des Autors Volker Jarck.
Im Mittelteil des Buches sind viele Tagesbuchabschnitte enthalten. Es gibt auch Rückerinnerungen an Johanns Hochzeit mit Emmy, doch er musste schnell wieder in den Krieg ziehen.
Diese vielen Tagesbuchstellen verleihen dem Buch einen Touch von Authentizität.
In seinem Versteck trifft er außer seiner Tante nur das Nachbarmädel Frieda, die ihn nicht verrät. Zwischen ihnen gibt es kontroverse Dialoge, die dem Buch Würze und auch ein wenig Witz geben.
Erstaunlich ist ansonsten wie unpolitisch Johann ist, eigentlich auch das Buch. Das passt aber für mich auch irgendwie, denn zu dem Thema ist alles schon gesagt.
Man erfährt auch von Johanns Hoffnungen für die Zeit nach dem Krieg. Johanns Zustand ist der eines Wartendes, ein Zwischenstand zwischen Furcht und Hoffnung.
Das Buch ist gut geschrieben und schnell gelesen.

Bewertung vom 07.09.2024
Beagle, Peter S.

Ich fürchte, Ihr habt Drachen


ausgezeichnet

Die Drachen von Bellemontagne

Peter S.Beagle ist eine lebende Legende des Fantasy-Genres. Mit Ich fürchte, Ihr habt Drachen gibt es erfreulicherweise wieder einen Roman auf deutsch und der ist gut gemacht. Einerseits routiniert, aber doch frisch und mit interessanten Figuren,die sich ihrer selbst nicht immer ganz sicher sind, und aus denen wirklich etwas gemacht wird. Cerise, eine selbstbewusste Prinzessin, Reginald, ein junger Prinz und Robert, der Drachenkämpfer. Obwohl Robert als eine Art Kammerjäger wirkt, hat er doch auch Sympathien für die Drachen. Immer wieder hadern alle 3 Protagonisten mit sich und stellen ihre Rollen in Frage.
Schauplatz ist das Königreich Bellemontagne.
Dann tauchen aber Drachen bisher unbekannter Art und ein gefährlicher Zauberer auf.
Trotz des humorvoll anklingenden Buchtitels hat der Roman auch düstere Momente.
Peter S.Beagle gelangen immer wieder Beschreibungen und Formulierungen, die mich regelrecht begeistern.

Bewertung vom 07.09.2024
Laznia, Elke

Fischgrätentage


ausgezeichnet

Vom Leben und Altern
Elke Laznia ist eine Salzburger Autorin. In diesem Buch behandelt sie Themen wie Altern, Krankheit, Pflegen und auch Sterben.
Den ersten Teil sehe ich als Langgedicht bestehend aus vielen, überaus eleganten Versen.
Es überzeugt der Rhythmus der Verse
Im zweiten Teil folgen weitere, mehrteilige Gedichte.
Nachkommen, Lavendellied, dein Hunger von hier, Blattwerk, Mutterkraut und andere.
Auffällig ist das durchgehend hohe Niveau!

Bewertung vom 06.09.2024
Paris, Frieda

Nachwasser


ausgezeichnet

Im Handgelenk ein Vogel oder das lange Gedicht

Überraschend und erfreulich, dass Lyrik für den Österreichischen Buchpreis nominiert wird.
Nachwasser ist ein Langgedicht, bei dem man als Leser dicht an der Entstehung des Textes dran ist.
Erste Themen sind Kindheit, Eltern und Geschwister, eine verlorenen Liebe, besonders aber das Schreiben selbst.
Es gibt Bezüge auf Literaten wie Ingeborg Bachmann, Cesar Aira, Hilde Domin, Elke Erb und vor allen Dingen Friederike Mayröcker.
Mit Mayröckers Gedichten treten die von Frieda Paris in einen Dialog.
Eine junge Stimme begegnet der 2021 verstorbenen großen Wortmutter, wie Frieda Paris sie nennt.
Was für ein Debüt!

Bewertung vom 05.09.2024
Hiiragi, Sanaka

Die Glückslieferanten


gut

Lieferservice aus dem Himmel

Wer das erste Buch Die Erinnerungsfotografen mochte, wird auch mit Die Glückslieferanten etwas anfangen können. Während sich das erste Buch den Verstorbenen widmete, geht es hier um die Überlebenden.
Wieder wird in Episoden erzählt. Eine Form, die man mögen muss, um das Buch zu genießen. Ein gewisser Reiz liegt auch darin, dass es japanische Literatur ist und die japanische Lebensweise des Alltags zeigt.

In der ersten Episode geht es um eine alte Frau, deren Freundinnen, mit denen sie zusammengelebt hatte, verstorben sind. Sie ist entsprechend deprimiert, doch dann bringt eine Lieferantin eine letzte Botschaft der verstorbenen Freundinnen.
Danach geht es um die junge Fumika, die sich mit ihrer störrischen Oma zerstritten hatte. Eine weitere Geschichte besteht sogar aus fünf Kapiteln und auch der Epilog ist lesenswert.

Es ist ein Buch mit positiven Botschaften.

Bewertung vom 05.09.2024
Ventura, Maud

Mein Mann


gut

Mon mari
Mein Mann, ist ein gediegenes, sehr französisches und originelles Buch über eine Frau, die ganz und gar auf ihren Mann fixiert ist. Ihre Perspektive ist bis auf den Epilog am Schluß führend. Man ist stets bei ihren Gedanken und Überlegungen. Das sie die Liebe ihres Mannes sich immerzu sichern will hat etwas obsessives. Auch wenn sie ihn bestrafen will, wenn er auch nur bei Kleinigkeiten mal weniger liebenswert erscheint, ist fast zwanghaft.
Kein Zustand, den man jemand wünschen kann.
Vielleicht ist es aber auch ein Merkmal einer leicht gelangweilten, wohlhabenden Mittelschicht.
Mein Problem mit dem Buch ist, dass ich die Hauptfigur nicht glaubhaft finde. So einseitig denkt doch niemand. Ihre Gedankengänge sind zu schlicht.
Maud Ventura wird jetzt schon als französischer Shooting-Star gehandelt. So weit würde ich in meinen Urteil nicht gehen, obwohl ihr Debüt doch schon mal sehr interessant war.

Bewertung vom 05.09.2024
Schreiber, Constantin

Lasst uns offen reden!


sehr gut

Der Tagesschausprecher und Schriftsteller Constantin Schreiber ist ein ausgezeichneter Journalist, der sich wiederholt mit dem Thema Islam beschäftigt hat. Trotz seiner Sachlichkeit wurde ihm von gewissen Kreisen das Etikett Islamkritiker angeheftet.

In diesem Buch schreibt er über das heikle Thema Meinungsfreiheit.
Dabei geht er auf verschiedene Aspekte ein und diskutiert die Diskurse über z.B. Flüchtlinge, Klimakrise, Corona etc.
Er betrachtet auch die Rolle der Medien und die der Universitäten.
Seine Argumentation empfinde ich als zwingend.
Er nutzt dabei eine Form, die den Leser erreicht. Es fühlt sich an wie ein Gespräch.

Bewertung vom 05.09.2024
Barone, Marta

Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand


gut

Beim Anblick des Vulkans

Marta Barones autobiografisches Buch fällt durch das spektakuläre Cover auf und natürlich durch den langen Titel: Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand.
Die Italienerin erzählt dabei die Lebensgeschichte ihre Vaters, von dessen linksradikaler Vergangenheit sie erst nach seinem Tod erfuhr.
Sie verarbeitet das durch viel Recherche, z.B. Prozessakten, aber auch durch viele Gespräche mit Leuten, die ihren Vater kannten.
Sprachlich waren meine Eindrücke gemischt. Lange Passagen sind nicht sehr literarisch, doch bei einer Biografie muss man das auch nicht unbedingt erwarten. Dann gibt es aber auch viele Abschnitte, die gut verfasst sind.
Vor allen macht die Autorin ihre Gefühlslage deutlich. Sie hatte ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater und wusste vieles nicht von ihm. Es sind aber auch so einige liebevolle Erinnerungen dabei.

Bewertung vom 04.09.2024
Sargnagel, Stefanie

Iowa


sehr gut

Ein Ausflug nach Amerika

Die Österreichische Schriftstellerin Stefanie Sargnagel schreibt unbeschwert und locker. Und ihr Stil ist von Ironie durchsetzt. Ihre Sprache spricht die Millennials unter den Lesern an.
Durchaus kann man etwas für den spöttischen Unterton Sargnagels übrig haben.
Diese Buch zeigt ihren Blick auf die USA und ihre Eindrücke von der Reise, die sie mit Christiane, einer Freundin, unternimmt. Eigentlich kennen sie sich noch nicht ganz so gut, sind aber schnell, ein gutes Team.
Meistens sind sie mit sich selber beschäftigt. Manche Details haben aber das Zeug zum Allgemeingültigen und Sargnagel findet Themen, die relevant sind und das macht dann die Höhepunkte des Buches aus.