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meldsebjon
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Hattingen

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Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2010
Kutscher, Volker

Goldstein / Kommissar Gereon Rath Bd.3


ausgezeichnet

Schwarz-Weiß, Rot-Braun oder doch eher grau?

Es ist schon nicht leicht, für diese Rezension einen einleitenden Satz zu finden, denn so ganz deutlich ist es nicht, was Volker Kutscher mit "Goldstein" da eigentlich verfasst hat. Ist es ein Krimi, ein historischer Roman, ein zeitkritischer Krimi oder gibt es eine bessere Bezeichnung? Es hat von allem etwas, deshalb möchte ich mich lieber nicht festlegen.

Ein Teil der Handlung ist ein Krimi: Zwei jugendliche Kaufhausdiebe werden auf frischer Tat ertappt, einer der Täter stirbt, die andere entkommt, nachdem sie zuvor Zeuge wurde, wie ihr Komplize von einem Polizisten getötet wurde. Der Hehler der Beiden wird ermordet. Die Polizei überwacht einen amerikanischen Killer, um zu verhindern, dass dieser seinem Gewerbe auch in Berlin nachgeht. Zwei Tote werden gefunden. Ein alter Mann stirbt in einem Krankenhaus und hat mehr Morphium im Körper, als ihm der Arzt verabreicht hat. Zwei konkurrierende Verbrecherbanden stehen kurz vor einem Krieg.

Vieles ist auch Zeitgeschichte: Hohe Arbeitslosigkeit wirkt sich auf die Gesellschaft aus. Kommunisten gehen auf die Straße und demonstrieren nicht immer friedlich. Nationalsozialisten treten in Gruppen auf und sind dann gewaltbereit, wenn sie deutlich überlegen sind. Juden werden von nahezu allen anderen Bürgern als Aussenseiter angesehen, auch die, die in höheren Positionen z.B. bei der Polizei sind.

Volker Kutscher ist es gelungen, die Handlung ganz dicht am Geist der damaligen Zeit zu halten. Man spürt so richtig, was sich da entwickelt und man möchte so gerne eingreifen. Ganz deutlich ist die Hilflosigkeit derjenigen, die Gefahren erkennen. Und die Personen sind, wie der Einband: Grau. Es gibt, wie auch in der heutigen Gesellschaft, kein schwarz und weiß, kein richtig oder falsch. In vielen Fällen können die handelnden Personen nur moralisch richtig handeln, indem sie Regeln brechen. Um Zeugen zu finden, muss man einbrechen. Um Zeugen zu schützen, muss man deren Festnahme verhindern. Um Informationen zu erhalten, muss man mit Verbrechern zusammenarbeiten.

Insgesamt ist das Buch ganz ausgezeichnet geschrieben, immer spannend, mit vielen Hintergrundinformationen. Die Personen sind vielschichtig und haben Tiefe. Zwar müssen sie sich mit den Problemen ihrer Zeit auseinandersetzen, wie z.B. dem mühseligen Vergleichen von Fingerabdrücken, aber manche Probleme sind auch schon sehr modern, wie z.B. die Frage der Karriere einer Frau in einer Männerdomäne. Besonders gut hat mir gefallen, wie deutlich immer wieder auf die Zeit angespielt wurde. Wenn es die häufig genannten Zigarettenmarken, Tageszeitungen oder Kaufhäuser noch gabe, müsste man schon von "Schleichwerbung" sprechen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2010
Haskamp, Bettina

Hart aber Hilde


sehr gut

Gelungene Urlaubslektüre

"Hart aber Hilde" von Bettina Haskamp schildert mit leichter Hand und flüssigem Schreibstil die Freundschaft zwischen der chaotischen Pia und der realistischen Hilde. Pia versucht seit langem mit den verschiedensten Jobs, die vom weggelaufenen Mann übernommenen Schulden zu tilgen und ihr Leben und das ihres Sohnes zu finanzieren. Gemeinsam ist allen diesen Jobs, dass sie ungeliebt sind und eben nur Jobs.

Nachdem Pia Hilde kennengelernt hat, fängt sie an, selbstbewusster zu werden und ihre eigentlichen Talente zu sehen. Und irgendwie wird alles nach und nach besser.

Leicht und witzig geschrieben, ohne allzuviel Tiefgang, ist das eine wirklich gute Sommerlektüre, die zum Schmunzeln anregt, aber nicht vor platten Witzen strotzt. So etwas braucht man einfach auch einmal.

Auch auf die Gefahr hin, als Besserwisser anzukommen, kann ich es mir doch mal wieder nicht verkneifen, auf Fehler hinzuweisen. Das Lied "Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen" ist viel älter als Wencke Myhre. Das ist einfach schlecht recherchiert. Dann wird aber innerhalb eines Absatzes Uwe als Joker bei "Wer wird Millionär" angerufen, und einen Satz später heisst es "wenn Karsten sich nicht geirrt hat..". Das ist einfach schlampig geschrieben bzw redigiert. Ich ärgere mich immer über solche Dinge, weil die Vermutung naheliegt, dass das nicht die einzigen Fehler sind und ich anderes glaube, obwohl das auch falsch ist.

Bewertung vom 15.08.2010
Nesbø, Jo

Headhunter


ausgezeichnet

Wer jagd hier eigentlich wen?

Roger Brown, von kleiner Statue aber mit großem Selbstbewußtsein, ist der beste Headhunter! Der offensichtlich beste Kandidat für eine Position, Clas Greve, unterscheidet sich aber ein wenig von allen bisher vermittelten Personen. Plötzlich ist es nicht mehr sein Kopf, hinter dem Roger her ist, sondern umgekehrt und plötzlich muss man den Begriff "Headhunter" wieder ganz wörtlich nehmen.

Man könnte wirklich mehr verraten, aber es wäre schade um die Spannung, die dann verloren ginge. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite ist dieses Buch geschrieben!

Mich hat beeindruckt, wie der Autor mit dem Leser spielt. Eigentlich möchte man doch immer Position beziehen und auf der Seite des "Guten" stehen, aber hier ist nicht so leicht zu entscheiden, wer gut ist und wer böse. Letztlich muss man sich aber für eine der Personen entscheiden, mit der man mitfiebert. Ich habe mich gefragt, warum mir diese Person, trotz all der unsympathischen Züge doch so wichtig war, dass ich ihr einen guten Ausgang der ganzen verzwickten Geschichte gewünscht habe. Und ich habe zwei Gründe gefunden: Einmal gibt es in seinem Leben eine Frau, die ihm wirklich wichtig ist und für die er viel zu tun und zu ertragen bereit ist. Und dann ist da noch der unbedingte Überlebenswille, der ihn Auswege finden lässt, die mir im Traum nicht eingefallen wären! Irgendwie glaube ich, dass ich wirklich lieber gestorben wäre, als mich an bestummten Orten zu verstecken!!!

Eine Sache hat mich gestört, und das ist die wieder einmal schlampige Arbeit der Druckerei oder des Verlages. Auf den leztzten Seiten gibt es wirklich viele Druckfehler!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2010
Bessette, Alicia

Weiß der Himmel von dir


sehr gut

Was man so an Klischees kennt aus amerikanischen Filmen, findet man auch in dem Buch "Weiß der Himmel von dir" von Alicia Bessette. Wer sich daran stört, der sollte dieses Buch nicht lesen. Wer so etwas aber mag, der wird das Buch genießen!

Zell ist die 34jährige Witwe des Fotographen Nick, die auch 14 Monate nach dessen plötzlichem Unfalltod noch nicht zurück ins Leben gefunden hat. Bisher hat sie einfach nur funktioniert, aber so allmählich ist sie bereit für eine Zukunft ohne Nick. Ausgelöst wird das durch die neunjährige Ingrid, die mit ihrem Vater ins Nachbarhaus einzieht und die sich bedenkenlos in Zells Leben drängt und ihr eine neue Sichtweise vermittelt. Gemeinsam nehmen sie an einem Kochwettbewerb teil

Parallel zu der sich entwickelnden Zukunft erfährt der Leser auch einiges aus Zells bisherigem Leben, von ihrer Arbeit, ihren Freunden, ihrer Familie und natürlich auch von Nick. Dies geschieht, indem Nicks Freunde und auch Zell selbst Erinnerungen haben, Zell an ihren toten Mann Emails schreibt und auch Nick selbst zu Wort kommt durch alte Emails.

All das findet zum größten Teil statt in Wippamunk, einer amerikanischen Kleinstadt. Und wie das eben so ist in amerikanischen Kleinstädten, hält man zusammen, unterstützt sich, begleitet einander das ganze Leben. Auch hier gibt es viele Schicksalsschläge, aber gemeinsam schafft man es, diese zu ertragen. Als Zells Hund verschwindet, sucht die ganze Stadt nach ihm, als Ingrid wegläuft, sind alle da und helfen, als Zells Küche beinah in Brand gerät ist auch sofort Hilfe da.

Auf unterschiedliche Weise gehen die Menschen mit der Trauer um. Zells Schwiegervater selbst ist früh verwitwet, eine alte, höchst unbeliebte Lehrerin hat ihren Mann verloren und sich ein neues Hobby gesucht, mit dem sie ihre Aggressionen abbauen kann und der neue Nachbar erzieht seine Tochter ohne Mutter und bildet sich gleichzeitig weiter.

Dieses Buch ist leichte Kost mit etwas Tiefgang, gerade richtig, wenn man sich mitreissen lassen möchte. Es ist einfühlsam, aber nicht kitschig, vermittelt ausgezeichnet die Gefühle, die bei einem solch plötzlichen Verlust entstehen und gibt Hoffnung, aus diesem tiefen Loch wieder herauszukommen. Ich bin gespannt auf die nächsten Bücher dieser Autorin!

Bewertung vom 03.06.2010
Freidank, Julia

Die Gauklerin von Kaltenberg


gut

Das Leben im Mittelalter

So muss sich das Leben im Mittelalter angefühlt haben: wenn man der ständigen Hunger und die Kälte überstanden hatte, musste man aufpassen, dass man den Herrschern nicht bei ihren Machtkämpfen im Wege stand.

Die Haupfigur des Romans ist Anna, die Tochter eines Schmiedes, die aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Gesellen ihres Vaters verkuppelt werden soll. Untypisch für eine Frau in dieser Zeit hat sie nicht nur rote Haare auf dem Kopf, sondern auch widerspenstige Gedanken darin. Sie hat sich in den Herrn der Burg Kaltenberg verliebt oder eigentlich in das Bild, dass sie von ihm hat. Nach Brandschatzungen durch die Österreicher wird sie als Hexe angeklagt und muss fliehen. In der Ferne liebt sie weiterhin ihren Ulrich, denn die Realität hat keine Gelegenheit, ihre Wunschvorstellung eines Helden zu korrgieren. Dabei ist die wahre Liebe ganz in der Nähe...

Soweit die Geschichte in groben Zügen, die ja so ungewöhnlich nicht ist. Während der verschiedenen Reisen, die Anna in unterschiedlicher Begleitung macht, erfährt der Leser so manches über das Leben im Mittelalter, was diesen Roman zu einem historischen macht. Innerhalb dieses Genres ist das alles aber nicht herausragend. Ungewöhnlich und interessant wird das Ganze, weil Anna auf der Suche nach einem Beweis ihrer Unschuld auch auf die Suche nach dem Ursprung der Carmina Burana geht. Gelegentlich werden auch Lieder zitiert und der Zusammenhang zum alltäglichen Leben wird hergestellt.

Leider hält das Buch nicht ganz, was Leseprobe und der wirklich gute Einband versprechen. Ärgerlich finde ich immer, wenn der Autor sich nicht konsequent an seine Vorgaben hält: Anfangs ist Anna als Tochter eines Schmiedes frei, dann auf einmal Leibeigene von Geburt. Die Werbung, die im Bucheinband für das Kaltenberger Ritterturnier gemacht wird, wird aber dennoch gut unterstützt! Besonders die Schilderung des Turniers mit dem gesamten Umfeld von Gauklern und Händlern ist sehr gelungen.

Fazit: Ein flüssig geschriebener und gut zu lesender Roman, der allerdings seine Schwächen hat. An manchen Stellen ist er meiner Meinung nach zu langatmig; wenn z.B. die Wanderungen von einem Ort zum anderen sehr häufig sehr ausführlich beschrieben werden. Auf der anderen Seite hätte ich mir für die interessanten Dinge, wie die historischen Hintergründe und die Carmina mehr Informationen gewünscht. Meiner Meinung nach sind auch nur die Hauptfiguren, Anna, Ulrich, Raoul, wirklich mit Leben gefüllt. Andere Randfiguren wie Maimun, die Gaukler, Ulrichs Frau, Raouls Vater und Annas Familie bleiben blass.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2010
Sten, Viveca

Tödlicher Mittsommer / Thomas Andreasson Bd.1


ausgezeichnet

Auch im schwedischen Sommer ist nicht immer Sonnenschein

In dem Buch "Tödlicher Mittsommer" von Viveca Sten gibt es Tote. Zunächst glaubt man beim ersten Toten an einen Unfalltod durch Ertrinken. Bis auch seine Kusine stirbt. Da deren Tod eindeutig kein Unfall ist, wird auch der erste Todesfall untersucht. Danach sterben noch mehr Menschen. Zunächst tappt die Polizei im Dunkeln, sieht gar keine Zusammenhänge, verfolgt viele Spuren, die ins Leere gehen. Nach und nach wird ein Muster erkennbar und am Ende klärt sich alles auf.

Das hört sich eigentlich gar nicht so spannend an, ist es aber! Der Leser wird behutsam mit den handelnden Personen vertraut gemacht, kann all die Sackgassen nachvollziehen, in die die Ermittler erst einmal geraten und ahnt gegen Ende, wohin die Lösung führen kann. Neben der reinen Krimihandlung laufen aber noch einige andere Handlungsstränge ab, die auch alle eine Spannung in sich tragen. Da ist Thomas, der Ermttler, der erst seine Tochter verloren hat, woran auch seine Ehe gescheitert ist, und der ganz allmählich wieder aus seiner Deppression ins Leben zurückfindet. Da ist Nora, seine Jugendfreundin, die versucht, neben der Rolle als zweifache Mutter auch eine eigene Karriere aufzubauen. Da sind viele Kollegen, die in den Sommermonaten eigentlich auch ein Privatleben haben möchten. Sie kämpfen mit vielen Schwierigkeiten, mit der schlechten Besetzung wegen der Ferienzeit, gegen die Presse, die ihr Sommerloch stopfen möchte und gegen Wichtigtuer, die in die Polizeiarbeit 'reinreden wollen.

Alle handelnden Personen sind Menschen, die eigentlich die Sommermonate genießen möchten. Sie sind gut beschrieben, mit Leben gefüllt und deshalb fühlt und leidet der Leser mit ihnen. Man erfährt, dass auch in Schweden vieles so ist, wie vermutlich überall auf der Welt: Männer wollen immer noch Entscheidungen treffen, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen und auch ohne sich an der familiären Belastung zu beteiligen. In abgelegenen Gegenden, in denen man von Tourismus lebt, ist eine schlechte Presse wegen einer langwierigen Morduntersuchung nicht gerade förderlich für den Lebensunterhalt. Auch in Schweden ist eine Ermittlung langweilige Kleinarbeit und manchmal braucht man sachkundige Unterstützung um auf eine wichtige Fährte zu kommen.

Das war wieder einmal eines der Bücher, die ich ganz langsam lesen musste, damit ich länger etwas davon hatte. Die Autorin hat in ihren Erstling eine Welt beschrieben, die ihr vertraut ist: Die Schäreninseln, die Menschen dort und ihre Sorgen, aber auch die Welt einer Mutter mit akademischer Ausbildung und juristische Gegebenheiten, die letztlich entscheidende Hinweise geben. Man merkt, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt und man kann den Krimi von der ersten bis zur letzten Seite genießen, weil er sich zwar nachvollziehbar, aber nicht vorhersehbar entwickelt.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2010
Kellerman, Jonathan

Der Pathologe


gut

Mehrere Morde sind geschehen, ein Zusammenhang scheint zu bestehen. Genaueres ist aber nur der Polizei bekannt und auf deren Liste der Verdächtigen steht der Psychologe ganz oben, dessen Freundin auch zu den Opfern gehört.

Ein wenig aus Notwehr gegen diese Verdächtigungen, ein wenig aus eigener Motivation aber auch bestärkt durch kleine Hinweise, die er von einem geheimnisvollen Unbekannten erhält, macht dieser sich selbst auf die Suche nach dem Täter. Natürlich übt er auch weiterhin seinen Beruf aus und natürlich entwickelt sich auch sein Privatleben weiter, so dass der Leser einen Einblick in die Strukturen des Krankenhausalltages erhält. All dies ist miteinander verbunden. Der Psychologe recherchiert, basierend auf den geheimnisvollen Hinweisen in der Vergangenheit und weltweit und so erhält er weitere Spuren, die zu dem Mörder führen. Oder hat er bei seinen Schlussfolgerungen einen Fehler gemacht? Und bringt er möglicherweise sich selbst und andere in Gefahr?

Sehr spannend geschrieben, so wie das eben typisch für diesen Autoren ist, ist das ein Buch, das man nur ungern aus der Hand legt. Auch der Leser kann mit den Hinweisen seine eigenen Gedankengänge entwickeln und so mit der Hauptfigur fiebern. Allerdings finde ich persönlich die Lösung am Ende doch etwas sehr unwahrscheinlich, weshalb ich das Buch nicht ohne Einschränkungen weiterempfehlen kann.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.03.2010
Lewycka, Marina

Das Leben kleben


ausgezeichnet

Auch der Leser bleibt kleben.

Georgie, eine ehemals erfolgreiche Journalistin, ist eine erfolglose Romanautorin und verdient ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit an einem Klebstoffmagazin. Warum ausgerechnet Klebstoff? Weil er eine phantastische Metapher abgibt für die verschiedensten Strukturen in diesem Buch:

Schicksale der unterschiedlichsten Personen geraten aneinander und kleben fest, wie Georgie und ihre seltsame Nachbarin, Mrs. Shapiro, wie der Handwerker und eigentliche Ingenieur Mr. Ali, wie die Kollegen aus der Klebstoffbranche, betrügerische Sozialarbeiter und Makler, geizige Schnäppchenjäger und nicht zuletzt die Familie. Wie beim Klebstoff ist es schwierig, das, was einmal zusammengeklebt wurde, wieder ohne Verletzungen zu trennen.

Die Handlungsstränge sind sehr vielschichtig und komplex, so dass es schwer fällt, eine knappe Inhaltsangabe zu verfassen. Hier ein Versuch:

Georgie hat gerade ihren besserwisserischen Ehemann vor die Türe gesetzt und all seine Habe in einem Müllcontainer deponiert. Dort trifft sie Mrs. Shapiro, die gerade Schallplatten und Bücher einsammelt und die Leute, die so etwas abgeben als Barbaren beschimpft. Einige Zeit später kommt es zu einem weiteren Zusammentreffen mit der Nachbarin, als diese im Lebensmittelmarkt mit unsauberen Methoden um heruntergesetzte Waren kämpft. Diese Begegnungen reichen Mrs. Shapiro, um Georgie als nächste Angehörige anzugeben, als sie wegen eines Handbruches ins Krankenhaus kommt. Pflichtbewußt kümmert sie sich. Dann entdeckt sie, dass eine Sozialarbeiterin gemeinsame Sache mit einem Makler ztu machen scheint mit dem Ziel, ihre Nachbarin zu betrügen. Das lässt ihr Gerechtigkeitssinn nicht zu und sie wird immer weiter in die Angelegenheit verstrickt.

In der weiteren Handlung kommen weitere Personen hinzu, so der Handwerker Mr. Ali und seine Neffen. Er und auch Mrs. Shapiro haben eine Geschichte, die nach und nach zu Tage tritt. Dann gibt es noch Georgies pubertierenden Sohn Ben, der fest an den in der Bibel prophezeiten Weltuntergang glaubt.

Meine Meinung: Das ist eines der besten Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe!! Einmal, weil es so vielschichtig ist. Man kann es als eine Geschichte mehrerer skuriller Typen lesen, die per Zufall aufeinandertreffen. Wenn man tiefer geht, hat es eine politische Aussage, denn der Konflikt zwischen Juden und Palästinensern wird aus den verschiedenen Blickwinkeln dargestellt. Es ist auch ein humorvolles Buch. Eine Stelle hat mir besonders gut gefallen: Als Mr. Ali es nach vielen Mühen geschafft hat, ein Schloss auszutauschen ohne die Türe zu beschädigen und dann sagt: "Immer besser....zuerst gewaltfreie Lösung probieren". Es ist auch ein tolerantes Buch, denn der Leser versteht all die verschiedenen Menschen und ihre Positionen, weil die Beweggründe so gut dargestellt werden. Das sind nicht nur Juden und Palästinenser, das sind auch reiche Leute wie Georgies Schwiegereltern und Leute der Arbeiterklasse wie Georgies Eltern. Dann sind es alte Leute wie Mrs. Shapiro und junge Leute wie Ben. Es gibt auch gute Sozialarbeiter, die nie Zeit haben und andere, die versuchen aus der schlechten Arbeit einen Gewinn zu erzielen. Und all diese verschiedenen Menschen kleben irgendwie zusammen.

Nicht zuletzt zeigt diese Buch ein wirklich gutes Abbild der englischen Gesellschaft mit dem Sozialgefälle und den vielen Einwanderern. Bemerkenswert finde ich auch die geschliffene und vielfach doppeldeutige Sprache, die trotz der Übersetzung ins deutsche nichts verloren zu haben scheint. Hierfür hat sich die sehr sorgfältige Übersetzerin ein Lob verdient!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.03.2010
Carver, Tania

Entrissen / Marina Esposito Bd.1


ausgezeichnet

Titel "Entrissen" - Eindruck: Hingerissen

Spannung von der ersten bis zur letzten Seite! Wenn ich das Buch (sehr ungern!) zur Seite legen musste, habe ich überlegt, wodurch diese ständige Spannung erzeugt wurde und hatte folgende Ideen:

Das Buch ist ausgesprochen gut geschrieben. Es sind zwar schon Morde geschehen, es ist aber zu erwarten, dass der Täter noch kein Ende gefunden hat, und Schlimmeres nur verhindert werden kann, wenn er rechtzeitig gefasst wird. Der Leser fiebert mit, weil eine schnelle Aufklärung Leben retten kann und er ahnt, welche Opfer als nächste auf der Liste stehen. Weil diese Opfer in ihrem Umfeld und ihren Gefühlen sehr gut dargestellt werden, werden sie zu realen Personen, die man gerne in Sicherheit wüsste. Nicht zuletzt sollen Babys immer gerettet werden!

Auch die ermittelnden Polizisten und die Profilerin in einer doppelten Funktion sind mit Leben gefüllte Personen, deren Leben auch im privaten Bereich spannend ist. Da der Leser als Betrachter mehr Informationen hat als die Ermittler, ahnt er, wenn die Ermittlungen in die falsche Richtung zielen und auch dadurch wird die Spannung erhöht.

Dieser Thriller erinnert mich an wirklich gute Autorinnen: Martha Grimes, Tess Gerritsen, Joy Fielding oder Patricia Cornwell. Er ist aber keine Kopie, sondern ein eigenständiges Werk. Tania Carver wird sich in die Reihe dieser Autorinnen einreihen können, wenn ihre nächsten Bücher die Erwartungen erfüllen, die man nach der Lektüre dieses Erstlings haben muss. Ich bin jedenfalls sehr gespannt und werde bestimmt zu dem nächsten Produkt aus dieser Feder greifen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.