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carola1475

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Insgesamt 207 Bewertungen
Bewertung vom 28.02.2022
Mishani, Dror

Vertrauen


ausgezeichnet

Anspruchsvoller Krimi

Inspektor Avi Avraham von der Polizei Tel Aviv steckt beruflich in einer Sinnkrise, er will eigentlich lieber Leben retten und das Böse bekämpfen als sich mit Bagatellfällen und Familiendramen zu beschäftigen. Der rätselhafte Fall eines vermissten Touristen kommt ihm da gerade recht und er beginnt zu ermitteln. Am selben Tag wird vor einem Krankenhaus ein ausgesetztes Neugeborenes gefunden und seine Kollegin Esthi kümmert sich um diesen Fall.

Während der Tourist als Person vage bleibt und nicht so richtig zu fassen ist, entpuppt sich die Verdächtige im anderen Fall schnell als unsympathische, manipulative Frau, die in einer eigenen Realität lebt. Und auch Avi wird im Lauf der Ermittlungen manipuliert, aber von ganz anderer Seite. In beiden Fällen ist vieles nicht so, wie es scheint und in Paris kommt Avi dann in beiden Fällen weiter.

Avi betreibt authentisch geschilderte Ermittlungsarbeit, die sich als mühsam erweist und mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Der Handlung zu folgen ist genau so spannend, wie die Gedankengänge und Selbstreflexion des Ermittlers und die menschlichen Begegnungen in diesem ruhigen Krimi mitzuerleben. Das Ende von Avis eigentlichem Fall bleibt offen, im Epilog sieht Avi selbst verschiedene Lösungsmöglichkeiten.

Die Protagonisten sind komplexe Charaktere, glaubwürdig beschrieben, der Schreibstil Dror Mishanis ist anspruchsvoll, intensiv und gut zu lesen.
Das Buch vermittelt über die Krimihandlung hinaus einen Eindruck des Lebens und der Stimmung in Israel und auch vom Konflikt zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

Das ist das zweite Buch, das ich von Dror Mishani gelesen habe und es hat mir genau so gut gefallen wie „Vermisst“.
Das Cover ist Diogenes-typisch und passt sehr gut zum Buch.

Bewertung vom 13.02.2022
Rüther, Sonja

Libellenfeuer / Geistkrieger Bd.2


ausgezeichnet

Eine faszinierende Alternativwelt, fantastisch in jeder Beziehung

Staunend lerne ich Powtanka kennen, ein alternatives Amerika, das nie erobert wurde, und relativ isoliert zu einer technologisch hochentwickelten Weltmacht geworden ist, in der Menschen dennoch in Einklang mit der Natur leben und die Astralwelt, der große Geist und Totems sehr real sind.

Zu Beginn hilft eine Zusammenfassung der Ereignisse des ersten Bandes (Geistkrieger: Feuertaufe) dem Neueinsteiger in die Reihe. Der Schotte Finnley ist der Liebe wegen nach Powtanka gekommen und arbeitet bei den Geistkriegern, einer Spezialeinheit der Polizei, die sich um Fälle spirituellen Missbrauchs kümmert. Der grausame Mörder aus dem ersten Band ist noch nicht gefasst und es gibt neue merkwürdige Ereignisse, die die Geistkrieger beschäftigen.

Einfallsreich und glaubhaft beschreibt Sonja Rüther diese faszinierende Alternativrealität, wobei die Gegensätze von Hochtechnologie und Astralwelt einen Teil des Reizes ausmachen, aber es geht noch um so viel mehr. Das Geistkrieger-Team besteht aus Individualisten mit verschiedenen Fähigkeiten und sehr eigenem Charakter und muss erst noch zu einer Einheit verschmelzen, Finnley hat permanent Schwierigkeiten mit der Clan-Gesellschaftsstruktur und ihrem Machtgefüge und sieht sich auch auf ganz privater Ebene mit einem großen Konflikt konfrontiert. Und es geht auch um aktuelle Themen wie Rassismus, Migration, Machtmissbrauch und die Klimaerwärmung als globale Herausforderung.

Sonja Rüthers Schreibstil ist flüssig, lebendig und bildhaft, sie ist ihren Protagonisten sehr zugewandt, die Geschichte ist sehr spannend, temporeich, komplex, auch grausam und gruselig, alle Charaktere sind glaubwürdig geschildert und wecken bei mir Interesse, Zuneigung oder Abneigung, Bewunderung oder Mitleid, keiner lässt mich unberührt.

Am Ende des Buchs überrascht eine Kurzgeschichte von Markus Heitz, die auf Sonja Rüthers Alternativrealität basiert. Ich mag seinen Schreibstil, mir gefällt die Kurzgeschichte, sie pass auch zur powtankanischen Welt.

Das Ende von Libellenfeuer bietet Ideen für eine Fortsetzung der Reihe, die hoffentlich nicht allzu lang auf sich warten lässt. Ich freue mich schon fast ungeduldig darauf, Neues aus dieser faszinierenden Welt zu lesen.

Bewertung vom 06.02.2022
Geschke, Linus

Das Loft


sehr gut

Was ist die Wahrheit?

Der prägnante Titel und das grau-rote Cover wecken Neugier und ziehen den Blick auf sich. Damit haben sie ihre Aufgabe erfüllt, denn einen weiteren Zusammenhang zur Geschichte gibt es eigentlich nicht.

Sarah, Marc und Henning teilen sich seit drei Jahren ein Loft. Sarah und Marc sind ein Paar und Henning ist seit ihrer Jugend Marcs bester Freund. Zwischen Sarah und Henning gibt es von Anfang an Konflikte, die das Zusammenleben immer mehr beeinträchtigen.
Eines Tages ist die Küche voller Blut und Henning verschwunden. Sarah und Marc werden als Hauptverdächtige von der Polizei vernommen, können oder wollen aber beide nicht zur Aufklärung beitragen.

Der Autor spricht den Leser zu Beginn sehr selbstbewusst an und fordert zu konzentriertem Lesen auf, nur so bestehe eine Chance, die Geschichte zu durchschauen. Ein ungewöhnlicher, herausfordernder Auftakt.
Ebenso außergewöhnlich ist der Erzählstil - abwechselnd kommen Sarah und Marc zu Wort, erzählen in Ich-Form von den letzten drei Jahren, schildern manchmal eine Begebenheit leicht voneinander abweichend, sprechen sich auch gegenseitig an und lassen den Leser an ihren Gedanken teilhaben.
Die Kapitel aus Sicht der Ermittlerin Bianca haben einen personalen Erzähler, ihre Taktik ist klar und nachvollziehbar und für mich eine willkommene Abwechslung zu dem Hin und Her in Sarahs und Marcs Kapiteln, bei denen die Spannung im Mittelteil des Buchs etwas nachlässt.

Linus Geschke hat einen klaren, direkten, bildhaften Schreibstil, sehr angenehm zu lesen und auch stimmig bei den verschiedenen Erzählperspektiven.

Je mehr Sarah und Marc von ihren Gedanken und Gefühlen erzählen, desto weniger klar war mir, was nun die Wahrheit ist. Die Beiden wurden mir immer unsympathischer und irgendwann wollte ich mich auch nicht mehr mit ihnen auseinandersetzen, sondern endlich wissen, was wirklich passiert war. Die Auflösung des Krimifalls ist dann eine völlig unerwartete Überraschung und hat mich für die vorausgehende Ungewissheit durchaus entschädigt.

Bewertung vom 03.02.2022
Deen, Mathijs

Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Anspruchsvoll, fesselnd und ungewöhnlich

Ein deutscher Wattwanderer wird tot auf einer Sandbank in der Emsmündung im umstrittenen deutsch-niederländischen Grenzgebiet gefunden. Da die Zuständigkeit nicht so schnell geklärt werden kann, schickt die Bundespolizei See in Cuxhaven inoffiziell einen auf Texel aufgewachsenen Ermittler in die Niederlande, um herauszufinden, was genau im Watt passiert ist.

Der Leser begegnet authentischen und allesamt interessanten Protagonisten mit speziellem Hintergrund, der auch manche Charaktereigenschaft erklärt. Da ist vor allem der schweigsame, eigenwillige titelgebende Ermittler, der die Puzzleteile der Kriminal-Geschichte letztendlich richtig zusammensetzt, aber auch Geeske Dobbenga, Opperwachtmeester beim niederländischen Grenzschutz, die eigentlich ihren letzten Arbeitstag vor Rentenbeginn hat oder der tote asthmakranke Wattwanderer Klaus, für den Wasser zeitlebens eine Herausforderung war, sportliches und sogar berufliches Betätigungsfeld.

Zu Beginn habe ich, um meine Wissenslücken aufzufüllen, im Netz über das Watt, das Grenzgebiet an der Nordsee und den deutsch-niederländischen Ems-Dollart-Vertrag gelesen und durch das Buch habe ich viel gelernt über das Wattenmeer und seine Gefahren und seine Faszination, über das Wattwandern als Herausforderung und Abenteuer, das dem Menschen seine Bedeutung(slosigkeit) und Stellung in der Natur sehr schnell sehr klar machen kann.
Mathijs Deens Schilderungen sind sehr anschaulich und bildhaft, er hat einen ruhigen anspruchsvollen Schreibstil, der die Stimmung am Wattenmeer und die Menschen, die dort leben, atmosphärisch gelungen beschreibt.

Sehr schön finde ich das Cover, es zeigt das durch Sonnenlicht golden schimmernde Watt, im Hintergrund das Meer und ein wolkenverhangener Himmel. Eine willkommene Hilfe ist die Karte des Wattenmeers auf der Innenseite des Schutzumschlags.

Das Buch mit seiner außergewöhnlichen Geschichte hat mir sehr gut gefallen und ich empfehle es Lesern von Spannungsliteratur, die offen für ein ungewöhnliches Setting sind.

Bewertung vom 03.02.2022
Osman, Richard

Der Mann, der zweimal starb / Die Mordclub-Serie Bd.2


ausgezeichnet

Spannendes Wiedersehen mit liebgewonnenen, ganz besonderen Herrschaften

Der Donnerstagsmordclub von der Seniorenresidenz Coopers Chase und seine Freunde müssen wieder ermitteln. Es geht um mehr als ein Verbrechen und diesmal ist das charmante Quartett auch persönlich betroffen. Ibrahim, ehemaliger Psychiater, wird im Ort Fairhaven überfallen und schwer verletzt und Elizabeth wird von einem früheren Kollegen vom Geheimdienst und Ex-Ehemann um Hilfe gebeten. Auch Ron, ehemaliger Gewerkschafter und Joyce, die frühere Krankenschwester, sind wieder voll gefordert bei der Aufklärung der Verbrechen. Mit Scharfsinn, Einfallsreichtum, Witz und Mut geht das Seniorenquartett ans Werk.

Lebendig, humorvoll und augenzwinkernd erzählt Richard Osman die Geschichte fast im Plauderton, es gibt auch wieder Kapitel mit witzigen Tagebucheinträgen von Joyce in ihrer unnachahmlichen Art. Einfach köstlich sind die Dialoge zwischen Elizabeth und Joyce und die skurrilen Diskussionen der vier Senioren.
Der Autor spricht auch Themen an wie Liebe und Freundschaft, Einsamkeit, Demenz, Tod und Trauer, immer einfühlsam, mitfühlend und tiefgründig. Ganz großartig und berührend finde ich hier das letzte Kapitel des Buchs.

In diesem zweiten Band gibt Richard Osman den Charakteren seiner Protagonisten noch mehr Tiefe, auch die befreundeten Polizisten und Bogdan bekommen weiter Profil. Die Krimihandlung ist durchaus komplex, spannend und voller Wendungen, wenn auch teilweise unrealistisch.

Das mutig farbenfrohe Cover passt zum ersten Band und macht durchaus einen britischen Eindruck, wobei die Cover der englischen Ausgaben ganz anders gestaltet sind.

„Der Mann, der zweimal starb“ hat mich bestens unterhalten und ist mindestens so gelungen wie der Vorgänger. Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen und freue mich auf den 3. Band, der im Original im September erscheinen soll und hoffentlich dann auch bald in deutscher Übersetzung.

Bewertung vom 22.01.2022
Faber, Kim;Pedersen, Janni

Todland / Juncker und Kristiansen Bd.2


ausgezeichnet

Noch besser als Band 1 – spannend, komplex, aktuell

Während Martin Junckersen im provinziellen Sandsted den Mord am einem Anwalt untersucht, bekommt seine Noch-Ehefrau Charlotte, eine Investigativjournalistin, einen anonymen Hinweis zum Terroranschlag in Kopenhagen vor einem halben Jahr. Da der Inlandsgeheimdienst den Polizeibeamten einen Maulkorb verpasst hat, erfährt Charlotte nichts von Juncker, als sie ihn mit den Informationen konfrontiert. Auch Signe Kristiansen blockt zunächst ab, aber als der Informant brutal ermordet wird, erkennt Signe als Ermittlungsleiterin, dass sie mit Charlotte zusammenarbeiten muss, um auch sich selbst zu schützen.

Rückblenden zu den Ereignissen vor 6 Monaten helfen dem „Neueinsteiger“ in die Reihe, einen Überblick zu bekommen, aber zum besseren Verständnis ist es doch empfehlenswert, den ersten Band auch zu kennen. So kann der Leser auch die Entwicklung der Protagonisten nachvollziehen, die als Charaktere noch besser ausgearbeitet sind als in „Winterland“. Mir hat hier besonders gefallen, dass sowohl Juncker als auch Signe nicht mehr so sehr mit sich selbst beschäftigt sind, sie sind in diesem zweiten Band vielseitiger und nahbarer, sie scheuen als Ermittler kein Risiko und sind Menschen mit Stärken und Schwächen. Die Begegnung mit Junckers Tochter Karoline macht den Ermittler als Person für mich authentischer und auch die Zusammenarbeit mit der enthusiastischen Kollegin Nabiha macht ihn greifbarer. Charlotte als weitere Protagonistin bereichert den Krimi, ihre journalistische Recherchearbeit und die polizeilichen Ermittlungen ergänzen sich gut.

Der lebendige Schreibstil der erfahrenen Autoren, die in Dänemark ein aus Fernsehen und Tageszeitung bekanntes Journalistenpaar sind, ist angenehm zu lesen und es geht neben den kriminalistischen Aspekten auch um andere Themen aus Politik und Gesellschaft. Der Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss erhalten und die letzten losen Fäden werden wohl erst im dritten und letzten Band der Reihe miteinander verknüpft, der schon im Mai erscheinen soll.

Irritierend finde ich den Klappentext, der ist entweder falsch oder nimmt einen Aspekt des 3. Bandes vorweg, beides ist bedauerlich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2022
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4


ausgezeichnet

Ungewöhnlicher, spannender und überraschender Gerichtsthriller

Eddie Flynn, ehemaliger Trickbetrüger, jetzt einfallsreicher und begabter Strafverteidiger, wird als Nebenanwalt engagiert, um den Hollywood-Schauspieler Bobby Solomon zu verteidigen, der seine Frau und deren Liebhaber umgebracht haben soll. Eddie Flynn fallen Ungereimtheiten auf und zusammen mit seiner Ermittlerin, einer ehemaligen FBI-Agentin, stellt er weiterführende Untersuchungen an. Er findet heraus, dass der wahre Killer ein Serienmörder ist und im Umfeld des Gerichts zu finden sein muss.

Kapitelweise wechselt die Erzählperspektive zwischen dem Mörder Joshua Kane und Eddie Flynn. Steve Cavanagh hat einen flüssigen, lebendigen, angenehm zu lesenden Schreibstil, Eddie ist authentisch und sympathisch, während Kanes Gedanken und Taten den Leser hautnah dabei sein lassen und Grauen und Abscheu hervorrufen.
Der Mörder ist hochintelligent, sehr gut organisiert und zielorientiert. Wer ihm im Weg steht, wird skrupellos ausgeschaltet. Durch Erinnerungen des Killers an seine Jugend werden allmählich seine perfiden Beweggründe klar.

Von Anfang an hat mich das Buch gefesselt. Ich finde die genaue Beschreibung der Vorgehensweise des Killers nach wochenlangen Vorbereitungen ebenso faszinierend wie das Beispiel der raffinierten Verteidigungsstrategie des Anwalts bei einem unbedeutenderen Betäubungsmittel-Prozess.

Der Autor ist selbst Jurist und hat als Anwalt gearbeitet und „Thirteen“ ist bereits der vierte Band um Eddie Flynn. Ich hatte beim Lesen nicht das Gefühl, dass mir Hintergrundwissen fehlt. Eddies Alkoholkrankheit und die Trennung von seiner Familie kommen zur Sprache.
Das Buch gibt Einblick in das us-amerikanische Gerichtssystem mit der Geschworenenjury, deren Auswahlverfahren und dem Prozessablauf und thematisiert auch die fehlende Zusammenarbeit der verschiedenen Strafverfolgungsbehörden, die nicht von ihren einmal gefassten Meinungen abweichen.
Es werden auch Klischees bedient, indem Eddie es mit korrupten Polizisten und geltungssüchtigen Anwälten zu tun hat, doch ist der Gerichtsthriller durchgehend spannend mit überraschenden Wendungen und mehr als einem Showdown.

Ich vergebe 4,5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.01.2022
Clostermann, Matthias

Prototyp


ausgezeichnet

Fesselnd beschriebene und beängstigende Vision

Der Elitesoldat Stefan Roth verliert bei einem Motorradunfall Arme und Beine. Aus monatelangem Koma erwacht, ist er nur allzu bereit, an einem geheimen militärischen und noch experimentellen Projekt teilzunehmen. Er bekommt als Erster neuartige Hightech-Neuroprothesen, die menschlichen Gliedmaßen in vielem weit überlegen sind.
Fasziniert habe ich mich mit dem sympathischen Protagonisten an seinen raschen Fortschritten gefreut und später beim Auftreten der ersten Schwierigkeiten mitgelitten und trotz beklemmender Ahnungen gehofft, dass für Stefan doch am Ende alles gut wird.

Das Coverdesign ist sehr gelungen, der fotorealistische mechanische Arm, der in einen künstlichen Unterarm übergeht und dann in eine echt wirkende menschliche Hand, ist Schauer erregend.
Matthias Clostermann weiß, wovon er schreibt, er arbeitet u.a. im Robotik-Bereich. Er kann technisches Wissen sehr gut verständlich vermitteln, wobei der Übergang von durchaus Möglichem zu Science Fiction für mich nicht festzumachen ist. Wer weiß, was bereits alles im Geheimen geschieht...

Der Schreibstil ist lebendig und bildhaft, sehr angenehm zu lesen, und alle Charaktere und auch Schauplätze sind authentisch und glaubhaft beschrieben.
Von Anfang an und wirklich durchgehend spannend ist der Thriller komplex und konsequent zu Ende gedacht. Trotzdem schockieren die letzten Seiten des Buchs.

„Prototyp“ hat mich nicht nur sehr gut unterhalten, sondern lässt mich auch nachdenklich und betroffen zurück. So ist der Mensch - was möglich ist, wird auch gemacht. Ohne Skrupel setzt sich hier die Forschung über ethische Grundsätze hinweg, solange man im Geheimen forscht und eine wie auch immer begründete Rechtfertigung hat.

Bewertung vom 29.12.2021
Kliesch, Vincent

Im Auge des Zebras / Olivia Holzmann Bd.1


sehr gut

Spannender Reihenauftakt mit viel Action und ein Wiedersehen mit Severin Boesherz

Über Deutschland verteilt, an verschiedenen Orten, werden zeitgleich und von ein und demselben Täter sieben Jugendliche entführt und deren Eltern kurze Zeit später ermordet. Was physikalisch unmöglich ist, stellt Kommissarin Olivia Holzmann vom LKA Berlin vor das größte Rätsel ihrer Karriere. Sie riskiert viel mit der Verhaftung eines Verdächtigen und steht dann doch wieder mit leeren Händen da. Widerwillig wendet sie sich schließlich an ihren früheren Kollegen und Mentor Boesherz.

Der Entführer und sein berufliches Umfeld sind früh namentlich bekannt, seine Beweggründe werden erst allmählich klar. Der Thriller bleibt abwechslungsreich durch verschiedene Perspektiven, einen flüssigen Schreibstil und einige Wendungen, die allerdings für den geübten Krimileser teilweise vorhersehbar sind. Trotzdem ist das Buch spannend und vom Hintergrund der zu Grunde liegenden Verbrechen her grauenerregend, es gibt am Schluss keine losen Enden. Und auch das auf dem düsteren Cover abgebildete Zebra spielt eine Rolle.

Was bei Severin Boesherz vielleicht zu viel war, kam mir bei anderen Protagonisten etwas zu kurz: nur Boesherz und seine ungewöhnliche geniale Beobachtungsgabe und seine Fähigkeit, daraus absolut logische Schlüsse zu ziehen, werden ausführlich beschrieben. Das mag daran liegen, dass Boesherz auch dem Autor vertrauter ist. Die beiden bereits 2013 und 2015 erschienenen Severin-Boesherz-Thriller werden im nächsten Jahr neu aufgelegt. Bei den anderen Protagonisten, vor allem Olivia, hätte ich mir eine tiefer gehende Charakterisierung gewünscht. Aber das kann ja in den nächsten Bänden dieser neuen Olivia-Holzmann-Reihe noch kommen.
Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten. Ich empfehle es Lesern, die sich für ungewöhnliche Ermittler interessieren und sich auch über ein Wiedersehen mit Severin Boesherz freuen.

Bewertung vom 27.12.2021
Persson Winter, Fredrik

Der Gräber


gut

Mehr Horror-Roman als Thriller

Das Cover passt zur Erzählung und deutet Düsteres und Gruseliges an.

Jedes Jahr am 6. November schlägt der Gräber zu: er kommt durch den Kellerboden ins Haus seines Opfers, von dem nur eine blutige Spur zum Loch im aufgebrochenen Boden bleibt. Es gibt keine Leiche und keine Spuren des Täters.

Die Lektorin Annika findet ein Manuskript, das sich wie eine autobiografische Erzählung eines unter der Erde lebenden Serienmörders liest und trotz moralischer und rechtlicher Bedenken beschließen sie und der von der Insolvenz bedrohte Verlag, das Buch zu veröffentlichen.

Das Buch beginnt spannend am aktuellen Tatort, die Ermittlerin Cecilia und auch Annika werden authentisch beschrieben und der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen. Gelegentlich haben mich Ausdrücke wie „ein zorniges Vibrieren des Handys“ irritiert, aber vielleicht sollen sie Annikas Empfinden wiedergeben...
Die Spannung lässt leider relativ schnell nach, indem neben Annikas beruflichem Umfeld die private Situation und die psychischen Schwierigkeiten beider Frauen in den Mittelpunkt rücken. Die Ermittlungen kommen kaum voran und bleiben ergebnislos.
Kapitelweise wechselt die auktoriale Erzählperspektive zwischen Annika und Cecilia und später kommt in Rückblenden die auktoriale Perspektive des Gräbers dazu. Verstörende Zitate aus seinem Manuskript leiten jedes Kapitel ein.

Annikas psychische Entwicklung und auch die des Gräbers kann ich nicht nachvollziehen, irgendwann hat der Roman mich verloren. Schade um das verschenkte Potential der Geschichte.