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LichtundSchatten

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Insgesamt 321 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2023
Werner, Florian

Die Zunge


ausgezeichnet

„Eine Zunge kann kosten, staunen, lecken, schmecken, zeigen, küssen, sprechen, stechen und leider auch abgeschnitten werden. Mit diesen Gliederungspunkten lesen wir in diesem Buch alles, wirklich aber auch alles über ein Organ, das normalerweise weit oben mitläuft ohne in ihrem Können ganz oben im Gehirn anzukommen in ihrer wahren Bedeutung.

„Diesem Organ haftet, ganz wertneutral gesprochen, etwas zutiefst Animalisches an. Es verbindet uns anatomisch mit dem Tierreich, mit sabbernden Hofhunden, Fliegen fangenden Fröschen oder Katzen, die mit der Zunge das kotverschmierte Fell ihres Nachwuchses saubermachen. Durch ihre schiere Existenz verweist die Zunge auf die grundlegendsten Bedürfnisse des saugenden, kauenden, verdauenden Körpers; Eigenschaften, die wir mit etlichen anderen Lebewesen teilen.“

Es stimmt, die Zunge bleibt ein hinter den Zähnen verschanztes, feucht schillerndes Geheimnis. Mit diesem Buch werden Dinge erhellt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. So wollte Erdogan nicht zulassen, dass jemand dem Propheten die Zunge herausstrecke: „Es ist unsere Pflicht, diese Zunge herauszureißen“. Die populäre türkische Sängerin Sezen Aksu hatte ein Lied veröffentlicht, „Es ist wunderbar, am Leben zu sein“, in dem Adam und Eva als Dummköpfe verspottet werden.

Die erste Stufe zum Mord ist das Herausschneiden der Zunge, mit dem der Delinquent ruhig gestellt und bestraft werden soll, durch die Nicht-Fähigkeit des Sprechens. Und baumelt man am Galgen, kann dann nicht mal mehr die Zunge heraushängen als letztes sicheres Zeichen des Todes.

Sezen Aksu ließ sich nicht einschüchtern und veröffentlichte ein neues Lied: „Du kannst mich nicht umbringen, ich habe meine Stimme, mein Instrument und meine Sprache – ich stehe für uns alle.“ Ins Gefängnis allerdings musste eine Journalistin, die ohne den Namen Erdogan zu sagen, das zum Besten gab: „Wenn ein Ochse in einen Palast einzieht, wird er damit nicht zum König, sondern der Palast wird zum Stall.“

Man sollte also in diktatorischen Umgebungen die Zunge im Zaum halten mit öffentlichen Anklagen und sie mehr für das Kosten und Küssen einsetzen. Wenn ich dieses Buch vergleichen würde mit einer echten feinen Gourmet-Kost dann wäre es ein langes, überraschendes 5 Gänge Menü mit zahlreichen, überraschenden Grüßen aus der Küche.

Dass Zunge und Phallus miteinander verwandt sind und Sklaven nicht nur das untere, sondern auch das obere Organ entfernt wurde, es war wohl so, obwohl die abgeschnittene Zunge Sklaven eher weniger wertvoll machte. Deswegen waren Eunuchen mit Zunge eher an der Tagesordnung. Die Sklavengeschichte ist heute relativ gut erklärt, z.B. im Buch von Egon Flaig: Weltgeschichte der Sklaverei. In jedem Fall aber war mit der Hinweis auf "Mr. Cruso, Mrs. Barton & Mr. Foe: Roman" von Herrn Werner sehr wertvoll, ich werde dieses Buch lesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.11.2023
Schreyl, Marco

Alles gut? Das meiste schon!


weniger gut

"Die Beziehung zu meiner Mutter bekam einen fetten Riss." Daran erinnere ich mich primär nach diesem Buch. Es beinhaltet eine Abfolge von Begebenheiten, die zeitlich hin- und herspringend, eher verwirrend, erzählt werden. Oft wusste ich nicht, in welchem Jahr ich war.

Marco Schreyl vermittelt das Krankheits-Drama mit seinen Eltern, vor allem der Mutter. Alles klingt zwar liebevoll, aber doch merkwürdig wenig sagend. Ich weiß nicht, welche Bücher er gelesen hat, welche Träume er hatte oder wie die christliche Erziehung in der DDR auf ihn wirkte. Letzteres hätte mich besonders interessiert, um einen Abgleich mit einem kommunistischen System zu bekommen.

Das Schicksal seiner Eltern war hart und er litt mit. So geht es unzähligen Menschen. Ich habe das verstanden und erkenne die Seele des Jungen/Mannes, der einfach mitfühlend mittendrin war. Trotzdem wirken die Aneinanderreihungen von Begebenheiten luftleer. Die Ohrringe seiner Mutter erinnert er und die Liebe seiner Oma.

Das Buch kommt von der Oberfläche nicht in den Tiefgang, alles passiert irgendwie und der Junge wird groß, erfolgreich, redet im Radio, Fernsehen, wird bekannt. Und er macht sich permanent Sorgen.

O-Sätze:

„Wenn ich an meine Oma denke, dann denke ich an die kleine untersetzte Frau, die so herzhaft lachen konnte.“

Seine Mutter sagte jeden Morgen mit glitzernden Ohrringen mit einem geschliffenen Glitzerstein: „Pass schön auf Dich auf.“

Es war mir zu viel Krankheit der Eltern, ein Drama ohnegleichen, das in zu vielen Details erklärt wird. Ich will nicht mit im Wartezimmer sitzen, wenn die Analyse der Blutwerte ansteht. Dass Marco Schreyl trotzdem einen so positiven Eindrucke macht, es scheint ein kleines Wunder.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.11.2023
Michael, Klonovsky

Rote Linien


ausgezeichnet

Michael Klonovsky kann verständlich erklären und Zusammenhänge auf den Punkt bringen wie wenig andere. Es scheint an der Zeit, überzogene moralische Allmachtsphantasien zu vergessen und alle Kräfte auf das zu konzentrieren, was wir leisten können.

Die ursprünglichen Podcasts kenne ich und konnte sie so wieder auflesen, ein sehr gelungenes, kluges Buch. Ideologien enden, aber nicht sachliche Kritik. Das Oberkommando Weltmoral kann sich durch dieses Buch in einer Art Belagerung fühlen, und das ist auch gut so.

Bewertung vom 07.11.2023
Schreiber, Daniel

Allein


ausgezeichnet

A cup of kindness von Emmylou Harris ist eines meiner Lieblingslieder:

You gave yourself up to the mystery
And sailed the oceans looking for
The secret of the key
To unlock a truth that you may never find
For it was a cup of kindness all the time.

Daniel Schreiber vermittelt mit seinen Gedanken diese Tasse Güte und Freundlichkeit, aus der wir alle trinken und genießen sollten. "Es ist nicht schwer, freundlich zu sein. In der Regel ist es eine der ersten intuitiven Reaktionen, die wir in einer Begegnung mit anderen Menschen haben."

Tatsächlich aber lesen wir in vielen sozialen Medien eher negative Bemerkungen und Beleidigungen, und viele meinen zudem, anderen gegenüber krass ehrlich sein zu müssen. Das Gegenteil aber ist seit Jahrhunderten bewährt und gut: Rücksichtnahme, Liebe und Mitgefühl, sich in andere hineinversetzen lohnt mehr als vieles andere.

Götz Werner, der Gründer der dm Drogerie Märkte und Antroposoph, hat seinen Mitarbeitern das Schauspielern beigebracht, ihnen Rollen zum Spielen gegeben, damit sie sich in ihre Kunden hinein-denken, mitfühlen konnten. Darum geht es im Menschlichen ganz generell. Jeder erzählt eher von sich, statt den anderen aufzunehmen, ihn in sich verstehen zu wollen.

Dafür plädiert der Autor vor allem im Hinblick auf alle Einsamen und sich schuldig Fühlenden, die umso mehr diese Nahrung von außen, von anderen benötigen. Er zeigt es ehrlich an seinem eigenen Erleben und plädiert durchaus für das Leben allein. Es treten dann ganz andere Herausforderungen an einen heran, sie lassen tiefer erleben, machen empfindlicher und mitfühlender. Darum geht es in diesem Buch.

Interessant dabei ist, dass Schreiber nicht für einen alles heilenden Freundschaftsbegriff und schon gar nicht dafür plädiert, im anderen 1:1 aufzugehen. Für ihn war der identifikatorische Gleichklang selten ein Indikator, wie lange eine Freundschaft hielt. Der Rausch des Doppelgängers muss verfliegen, um langfristig jenes Verhältnis zu erreichen, in dem Ungleiches und Nicht-Einer-Meinung sein wirklich bereichern. Auch das Kontra gehört zu einer Freundschaft.

Mit dem Buch von Daniel Schreiber habe ich mich gerne unterhalten und hatte viele Fragen. Einige wurde beantwortet, andere nicht. Mehr kann ich von einem Buch nicht verlangen, die Gedanken waren anregend und weiter führend, höchst spannend.

Bewertung vom 07.11.2023
Konfuzius

Gespräche


ausgezeichnet

Es gibt unzählige Übersetzungen der Aussagen von Konfuzius. Seine pragmatisch klugen, humanen Hinweise sind häufig zu hören und vermitteln meist Richtiges bzw. Nachdenkliches für den gesunden Menschenverstand und die Vernunft.

Was sollte ich sagen, was ist das Wichtigste in einem Menschen? Daraufhin antwortete Hermann Hesse an einen Besucher, also, wenn wir das nicht wissen, dann gehen wir doch zu Konfuzius. Konfuzius beantwortet die Frage, was ist das Wichtigste, mit dem Satz: „Treue zu sich selbst und Güte zu anderen.“

„Die vorliegende Übersetzung geht davon aus, dass die Gespräche des Konfuzius, wie sie heute vorliegen, ein bis ins kleinste Detail durchkomponierter Text sind.“ Viele andere Übersetzungen vermuten dagegen, dass die Gespräche aus unzusammenhängenden Sentenzen bestehen, also einfach Aphorismen und Gedanken darstellen, ein wenig den Vorsokratikern ähnelnd.

Wichtig für dieses Buch ist desweiteren, dass die Aussagen kontextualisiert werden. „Der historische Zusammenhang ist dabei genau so wichtig wie der inhaltliche.“ In der Tat ist es immer wieder spannend, die Ideen und Anleitungen von Konfuzius zu studieren und ihren Bezug zum Leben des Konfuzius im jeweiligen Umfeld und den Schülern zu erkennen.

Diese Neu-Übersetzung von Hans von Ess ist ein großartiges Werk, in dem ich gerne blättere. Einfach aufschlagen und Ideen nachspüren, mit- und vordenken. Hesse hat in seinem Studium der Weisheitslehren immer wieder Konfuzius mit einbezogen, in ihm eine verwandte Seele gesehen. Wie kein anderer hat er in seinen Werken den chinesischen Denker reflektiert und die Ideen für den Westen „verdaulich“ präsentiert.

Konfuzius ist nicht immer eindeutig, er verlangt eigenes Denken zu dem Futter, das er uns reicht. Wir lesen hier auf Seite 529: „Der Meister sprach: Der Edle bezieht andere Meinungen ein, stimmt aber nicht einfach zu, der Kleingeist stimmt einfach zu, bezieht aber andere Meinungen nicht ein.“ Abwägen, durchdenken und durchaus Kompromisse eingehen, aber erst nachdem alles kritisch hin und her gewendet wurde. Darum geht es.

Der richtige Umgang mit Menschen, wie macht man das? „Wer würdevoll ist, wird nicht beleidigt, wer großzügig ist, gewinnt andere für sich, wer verlässlich ist, für den lassen die anderen sich anstellen, wer eifrig ist, der wird Erfolg haben, und Güte reicht dafür aus, andere ausschicken zu können.“ (S. 695) Es geht also um Würde, Großzügigkeit, Verlässlichkeit, Eifer und Güte.

Hesse schrieb: „Wir können und dürfen nicht Chinesen werden, wollen es im Innersten auch gar nicht. Wir dürfen Ideal und höchstes Bild des Lebens nicht in China und nicht in irgendeiner Vergangenheit suchen, sonst sind wir verloren und hängen an einem Fetisch. Wir müssen China, oder das, was es uns bedeutet, in uns selber finden und pflegen.“ [Tagebuch 1920/21]

Hesse beurteilte in späteren Jahren die in Indien herrschende Philosophie aus Resignation und Askese eher negativ und wandte sich stärker dem Chinesischen zu. Er schrieb einer Leserin: „Ich habe nie einen andern gehabt als das, was ich mir aus der Beschäftigung mit den Indern und noch mehr den Chinesen ansammelte.“

Konfuzianismus fordert Veränderungen zunächst immer beim individuellen Menschen. Nur wer sein Inneres ausbalanciert und ins rechte Lot setzt, kann Dinge in der Welt zum Besseren wenden. Dieser Gedanke ist ebenso konstitutiv in Hesses Werk, ein Gleichklang, der mir beide Denker so vertraut und sympathisch macht.

Bewertung vom 06.11.2023
Hagelüken, Alexander

Schock-Zeiten


ausgezeichnet

Selten war So viel Katastrophe, wie wahr. Nach 10 fetten kommen seit Corona wohl 10 magere Jahre. Alexander Hagelüken beschreibt in diesem lesenswerten Buch die Probleme und vor allem, wie man sie lösen könnte. Er benennt Risiken und ihre Entwicklung bzw. die Maßnahmen, um sie wieder aufzulösen.

Anhaltend hohe Inflation wird auch verursacht durch Unternehmen, die gestiegene Preise dann nicht reduzieren, wenn die Basiskosten wieder zurückgehen. So wurde auch der Euro zum Teuro. Hier gilt es gegenzusteuern, durch Vernunft in den Chefetagen und eben nicht durch schamlose Profitmaximierung.

Mit Sicherheit ist es so, dass die Einkommensungleichheit in den letzten Jahrzehnten zu stark angestiegen ist und so der Konsum gebremst wird. Auch hier gilt es gegenzusteuern. Dass die Rente in Deutschland ein in Europa vergleichsweise niedriges Niveau hat, muss sich ändern.

Bildung und Studium muss sich wieder hin bewegen zu den Mint-Fächern: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, weg von sozialwissenschaftlichen Bereichen und Gender-Lehrstühlen, die letzten Endes nur weiteren Eigenbedarf kreieren. Und: „Mehr Fortbildungsangebote an Hochschulen für Beschäftigte, die schon im Beruf stecken.“

Leider lässt das Buch kulturelle Rahmenbedingungen außen vor, die aber wichtig sind, um z.B. zu erklären, warum jedes vierte Kind die Grundschule verlässt, ohne ausreichend lesen zu können. „Die Kultusministerkonferenz ist das Steuerungsorgan der Länder. Es hat nun erneut 20 Jahre lang versagt.“

Der Autor beendet das Buch mit dem Spruch von Erhard, mehr Wohlstand für alle. Schade, dass die Partei dieses Mannes 16 Jahre ebenso glatt versagt hat. „Die Nation entwickelte sich seit der Jahrtausendwende auseinander, weil die 16-Jahre Kanzlerin Merkel die Ungleichheit ignorierte.“

Bewertung vom 06.11.2023
Taylor, Jasmin

Im Namen Gottes


ausgezeichnet

Ein schockierendes Buch über Frauenunterdrückung in der islamischen Republik Iran, dargestellt mit folgenden Basisthemen, die sich mit den dargestellten Frauen bzw. Biografien verbinden und spannend erklärt werden:

Strafmündigkeit
Eherecht
Sorgerecht
Erbrecht
Vergeltungsrecht
Arbeitsrecht
Familienrecht

Die weibliche Bevölkerung wird durch die Scharia, dem islamischen Rechtssystem, in nahezu allen Bereichen diskriminiert und systematisch entmachtet. Die Scharia schließt jegliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau völlig aus. Jeglicher Widerstand wird brutal unterdrückt, mit Folter, Gefängnis und Tod. Die Autorin ruft am Ende mit ihrem 4-Punkte Programm zur Ächtung des Iran auf, mit nachvollziehbaren, klaren Argumenten.

Mir ist das Thema sehr bewusst und die 7 Fälle in diesem Buch vermitteln nochmals die Kompromisslosigkeit eines religiösen Systems, das für eine Vielzahl islamischer Staaten typisch ist. Ilhan Arsel hat das Konzept der islamischen Frauenunterdrückung in einem Buch „Frauen sind Eure Äcker“ umrissen und charakterisiert. Ein Buch, das mir den Atem stocken ließ ebenso wie dieses Buch von Jasmin Taylor.

In einem wichtigen Hinweis auf Seite 7 umschreibt die Autorin den Islam als eine nicht-monolithische Religion mit einer Vielzahl von Strömungen und Traditionen. „Die Idee, dass Gott nicht vor 1400 Jahren sein letztes Wort gesprochen hat, wird heute von fortschrittlichen muslimischen Gelehrten und Intellektuellen unterstützt.“ Ich glaube nicht, dass sich diese Religion der Zeit anpassen und problematische Inhalte des politischen Islams eliminieren kann. Der Euro-Islam von Bassam Tibi ist gescheitert und alle anderen Anstrengungen werden dies ebenso. Hier gibt es nach meinen Erfahrungen keinerlei Hoffnung, im Gegenteil. Es gilt das im Koran nieder geschriebene Wort, unmissverständlich, Zweifel daran sind nicht erlaubt. Die Ereignisse vom 7. Oktober 2023 belegen dies ebenso wie eine Vielzahl anderer Ereignisse.

Empfehlen würde ich zum weiteren Verständnis die Bücher von Dr. Bill Warner, beziehbar über diese Buchplattform: Scharia für Nicht-Muslime, Der Koran in zwei Stunden, Hadith. Er hat die Grundlagenwerke umfassend studiert und fasst sein Wissen verständlich und übersichtlich zusammen.

Bewertung vom 06.11.2023
Bo-reum, Hwang

Willkommen in meiner Buchhandlung


ausgezeichnet

Ich bin Buchliebhaber mit einer großen Bibliothek, aber kein handelsüblicher Leser von Buchhandlungsromanen, die es heute wohl gibt. Ich bin gerne in Buchhandlungen und Büchereien, größeren und kleinen Bibliotheken. Ich stöbere durch neuen Lesestoff, blättere mal hier mal da und mag Nachdenken über Geschriebenes, seien es Romane oder Sachbücher. Ich lese hier: „Eine gute Geschichte war für Yeong-ju eine Geschichte, die sich an einen Ort entführte, den sie nicht erwartet hätte…dass es nichts Tragischeres gebe, als im Leben seine Liebe zu verpassen.“

Vielen Leuten fällt es schwer, ein Buch zu empfehlen, so auch Yeong-ju anfänglich. Sie versucht gleich zu Beginn „Der Fänger von Roggen“ (J.D.Salinger) an den Mann zu bringen, also an einen Kunden. Es wird einem dabei nicht schwindlig ob der Liebe und Spannung, sondern man liest einfache Gedanken von einem Jungen, sagt sie. Sehr interessant! Was denkt der Junge denn, fragt der potentielle Käufer. „Es sind Gedanken über die Welt aus Sicht eines Kindes. Über die Schule, Lehrer, Freunde, Eltern…“ Der Käufer entschließt sich für ein anderes Buch.

Wie also hätte sich die Protagonistin bzw. Buchhändlerin richtig verhalten sollen? Wir lesen in dem Buch ihren Gedanken bzw. Fragen für zukünftige Empfehlungsgespräche: „Welches Buch, das Sie zuletzt gelesen haben, hat Ihnen gefallen? Was beschäftigt Sie im Augenblick besonders?“ Aber auch dann ist es schwer, jemandem ein Buch zu empfehlen, so ihre Gedanken. In der Folge redet sie, stellt Fragen und empfiehlt. Ihr Denken kreist um die Definition von guten Büchern, was machte eines aus?: „Ein Buch, das vom Leben erzählt. Nicht einfach nur so, sondern mit ehrlichem und tiefgehendem Blick.“

Wir sind also mitten im anspruchsvollen Denken und Handeln einer Buchhändlerin, ähnlich unspektakulär wie das Buch „Die Fänger von Roggen.“ Mir hat jede einzelne Seite gefallen und weiter gebracht, ein sehr gelungenes Buch über das Konzept einer Buchhandlung und Menschen, die sich hier treffen. Über Buchempfehlungen und ihre Inhalte, über Sorgen und Nöte der Besucher, ein zutiefst menschliches Buch über die Frage, was eine Buchhandlung am Leben hält.

Tatäschlich hatte ich selbst mal eine Buchhandlung, die ich als Hobby und Zuschussbetrieb mehr schlecht als recht führte. Ich erinnere mich an einen Besucher aus Amerika, der seinen Kopf hereinstreckte und danach fragte, ob wir einen Krimi hätten mit einem Mord in einer Buchhandlung. Er sei auf der ganzen Welt nach diesen Geschichten unterwegs. Tja, man ist baff über Fragen, die einen hier treffen und das Problem, was man jemandem empfiehlt und was dem anderen hilft, ist die schwierigste überhaupt. Kafka hat die Frage nach einem hilfreichen Buch so beantwortet: "Es ist die Axt für das gefrorene Meer in Dir." In diesem Sinne würde ich ein Buch empfehlen, dessen Inhalt helfen kann, jedem! Seine Anleitung fürs Leben geht so:

"Den Mut wie eine Flamme vor sich tragen,
nichts fürchten und nichts unmöglich nennen,
keinen Menschen hassen, nur seinen Irrtum meiden,
alle Menschen lieben, aber das Vertrauen vorsichtig und weise verteilen."
(Unfug des Lebens und des Sterbens, von Prentice Mulford)