Benutzer
Benutzername: 
Klara

Bewertungen

Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2014
James, Rebecca

Die Wahrheit über Alice


sehr gut

Rebecca James Debütroman „Die Wahrheit über Alice“ beginnt in der Gegenwart. Eine noch unbekannte junge Frau erzählt, dass Alice vor vier Jahren gestorben ist und ihr das Beste genommen hat, was sie je besessen hat und dass sie eine Tochter hat, Sarah. Die eigentliche Romanhandlung beginnt Jahre früher. Die atemberaubend schöne und beliebte Alice Parrie feiert ihren 18. Geburtstag und lädt zu einer Party ein. Katherine, die sich in eine selbstgewählte Isolation begeben hat und als Einzelgängerin an der Highschool bekannt ist, spricht sie persönlich an. Alice sucht die Nähe zu ihr, möchte mit ihr viel Zeit verbringen und über alles reden. Später will sie, dass sich beide gegenseitig ihre Geheimnisse anvertrauen. Katherine ahnt nicht, dass sie in eine Falle gegangen ist und dies keineswegs eine normale Freundschaft ist. Sie hieß früher Katie Boydell und lebte in Melbourne. Damals war sie die Beste ihres Jahrganges und wollte zwei Jahre später Medizin studieren. Nach dem Tod ihrer Schwester Rachel ist sie zu ihrer Tante Vivien nach Sydney gezogen und hat den Namen Katherine Patterson angenommen. Sie hat ein Geheimnis, das sie sorgsam hütet. Katherine fühlt sich wohl mit Alice, und auch zu deren Freund Robbie hat sie ein herzliches Verhältnis. Der jedoch warnt Katherine vor Alice. Sie wäre eine Narzisstin und würde sich nur für sich interessieren. Er hat das selbst schon öfters am eigenen Leib erfahren müssen. Je intensiver die Freundschaft zwischen den beiden jungen Mädchen wird und je glücklicher und offener Katherine ist, desto mehr verändert sich Alice. Sie wird grob, bösartig, gehässig und leistet sich Gemeinheiten, die ihre Freundin zutiefst verletzen. Eines Abends lernt Katherine Philippa kennen, die ihr langsam die Augen öffnet, doch da ist die Katastrophe schon nicht mehr aufzuhalten.
„Die Wahrheit über Alice“ ist ein Jugendroman, der streckenweise Elemente eines Psychothrillers besitzt. Es ist eine Geschichte über Mord, Betrug und Verrat, Liebe, Familie und Freundschaft. Es wird auf drei Zeitebenen erzählt. Außer der Gegenwart sind es vier und fünf Jahre zurückliegende Zeiten, die in Rückblenden nachgeholt werden. So erfährt der Leser Stück für Stück, warum aus Katie Katherine wurde und auch Robbie und Alice haben ihre Geheimnisse. Was den Reiz des Buches schmälert ist, dass der Leser gleich auf den ersten Seiten das Ende der Geschichte erfährt, ohne die Zusammenhänge zu durchschauen. Durchaus spannend wird erzählt, wie und warum es dazu kam. Die Entwicklung der Ereignisse bis hin zum bitteren Ende kommt nicht immer völlig überraschend. Dennoch ist der Roman nicht nur für junge Leser empfehlenswert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2014
Salvalaggio, Karin

Eisiges Geheimnis / Macy Greeley Bd.1


gut

Karin Salvalaggio führt den Leser in ihrem Thrillerdebüt "Eisiges Geheimnis" nach Montana. Hier lebt Grace Adams mir ihrer verwitweten Tante Elizabeth Lamm in einer einsamen Siedlung in den Bergen am Rand von Collier. Zu zweit bewohnen sie ein Haus, das einem nachgebauten Tudorschloss ähnlich sieht. Grace selbst erholt sich gerade von einer Herztransplantation, als sie eines abends beobachtet, wie eine Frau auf das Haus zukommt. Kurz davor begrüßt sie einen Fremden und nach einem kurzen Wortwechsel sticht dieser sie nieder. Die von Grace herbeigerufenen Sanitäter verspäten sich, und bei dem Versuch, die Frau selbst zu retten, stellt sie fest, dass es ihre seit Jahren verschollene Mutter Leanne ist. Grace ist sehr schwach und erfriert fast in dem einsetzenden Schneetreiben. Detective Macy Greeley von der State Police erhält von ihrem Vorgesetzten Ray Davies den Auftrag, nach Collier zu reisen. Sie soll den dortigen Polizeibeamten bei ihren Ermittlungen helfen. Die unverheiratete Macy ist hochschwanger und geht in drei Wochen in Mutterschutz. In Collier holt sie ein elf Jahre alter Fall wieder ein. Damals starben in dem Ort vier osteuropäische Mädchen, und die Spedition von Grace Onkel Arnold Lamm geriet in das Visier der Ermittler. Auch trifft Macy auf ihren ehemaligen Freund, den Sanitäter Jared, der sich nicht so recht zwischen der Krankenschwester Lexxie und der verheirateten Hayley entscheiden kann. Überhaupt ist Collier ein Ort, dessen Bewohner eine eingeschworene Gemeinschaft sind, in der die Kriminalität gedeiht und wo die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie für ihre üblen Machenschaften nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Keiner will so richtig mit Macy reden und auch Grace, die den Täter wahrscheinlich gesehen hat, schweigt sich aus. Ganz langsam gewinnt Macy ihr Vertrauen, und die Sorge ist groß, dass der Täter noch einmal zugeschlägt. Die Suche nach dem Mörder gestaltet sich auch deshalb so schwierig, weil Elizabeth Lamm lange Zeit zu den Vorkommnissen von vor elf Jahren schweigt. Warum kehrte ihre Schwester Leanne gerade jetzt, nach so vielen Jahren, aus ihrem selbstgewählten Exil in Kanada zurück, und was hat es mit ihren letzten Worten auf sich, die sie zu Grace sagte? "Du mußt vorsichtig sein. Sie sind immer noch hinter dem Geld her." (S. 16)
Praktisch jeder der Charaktere in dem Thriller "Eisiges Geheimnis" ist irgendwie ein schlechter, sonderbarer Mensch. Es gibt Vergewaltiger, Pädophile, Mörder, Menschenhändler, Drogendealer, gewalttätige Ehemänner und Ehebrecher. Deswegen kann man für keinen der Protagonisten Sympathie empfinden. Die Handlung ist schlüssig aufgebaut, jedoch fehlen überraschende und unerwartete Wendungen. Irgendwie hat man das Gefühl, das alles schon einmal gelesen zu haben. "Eisiges Geheimnis" ist nur mit Einschränkungen empfehlenswerte Thrillerlektüre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2014
Silvey, Craig

Wer hat Angst vor Jasper Jones?


gut

An dem Tag, wo Jasper Jones an das Fenster des 13jährigen Charlie Bucktin klopft, ist dessen Kindheit mit einem Schlag vorbei. „Jasper Jones ist an mein Fenster gekommen.“ (S. 7), so beginnt der Jugendroman „Wer hat Angst vor Jasper Jones“ des australischen Autors Craig Silvey. Die Geschichte spielt in dem kleinen Örtchen Corrigan in Australien. Es sind die 60er Jahre. Jasper lockt Charlie in einer heißen Sommernacht aus seinem Zimmer und führt ihn irgendwo hin außerhalb der Stadt, vorbei an dem Cottage von Jack Lionel, um den sich die wildesten Geschichten ranken. Er soll ein verrückter Killer sein und vor Jahren eine Frau umgebracht haben. Auf einer kleinen Lichtung, die Jasper als sein Zuhause bezeichnet, zeigt er ihm seinen grausigen Fund. Laura Wishart, die Tochter des Bezirkspräsidenten, hängt an einem Ast eines Silbereukalyptus nur bekleidet mit einem Spitzennachthemd. Charlie ist klar, dass sich an dem stillen Örtchen Grausames abgespielt haben muss. Jasper hat Angst, dass die Polizei ihm den Mord in die Schuhe schiebt, denn in dem Ort gibt es für alles immer nur einen Schuldigen, und der heißt Jasper Jones. „Er ist ein Dieb, ein Lügner, ein Schläger und ein Schulschwänzer.“ (S. 13) Er bittet Charlie darum, gemeinsam mit ihm nach dem Killer zu suchen. Er hat auch schon einen Täter im Auge, Jack Lionel. Vorher beschließen sie, Lauras Leichnam in einem Tümpel verschwinden zu lassen. Wie ein Stein lastet das Wissen um das Verschwinden von Laura auf Charlies Seele. Der Protagonist des Romans ist nicht Jasper Jones, wie der Titel vermuten lässt, sondern Charlie, der die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt. Er ist ein feiger Junge, ein lausiger Sportler, der tödliche Angst vor Insekten hat, aber schon sehr belesen ist. Er liebt die Bücher von Mark Twain und Harper Lee. Sein bester Freund Jeffrey Lu ist der Sohn vietnamesischer Einwanderer. Er ist jünger und kleiner als Charlie, aber wesentlich klüger und mutiger und ein leidenschaftlicher Cricket-Spieler. Er wird in der Schule rücksichtslos schikaniert, jedoch steckt er alle Demütigungen mit einem Lächeln weg. Niemals würde er boshaft oder gehässig werden. Beide Freunde liefern sich interessante Wortgefechte, z. B. darüber, wer der mutigere Superheld ist, Superman oder Batman.
Neben der Krimihandlung, den Schulgeschichten und der Beschreibung sportlicher Ereignisse gibt es in diesem Roman auch eine Liebesgeschichte. Zwischen Charlie und Eliza, der Schwester der ermordeten Laura, entwickeln sich zarte Liebesbande, und Charlie vermutet, dass Eliza etwas über das Verschwinden ihrer Schwester weiß.
Craig Silveys Roman liest sich gut. Er behandelt Themen wie Kindesmissbrauch, Folter, Rassismus und Zivilcourage. Die seitenlangen Beschreibungen eines Cricketspiels lassen hingegen etwas Langeweile aufkommen. Hier ist das Glossar am Ende des Romans sehr hilfreich. Der Roman besticht durch Wortwitz mit lebendigen und interessanten Charakteren und ist nicht nur für junge Leser lesenswert, vor allem wegen der Einbettung der Ereignisse in einen historischen Kontext, Australien in den 60er Jahren zur Zeit des Vietnamkriegs. Thematisiert wird auch die Einstellung gegenüber Flüchtlingen und Aborigines.

Bewertung vom 06.07.2014
Wendeberg, Annelie

Teufelsgrinsen / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.1


sehr gut

Annelie Wendebergs Erstlingsroman „Teufelsgrinsen“ spielt in London im Jahr 1889. Dr. Anton Kronberg, Englands führender Bakterioloe und Epidemiologe, der im Guy`s Hospitel arbeitet, wird von Inspektor Gibson von Scotland Yard zu den 1852 erbauten Hampton Wasserwerken gerufen. Möglicherweise ist der Tote, der im Kanal trieb, an Cholera gestorben. Da Cholerafälle öfter auftraten, hatte Dr. Kronberg häufiger das Vergnügen, mit den Kriminalinspektoren der Metropolitan Police zusammenzuarbeiten. ("Es war ein gut gemischter Haufen Männer, deren geistige Schärfe zwischen der eines Buttermessers und der einer überreifen Pflaume variierte. Inspektor Gibson gehörte zu der Pflaumenkategorie." S. 12) Gleichfalls vor Ort ist der beratende Detektiv Mr Sherlock Holmes. Er entdeckt in wenigen Augenblicken Dr. Kronbergs Geheimnis. Anton ist eigentlich Anna Kronberg, eine junge Frau aus Sachsen in Deutschland. Frauen war es in Deutschland zur damaligen Zeit verboten, einen akademischen Grad in Medizin zu erwerben. Sie galt als Männerdomäne und sollte Holmes ihre wahre Identität preisgeben, würde Anna ihren Wohnsitz verlieren, deportiert werden und in Deutschland im Gefängnis landen. Abends wechselt sie ihre fingierte Identität, dann ist sie Witwe und Krankenschwester und behandelt während nächtlicher Ausflüge ihre kranken Nachbarn. Holmes und Anna finden bei der Obduktion heraus, dass der Tote an Cholera im Endstadium erkrankt war, jedoch an Tetanus gestorben ist. Scotland Yard schließt schnell die Akte, so dass Holmes und Anna auf eigene Faust ermitteln müssen. Ihre Ermittlungen führen sie in die Irrenanstalt Broadmoor, die Anna wegen ihrer jährlichen Hygieneinspektionen kennt und sie kommen furchterregenden medizinische Experimenten auf die Spur die mit hochgradig gefährlichen Bakterien an den Ärmsten der Armen gemacht werden.
„Teufelsgrinsen“ von Annelie Wendeberg beginnt in alter Sherlock-Holmes-Tradition. Jedoch ist Holmes nicht der Mann, den wir aus den Geschichten von Sir Arthur Canon Doyle kennen. Es ist die Zeit des französischen Naturwissenschaftlers Louis Pasteur und des deutschen Arztes Robert Koch, die große Zeit der Bakteriologie und die Zeit der nächtlichen Leichenräuber, denn Anatomen beklagen seit Jahren einen Mangel an Leichen. “Manche Ärzte haben regelrecht Bestellungen abgegeben - schwangere Frauen, Kinder, Neugeborene und deformierte Menschen.“ (S. 82/83) Die Autorin ist von Haus aus Umweltmikrobiologin und lässt wissenschaftlich fundiertes Wissen in ihren Roman einfließen, nicht als trockene Theorie, sondern als Hintergrund eines gut konstruierten Kriminalromans. Auch sprachlich hat mich ihr Debütroman überzeugt. Wendeberg schreibt ausgesprochen witzig. Der Roman liest sich so gut, dass es ruhig ein paar Seiten mehr hätten sein können. Anna ist eine clevere, sympathische und ausgesprochen unabhängige Protagonistin mit scharfem Verstand, die zwar mit ihren Identitätsproblemen kämpft und Schreckliches in der Vergangenheit erlebt hat, jedoch ihrer Zeit um einiges voraus ist. Sie kann gegen Holmes bestehen, der ein außergewöhnlicher Detektiv ist. Beide sind ebenbürtige Partner. Die Charaktere sind überzeugend gezeichnet, und der Leser bekommt interessante Einblicke in die medizinische Entwicklung der damaligen Zeit. Ich freue mich auf die Fortsetzung und empfehle den Roman gern weiter.

Bewertung vom 06.07.2014
Kiner, Aline

Galgenmann


gut

Der Kriminalroman „Galgenmann“ (im Original: Le jeu du pendu) von Aline Kiner spielt in Lothringen, einer Region im Nordosten Frankreichs. Der Prolog beginnt im Jahr 1944. Es ist bitterkalt am Heiligabend, und in der vollbesetzten Kirche in dem kleinen Dörfchen Varange wird das erste Weihnachtsfest seit der Befreiung gefeiert. Kurz vor Mitternacht, der Gottesdienst ist gerade zu Ende, verliert Mathilde Ziegler ihren Ehemann Johann aus den Augen. Sie glaubt, dass er zum Grab seiner Eltern gegangen ist, das sich im oberen Teil des Friedhofs befindet. In der Nähe der Statue des Dieu Piteux – dem Gott des Erbarmens – sieht sie ihn, erhängt an einer Eiche, davor ein Schild mit der Aufschrift: Der Strick für Kollaborateure. 60 Jahre später entdeckt der pensionierte Dorfpfarrer Louis Sugères bei einem Spaziergang im Waldgebiet von Puits-Renard die Leiche der 17jährigen Nathalie Caspar. Sie liegt in einer Erdspalte, um ihren ganzen Körper ist ein Seil gebunden, um Brust, Handgelenke und Knöchel. Fast zeitgleich kommt der aus Paris strafversetzte Kommandant Simon Dreemer in Metz an. Er hatte die Mutter eines angeblich durch Selbstmord umgekommenen Kindes zu hart verhört, weil er ihr nicht traute. Die Mutter hatte daraufhin einen Selbstmordversuch unternommen. Während seiner Zugfahrt wird er auf eine Nachricht im Lokalteil der Zeitung aufmerksam, in der es um Demonstrationen gegen die Flutung geht. Es ist die Rede von Einstürzen, die auf die Stilllegung der Eisenbergwerke zurückzuführen ist. In Lothringen ist das allerdings nichts Ungewöhnliches, hier dominierte der Bergbau. Mit Kowalski, Dreemers neuem Chef, Mauduit und Tellier geht es sofort zum Tatort in das zwanzig Kilometer entfernte Varange, wo Dreemer mit seiner ortskundigen Kollegin Jeanne Modover die Ermittlungen aufnimmt. Jeanne entdeckt im Archiv des Departements, dass 1993, also vor elf Jahren, die 17jährige Alice Mayer unter ähnlichen Umständen ums Leben kam. Ihr Adoptivvater Joseph Mayer geriet damals auch wegen Inzestgerüchten ins Visier der Ermittler. Später wurde die Sache als Unfall zu den Akten gelegt. Jetzt wird er erneut befragt. Wie gut kannte er Nathalie, und schenkte er ihr das teure Parfüm, das Dreemer in ihrem Zimmer fand? Wenige Tage später wird die 15jährige Odile Monchau gleichfalls tot in einer Erdspalte gefunden. Wie hängt das alles zusammen? Auf dem Dorffriedhof werden rätselhafte Symbole entdeckt, die möglicherweise im Zusammenhang mit den Morden stehen können. Den entscheidenden Hinweis bekommen die Ermittler von Armand Keller, dem alten Dorfarchivar, dessen Interesse historischen Dokumenten gilt. Als er 1945 aus dem Konzentrationslager Struthof nach Varange zurückgekehrt ist, war nichts mehr so wie früher, denn nach dem Abzug der Deutschen fing das Schlimmste erst an. „Die Verdächtigungen und Vergeltungsakte.“ (S. 39) „Armand setzte seine Brille wieder auf und ließ seinen Blick über die auf den Regalen gestapelten Aktenordner gleiten. Ja, wenn es einmal geschrieben steht, kann man es nicht mehr auslöschen.“ (S. 127) Er versucht, eine Verbindung zwischen dem Lynchmord an Johann Ziegler und den aktuellen Morden herzustellen, aber die Wahrheit, die ans Licht kommt, ist eine andere, als Ermittler und Leser erwarten.
Aline Kiner weiß, worüber sie in ihrem Kriminalroman „Galgenmann“ schreibt. Sie ist die Tochter eines Minenarbeiters und gleichfalls in Lothringen aufgewachsen. Schon dadurch ist sie mit den örtlichen Gegebenheiten und historischen Geschehnissen bestens vertraut. Das Dorf Varange steht stellvertretend für alle anderen Orte, wo die Menschen durch ihre Tätigkeit in den Minen geprägt wurden und es zu persönlichen Tragödien kam. Mir gefällt, wie die Autorin Landschaft und Geschichte in ihren Roman einbezieht, obwohl dadurch streckenweise die Morde in den Hintergrund geraten, und die Aufklärung ins Stocken gerät. Ihre Protagonisten sind gut gezeichnet. Ein empfehlenswerter Debütroman.

Bewertung vom 06.07.2014
Weber, Raimon

Eis bricht


gut

In Raimon Webers Thriller „Eis bricht“ erlebt Henning Saalbach, wie langsam die Zeit vergehen kann. Zwölf lange Jahre hat er gewartet. In wenigen Tagen wird der Mörder seines achtjährigen Sohnes Marc aus der Haft entlassen. Eines Abends vor zwölf Jahren ist Henning mit seiner Frau Judith bei Carsten Brunner, einem einflussreichen Mann beim ZDF, eingeladen. Marc bleibt allein im Haus zurück. Henning, ein erfolgreicher Drehbuchautor, vergisst eine Mappe mit den Entwürfen für die ersten Folgen einer neuen Fernsehserie und kehrt nach Hause zurück. Dort findet er seinen tödlich verletzten Sohn. Jede Hilfe kommt für ihn zu spät. Er stirbt in seinen Armen. Henning kämpft mit dem Mörder und erkennt ihn. Es ist Erwin George. Er bekommt 12 Jahre wegen angeblichen Totschlags. Danach ist für Henning nichts mehr so wie früher. Seine Ehe zerbricht, er kann nicht mehr arbeiten, wird depressiv, beginnt langsam zu verwahrlosen und verfällt dem Alkohol. Er fiebert dem Tag entgegen, an dem George entlassen werden soll, denn dann bekommt der Mann endlich seine gerechte Strafe: den Tod. „Es ist das Einzige, was mich in der ganzen Zeit am Leben gehalten hat. Ohne dieses Ziel hätte ich mich längst aufgehängt.“ (S. 54) Und dieser Tag ist jetzt gekommen. Öfters fährt Henning zum Gefängnis nach Werl, wo er vor elf Jahren den Justizvollzugsbeamten Thorsten Koch kennengelernt hat, der ihn die letzten Jahre über den Gefangenen auf dem laufenden gehalten hat. Koch ist es, der Saalbach mit seinen Freunden bekannt macht, die sich als „Humanisten“ bezeichnen und ihm eine Waffe besorgen. Obwohl alles gut vorbereitet ist, läuft an dem Tag der Entlassung von Erwin George alles aus dem Ruder, und es kommt anders als gedacht.
„Eis bricht“ von Raimon Weber liest sich gut. Der Autor hat einen ungewöhnlichen Thriller geschrieben, den man auch als Kriminaldrama bezeichnen kann. Die Figur des Henning Saalbach ist sehr authentisch, sein geplantes Vorhaben glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt. Erzählt wird anfangs auf zwei Zeitebenen, einmal in der Gegenwart, in der der Protagonist heute lebt und in der Vergangenheit vor 12 Jahren, bis die Geschichte dann in der Gegenwart bleibt. Die Übergänge sind gut gewählt, und auch das Ende der Story ist für den Leser unvorhersehbar. Die Geschichte ist packend erzählt und bietet zwar düstere, aber interessante Unterhaltung. Ich empfehle das Buch gerne weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.