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Klara

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Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2015
Tardif, Cheryl Kaye

Wilder Fluss


weniger gut

In Cheryl Kaye Tardifs Roman “Wilder Fluss” bekommt die Anthropologin Delila Hawthorne genannt Del eines Tages im Hörsaal Besuch von einem alten Mann, der den Lieblingssatz ihres Vaters (“Sie hört immer auf ihr Herz”, S. 12) als Code benutzt, um sich zu identifizieren. Es handelt sich um Professor Arnold Schroeder, der ebenso wie Dels Vater und zwei weitere Männer sieben Jahre zuvor bei einer Expedition zum South Nahanni River im Nordwesten Kanadas verschwunden war. Alle wurden wenige Monate später für tot erklärt. Der vorzeitig gealterte und dem Tode nahe Arnold Schroeder teilt ihr mit, dass auch ihr Vater noch lebt und dass sie ihn suchen und retten soll. Er gibt ihr rätselhafte Hinweise, wie sie das anstellen soll und nennt mehrfach den Namen des Wissenschaftlers Jake Kerrrigan, den Del inzwischen kennengelernt hat. Kerrigan arbeitet ebenfalls für die dubiose Firma Bio-Tec Kanada. Vom Computer ihres Vaters sind seit Jahren Dateien verschwunden, hinter denen noch immer eine Gruppe von Leuten her ist.
Del bereitet sofort die Expedition vor und bricht mit einer Gruppe von insgesamt acht Personen zum geheimnisumwitterten Nahanni River auf. Das Unternehmen ist schwierig und gefährlich und konfrontiert die Teilnehmer mit erschreckenden Erkenntnissen.
Tardifs Roman beginnt als Abenteuergeschichte mit Krimielementen, unterlegt mit einer etwas kitschigen Liebesgeschichte und ist in der zweiten Hälfte reine Science Fiction. Da gibt es ein alterungshemmendes Portal. Beim Durchschreiten dieses Portals durchläuft jeder eine Metamorphose auf zellularer und molekularer Ebene und landet 26 Jahre später in der Zukunft. Zugleich mit einem Verjüngungsserum werden den Menschen Nanobots injiziert, in denen ein Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst werden kann, der zu beschleunigter Alterung und zum baldigen Tod führt. Zeitreisen vor und zurück sind möglich. Forscher arbeiten an der Entwicklung eines Serums, um ewiges Leben zu ermöglichen. Wer ein solches Serum besitzt, beherrscht die Welt. Solche Dinge passieren nicht jetzt schon und auch nicht in der Zukunft irgendwo auf der Welt. Das ist pure Fantasie und insgesamt wenig glaubwürdig.
Mir hat diese Mischung von Themen, pseudowissenschaftlichen Theorien und literarischen Genres nicht gefallen. Ich kann den Roman nicht empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2015
Elo, Elisabeth

Die Frau, die nie fror


sehr gut

"Die Frau, die nie fror" (im Original "North of Boston") ist ein interessantes Debüt der amerikanischen Autorin Elisabeth Elo. Im Mittelpunkt des Romans steht Pirio Kasparov, die als Ich-Erzählerin auftritt. Ihre Eltern sind russische Einwanderer. Ihre Mutter Isa starb, da war Pirio gerade 10 Jahre alt. Als Teenager verbringt sie die meiste Zeit mit ihrer Freundin Thomasina. Beide lernen sich auf der Gaston School in Boothbay, Maine, kennen. Thomasina ist ein Scheidungskind reicher Eltern und hochintelligent. Nach dem Schulabschluss kehren beide gemeinsam nach Boston zurück. Pirio steigt in das Unternehmen ihrer Eltern, Inessa Mark, Inc., eine Parfümfirma, ein. Thomasina wird zur Alkoholikerin. Sie lernt Ned Rizzo, Sohn irisch-italienischstämmiger Arbeiter aus South Boston, kennen. Aus dieser kurzen Beziehung stammt Noah. Pirio ist Noahs Patentante. Sie liebt das Kind abgöttisch und gibt ihm Halt, wenn seine Mutter wegen ihrer Alkoholexzesse nicht dazu in der Lage ist. Eines Tages ist Pirio mit ihrem Freund Ned auf seinem Hummerkutter 25 Meilen nördlich vor der Küste Bostons unterwegs, als sie von einem riesigen Frachter steuerbord gerammt werden, der ohne Hilfe zu leisten im Nebel verschwindet. Ned setzt noch einen Notruf ab, während Pirio in das eiskalte Wasser springt. Vier Stunden treibt sie bei Wassertemperaturen von sechs Grad im Nordatlantik, dann wird sie endlich gerettet. Ihr Überleben verdankt sie einer Unempfindlichkeit gegen Unterkühlung. Die Suche nach Ned wird dagegen nach zwanzig Stunden erfolglos abgebrochen. Für diese besondere Eigenschaft Pirios interessiert sich das Militär, und sie stellt sich für Experimente zur Verfügung. Da sich die Suche nach den Schuldigen des Schiffsunglücks in die Länge zieht, nimmt Pirio die Ermittlungen selbst in die Hand und stellt nach kurzer Zeit fest, dass ein Unfall unwahrscheinlich ist. Wer trachtete Ned nach dem Leben? Steckt am Ende Neds früherer Arbeitgeber, die Firma Ocean Catch, bei der er zwanzig Jahre gearbeitet hat, dahinter? Pirio gerät in große Gefahr. Sie kann niemandem vertrauen, weder ihrem ehemaligen Geliebten John Oster noch dem angeblichen Schadensermittler Larry Wozniak, den sie bei der Beerdigung von Ned kennengelernt hat und der sich später als der Enthüllungsjournalist Russell Parnell entpuppt. Pirio verfolgt Neds Gegner bis in die weiten Gewässer der Baffin Bay in Alaska. Sie löst zwei Mordfälle, findet ein verloren geglaubtes Parfüm wieder und deckt einen riesigen Skandal auf.

Elisabeth Elo hat mit Pirio und Thomasina sehr sympathische Figuren geschaffen. Es geht in ihrem Roman "Die Frau, die nie fror" allerdings um mehr als nur die Suche nach den Schuldigen für Neds Tod. Sie schreibt über die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen, über das Verhältnis zwischen Pirio und ihrem Vater Milosa oder zu ihrer Stiefmutter Maureen. Ihr Vater schickte sie früh auf eine teure Schule, und er hat sie nie so geliebt, wie es ein Vater tun sollte. Er ist es aber auch, der ihr dringend rät, weiter nach Neds Mörder zu suchen. "Wenn der Partner eines Mannes ermordet wird, muss dieser Mann etwas tun." (S. 74) Ein außergewöhnlicher Familienroman und Ökothriller mit einer starken Heldin, die sich durch Mut, Loyalität, Scharfsinn und Hartnäckigkeit auszeichnet. Ich freue mich auf das nächste Werk der Autorin, das im Nordosten Sibiriens und in Boston spielen wird. Für dieses starke Debüt gebe ich eine absolute Leseempfehlung

Bewertung vom 04.10.2014
Rachman, Tom

Aufstieg und Fall großer Mächte


ausgezeichnet

Der Titel von Tom Rachmans neuem Roman “Aufstieg und Fall großer Mächte” lässt den Leser eine Geschichte über Ereignisse von weltpolitischer Bedeutung erwarten. Die rasanten Veränderungen in der modernen Welt sind zwar ein wichtiges Thema, aber im wesentlichen geht es um Tooly Zylberberg, eine sympathische Frau in den Dreißigern, die ein Antiquariat in einem kleinen Ort in Wales besitzt. Sie beschäftigt den skurrilen Angestellten Fogg, 28, der gern große Reden schwingt, ohne vorher zu wissen, was er eigentlich sagen will. Der Laden läuft schlecht, und Tooly macht Verluste.
Eines Tages erhält sie eine E-Mail von ihrem ehemaligen Freund Duncan, der sie bittet, sich in Brooklyn um ihren alten, sehr kranken Vater zu kümmern. Tooly folgt dem Hilferuf und findet den alten Humphrey in einem desolaten Zustand vor. Sie nutzt den Aufenthalt in New York, um sich auf eine ausgedehnte Spurensuche zu begeben. Es gibt zu viele Geheimnisse in ihrer Vergangenheit. Sie hatte nie ein Zuhause, nie eine richtige Familie und zog mit wechselnden Erwachsenen von einem Ende der Welt zum anderen. Wer waren diese Menschen wirklich, und wie standen sie zu ihr?
Die wichtigsten Menschen in ihrem Leben sind der alte Humphrey, der ihr eine Art Bildung und die Liebe zu Büchern vermittelte, dann Sarah, der ewige Hippie, die sie abwechselnd mit Liebe überschüttet, um sie ohne Ankündigung wieder zu verlassen, der schüchterne Paul, der sie als Kind entführte und mit ihr um die halbe Welt zieht und vor allem Venn, den Tooly vergötterte, ein gefährlicher Mann mit großem Charme. Er verdiente Geld mit Drogen, später mit allerhand Betrügereien und ist absolut skrupellos. Was Tooly über die Menschen, die ihr einmal nahestanden, herausfindet, ist nicht unbedingt das, was sie gesucht hat. Es wird ausgerechnet der anfangs etwas trottelige Spinner Fogg sein, der ihr helfen wird, mit ihrem Leben weiterzumachen und ihre Buchhandlung zu einem halbwegs profitablen Geschäft auszubauen.
“Aufstieg und Fall…” setzt im Jahr 2011 ein und erzählt auf drei Zeitebenen Tooleys Geschichte. Außer der Erzählgegenwart spielen die jeweils etwa 12 Jahre auseinander liegenden Zeitabschnitte 1988 und 1999/2000 eine Rolle, als Tooly 10 bzw. 20-21 Jahre alt ist. Rachmans Buch ist nicht nur eine außergewöhnliche Familiengeschichte, sondern auch ein Roman über eine sich schnell wandelnde Welt. Der Ton ist zunächst heiter, teils sehr witzig, dann zunehmend melancholisch, wenn Tooly die grausame Wahrheit entdeckt. “Aufstieg und Fall…” ist aber auch ein Buch für Bibliophile. Bücher im Buch spielen in Form von ständigen Anspielungen und Zitaten eine wichtige Rolle. Bücher sind schließlich in Toolys unstetem Leben die beständigsten Freunde und bieten ihr am Ende auch beruflich eine Perspektive. Unter den Charakteren wachsen dem Leser vor allem die warmherzige, aufrichtige Tooly und der alte Humphrey ans Herz, der sie uneigennützig in entscheidenden Jahren ihres Lebens beschützt. Rachmans neues Buch hinterlässt einen starken Eindruck und ist unbedingt zu empfehlen.

Bewertung vom 02.10.2014
Atkins, Dani

Die Achse meiner Welt


gut

"Mein erstes Leben endete an einem eisigen Dezemberabend um 22:37 Uhr auf einer einsamen Straße neben der alten Kirche. Mein zweites Leben begann etwa zehn Stunden später, als ich im grellen Licht des Krankenzimmers erwachte - mit einer großen Kopfwunde und einer Vergangenheit, an die ich keinerlei Erinnerung besaß." (S. 7) Mit dieser Einleitung beginnt der Debütroman von Dani Atkins "Die Achse meiner Welt". Rachel Wiltshire, die als Ich-Erzählerin auftritt, beginnt mit ihrer Erzählung im Jahr 2008. Ende des Monats September wird sie ihr Traumstudium beginnen. Vorher gibt es noch ein Abschiedsessen mit ihren Freunden Matt, Jimmy, Trevor, Phil, ihrer besten Freundin Sarah und Cathy . Als ein junger Mann die Kontrolle über ein gestohlenes Fahrzeug verliert und ungebremst in das Lokal fährt, stirbt Jimmy, Rachels Jugendfreund aus Kindertagen, der sich für sie geopfert hat. Von diesem Tag an ist nichts mehr so, wie es früher war. Rachel leidet sehr unter den Folgen dieses schlimmen Unfalles. Fünf Jahre später, im Jahr 2013, folgt sie einer Hochzeitseinladung ihrer besten Freundin Sarah und kehrt nach Great Bishopsford zurück. Sie trifft ihre alten Freunde wieder, zu denen sie den Kontakt abgebrochen hatte und stellt fest, dass das Band, das sie einmal so fest zusammengehalten hat, zerstört ist. Abends geht sie noch auf den Friedhof an Jimmys Grab, das sie das erste Mal besucht und sinkt ohnmächtig zu Boden. In einer anderen Version ihres Lebens wird sie von einem Unbekannten überfallen und ausgeraubt. Als sie im Krankenhaus aufwacht, fehlen ihr die restlichen Erinnerungen an den Abend, und mit einem Mal ist das Leben so, wie sie es sich immer erträumt hat. Sie arbeitet als Journalistin, ihrem Vater geht es gesundheitlich gut, sie und Matt sind verlobt, und Jimmy lebt. Mit seiner Hilfe versucht sie, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.
"Die Achse meiner Welt" ist ungewöhnlich konstruiert und entführt den Leser in zwei verschiedene Welten. Man fragt sich bis zum Schluss, was im Rahmen der Romanhandlung wirklich passiert und was nur vorgestellt ist. Wie realistisch ist die Idee der zweiten Chance wirklich? Hat Rachel die Möglichkeit, alles anders und besser zu machen? Mich lässt der Roman etwas verwirrt und mit zwiespältigen Gefühlen zurück. Deshalb kann ich ihn auch nur mit Einschränkung empfehlen.

Bewertung vom 17.09.2014
Del Principe, Claudio

Italien vegetarisch


ausgezeichnet

Nach "Österreich vegetarisch" (2012) und "Deutschland vegetarisch" (2013) ist "Italien vegetarisch" das dritte Kochbuch der Serie aus dem Brandstätter Verlag. Claudio Del Principe, verantwortlich für die Texte, Rezepte und das Foodstyling sowie Katharina Seiser, Herausgeberin, haben ein wunderbares Kochbuch veröffentlicht. Hier kann der Hobbykoch in die Welt der italienischen Küche mit all ihrer Vielfalt eintauchen. Das Buch ist ein kleines Schwergewicht und enthält drei Lesebändchen, die bei 150 Gerichten unbedingt benötigt werden. Aufgeteilt ist das Kochbuch in die vier Jahreszeiten und Jederzeit, und ist der jeweiligen Saison aufgrund der Farbgestaltung leicht zuzuordnen. Die meisten Rezepte befinden sich auf einer Doppelseite und sind zum Großteil für vier Personen gedacht. Die Zutaten sind nicht außergewöhnlich und ohne große Mühe zu beschaffen, die einzelnen Rezeptschritte werden leicht und verständlich erklärt. Zusätzlich gibt es zu jedem Rezept noch verschiedene Hinweise, Tipps und Empfehlungen für passende Getränke.
Ich bin von den Rezepten, die ich bisher ausprobiert habe, rundherum begeistert, ob es nun der geröstete und gedämpfte Blumenkohl auf S. 126, die gefüllten Pfirsiche auf S. 101 oder der Klassiker der italienischen Küche, der Auberginenauflauf auf S. 85 ist. Der Leser gewinnt einen tiefen Einblick in die italienische Küche, und neben den bekannten Klassikern gibt es auch eine Vielzahl mir unbekannter Gerichte und ungewöhnlicher Kombinationen, die vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig sind wie zum Beispiel Selleriesalat mit Blutorangen oder Maronensuppe mit Kichererbsen. Das Register enthält alle deutschen Rezepte alphabetisch sortiert und ist zusätzlich nach Hauptzutaten geordnet. Das ist sehr hilfreich und erspart aufwendiges Blättern und Suchen. Interessant und ausgesprochen lesenswert ist das Glossar am Ende des Buches. Mein Fazit: Eines meiner besten Kochbücher für vegetarische italienische Küche. Ich empfehle es sehr gerne weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.09.2014
Pérez-Reverte, Arturo

Dreimal im Leben


ausgezeichnet

In seinem neuesten Roman „Dreimal im Leben“ (im Original: El tango de la Guardia Vieja“) entführt der spanische Erfolgsautor Arturo Pérez-Reverte den Leser in eine längst vergangene Epoche. Der Roman beginnt mit einer prologartigen Einführung. Der 43jährige Komponist Armando de Troeye, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt ist, reist mit seiner schönen Gattin Mecha (Mercedes) Inzunza de Troeye im November 1928 mit dem Überseedampfer Cap Polonio der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft nach Buenos Aires. Auf dem Luxusdampfer begegnen sich die beiden Hauptprotagonisten des Romans Max Costa (Máximo Covas Lauro) und Mecha Inzunza zum ersten Mal. Es ist der Tango, der sie zusammenführt. Max arbeitet als Eintänzer auf dem Schiff und hält Ausschau nach gelangweilten und vermögenden weiblichen Passagieren der ersten Klasse. Wie kein Zweiter beherrscht er neben den Gesellschaftstänzen Tango, Foxtrott und Boston. Von Beginn an ist er von der 23jährigen vermögenden und begehrenswerten Mecha fasziniert, und auch das Perlencollier, das sie trägt - es besteht aus zweihundert makellosen Perlen -, weckt sein Interesse, denn Max ist auch ein Dieb, ein Süßholzraspler, ein unverschämter Schwindler. Er verliebt sich in die unnahbare, schöne Frau. Armando de Troeye ist nach Buenos Aires gekommen, um einen unvergesslichen Tango zu komponieren. Er hat mit Ravel um ein Abendessen gewettet, denn wenn Ravel einen Bolero komponieren kann, dann kann er dasselbe für den Tango tun. Zu dritt unternehmen sie einen Streifzug durch die Kaschemmen in den verrufenen Gegenden der Stadt. Max kennt sich aus, er ist hier geboren und hier schätzt man noch den ursprünglichen Tango. Nach einer berauschenden Nacht tiefer sexueller Abgründe begegnen sich Max und Mecha ein zweites Mal im Herbst 1937 in Nizza, neun Jahre später. Die Zeiten haben sich geändert, Armando sitzt in Spanien im Gefängnis, und Max ist in zwielichtige Spionagetätigkeiten der Bürgerkriegsparteien geraten. Die Leidenschaft zwischen beiden entflammt von neuem, doch Max muss fliehen. Viele Jahre voller Lügen, Ungewissheiten und kleinen Katastrophen, falschen Pässen, Polizeirevieren, Gefängniszellen und Demütigungen (S. 522) gehen für Max ins Land, bis sich beide 1968 anlässlich eines Schachturniers zufällig in Sorrent zum dritten Mal begegnen. Max ist inzwischen 64 alt und arbeitet als Hausmeister und Chauffeur des vermögenden Schweizer Psychiaters Dr. Hugentobler. Mecha, die inzwischen Keller heißt, ist mit ihrem Sohn Jorge, dem chilenischen Schachgroßmeister und Anwärter auf den Weltmeistertitel, zum Turnier um den Luciano-Campanella-Preis nach Sorrent gekommen. Werden beide in Sorrent frei sein, ihre Liebe zu leben?
Der Nostalgieroman von Arturo Pérez-Reverte „Dreimal im Leben“ liest sich sehr gut. Der Autor, der mit seinem Buch „Der Club Dumas“ den Durchbruch schaffte, hat für den vorliegenden Roman sorgfältig recherchiert. Er hat sich natürlich über Tango und Schach sowie die politische Situation im Frankreich der 30er Jahre kundig gemacht. Tatsächlich hat er sich im Bemühen um Authentizität sogar zeigen lassen, wie man einen Safe öffnet. Pérez-Reverte erzählt eine leidenschaftliche Geschichte von Liebe, Verrat und Intrigen und gibt tiefe Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Tangos. Und es geht um „…Schach. Die Kunst der Täuschung, des Mordens und des Krieges.“ (S. 360). Zusammenfassend kann der Roman in drei große Abschnitte eingeteilt werden: Buenos Aires in den zwanziger Jahren, Nizza unter dem Eindruck des Faschismus und Sorrent zu Zeiten des Kalten Krieges, wobei die Geschehnisse in Nizza dem Leser interessante und spannende Überraschungen bieten und streckenweise den Roman in einen Agententhriller verwandeln, in dem es um den Diebstahl brisanter Briefe und Mord geht. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, vor allem wegen des Stils und der interessanten Erzählstruktur, dem ständigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Erzählgegenwart.

Bewertung vom 09.08.2014
Jaffe, Rona

Das Beste von allem


sehr gut

Schauplatz des Romans von Rona Jaffe „Das Beste von allem“ ist die Großstadt New York. Fabian Publications, ein großes Verlagshaus, hat seine Büros auf fünf Etagen in einem modernen Wolkenkratzer in Radio City. Die frei gewordenen Stellen im Schreibbüro in der 35. Etage werden alle neu besetzt und so nehmen am ersten Arbeitstag des Jahres 1952 Caroline Bender, April Morrison und Gregg Adams ihre Arbeit auf. Caroline, eine College-Absolventin, stammt aus sehr gutem Haus und wollte im Herbst Eddie Harris heiraten. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als seine Ehefrau zu sein. Doch der Traum vom Glück zerplatzt, als Eddie auf einer Europareise Helen Lowe begegnet. Er fühlt sich nicht so sehr von Helen, dafür aber von den Ölquellen ihres Vaters angezogen und trennt sich von Caroline. Jetzt arbeitet sie unter dem strengen Regiment der Lektorin Amanda Farrow.

April, ein naives, wunderschönes und liebenswertes Landei aus Springs, Colorado, wäre gerne Schauspielerin. „Schauspielerin zu werden war Teil ihrer Wunschvorstellung, eines Traums…“ (S. 35). Ihre Eltern haben ihr zum College-Abschluß 500 Dollar und eine Bahnfahrkarte nach New York geschenkt, doch das Geld zerrinnt ihr zwischen den Fingern und Angebote, als Schauspielerin zu arbeiten, bleiben aus. Die Stelle im Schreibbüro bekam sie über eine Anzeige einer Arbeitsvermittlung in der New York Times. Gregg kommt aus Dallas und übernimmt den Job bei Fabian, um Geld für ihre Ballettstunden und den Schauspielunterricht zu verdienen. Sie ist nach New York gekommen nicht um Erfolg im Beruf, sondern in der Liebe zu haben. „Falls es in der Welt etwas gab, das wichtiger als die Liebe war, …, dann hatte sie zumindest keine Vorstellung davon, was es sein konnte.“ (S. 187)

Mary Agnes Russo, die in der Bronx lebt und schon länger für den Verlag arbeitet, ist die Klatschbase der Etage und spart schon seit zwei Jahren für ihre Hochzeit mit Bill. Ihr angestrebtes Ziel ist es, bis ans Ende ihres Lebens verheiratet zu sein. Barbara Lamont arbeitet bei der Zeitschrift „American‘s Woman“ und ist alleinerziehende Mutter einer dreijährigen Tochter. Sie wünscht sich die Idylle ihrer Ehe zurück.

Das Leben dieser fünf Frauen, die Freundinnen werden, wird der Leser über die nächsten knapp drei Jahre verfolgen können. Ihre Träume, ihre Wünsche und Sehnsüchte, ihr Leben in der Großstadt, das von Partys, Alkohol und diversen Männerbekanntschaften geprägt ist. Caroline, die ihrem Verlobten nachtrauert und deren Gedanken ständig um ihn kreisen, ist die Ehrgeizigste und Fortschrittlichste im Bunde und auch die am sorgfältigsten charakterisierte Protagonistin. Sie ist getrieben davon, erfolgreich zu sein und als Lektorin zu arbeiten. Gregg, die sich mit Caroline eine gemeinsame Wohnung teilt, ist die tragischste Figur. Sie verliebt sich in den Playboy und Theateragenten David Wilder Savage, ist später regelrecht besessen von ihm und droht daran zu zerbrechen. Nicht für jede von ihnen geht die Geschichte glücklich zu Ende.
Rona Jaffe hat vor über einem halben Jahrhundert mit dem Roman „The Best of Everything“, der in Deutschland damals unter dem Titel „Alle meine Träume“ erschienen ist und jetzt in einer Neuübersetzung als „Das Beste von allem“ vorliegt, einen wunderbaren Roman geschrieben, der den Zeitgeist hervorragend eingefangen hat. Der Roman beschreibt die Arbeitswelt fünf junger Frauen, beispielgebend für die, die jeden Morgen zu Hunderten und Aberhunderten aus dem Schlund des Subway-Tunnels strömen, einige in flauschige Mäntel gehüllt, andere mit alten Riemchenschuhen an den Füßen, unter den Kopftüchern noch Lockenwickler im Haar und den Lunch in geblümten Papiertüten. Zu jener Zeit war der Roman ein Schock für einige und ein Bestseller für viele. Mutig und erstaunlich offen für das recht prüde Amerika, beschäftigte sich die damals 26jährige Autorin mit den Problemen junger Frauen. Sei es nun Sex vor der Ehe, ungewollte Schwangerschaften, Abtreibung oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2014
Krien, Daniela

Irgendwann werden wir uns alles erzählen


ausgezeichnet

„Es ist Sommer, heißer, herrlicher Sommer“ und es ist die Zeit der großen Veränderungen in Deutschland - das Wendejahr 1990 - doch in einem kleinen Dorf in Thüringen herrscht noch Stillstand vorm großen Umbruch. Nicht viel bewegt sich hier, nicht viel verändert sich. Maria, deren Kindheit durch die Abwesenheit ihres Vaters geprägt ist, verliert sich in Büchern und genießt es, mehr in der Sonne zu liegen als in die Schule zu gehen. Anfang Mai hatte Johannes, ihr Freund, sie seinen Eltern vorgestellt, danach ist sie gleich geblieben und zu ihm in die „Spinnenzimmer“ auf den Dachboden des Brendel-Hofes gezogen. „….und denke an die Mutter; …. Es ist ihre Traurigkeit, die mich aus dem Haus getrieben hat. Die saugt mir die Kraft aus dem Körper und die Freude aus dem Herzen.“ (S. 46)

Auf dem Hof leben Siegfried, Marianne (die Eltern), Lukas (Bruder von Johannes), die Großmutter Frieda und das „Anhängsel“ Alfred. Frieda hat außer Siegfried noch zwei Söhne, den Volker und den Hartmut. Hartmut lebt, nach dem er die Ausreise beantragt hatte, seit 1969 in Bayern. Jetzt, nach über 20 Jahren, hat er seinen Besuch mit Frau und seinen beiden Kindern angekündigt.

Maria – die Ich-Erzählerin – läßt sich treiben, Johannes hingegen hat klare Vorstellungen von seinem zukünftigen Leben. Er hat das Abitur fast in der Tasche und will Kunst studieren. Er entdeckt seine Leidenschaft für die Fotografie, Maria hingegen entdeckt die Leidenschaft zu dem wesentlich älteren Säufer, Schürzenjäger und Taugenichts Henner vom Nachbarhof. Nach einem Unfall, den Marias Mutter verursucht hat, kommen sich beide näher. „Wozu die Tage zählen! Dem Menschen genügt ja ein einziger Tag, um das ganze Glück zu erfahren.“ (Zitat aus Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“.) Und das erfährt Maria in den Armen von Henner, einem ausgesprochen gewalttätigen Liebhaber aber mit einer enormen Anziehungskraft, der sich Maria nicht entziehen kann und auch nicht will. „Die Hände von Henner sind jetzt wieder da – rau, sanft, brutal, fordernd, und ich sehne mich nach ihnen –„ (S. 70)
Mit einer anfangs ungewöhnlichen Erzählweise, die mich an alte Schmöker aus früheren Zeiten erinnerte und an die ich mich erst einmal gewöhnen mußte, später aber davon fasziniert war, erzählt die Autorin die Liebesgeschichte von Maria Bergmann und Thorsten Henner.

Geschickt verarbeitet die Autorin ihre Kindheitserinnerungen an die DDR, war sie doch 1990 auch gerade mal erst 15 Jahre alt. Pionierlager, FDJ, Jugendweihe und Staatssicherheit sind für sie keine Fremdwörter, sondern hautnahe eigene Erfahrungen. Die erschütternden Erlebnisse von Henners Mutter werden glaubhaft erzählt, auch sie liebte Bücher und der Alkohol wurde ihr bester Freund. Das Ende des Romans war für mich so nicht vorhersehbar, daß es so oder so ähnlich jedoch enden mußte, das war mir von Anfang an klar.

Ein Klassiker der Weltliteratur trifft auf zeitgenössische Literatur, was für ein wunderbares Zusammentreffen. Daniela Krien webt Auszüge aus Fjodor Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“ hervorragend in ihr Erstlingswerk ein. Dostojewski war auf der Suche nach den seelischen Abgründen des Menschen, Krien ist es auch. Daß eine 16jährige Dostojewski liest, ist nicht erstaunlich, andere Begehrlichkeiten gab es halt zu dieser Zeit noch nicht. So, wie die Protagonistin von Dostojewski begeistert ist, hat mich Daniela Kriens Roman in seinen Bann gezogen, nur daß ich mit ihm nicht spazieren gegangen bin, sondern mit Begeisterung gleich ausgelesen habe.
Ein wunderschönes, sehr zu empfehlendes Buch für „Ostler“ wie für „Westler“ und man kann auf eine Fortsetzung hoffen, denn „Die Brüder Karamasow“ sind noch nicht ganz ausgelesen.

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