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Bücherfreundin

Bewertungen

Insgesamt 353 Bewertungen
Bewertung vom 30.10.2023
Wilhelm, Helmut

Das große Buch vom Auge


sehr gut

Viel Wissenswertes über das Auge
Prof. Dr. Helmut Wilhelm legt mit "Das große Buch vom Auge" einen Ratgeber vor, in dem er Erkrankungen und Behandlungen verständlich erklärt. 

Das Buch startet gleich mit einem Sehtest , den jeder durchführen kann. Nach einem kurzen Vorwort wird im ersten Kapitel der Aufbau des Auges erklärt. In weiteren 7 Kapiteln erfahren wir viel Wissenswertes über unterschiedliche Formen der Fehlsichtigkeit, Augenkrankheiten und Sehbehinderungen bis hin zur Blindheit. Als Betroffene interessierten mich hier ganz besonders die Beiträge über die Netzhaut und ihre Erkrankungen. Das Amsler-Gitter auf Seite 231 ist für mich eine sinnvolle Ergänzung des Buches, ich werde damit regelmäßig meine Augen testen.

Sehr informativ fand ich das Kapitel über den Grauen Star und die damit verbundene Operation. In diesem Zusammenhang hat mir sehr gut gefallen, dass der Autor die verschiedenen Möglichkeiten, die sich dem Patienten durch das Angebot an verschiedenen Kunstlinsen bieten, durchaus kritisch beleuchtet.
Interessant fand ich auch das Thema Kontaktlinsen, in dem es um die Historie sowie die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Kontaktlinsen geht. 

Das Buch enthält viele Fotos und grafische Darstellungen, am Ende befindet sich ein vierseitiges Stichwortverzeichnis, das eine gezielte Suche ermöglicht. 

Mir hat der Ratgeber gut gefallen, er ist sehr übersichtlich gestaltet, informativ und gut geschrieben, so dass dem interessierten Laien gute Kenntnisse über das Auge vermittelt werden. Besonders hervorheben möchte ich die sehr gut lesbare, etwas größere Schrift!

Bewertung vom 29.10.2023
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

Mit viel Herz und Humor erzählte Geschichte
Im Mittelpunkt des neuen Romans "Kein guter Mann" von Andreas Izquierdo steht der Postbote Walter. Er ist fast sechzig und lebt nach seiner Scheidung allein in einem alten Fachwerkhaus im Bergischen Land, Freundschaften pflegt er keine. Zu seiner Exfrau Barbara und Sohn Christian hat er keinen Kontakt mehr, lediglich seine Tochter Sandra besucht ihn manchmal. Ein Streit mit Herrn Leyendecker, einem Bewohner seines Zustellbezirks, eskaliert derart, dass seine Vorgesetzte Sabine ihn in den Vorruhestand schicken möchte. Walter wehrt sich dagegen, und so wird er in die Christkindfiliale nach Engelskirchen versetzt, wo er die eingehende Post von Kindern beantworten soll. Die neue Tätigkeit gefällt ihm gar nicht, bis er den Brief eines kleinen Jungen erhält, der einen außergewöhnlichen Wunsch hat. Der 10-jährige Ben wünscht sich keine Spielsachen wie die anderen Kinder, sondern dass der Klempner vorbeikommt. Das berührt Walter, und zwischen den beiden beginnt ein intensiver Briefwechsel. Walter erfährt mehr über das Leben und die Probleme des Jungen, und er beschließt, ihm zu helfen.

Die Handlung des Romans spielt auf zwei Zeitebenen. Im Hier und Jetzt erleben wir den älteren Walter, auf der zweiten Zeitebene wird Walters Vergangenheit nach und nach aufgefächert. Wir lernen ihn als kleinen Jungen kennen, verfolgen seine sportlichen Ambitionen, seinen Eintritt ins Berufsleben und die Gründung einer Familie. Wir erleben die Höhen und Tiefen seines Lebens und seine Tragödien.

Die Geschichte ist spannend erzählt, der Autor skizziert die Charaktere liebevoll und so bildhaft, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Den Briefwechsel zwischen Walter und dem kleinen Ben fand ich sehr berührend. Walter möchte dem Jungen helfen und stellt nun auch endlich sein eigenes, einsames Leben auf den Prüfstand. 

Das unterhaltsame Buch hat mir von Beginn an sehr gut gefallen. Ich war sehr angetan von dem schönen Sprachstil und der Geschichte, die uns der Autor mit viel Herz und Humor erzählt. Walter war mir trotz seiner sehr speziellen Art auf Anhieb sympathisch, und ich ahnte sofort, dass hinter der rauen Schale ein weicher Kern steckt. Die Geschichte seines Lebens hat mich sehr berührt, und ich konnte verstehen, warum aus dem glücklichen Familienvater ein schwieriger Eigenbrötler geworden ist. Sie hat mich vom Anfang bis zum vollkommen überraschenden, aber sehr stimmigen Ende gefesselt und zum Schmunzeln gebracht, aber auch betroffen und nachdenklich gemacht.

Leseempfehlung für diesen herzerwärmenden Roman über Familie und Freundschaft, der mir sehr viel Lesefreude bereitet hat!

Bewertung vom 28.10.2023
Breakey, Hugh

The Beautiful Fall - Die vollkommen irritierende Kettenreaktion der Liebe


sehr gut

Bewegende Geschichte mit Tiefgang
Im Debütroman "The Beautiful Fall" des australischen Autors Hugh Breakey steht der Ich-Erzähler Robert Penfold im Mittelpunkt. Der 31-Jährige leidet unter periodischer Amnesie und verliert alle 179 Tage sein Gedächtnis. Dann erwacht er und weiß nicht mehr, wer er ist. Mit Hilfe eines Briefs, den er an sich selbst geschrieben hat und der wichtige Informationen enthält, gelingt es ihm, sich wieder zurechtzufinden. Er lebt allein und zurückgezogen. Nur selten verlässt er das Haus, seine Lebensmittel bringt ihm ein Lieferdienst. Robert hält sich mit täglichen Übungen fit und verbringt einen erheblichen Teil seiner Zeit damit, eine riesige Anzahl von Dominosteinen kunstvoll aufzubauen.
 
Das Buch beginnt mit Tag 12 vor der nächsten Amnesie. An diesem Tag tritt Julie, die neue Angestellte des Lieferdienstes, in Roberts Leben. Die junge Frau, die ihm Hilfe bei der Durchführung seines Projekts anbietet, gefällt ihm sehr, und er verliebt sich in sie. Doch er wehrt sich gegen seine Gefühle, will den Kontakt zu Julie abbrechen, da er weiß, dass er in wenigen Tagen wieder sein Gedächtnis verlieren wird. Aber er hat nicht mit der Hartnäckigkeit der jungen Frau gerechnet ...
 
Der Roman ist in schönem Sprachstil verfasst und liest sich flüssig. Die Thematik ist interessant, wir erleben einen jungen Mann, der ein sehr spezielles Leben führt und damit beschäftigt ist, sich selbst Anweisungen für die Zeit nach der nächsten Amnesie zu hinterlassen. Das Buch ist spannend, wobei der Aufbau der Dominosteine - auch wenn diesem eine wichtige Rolle im Buch zukommt - für meinen Geschmack etwas zu viel Raum einnimmt und mich stellenweise langweilte.
Nach etwa einem Drittel kommt es zu einer vollkommen unerwarteten Wendung, nach der ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Es fesselte mich zunehmend, Geheimnisse wurden enthüllt, es ging um Identität, Lügen und Vertrauen.
 
Die Beschreibung der Charaktere ist dem Autor sehr gut gelungen, ich mochte den eigenwilligen Robert und die kämpferische Julie. Der Roman hat viele berührende Szenen, wir erleben Roberts Bedenken, sich auf eine Beziehung einzulassen, seine Ängste und Zweifel. Er lässt uns teilhaben an seinem schwierigen Alltag und seinem Umgang mit der seltenen Erkrankung, den damit verbundenen Problemen und Unsicherheiten. 
 
Ich habe das Buch, das nachdenklich macht und verdeutlicht, wie wertvoll unser Gedächtnis ist, sehr gern gelesen - Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.10.2023
Schulman, Alex

Endstation Malma


ausgezeichnet

Mitreißende und berührende Familiengeschichte
Mit großer Begeisterung habe ich die ersten beiden Bücher von Alex Schulman, "Die Überlebenden" und "Verbrenn all meine Briefe", gelesen. Meine Erwartungshaltung an "Endstation Malma" war dementsprechend hoch - und ich wurde nicht enttäuscht!
 
Die Geschichte spielt auf drei Zeitebenen, und es werden drei Zugfahrten nach Malma beschrieben. Ende der siebziger Jahre begibt sich ein Vater mit seiner kleinen Tochter auf die Reise, zwei Jahrzehnte später ein Paar, das sich in einer Krise befindet, und später fährt eine junge Frau auf der Suche nach Antworten mit dem Zug nach Malma. Wie die Schicksale der Personen miteinander verwoben sind, erfahren wir im Verlaufe des Buches. 
 
Im Mittelpunkt des Romans steht Harriet. Sie ist 8 Jahre alt, als sie erfährt, dass ihre Eltern sich scheiden lassen. Durch die dünne Wand hört sie, dass bei jedem Elternteil nur eine der beiden Töchter bleiben soll. Es ist eine große Kränkung für sie, dass beide sich für ihre Schwester Amelia entscheiden, diese aber schließlich mit der Mutter auszieht. Harriet bleibt beim Vater.  Als sie nach längerer Zeit endlich ihre Schwester wiedersehen darf, kommt es zu einem Vorfall, infolge dessen Harriet sofort abreisen muss.
Jahre später, Harriet ist mittlerweile Bibliothekarin, lernt sie im Zug den Makler Oskar kennen. Die beiden verlieben sich ineinander, und Oskar ist glücklich, die interessante und faszinierende Frau erobert zu haben. Sie werden Eltern von Yana, doch die Beziehung ist schwierig, sie ist geprägt durch Harriets Vergangenheit.
 
Auch mit diesem Roman beweist Alex Schulman, dass er ein brillanter Erzähler ist. Sein kluger Sprachstil ist mitreißend, die Charaktere sind überzeugend dargestellt. Er wechselt ständig die Perspektiven, mal befinden wir uns in Harriets Kindheit, dann in Harriets und Oskars Beziehung, dann in Yanas Kindheit. Wir begleiten die Personen, die im Zug sitzen und bekommen Einblick in ihre Erinnerungen und Gedanken. Nach und nach werden Geheimnisse und erlittene Traumata enthüllt. Es geht um Familie und Beziehungsprobleme, Verrat und Verluste, Depressionen - und um Liebe.
 
Die traurige und zugleich liebevolle Geschichte über eine Familie, in der Schmerz und Verluste über Generationen weitergegeben werden, hat mich zutiefst bewegt und berührt. Besonders nahegegangen ist mir die Szene, in der Harriet hört, dass beide Elternteile lieber ihre Schwester Amelia in ihre neue Lebenssituation mitnehmen wollen. Dieses Gefühl der Ablehnung wird Harriets ganzes Leben prägen.

Der Roman hat mich von Beginn an gefesselt und in seinen Bann gezogen. Absolute Leseempfehlung für dieses großartige Buch, das mich noch lange beschäftigen wird!

Bewertung vom 24.10.2023
Strobel, Arno

Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.


sehr gut

Spannender Psychothriller
In "Der Trip", dem aktuellen Psychothriller von Arno Strobel, steht die forensische Psychologin Evelyn Jancke im Mittelpunkt. Sie leidet unter dem mysteriösen Verschwinden ihres Bruders Fabian, hat Albträume und stürzt sich in flüchtige Abenteuer. Evelyn hatte seit dem tödlichen Unfall ihres Vaters vor vielen Jahren ein sehr enges Verhältnis zu Fabian. Er war immer für sie da und half ihr in Notlagen. Vor zwei Jahren befanden sich Fabian und seine Ehefrau Isabel mit ihrem Wohnmobil auf dem Weg nach Spanien. Seit Fabians letzter Nachricht aus Frankreich fehlt jede Spur des Paares, die polizeilichen Ermittlungen blieben ergebnislos. 

Evelyn arbeitet mit Kriminalhauptkommissar Gerhard Tillmann zusammen, seit in Norddeutschland innerhalb von 9 Wochen fünf Menschen brutal auf Campingplätzen oder Wohnmobilstellplätzen ermordet wurden. Die Polizei geht von einem Serienmörder aus, und es wird eine Sonderkommission gebildet. Als Evelyn glaubt, auf einem Phantombild des Täters ihren verschollenen Bruder zu erkennen, begibt sie sich gemeinsam mit Gerhard, dem sie nach dem Ende ihrer privaten Beziehung noch freundschaftlich verbunden ist, auf die Suche nach dem Mörder.

Mir hat der gut durchdachte Thriller sehr gut gefallen. Er ist in schönem Schreibstil geschrieben und liest sich schnell und flüssig. Der Einstieg ist herzzerreißend, und es wird so spannend, dass ich das Buch in fast einem Rutsch ausgelesen habe. Die Spannung steigert sich immer weiter, auch dadurch, dass wir auf einem zweiten Handlungsstrang, dessen kurze Abschnitte in Kursivschrift dargestellt werden, in das Leben und die Gedankenwelt des Täters blicken können. Es gab einige Wendungen, und das Ende hat mich sehr überrascht. Obwohl die Ermittlungsarbeit von Evelyn und Gerhard in meinen Augen nicht immer professionell verlief, habe ich sie auf ihrer Jagd nach dem Täter gern begleitet und mich gut unterhalten gefühlt.  

Leseempfehlung für diesen spannenden Psychothriller! 

Bewertung vom 20.10.2023
Lerchbaum, Gudrun

Zwischen euch verschwinden


sehr gut

Krimihandlung und Gesellschaftskritik
Die 41-jährige Maria Arnold ist nach dem Schlaganfall ihrer Mutter zu ihr gezogen und hat sie 4 1/2 Jahre lang gepflegt. Nun ist die Mutter gestorben. Maria fährt zu einem Café und gönnt sich dort ein üppiges Frühstück. Anschließend nimmt sie sich ein Hotelzimmer und verbringt die Nacht mit dem Kellner Dragan. Am nächsten Tag fährt sie zurück zum Haus der Mutter. Vorher sucht sie die Bank auf und räumt die Konten der Mutter leer. Als sie zuhause ankommt, sieht sie einen Polizeiwagen und das Auto des Hausarztes vor dem Haus stehen. Sie gerät in Panik, verlässt ihr Auto, entsorgt das Handy und fährt nach Linz. Dort kauft sie sich neue Kleidung und lässt sich ihre Haare kurz schneiden und blond färben.

Wir begleiten Maria auf ihrer Flucht, erleben ihre wechselnden Identitäten und temporären Arbeitsverhältnisse. Dabei wird sie mehr als einmal schamlos ausgenutzt, ausgebeutet - auch sexuell - und erpresst. Sie erduldet vieles, und es dauert lange, bis sie sich endlich zur Wehr setzt und erneut untertauchen muss.

Die Geschichte ist in mitreißendem, schönem Sprachstil geschrieben und hat mich von der ersten Seite an gefesselt. In vielen Situationen habe ich mit Maria mitgelitten, konnte allerdings ihre Handlungsweise nicht immer nachvollziehen. Gudrun Lerchbaum hat mich geschickt auf eine falsche Fährte geführt, denn manches ist nicht so, wie es scheint. Der Roman verbindet geschickt eine Krimihandlung mit Gesellschaftskritik und lässt uns darüber nachdenken, in welcher prekären Situation sich Pflegekräfte und schwarz arbeitende Servicekräfte häufig befinden. Hier liegt leider noch vieles im Argen, hier muss mehr für den Schutz von Frauen getan werden.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es ist spannend, mitreißend und wird mich sicherlich noch eine Weile beschäftigen. Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.10.2023
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


ausgezeichnet

Ein bewegtes Leben und ein Kriminalfall
Es ist Liebe auf den ersten Blick, als Florence Butterfield zum ersten Mal die Seniorenresidenz Babbington Hall sieht. Nach der Amputation ihres linken Unterschenkels infolge eines Sturzes kann die 87-Jährige nicht mehr in ihrem Cottage wohnen bleiben und zieht um. Sie fühlt sich wohl in der neuen Umgebung, genießt die Annehmlichkeiten und hält sich gern im großen Garten inmitten vieler Bäume und blühender Blumen auf. Mit ihrem freundlichen und optimistischen Wesen ist sie bei ihren Mitbewohnern und beim Personal beliebt. Auch die Heimleiterin Renata schätzt Florrie und vertraut ihr an, dass sie verliebt sei und von einer Reise nach Paris träume. In der Nacht stürzt Renata aus einem Fenster ihrer im 3. Stock gelegenen Wohnung. Florrie kann nicht glauben, dass Renata sich das Leben nehmen wollte und begibt sich gemeinsam mit Stanhope, einem Mitbewohner und ehemaligem Lateinlehrer, auf Spurensuche.

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Die erste Zeitebene spielt im Hier und Jetzt, auf der zweiten Zeitebene begleiten wir Florrie durch ihr abenteuerliches und ereignisreiches Leben. Sie verlässt ihr Elternhaus mit 17 Jahren, um in der Pariser Botschaft zu arbeiten. Später geht sie nach Nizza, von dort aus nach Zermatt. Nach und nach blättert sich Florries Leben auf, wir erleben ihre Höhen und Tiefen, ihre Schicksalsschläge, aber auch viele glückliche Momente.

Schon in ihrem Buch "Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte" hat mich Susan Fletcher mit ihrem wunderbaren und ruhigen Schreibstil begeistert. Das ist auch bei diesem Buch nicht anders. Die Autorin beschreibt die Charaktere so authentisch und bildhaft, dass ich sie mir gut vorstellen konnte. Neben der liebenswerten Florrie und Stanhope hatte ich eine weitere Lieblingsfigur: den sympathischen Victor. Die Krimihandlung des Buches hat mir zwar bis zur überraschenden Auflösung gut gefallen, jedoch zog mich Florries berührende Lebensgeschichte deutlich mehr in ihren Bann. 

Ich habe den Roman sehr gern gelesen, er war spannend und hat mich gleichermaßen gefesselt und berührt. 

Bewertung vom 17.10.2023
Dutzler, Herbert

Die Welt war voller Fragen


ausgezeichnet

Unterhaltsame Reise ins Österreich der sechziger Jahre
In seinem neuen Buch "Die Welt war voller Fragen" erzählt der österreichische Autor Herbert Dutzler die Geschichte des kleinen Siegfried Niedermayr im Österreich der sechziger Jahre. Das Buch knüpft an den Vorgängerroman "Die Welt war eine Murmel" an, als Siegfried gerade die Volksschule beendet hat und sich aufs Gymnasium freut. Beide Bücher können gut unabhängig voneinander gelesen werden.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Im Hier und Jetzt begleiten wir den erwachsenen Siegfried, der nach dem Tod seiner Mutter das Elternhaus ausräumt, was in ihm viele Erinnerungen weckt.

Auf der Vergangenheitsebene beschreibt der 10-jährige Ich-Erzähler Siegfried seinen Alltag in der Schule und das Zusammenleben mit seiner Familie. Gemeinsam mit seinen Eltern Adolf und Edeltraud sowie der jüngeren Schwester Uschi lebt er in einem alten Bauernhaus. Das Obergeschoss des Hauses bewohnen Adolfs Eltern.
Siegfried ist ein pfiffiger und wissbegieriger Junge, der beim Kochen hilft, leidenschaftlich gern die Bücher von Karl May liest und der Mondlandung entgegenfiebert. Er erlebt sein erstes Schuljahr auf dem Gymnasium und muss die bittere Erfahrung machen, dass sein Wissensdurst nicht bei allen Lehrern gut ankommt, dass er sich sogar großen Ärger damit einhandelt.
Auch innerhalb der Familie gibt es Probleme, als Siegfrieds Mutter den Wunsch äußert, wieder arbeiten zu gehen, ein Ding der Unmöglichkeit für Adolf. Und obendrein wünscht sie sich nicht nur ein Auto für die Familie, sondern will sogar den Führerschein machen ...

Es hat mir sehr gut gefallen, in die mir vertraute Welt der sechziger Jahre einzutauchen, als der Haushalt noch Frauensache und es verpönt war, dass Frauen einen Beruf ausübten und sogar den Führerschein machten. Die Erziehung sowohl zuhause als auch in der Schule war autoritär, ein Kind hatte folgsam zu sein und den Mund zu halten. Sehr zum Schmunzeln gebracht hat mich die Beschreibung des Weihnachtsfestes im Hause Niedermayr. In dem Buch geht es neben der Emanzipation der Frauen auch um ein Familiengeheimnis und den Umgang mit Lehrern, die eine Nazivergangenheit hatten.

Der Lesefunke ist bereits auf der ersten Seite auf mich übergesprungen, ich war sehr angetan von dem schönen Sprachstil und der Geschichte, die mit viel Herz und Humor erzählt wird. Dem Autor ist es gelungen, die Charaktere bildhaft und authentisch zu skizzieren. Ich habe den kleinen, pfiffigen Siegfried sofort ins Herz geschlossen, und ich mochte den erwachsenen Siegfried, der sich viel Zeit für das Ausräumen seines Elternhauses nimmt und dabei seinen Erinnerungen nachhängt. Der Wechsel von der Vergangenheit in die Gegenwart ist durch die Kursivschrift gut zu erkennen.

5 Sterne von mir und absolute Leseempfehlung für diese großartige und wunderbar erzählte Geschichte!

Bewertung vom 15.10.2023
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

Obdachlos in den Hamptons
Nach ihrem erfolgreichen Debütroman "The Girls" hat die amerikanische Autorin Emma Cline nun ihr Buch "Die Einladung" vorgelegt.
 
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 22-jährige Alex. Sie lebt in den Tag hinein und verdient ihr Geld als Callgirl. Bei ihren WG-Mitbewohnern hat sie Mietschulden, und auch ihr Exfreund Dom ist nicht gut auf sie zu sprechen. Da trifft es sich gut, dass sie den vermögenden Kunsthändler Simon kennenlernt. Er ist in den Fünfzigern und beschenkt Alex mit teuren Kleidungsstücken und Schmuck. Seine Einladung, ihn für den Monat August in sein Sommerhaus in den Hamptons zu begleiten, nimmt sie mit Freuden an und genießt den Luxus, der ihr dort geboten wird. Auf einer Party bei Simons Freunden kommt es zu einem Zwischenfall, aufgrund dessen Simon Alex am nächsten Morgen vor die Tür setzt.
 
Alex plant nun, die fünf Tage bis zu Simons traditioneller Labor Day-Party, bei der sie ihn mit ihrer Anwesenheit überraschen möchte, irgendwie zu überbrücken. Sie ist davon überzeugt, dass er sie liebt und wieder bei sich aufnimmt. Leider ist sie nahezu mittellos und führt nur eine Tasche mit sich, in der sich die Kleidung befindet, die Simon ihr geschenkt hat, und einige Gegenstände, die sie gestohlen hat. 
 
Es ist mir schwer gefallen, Zugang zu Alex zu finden. Wir erfahren nicht sehr viel über sie und ihre Vergangenheit, ihre Motive bleiben im Dunkeln. Mit ihrem Charme, ihrer Schönheit und Dreistigkeit schafft sie es immer wieder, Anschluss zu finden. Ihr Ziel ist es, auch zu den Schönen und Reichen zu gehören, aber sie wird nur als Simons austauschbare Freundin auf Zeit wahrgenommen und wenig beachtet. Selbst das Hauspersonal schaut auf sie herab. Sie ist nicht sympathisch, sie ist tablettensüchtig, lügt, stiehlt und betrügt, versucht, ihre Mitmenschen zu manipulieren. Einblicke in ihre Gefühlswelt bleiben uns verwehrt, lediglich Jack und Margaret zeigt sie ihre fürsorgliche Seite. Trotzdem tat sie mir leid bei ihren verzweifelten Bemühungen, Wege aus ihrer Obdachlosigkeit zu finden. 
 
Das Buch ist in klarer und beeindruckender Sprache geschrieben, es liest sich sehr flüssig bis zum - leider für mich - enttäuschenden Ende.