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Jule
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München

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Insgesamt 210 Bewertungen
Bewertung vom 14.03.2022
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


ausgezeichnet

Dieser Roman lässt mich an vielen Stellen sprachlos zurück. Sprachlos vor Entsetzen, Wut, Hilflosigkeit und Unverständnis. Im Mittelpunkt steht Melanie Diore, Mutter zweier niedlicher Kinder, die ihr Familienleben vor den Augen der Öffentlichkeit zelebriert. Youtube und andere Kanäle sind dabei das Zentrum ihres Seins. Berühmt und geliebt zu werden und zu bleiben wird zum Lebensinhalt. Während ihr selbst eine Karriere als Reality-Star verwehrt blieb, schlägt sie mit ihren Kindern alle Rekorde. Kimmy und Sammy werden von Millionen Fans vergöttert. Dass die unbeschwerte Kindheit zwischen Drehplan und Liveschalte auf der Strecke bleibt, was soll’s. Ruhm und Klicks scheinen es wert. Dann verschwindet Kimmy spurlos und die Suche wird zum Spiel auf Zeit und läuft nach völlig neuen Regeln. Interessante Gegenfigur zu Melanie ist die in etwas gleich alte Polizistin Clara. Unterschiedlicher könnten die Frauen kaum sein. Clara lebt zurückgezogen, allein, beinahe einsam. Wird sie das Rätsel um Kimmys Verschwinden lösen? Das Buch wird in zwei Teilen erzählt. Der etwas größere Teil spielt 2019, Kimmy und Sammy sind noch klein und lassen sich für ihre Fangemeinde inszenieren. Die Geschichte um die Entführung wird fast wie ein Krimi erzählt. Dann springt die Handlung in die nahe Zukunft, ins Jahr 2031. Wie Science Fiction wirkt das nicht, obwohl viele technischen Gegebenheiten Normalität geworden sind. Was ist aus den einstiegen Kinderstars geworden? Erschreckend und beklemmend welche Entwicklung die Geschehnisse genommen haben. Die Geschichte hat mich wirklich bestürzt. Viele Hintergründe waren mir auch nicht bewusst. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Vorgabe zum Schutz von Kindern auf Social Media zum Beispiel. Ein wirklich notwendiges Buch in einer Zeit, in der Klicks, Status und Follower zum Lebensmittelpunkt werden. Dieses Buch ist mein erstes von Delphine de Vigan, aber ganz sicher nicht mein letztes. Schreibstil und Erzählweise überzeugen mich von der ersten bis zur letzten Seite.

Bewertung vom 13.03.2022
van Os, Pieter

Versteckt vor aller Augen


ausgezeichnet

Ein überaus berührender Roman über das Überleben eines jüdischen Mädchens. Dabei werden viele geschichtliche Hintergründe beleuchtet, die mir teilweise noch nicht so bekannt waren. Der Schreibstil ist sachlich aber gefühlvoll ohne trivial zu sein. Das Grauen, das Leid, die Angst bekommen Raum. Das Ende beleuchtet auch die Zeit „danach“, was das gesamte Buch sehr gut abrundet. Definitiv nichts, das man mal so zwischendurch liest. Man muss sich Zeit nehmen, die Geschehnisse wirken lassen, nachdenken und reflektieren. Ein Buch, das zur richtigen Zeit kommt.

Bewertung vom 09.03.2022
Dunne, Ellen

Boom Town Blues


sehr gut

Der Krimi zeichnet ein düsteres Bild von Dublin. Gier und Profit bestimmen den Takt. Die sympathische Ermittlern Patsy ist eigentlich zur Erholung in ihrem Heimatland, wird aber schnell in einen Giftmord hineingezogen. Die Story ist kurzweilig, die Kulisse super gewählt und die Figuren interessant. Der Leser erfährt nebenbei viel über die Stadt, wenn auch keine Sightseeingtipps. Alles in allem ein spannender Krimi in Irlands Hauptstadt. Ich kenne die Vorgänger nicht, das werde ich aber nachholen.

Bewertung vom 28.02.2022
Rabinowich, Julya

Dazwischen: Wir


ausgezeichnet

Ein aufrüttelnden Buch, das mich von der ersten bis zur letzten Seite mitreißt. Toll geschrieben, der Tagebuchstil, kurz, präzise und doch sehr persönlich. Ich habe den Vorgänger nicht gelesen, finde mich aber sofort in der Geschichte wieder. Madina scheint angekommen zu sein, doch Akzeptanz scheint in weiter Ferne. Berührend und voller Kraft. Madina begeistert mich mit ihrer Stärke. Ein Jugendbuch, das auch Erwachsenen ans Herz gelegt werden muss. Klasse.

Bewertung vom 27.02.2022
Onda, Riku

Die Aosawa-Morde


ausgezeichnet

Dieser Krimi ist wie ein Puzzle, das von Kapitel zu Kapitel mehr Teile bereithält. Absolut ungewöhnlich und fesselnd geschrieben. Der Leser findet sich in den meisten Kapiteln im Dialog mit dem Erzähler bzw. der Erzählerin wieder, bei dem allerdings die Fragen fehlen. Dennoch fühlte ich mich beim Lesen mittendrin. Die verschiedenen Kapitel sind aus wechselnden Perspektiven geschrieben, dabei bekommen einige Figuren mehr und andere weniger Raum, doch jeder einzelne ist für die Gesamtkomposition entscheidend. Die Freundin und Schriftstellerin, deren Bruder, die Haushaltshilfe, der Kommissar und weitere Beobachter. Das Gesamtbild offenbart sich erst zum Schluss. Doch von Seite zu Seite wird das Grauen greifbarer, setzt sich fest. Einige Kapitel überraschen und passen nichts ganz in den Fluss, doch auch das tut der Lesefreude keinen Abbruch. Überraschend anders geschrieben und wirklich innovativ. Sicher kein Buch, das man in einem Rutsch liest. Ich bräuchte schon eine gewisse Konzentration, um in der Geschichte zu bleiben und das Bild nicht aus den Augen zu verlieren. Ein faszinierender, rätselhafter Krimi mit Sogwirkung.

Bewertung vom 22.02.2022
Ware, Ruth

Das Chalet


ausgezeichnet

Der Thriller passt ideal zur Winterzeit. Klirrende Kälte, Schnee und ein Haus, das von der Außenwelt abgeschnitten ist. Eine Gruppe Mitarbeiter eines Start Ups trifft aufeinander und nach und nach nimmt das Grauen seinen Lauf. Die zwei Erzählperspektiven halten die Spannung hoch und der Schreibstil ist ungemein fesselnd. Jedes Kapitel lässt mich fast atemlos zurück. Ein Highlight in diesem Winter.

Bewertung vom 17.02.2022
Goldammer, Frank

Im Schatten der Wende


sehr gut

Ein Krimi vor überaus interessanter historischer Kulisse. Die Handlung ist zweigeteilt. Der erste Teil spielt kurz vor der Wende. Volkspolizist Falck sieht sich mit zunehmenden Protesten und Unzufriedenheit in der DDR Bevölkerung konfrontiert. Als verdeckter Ermittler soll er bei der Aufklärung eines Mordes oder Unfalls helfen. Dann kurzer Zeitsprung in paar Monate später. Falck ist beim KDD gelandet. Neue Verbrechen und völlig veränderte Rahmenbedingungen prägen die Zeit. Eine Kollegin aus Frankfurt konfrontiert das Team mit einem Fall, rund ums Rotlichtmilieu und Auftragsmord. Der Erzählstil gefällt mir gut, die Figuren sind auch fesselnd. Der Fall selbst kommt für mich aber etwas kurz. Vielmehr verliere ich etwas den Überblick zwischen verschwundenen Leichen, versuchter Vergewaltigung, getöteter Kleinkrimineller und dem gesuchten Verbrecher aus Frankfurt. Das ist am Ende etwas schade.

Bewertung vom 06.02.2022
Assor, Abigail

So reich wie der König


sehr gut

Ein ungewöhnliches Buch, irgendwo zwischen Märchen, Jugendbuch und Gesellschaftsroman. Im Mittelpunkt steht Sarah, jung, schön, arm und skrupellos. Irgendwie geht es auch um die Liebe, aber vor allem um das Leben und Überleben in einer Stadt, in der die Kluft zwischen Arm und Reich den Alltag bestimmt. Casablanca ist bunt, laut, schmutzig und in seiner rohen Hässlichkeit auch wieder faszinierend. Sarah, eine Französin, versucht mit aller Kraft die Armut zu überwinden. Dabei lernt sie früh, dass ihre stärkste Waffe ihre Schönheit ist. Sie becirct reiche Söhne und lässt sich so den ein oder anderen Leckerbissen, die Jeans, den ersehnten Walkman spendieren. Mit Willenskraft und List kommt sie den Reichen immer näher, verliebt sich letztlich und wird bitter enttäuscht. Die Autorin schildert in starken Sätzen und ohne Gefühlsduselei die Realität im Marokko der 90er. Dabei wird deutlich, was Sarah nicht sieht oder nicht sehen will: dass auch in den Villen und Vierteln der oberen Gesellschaft Rohheit, Macht und Härte regieren. Sarah verbeißt sich in ihr Ziel, die Armut hinter sich zu lassen. Sie tut alles, um nur nicht als arm aufzufallen und doch ist ihr Kampf, um Anerkennung aussichtslos. Obwohl mir Sarah über weite Teile des Buches unsympathisch ist und ich sie zeitweise abstoßend finde, in ihrer Skrupellosigkeit, zieht mich die Geschichte in ihren Bann. Am Ende bleibt ein Funken Hoffnung auf ein besseres Leben.

Bewertung vom 30.01.2022
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


sehr gut

Was das Buch für mich besonders macht, ist der Schreibstil. Sehr ungewöhnlich, packend und doch wieder sachlich beschreibt die Autorin die Liebesgeschichte zwischen Max und Anna. Dabei brauche ich die ersten 100 Seiten, um mich einzufinden, mit den Figuren und der Handlung warm zu werden. Dann zieht mich diese Beziehung, die mal lustvoll, mal kurzweilig und seltsamerweise nie romantisch wirkt, in ihren Bann. Anna wandelt sich, wird erst mutiger, selbstbewusster und auch erfolgreicher. Doch dann entwickelt sich eine Art Abhängigkeit von Max, in Liebes- aber auch Geldangelegenheiten. Die Verhältnisse verschieben sich. Anna richtet sich in der entrückten Welt von Max Appartement über den Dächern Londons ein. Nichts anderes erscheint ihr wichtig. Ihre Gesangskarriere nimmt langsam fährt auf, wird aber zunehmend zur Last. Es geht ums Gefallen, Anerkennung und dem Wunsch nach Liebe. Anna wird zunehmend anstrengend, in ihrer Sucht zu gefallen, das Richtige zu sagen, die richtige Frau zu sein. Die Stimmung kippt, Anna hat ihr Leben nicht mehr im Griff. Dabei bleibt Max seltsam distanziert, auch ich kann ihn als Leser nicht greifen. Was fühlt er? Ist Anna ihm wichtig oder nur eine Affäre. Ich krieche in annas Kopf - was kann man glauben, wo lügt Max, wohin führt die Beziehung? Am Ende scheint es, als wäre alles auf Anfang. Anna ist aber eine andere, stärkere Frau geworden. Das Cover passt wunderbar zur Handlung. Ein wenig distanziert, modern, Anna im Mittelpunkt. Manches Rahmengeschehen, Begegnungen und Figuren hätte ich nicht gebraucht. Mit Annas Freundin Laurie kann ich mich z.B. Gar nicht anfreunden. Aber eine moderne Geschichte über die Liebe und das Frausein.

Bewertung vom 26.01.2022
Fuchs, Katharina

Unser kostbares Leben


gut

Das Thema des Romans und die Geschichte dreier junger Frauen in den 70er und 80er Jahren spricht mich grundsätzlich an. Naturschutz und Umweltverschmutzung, Medikamententests und Vertuschung sind starke Themen. Die Rahmenhandlung ist auch sehr detailliert recherchiert und erzählt. Das gefällt mir einerseits gut, andererseits hätte es an der ein oder anderen Stelle durchaus etwas weniger sein können. Die Figuren bleiben dabei etwas auf der Strecke. Die Schicksale von Claire, Minka und Caro berühren und interessieren mich, packen mich aber zu wenig. Die Figuren bleiben seltsam blass und distanziert und haben für mich auch zu wenig gemeinsame Schnittmengen. Das Cover verspricht eine innigere Beziehung zwischen den Frauen. Schade, dass das so nicht rüberkommt. Im Vergleich zu den anderen Büchern der Autorin war ich etwas enttäuscht. Das Buch ist auch sehr dick und stellenweise musste ich wirklich kämpfen, um dran zu bleiben. Schade.