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Benutzername: 
Lunamonique
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Bremen

Bewertungen

Insgesamt 416 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2019
Miroloi
Köhler, Karen

Miroloi


weniger gut

„Miroloi“ ist das Romandebüt von Schriftstellerin, Dramatikerin und Schauspielerin Karen Köhler. Ein Findling bleibt eine Fremde in der Gemeinschaft.

Als Baby ausgesetzt, wird die Namenlose auf einer Insel in einer abgeschirmten Gemeinschaft groß. Mit 16 Jahren ist sie immer noch Hohn und Spott der Einheimischen ausgeliefert. Die Gesetze erlauben kaum Freiheiten. In der Aussichtslosigkeit wird eine Zufallsbegegnung zum Hoffnungsschimmer.

Die Geschichte ist nicht in Kapiteln sondern in Strophen aufgeteilt. „Miroloi“ bedeutet Totenlied. Keinen Besitz, Namen, keine Anerkennung trotz aller Schufterei. Die Ich-Figur hat ein schweres Schicksal zu tragen, ist nicht nur Außenseiterin, sondern wird für alles Schlimme verantwortlich gemacht. Sie erlebt nicht nur Ausgrenzung und Kälte, sondern wird ausgenutzt und missbraucht, misshandelt und an den Pranger gestellt. Eine Existenz, der die Chance genommen wird aufzublühen und in Freiheit zu leben. Es gibt nur sehr wenige Lichtblicke, eine zu begrenzte Anzahl von Menschen mit Herz, die sie schützen wollen und zu ihr stehen. Mit einer Begegnung kommt die Veränderung. Es gibt ein paar kreative Bezeichnungen bezüglich Überkopfwelt, und die Wandlung der Ich-Figur ist interessant. Leider fehlt es an Identifikationsfiguren, an einer guten Lesestimmung, mitreißenden Atmosphäre. Das geballte Negative, Kälte und Hass sind schwer zu ertragen. Handlungsort, Gesellschaft, Gesetze, das Verhalten der Dorfbewohner, Strafen, Alltag, irgendwie passt nichts zusammen. Es entsteht kein glaubwürdiges Bild. Normalerweise ist eine Gesellschaft ohne technischen Fortschritt interessant. Fragen bleiben unbeantwortet. Es fällt schwer, bis zum Ende durchzuhalten und das Schicksal der Hauptfigur weiter zu verfolgen. Zu bestimmend ist die Aussichtslosigkeit. Eskalationen lassen sich erahnen. Manche Entwicklung überrascht. Aus dem Schockierenden kommt die Story auch auf den letzten Seiten nicht heraus, aber es entsteht zeitweise mehr Atmosphäre. Liebe, Erniedrigung, Hass, Mut, Stärke, das Emotionale gewinnt in den Schlusskapiteln an Ausdruck und Kraft.

Titel, Covergestaltung und die ungewöhnliche Buchschnittabdeckung erregen Aufmerksamkeit. Sehr gut gewählt sind die Farben Blau und Weiß. „Miroloi“ nimmt sich den Themen „Stellung der Frau in der Gesellschaft, Kampf um Gleichberechtigung, Menschenwürde“ auf ungewöhnliche, aber auch sehr drastische Weise an. Auf Erzählstil und Inhalt lässt sich schwer vorbereiten. Der Roman spaltet die Gemüter und drückt mit seiner Stimmung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.09.2019
Dead Lions / Jackson Lamb Bd.2
Herron, Mick

Dead Lions / Jackson Lamb Bd.2


ausgezeichnet

„Dead Lions: Ein Fall für Jackson Lamb“ ist nach „Slow Horses: Ein Fall für Jackson Lamb“ Band 2 der Jackson Lamb-Krimireihe von Autor Mick Herron. Ein Todesfall weckt Misstrauen.

Ein Chiffrierfachmann stirbt an einem ungewöhnlichen Ort angeblich an einem Herzanfall. Obwohl der ehemalige Spion aus kalten Kriegszeiten nie eine große Rolle spielte, ist sein Ableben für Jackson Lamb verdächtig. James Webb von der MI5-Zentrale Regent's Park beordert zwei von Jacksons Leuten für Security-Jobs ab. Sie sollen einen russischen Oligarchen beschützen. Die Slow Horses ahnen eine falsches Spiel.

Eine überraschende Begegnung und ihre Folgen sind gut inszeniert. Der direkte Einstieg entführt in eine abenteuerliche Agentenwelt mit zahlreichen Fallstricken. Auf sehr kreative und unterhaltsame Art gibt es ein Wiedersehen mit den Slow Horses. Wer Band 1 nicht kennt wird auf besondere Weise in die Geschichte eingeführt und findet sich schnell zurecht. Was hat es mit den Neuzugängen bei Slow Horses auf sich? Hoffnung auf die Rückkehr in die MI5-Zentrale ist bei allen abgeschobenen Agenten unter Jackson Lambs harter Führung die Antriebsfeder. Jede Chance wird ergriffen, auch wenn sie von Ekelpaket James Webb kommt. Nicht nur Webb bringt zwei Slow Horses wieder ins Spiel, auch Jackson Lamb hat seine eigenen Pläne. Seltsame Ereignisse und ein rätselhafter Gegner bringen den Krimi schnell in Fahrt. Spannung und Unterhaltungswert bleiben auf einem hohen Niveau. Autor Mick Herron erzählt die Geschichte auf unnachahmlich schalkhafte und gewiefte Weise. Details und Dialoge sind treffsicher. Das Geplänkel zwischen den Slow Horses und Jackson Lambs spezielle Eigenarten im Umgang mit Verbündeten und Gegnern haben viel Witz. Die Lage ist ernst und Zusammenhalt gefragt. Überraschende Wendungen und eine schockierende Entwicklung, Band 2 trumpft mit einem raffinierten Plot auf, bringt zum Schmunzeln, entsetzt und lässt dem Leser keine Atempause. Im letzten Buchdrittel steigert sich die Spannung noch. Ein Zickzackkurs mit rasantem Tempo. „James Bond“ ist dagegen eine lahme Maus. Perfekte Unterhaltung und ein passend ungewöhnlicher Ausklang.

Das Cover hat Seriencharakter. Der Titel weckt die Neugierde. Was hat es mit den „Dead Lions“ auf sich? War Band 1 schon spannend und unterhaltsam, setzt Band 2 noch einen drauf. „Dead Lions: Ein Fall für Jackson Lamb“ toppt die Erwartungen. Autor Mick Herron ist eine ganz eigene Liga. Band 3 wird mit latenter Ungeduld und drängender Neugierde erwartet.

Bewertung vom 28.08.2019
Aus der Dunkelheit strahlendes Licht
Gappah, Petina

Aus der Dunkelheit strahlendes Licht


gut

Von Autorin Petina Gappah stammen unter anderem der Roman „Die Farben des Nachtfalters“ und die Erzählungen „Die Schuldigen von Rotten Row“. In ihrem zweiten Roman „Aus der Dunkelheit strahlendes Licht“ nimmt eine Expedition eine ungeahnte Wendung.

„Seit ihrer Jugend ist Petina Gappah von der Geschichte um David Livingstone besessen - dem berühmten schottischen Missionar und Afrikaforscher, der sich des großen geografischen Rätsels seiner Zeit verschrieben hatte, der Entdeckung der Nilquellen. Aus Faszination wurde ein Roman: Als Livingstone 1873 auf der Suche stirbt, will seine treue Gefolgschaft seinen Leichnam in seine Heimat zurückbringen. So machen sich 69 Gefährten auf den wagemutigen Weg, ihn quer durch Afrika zu tragen, angeführt von einer jungen Frau - Halima, Livingstones scharfzüngiger Köchin.“

Der Prolog stimmt auf eine abenteuerliche Geschichte ein. David Livingstone, von seinen Reisegefährten Bwana Daudi genannt, wird sein Ziel nie erreichen. Der Roman stützt sich auf zwei Perspektiven. Sehr unterhaltsam sind Halimas Erinnerungen an den Doktor und die Ereignisse. Die eigenwillige, kluge und scharfzüngige Köchin weiß sich zu wehren, Dinge anzusprechen und zu lenken. Sie lässt sich auch von ihrem Mann Amoda kaum aufhalten. Der Einstieg zur Geschichte wirkt feierlich, wenn auch dramatisch. David Livingstone hat Sklaven gerettet und sie aufgenommen, stand aber auch oft genug den kaltblütigen Sklavenhändlern hilflos gegenüber. Er bildet das Zentrum der Geschichte. Mit seinem Tod stehen seine Begleiter vor einer Herausforderung. Was ist zu tun? Die nachfolgende Reise mit dem Leichnam wird aus Sicht des angehenden Missionars Jacob Wainwright erzählt. Er versucht alles, so viele Menschen wie möglich zum Christentum zu bekehren, gerät aber an seine Grenzen. Gegensätzlicher können zwei Reiseberichterstatter nicht sein. Jacob leidet an religiöser Selbstüberschätzung. Das macht ihn fast sympathisch. Seine stoische, arrogante Art lässt Halimas Mut und Direktheit vermissen. Rätselhaft bleibt ein Außenseiter. Welchen Plan verfolgt er? Oder will er nur Zwietracht säen? Mysteriöse Vorkommnisse häufen sich. Die Auflösung überrascht nicht. Bewundernswert sind die Recherchen, die für diesen Roman nötig waren und die jahrelange Arbeit. Herausgekommen ist ein Abenteuer, das durch Jacobs Tagebuch zeitweise etwas langatmig und überkandidelt wirkt, aber durch Halima und eine paar andere Nebenfiguren, Frauen wie Männer, gewinnt.

Der Titel hat etwas Melancholisches und beschreibt das Schicksalhafte und die Hoffnung aufs Glück. „Aus der Dunkelheit strahlendes Licht“ befasst sich nicht nur mit einer riskanten und gefährlichen Expedition sondern auch mit dem Thema „Sklaverei“. Der Wunsch nach Freiheit berührt. Die Fragen zu offenen Schicksalen werden am Ende geklärt. Eine Namensverwechslung fällt auf, ansonsten eine runde Geschichte mit Entdecker-Flair und vielen Herausforderungen.

Bewertung vom 27.08.2019
Geblendet / Jenny Aaron Bd.3
Pflüger, Andreas

Geblendet / Jenny Aaron Bd.3


sehr gut

Nach „Endgültig“ und „Niemals“ ist „Verblendet“ Band 3 der Jenny Aaron-Thrillerreihe von Autor Andreas Pflüger. Der Gegner ist immer einen Schritt voraus.

Die Blindheit hat die Sinne der Elitepolizistin Jenny Aaron geschärft. Eine Therapie soll ihr das Augenlicht zurückgeben. Jenny Aaron ahnt nicht, was für Schwierigkeiten mit ihrem größten Wunsch auf sie zukommen. Feind Svoboda spinnt im Hintergrund seine Fäden. Nicht nur Jenny ist in Gefahr.

Der Erzählstil am Anfang überzeugt nicht. Er wirkt seltsam gestelzt und altmodisch. Das ändert sich mit dem 1 Kapitel „Heute“. Der Handlungswechsel sorgt für Verwirrung. Wie passt alles mit dem Beginn der Geschichte zusammen? Nur langsam bilden die beiden Puzzlestücke ein vollständiges Bild. Mit den Feinden, die Jenny Aaron ins Visier nehmen, kommt der Thriller in Fahrt. Intrigen, Schuld, Trauer, Verlust, Rache, die Spannung steigt mit überraschenden Wendungen und einer bedrohlichen Ausweglosigkeit. Ein Gegner ist übermächtig und bringt alle an ihre Grenzen. Erschütternde Szenen werden packend, mit hoher Intensität, detailreich erzählt und stechen heraus. Jennys Hochgeschwindigkeitsleben erhält einen neuen, traurigen Höhepunkt. Sehr gut gelungen sind auch die Zehn-Dinge- bzw. Aufzählungseinschübe. In Abständen positionierte Satz-Wiederholungen verdichten das Emotionale und die Atmosphäre. „Als sie ging, stampfte in ihrer Brust die Musik zu einem Film, der längst gerissen war.“ Längst hat der Thriller an Klasse gewonnen. Die Beschreibungen werden immer treffender und setzen Statements. Der Vergleich mit den Samurai ist gelungen. Eine Kampfkunst ist erschreckend tödlich, kreativ und originell. Zwischendurch wirkt die Geschichte immer mal wieder zusammenhanglos. Zeitsprünge oder Rückblicke verwirren. Eine Wiederholung im Perspektivwechsel hätte nicht sein müssen. Der Showdown erinnert an „Mission Impossible“. Packende Hochspannung sehr gut inszeniert. Am Ende kommen Wahrheiten auf den Tisch. Ein gelungener Ausklang mit ungewöhnlichen Einblicken.

Das Cover zieht mit der neongelben Hintergrundfarbe alle Blicke aufs Buch. Der Titel ist sehr gut in Szene gesetzt. Nicht nur Jennys außergewöhnliche Fähigkeiten kommen in „Geblendet“ fesselnd zur Entfaltung. Mit dem originellen Expertenwissen fließt viel Neues ein. Auch wer die vorherigen Bände nicht gelesen hat, findet sich zurecht. Besser ist es, in Reihe zu lesen. Eine packende Agentenlektüre mit eine paar Tempopausen z.B. durch Rückblicke.

Bewertung vom 23.08.2019
Hope
Martin, Peer

Hope


ausgezeichnet

In „Hope - Es gibt kein Zurück. Du kommst an. Oder du stirbst“ von Autor Peer Martin lässt sich Mathis auf ein ungeahntes Abenteuer ein, das sein Leben verändert.

Der 19jährige Kanadier Mathis Mandel plant eine Reportage über die Zerstörung der Erde und der daraus resultierenden Völkerwanderung. Er sucht nach einem Flüchtling, den er auf der gefährlichen Route nach Amerika begleiten kann. Mit einem elfjährigen Kind, das ihn aus einer brenzligen Situation rettet, hat er nicht gerechnet.

Der Vorspann bringt einem die Hauptfigur näher. Selbst Freundin Florence hält nichts von Mathis' Ambitionen als Möchtegern-Journalist und seinem verrückten Projekt. Trotz aller Widerstände und Herausforderungen hält Mathis an seinem Ziel fest und erweckt allein dadurch schon Sympathien. Flüchtling Hope verschweigt etwas und bleibt über lange Zeit eine rätselhafte Hauptfigur. Von Anfang an schlüpft eher Hope in die Rolle des Beschützers als Mathis. Die taffe und weise Art des Kindes hat einen hohen Unterhaltungswert. Mathis geht blauäugig und naiv an das Abenteuer heran und muss Einiges einstecken und lernen. Bald werden die Zwei zu einem unschlagbaren Team. Alle Charaktere in diesem Roman haben eine eigene Persönlichkeit. Unterwegs kommt es zu schicksalhaften Begegnungen. Ihre Reiseroute ist auf den ersten und letzten Klappseiten dargestellt. Immer brutaler werden die Auseinandersetzungen mit ihren Gegner. Manches ist schwer zu ertragen. Die Geschichte orientiert sich ganz nahe an der Realität und macht daher oft umso fassungsloser. Viele Themen zum Klimawandel und zu Flüchtlingen werden angesprochen und berühren. Die regelmäßigen Einschübe wie „Fakten“ und „Hoffnung“ erweitern das Wissen und geben tiefe Einblicke. Trauer und Verlust, der Roman führt in emotionale Ausnahmesituationen, hält der Welt den Spiegel vor und entwickelt eine unglaubliche Intensität. Längst ist der Leser hautnaher Zuschauer der Geschehnisse. In der Geschichte steckt sehr viel Recherche. Kaum zu glauben, dass der Autor die spektakuläre Route nicht selbst bereist hat. Bilder und Szenen wirken wie aus dem Leben gegriffen. Spannung und Dramatik steigen. Es gibt kaum Verschnaufpausen. Zum Schluss überschlagen sich die Ereignisse und rühren zu Tränen.

Eine tolle Covergestaltung! Der Schmetterling steht als Symbol für die Natur und zieht alle Blicke aufs Buch. Der Titel stimmt auf eine packende und abenteuerliche Geschichte ein. „Hope – Es gibt kein Zurück. Du kommst an. Oder du stirbst.“ übertrifft alle Erwartungen. Ein Roman, der viel Raum einnimmt und Zeit verlangt. Fesselnd, überraschend, eine Geschichte, die tief unter die Haut geht und niemanden kalt lässt. Sehr, sehr empfehlenswert! Nichts für zartbesaitete Gemüter. Die Realität zeigt ihre brutalen Facetten. Ich hoffe, dass dieses Buch sehr viele Leser jeden Alters ab 16 Jahren findet. In jedem Einzelnen steckt Hoffnung.

Bewertung vom 11.08.2019
Nichts bleibt so, wie es wird
Bechtolf, Sven-Eric

Nichts bleibt so, wie es wird


gut

In seinem Roman „Nichts bleibt so, wie es wird“ nimmt Autor, Schauspieler, Theater- und Opernregisseur Sven-Eric Bechtolf die Theaterwelt auf schräge, tragische und satirische Weise aufs Korn.

Die Opernpremiere seines Figaro steht für den 63jährige Regisseur Herwig Burchard unter einem düsteren Stern. Nicht nur der Dirigent bringt ihn zum Verzweifeln, auch Kritiker Dr. Dr. Dietmar Müßig, stellvertretender Chefredakteur der „Kobrücker Nachrichten“, steht mit einem seiner üblichen Verrisse in den Startlöchern. Kein Wunder, dass ein Streit ausufert.

Der direkte Einstieg mit Herwig auf 180 und einer sehr gefassten Referentin ist gelungen. Frau Bruck ist wie Herwig ein Unikat und der krasse Gegensatz an Selbstbeherrschung. Sie bildet die Konstante des Romans und wirkt wie ein Fels in der Brandung. Hauptfigur Herwig Burchard ist mit seinem schroffen Verhalten keine Identifikationsfigur. Im Laufe der Geschichte kommt aber ein ganzer anderer Mensch zu tage, dem das Glück zu gönnen ist. Der Roman nimmt sich dem Thema „Alter“ mit Seitenhieben gegen Kritiker und hochrangigen Theaterakteuren an. Hinter den Kulissen werden Intrigen gesponnen und Dritte ins Abseits gedrängt. Kobrück ist Herwigs letzte Station einer erfolgreichen Karriere. Mit Sarkasmus und Ironie wird seine Geschichte erzählt. Tatsächlich stimmen die Meinungen von Publikum und Kritiker nicht überein. Persönliches ist der Grund für Abwertungen und Verrisse. Eskalationen nehmen Fahrt auf. Modernes Theater trifft auf alternden Regisseur. Nebenfiguren wie Alberto und besonders Handwerker Robert haben Unterhaltungswert. „Porca miseria!“ wird zum Dauerkalauer. Die Wende ins Tragisch-Dramatische überrascht. Spannung kommt auf. Der Roman erinnert an ein Bühnenstück. Das letzte, facettenreiche Buchdrittel hat einen hohen Unterhaltungswert. Schicksalhaftes und Ergreifendes fesselt. Der Epilog setzt humoristisch und emotional noch einen drauf. Viel Feinsinn und ein berührender Abschluss.

Der Titel hat Humor und passt perfekt zum Inhalt. Hintergrund und Farben sind sehr gut gewählt. Mit wenigen Mitteln ein Cover, das Aufmerksamkeit erregt. „Nichts bleibt so, wie es wird“ entfaltet zu spät seine tatsächliche Qualität. Es lohnt, sich Zeit für diesen Roman und seine Hauptfigur zu nehmen. Der Wandel, die Veränderung ist das Besondere und die Suche nach dem Glück.

Bewertung vom 27.07.2019
Aller toten Dinge sind drei / Elsa van Graaf Bd.1
Ohle, Bent

Aller toten Dinge sind drei / Elsa van Graaf Bd.1


gut

In Band 1 „Aller toten Dinge sind drei“ der Landfrauenkrimi-Reihe von Autor Bent Ohle stellen makabre Ereignisse Elsa van Graaf vor ein Rätsel.

Elsa van Graaf arbeitet für die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Landfrauenverbandes und begleitet als Chefsekretärin und Assistentin die Präsidentin Astrid Stegmeier erstmalig auf eine Dienstreise. Die Landfrauen in Uplengen sind begeistert von dem hohen Besuch. Getrübt wird das Treffen nur von skurril in Szene gesetzten Morddrohungen.

Das Buchformat ist ungewöhnlich, aber handlich. Eine grobe Skizze von Uplengen auf den ersten Seiten stimmt auf den Krimi ein. Zurückhaltend wie die Gestaltung ist anfangs auch der Krimi. Mit dem Eintreffen in Uplengen kommt Landfrauen-Atmosphäre auf. Originell ist die Idee, wie die Morddrohungen ins Spiel kommen. Dorftypisches und die Sprache haben Unterhaltungswert. Der wortkarge Oberkommissar Lütsch bringt mit eigenwillig-kurzen Kommentaren Humor in den Krimi. Über lange Strecken hält sich Hauptfigur Elsa van Graaf mit ihren Alleingängen in Sachen Ermittlung noch zurück. Erst im letzten Buchdrittel kommt sie mehr in Fahrt. Humoriges wird mit originellen Ideen eingeflochten. Hinsichtlich Morddrohungen tappen alle lange im Dunkeln. Nach und nach tauchen verschiedene Hinweise auf Tatverdächtige auf. Auf dem Land ist mehr los als vermutet. Verwicklungen nehmen zu und Geheimnisse werden aufgedeckt. Was ist das Motiv und wer agiert aus dem Hinterhalt? Die Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Krimi. Elsa trifft mir ihren Recherchen auf zu wenig Gegenwehr, schließlich ist sie eine Außenstehende ohne besondere Vollmacht. Ihre Dreistigkeit und Unverfrorenheit machen sie aber auch sehr sympathisch. Die Ankündigung auf dem Cover-Einklapptext eines Ermittlerinnen-Duos trifft, jedenfalls für den ersten Band, nicht zu. Zu unüberlegt und ohne Repressalien plaudert Elsa einfach so gleich mehrfach Polizeiinterna aus. Auf den letzten Seiten erinnert die Hauptfigur ein bisschen an Miss Marple. Die Auflösung ließ sich so nicht erahnen. Ein gut gestrickter Plot, unterhaltsamer Krimi mit urigen Details. Manche Charaktere hätte noch etwas mehr Tiefe und schräge Züge vertragen können. Auch die Spannung kommt etwas zu kurz.

Titel und Ortsschild wecken die Neugierde auf den Landfrauenkrimi. Die Zeichnung schürt die Hoffnung auf Lokalkolorit. „Aller toten Dinge sind drei“ erfüllt die Erwartungen einer humorvollen und rätselhaften Geschichte. Bis zum Ende werden Spekulationen geschürt. Eine Verfilmung wäre möglich. Der Auftakt eignet sich gut als Urlaubslektüre für die Reise oder Balkonien.

Bewertung vom 24.07.2019
Silberdrache Bd.1
Sage, Angie

Silberdrache Bd.1


weniger gut

„Silberdrache“ bildet den Auftakt zur Fantasy-Jugendbuchreihe von Autorin und Illustratorin Angie Sage. Von ihr stammt auch die „Septimus Heap“-Fantasy-Reihe um Findelkind Jenna.

Nachdem ein gefährliches Raptoren-Geschwader vorbeigeflogen ist, macht Joss einen schicksalhaften Fund. Der seltsame Stein ist ein ganz besonderes Drachenei. Joss und seine Schwester Allie schützen das Geheimnis um seine Existenz. Trotzdem geraten sie bald in Gefahr.

Zwei Welten, zwei Handlungsstränge. Die Geschichte beginnt in London mit einem mysteriösen, wertvollen Besitz. Wie hängt alles zusammen? Die Frage stellt sich bald. Leider sind Erzählstil und Dialoge sehr holprig. Auch kommen immer wieder in kurzen Abständen störende Wiederholungen mit gleichem Inhalt auf. Die Boshaftigkeit und Durchtriebenheit einer Familie wirkt sehr übertrieben. Nur eine Person aus dem Umfeld hat etwas Sympathisches. Die Hauptfiguren Joss und Allie haben wenig Facetten. Nur Joss' Beziehung zu dem Silbernen Drachen berührt, aber auch hier gibt es bei Beschreibungen und Atmosphäre noch viel Luft nach oben. Die Bezeichnung „Bundesgenossen“ für eine enge Verbindung zwischen Drachen und Mensch wirkt sehr störend und nicht sonderlich kreativ. Die anerzogenen, grauenhaften Drachenvorlieben sind genauso abstoßend wie Details zur Fütterung, Entsorgung und alltäglichen Verrichtungen im Zusammenhang damit. Zwei Drachen stehlen allen anderen Protagonisten die Show. Aber auch sie bleiben zu blass, und es fehlt der Geschichte an mitreißender Intensität. Spannung kommt nur sehr dosiert vor und ebbt schnell wieder ab. Das Böse nimmt generell Überhand. Viele dieser Charaktere sind austauschbar und haben nur begrenzte Charakterzüge. Auffällig sind konstruierte Verzögerungen. Zum Schluss nimmt das Tempo zu. Auch die Showdown-Szenen weisen Schwächen auf. Es fehlt an einer flüssigen, dem Abenteuer eine besondere Energie verleihenden Sprache.

Im Gegensatz zum Titel hat der Drache auf dem Cover eine blaue Farbe und wirkt eher böse. Die auffällige Gestaltung zieht, auch wenn nicht ganz passend, die Blicke aufs Buch. Für „Silberdrache“ ist eine Altersempfehlung ab 11 Jahren angegeben. Das Buch hat zu viel Tyrannei und hinterlistige Grausamkeiten. Es fehlt an Leichtigkeit. Auch der Humor kommt viel zu kurz und sympathische, urige Charaktere sind kaum vorhanden. Ein zweites Geheimnis macht neugierig.

Bewertung vom 21.07.2019
Der Blütenjäger / Laura Kern Bd.4 (1 MP3-CD)
Shepherd, Catherine

Der Blütenjäger / Laura Kern Bd.4 (1 MP3-CD)


sehr gut

Nach „Krähenmutter“, „Engelsschlaf“ und „Der Flüstermann“ ist „Der Blütenjäger“ Band 4 der Laura Kern-Thrillerreihe von Autorin Catherine Shepherd. Ein Serientäter treibt sein Unwesen und hinterlässt keine Spuren.

Zwei Opfer weisen eindeutige Parallelen auf. Laura Kern, Ermittlerin vom Landeskriminalamt Berlin, hat es mit einem kaltblütigen Serienkiller zu tun, der es auf junge Frauen abgesehen hat und ihnen keine Chance lässt. Der Täter verfolgt eine grauenvolle Strategie und nichts scheint ihn aufzuhalten.

Ein fataler Fehler führt zur Katastrophe. Der Prolog bietet Nähe zum Geschehen und einen fesselnden Einstieg in die Geschichte. Wer ist der Täter, und was hat er für ein Motiv? Der Fokus liegt auf den Recherchen von Laura Kern. Gut inszeniert sind die Irreführungen mit falschen Fährten. Spekulationen werden in Gang gesetzt und wechseln immer wieder die Richtungen. Sprecherin Beate Rysopp ist die perfekte Besetzung für das Hörbuch. Sie sorgt für mehr Intensität bei packenden Szenen und untermalt Angst, Schrecken und aufkeimende Hoffnung. Gut durchdacht ist das Verhalten des Täters, der mit Intelligenz und Planung übermächtig wirkt. Seine Taktiken haben etwas erschreckend Reales. Bald kommen Fragen auf, warum die Polizei aufgrund der anhaltenden Bedrohung ihre Maßnahmen nicht verstärkt. Auch bleiben Presse und Bevölkerung außen vor. Stattdessen nimmt Ermittlerin Laura viel Raum ein und steht vor einem scheinbar unlösbarem Rätsel. Lauras Beziehung zu Profiler Taylor hat Brisanz und Unterhaltungswert. Er sticht mit seinen Ecken und Kanten Lauras Kollege Max aus. Mit Rückblicken und einem weiteren Handlungsstrang wird die Spannung gesteigert. Es lässt sich erahnen, dass Autorin Catherine Shepherd noch einen Trumpf in der Hand hat. Ein Verwirrspiel bis zum Schluss. Das Ende ist stimmig.

Das Cover setzt den Inhalt perfekt in Szene. Der Titel ist kreativ und stimmt auf eine packende Jagd ein. Jedes Coverdetail passt und unterstreicht die lauernde Gefahr. „Der Blütenjäger“ ist ein moderner Thriller, der vom Spürsinn und Instinkt seiner nicht fehlerlosen Hauptfigur lebt. Die Basisidee ist originell und gruselig zugleich. Nichts für zartbesaitete Partygänger, die zu Alpträumen neigen.

Bewertung vom 20.07.2019
Die Tage mit Bumerang
Sahm, Nina

Die Tage mit Bumerang


gut

Nach „Das letzte Polaroid“, „Das ganze Leben da draußen“ und „Das Alphabet meiner Familie“ ist „Die Tage mit Bumerang“ das neueste Werk von Autorin Nina Sahm. Annus Welt liegt plötzlich in Scherben.

Ein Unfall stellt Annus Leben auf den Kopf. Eben noch haben sie und ihr bester Freund Lars samt Familie eine glückliche Zeit verbracht, dann ändert ein tragischer Unfall alles. Annu fühlt sich schuldig, einsam und verlassen und versucht bald zu retten was zu retten ist.

Nicht nur im Prolog leben glückliche Erinnerungen auf. Warmherzig erzählt wird im Laufe der Geschichte das erste Kennenlernen der Eltern. Am Anfang vergehen zu viele Seiten mit Alltag. Annus bester Freund Lars und seine Familie sind ihr Rettungsanker, der plötzlich mit einem einschneidenden Ereignis wegfällt. Fragen kommen auf, was Annus Verhalten betrifft. Sie steht sich oft selbst im Weg, fängt aber Stück für Stück wieder an zu kämpfen. Schwung kommt erst in die Geschichte mit dem Auftauchen eines ungewöhnlichen Zeitgenossen. Die menschlichen Charaktere bleiben bis auf eine Ausnahme zu blass. Annus Weg zurück ins Leben ist langwierig. Für Unterhaltungswert sorgt hauptsächlich ein tierischer Akteur. Übertrieben wirkt das Verhalten besonders einer Dorfbewohnerin. Annu wird gemieden und isoliert. Mehr urige und skurrile Typen im dörflichen Umfeld werden möglich gewesen. Die schrägen einflussnehmenden Zufälle sind gut inszeniert. Die Geschichte hätte noch mehr Verrücktes und Humor vertragen können. Es entwickelt sich aber nach und nach eine liebenswertere und warmherzigere Atmosphäre. Ein bisschen viel Verzögerungen durchs menschliche Hin und Her finden statt. Gelungen ist eine Kommunikations-Tradition, die zur Nachahmung animiert. Das Ende lässt sich erahnen. Kleine Geheimnisse werden gelüftet. Der Abschluss ist gelungen.

Titel und Schaf wecken die Neugierde. Das Cover hat mit wenigen Details und einem kreativen Hintergrund Humor. „Die Tage mit Bumerang“ setzt die Themen „Freundschaft und Liebe“ ungewöhnlich, aber zeitweise auch etwas langatmig um. Bumerang stellt alle anderen Protagonisten mit seiner Eigenwilligkeit in den Schatten und erscheint auch viel aktiver als die Hauptfigur, die ein bisschen zu lange Selbstmitleid und Blockaden nachgibt.