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niniste
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Insgesamt 219 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2023
Janz, Tanja

Wo der Seewind flüstert / Die St.-Peter-Ording-Saga Bd.1


ausgezeichnet

In ihrem Roman ,, Wo der Seewind flüster- Die St.-Peter-Orfing- Ssga " entführt Tanja Janz den Leser ins Jahr 1959 / 1060 nach Sankt Peter-Ording und Gelsenkirchen.
Ebba Freese , alleinstehend, vermietet Zimmer an Urlaubsgäste , um über die Runden zu kommen. Da ihr die Arbeit im Sommer zuviel wird, bittet sie ihre Schwester in Gelsenkirchen, ihre Tochter Sabine zu ihr zu schicken, damit sie etwas Unterstützung hat. Sabine hat gerade ihren Abschluss der Frauenfachschule in der Tasche und freut sich auf einen unbeschwerten Urlaub mit Freunden am Gardasee, süßes Nichtstun und Dolce Vita fest im Blick. Für Sabines Eltern ist es selbstverständlich, daß Sabine an die Nordsee fährt, denn : für die Familie ist man immer da und hilft ,wo es nötig ist.
Obwohl sie der Reise nach Italien nachtrauert, ist sie schnell vom Zauber Nordfrieslands gefangen. Von der Landschaft, den netten Menschen und von Tom, der abends mit seinen Kumpels Musik macht. Sie fühlt sich so wohl, ist verliebt und möchte am liebsten in SPO bleiben. Doch ihre Stelle in der Gelsenkirchener Polizeikantine wartet auf sie . Daher muss sie traurig gestimmt , die Nordsee und Tom verlassen.
Wird sie zurück nach SPO kommen können und hat ihre zarte Liebe zu Tom eine Chance für die Zukunft? Findet es selbst heraus!

Schon nach wenigen Seiten war ich begeistert von der Geschichte. Tanja Janz schildert das Leben dieser Jahre lebendig und authentisch. Die frische Luft, der Wind waren förmlich zu spüren. Der aufkommende Tourismus an der Nordsee bringt neue Möglichkeiten in den ( noch ) kleinen beschaulichen Ort. In Gelsenkirchen, im Pott, ist dagegen durch den Bergbau der wirtschaftliche Aufschwung deutlicher zu spüren. Das Lebensgefühl in beiden Städten wird lebendig beschrieben, der Zeitgeist ist perfekt eingefangen.
Der Zusamnenhalt in der Familie, aber auch das Akzeptieren von Elternentscheidungen, dabei seinen eigenen Weg zu finden , wird sehr gekonnt dargestellt. Ich fühlte mich in der Zeit zurück versetzt und war eine Zeitlang Teil der Familie.
Sabine ist mir von Anfang an sympathisch, auch Rita , ihre beste Freundin, die ihr immer wieder gut zuspricht und Mut macht, gefällt mir sehr. Auch Tante Ebba und die anderen Charaktere muß man einfach gern haben, da sie so liebevoll dargestellt sind.
Die Geschichte hat mir durch den leichten und flüssig zu lesenden Schreibstil so wunderbare Lesestunden beschert. Die abwechslungsreichen Kapitel , mal in Gelsenkirchen, mal in SPO, in genau richtiger Länge , ließen die Seiten nur so fliegen.
Das Buchcover mit der radelnden Frau durch die Dünenlandschaft mit dem typischen Pfahlbau passt perfekt zur Geschichte. Es lässt mich sofort Urlaubsgefühl und Sehnsucht nach SPO spüren. Der farbige Buchschnitt macht das Buch zusätzlich zu etwas Besonderem.
Für mich war es das erste Buch von Tanja Janz . Ich bin so begeistert von ihrer Art zu schreiben, daß ich auf jeden Fall noch viel mehr von ihr lesen werde.

Da die Geschichte der erste Teil einer Trilogie ist, bin ich schon jetzt sehr gespannt auf die Fortsetzung und freue mich schon jetzt auf ein Wiedertreffen mit den liebgewonnenen Charakteren im Jahr 1978. Er wird im Januar 2024 erscheinen.

Von ganzem Herzen empfehle ich diesen wunderbaren Auftakt zur St-Peter-Ording-Saga weiter.

Bewertung vom 07.04.2023
Rusch, Veronika

Die Bahnhofsmission


ausgezeichnet

Die Autorin Veronika Rusch nimmt in ihrem Roman ,, Aller Tage Hoffnung- Die Bahnhofsmission "  den Leser mit in  das Jahr 1908,  schildert   die Anfänge der Bahnhofsmission  am Schlesischen Bahnhof in Berlin. Dort kommen viele junge Frauen  aus den ländlichen Gebieten an, die auf der Suche nach einer Anstellung sind. Leider werden sie häufig bereits bei der Ankunft am Bahnhof von dubiosen Schleppern abgefangen,  die sie dann  in die Prostitution zwingen.  

Als Alice, Tochter eines angesehenen Professors der Charité,  mit ihrer schwangeren Schwester Constanze mit dem Zug auf dem Weg nach Hause in Berlin ist, holt sie die fiebernde Gerda in ihr Abteil, damit sie nicht noch kranker wird.  Auf dieser Zufahrt lernt sie auch den jungen Offizier Heinrich kennen, mit dem sie sich wunderbar unterhalten kann. In Berlin angekommen,  versucht ein Mann, Pavel,  die junge Gerda mitzunehmen,  die entgegen der Absprache nicht von ihrer Freundin abgeholt wurde. Nathalie,  eine kleine resolute Frau der Bahnhofsmission geht dazwischen und kümmert sich um Gerda. Sie bringt sie im Johannisstift unter, damit sie zunächst gesund werden kann .

Weil Alice die Frau mit der weißen Armbinde der Bahnhofsmission aufgefallen ist, macht sie sich auf Weg zum Bahnhof,  um sich nach ihrer kleinen Reisebekanntschaft zu erkundigen.  So lernt sie die Arbeit der Bahnhofsmission kennen und beschließt,  dort auch mitzuhelfen. Das geht nur heimlich, denn  ihre gutbürgerlichen Eltern würden es keinesfalls erlauben. In den Augen der gehobenen Gesellschaft ist es vornehmlich die Aufgabe einer Frau, zu heiraten , eine Familie zu gründen und den Haushalt zu führen.  Alice will das nicht. Sie hat den  Traum,  eines Tages Ärztin zu sein und Menschen zu helfen.  Das war damals in Deutschland leider noch nicht möglich. 

Auch Natalie ist in der Bahnhofsmission tätig. Als Tochter eines Puppenspielers hat sie ihre ärmliche Kindheit im Wanderzirkus verbracht. Eines Tages konnte sie dem jähzornigen Vater dort entfliehen und kam über Umwege später nach Berlin. Auch dort musste sie sich durchkämpfen, musste schwierige Zeiten überstehen,  bis sie das Glück hatte, bei der Bahnhofsmission ein neues Leben zu beginnen.  Es ist ihr wichtig, hilfebedürftigen Menschen , besonders den jungen Frauen und Mädchen,  zur Seite zu stehen. Doch vielen, und gerade den Schleppern ist die Arbeit der Bahnhofsmission ein Dorn im Auge. Pavel droht Natalie direkt. 

Trotz der Standesunterschiede freunden sich Natalie und Alice an. Als Gerda verschwindet,  macht sich Natalie auf die Suche nach ihr. Dabei kommt heraus, daß Gerda nicht die erste verschwundene junge Frau ist. Wie hängen diese Fälle zusammen?  Der Leser  darf gespannt sein. 

Die Autorin beschreibt authentisch die Charaktere der Protagonisten  Die unterschiedlichen  Lebenswelten,  sowohl in der gehobenen Gesellschaft,  wie auch das einfache Leben Natalies und das in der Unterwelt, wo Glücksspiel, Prostitution und auch Mord an der Tagesordnung stehen , werden bildgewaltig dargestellt.  Es entstanden schnell Bilder vor meinen Augen. Das hektische Atmosphäre,  das  Leben auf dem Bahnhof konnte ich direkt fühlen . Sowohl Natalie,  als auch Alice und ihre Schwester Constanze machen interessante Entwicklungen durch, die perfekt dargestellt werden.  

Der damalige Zeitgeist ist perfekt eingefangen,  die Stellung der Frauen und der Kampf der Frauenrechtlerinnen ums Wahlrecht wird sehr gut dargestellt.  

Im Laufe der Geschichte erfährt der Leser immer mehr von der Vergangenheit der Protagonisten,. Die historischen Anfänge der Bahnhofsmission und ihre Arbeit werden geschickt mit der Geschichte von Natalie,  Alice und den anderen Personen verknüpft. Es entwickelt sich ein äußerst spannender Kriminalfall um verschwundene junge Frauen,  bei der auch Natalie in große Gefahr geht. 

Der Schreibstil ist so flüssig , die Entwicklung der Geschichte so spannend,  daß ich mich kaum von der Geschichte lösen konnte.  Es fiel mir äußerst schwer,  das Buch aus der Hand zu legen, weil ich unbedingt wissen wollte,  wie es weitergeht, so gefangen war ich von der Handlung.  Ich fühlte mich mittendrin im  Geschehen und habe mit den Personen gehofft, gebangt und mich über ihren Mut gefreut.  

Mit dieser Geschichte ist es der Autorin auf grandiose Weise gelungen,  einen historischen Kriminalroman mit der Lebensgeschichte zweier starker Frauen zu verknüpfen und den Leser zugleich die Anfänge der Bahnhofsmission hautnah miterleben zu lassen.  Von ganzem Herzen empfehle ich diese beeindruckende und spannende Geschichte weiter.  Das Ende lässt auf eine Fortsetzung hoffen,  die ich schon jetzt kaum erwarten kann.  

Bewertung vom 29.03.2023
Franke, Christiane; Kuhnert, Cornelia

Tote Lämmer lügen nicht / Ostfriesen-Krimi Bd.10 (MP3-Download)


ausgezeichnet

Das Autorenduo Christiane Franke und Cornelia Kuhnert nimmt den Leser in ihrem ( Hör -) Buch ,, Tote Lämmer Lügen nicht " mit in das beschauliche Neuharlingersiel in Ostfriesland.  

Der örtliche Häkelbüdelclub kocht einmal im Monat für die alleinstehenden Männer im Ort. Auch die Lehrerin Rosa hilft bei diesem beliebten und geselligen Treffen. Als ihr auffällt,  daß Lenny fehlt, macht sie sich anschließend auf den Weg, um bei ihm zuhause nach dem Rechten zu sehen. Zusammen mit Nachbar Hoyko entdeckt sie Lenny tot in seinem Wohnzimmer.  Schnell ist die Polizei informiert und es stellt sich heraus, daß er nicht eines natürlichen Todes verstorben ist. 

Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf und bald finden sich erste Anzeichen, die zum Auflösen des Mordes führen. Da taucht eine zweite Leiche auf, der Deichschäfer Gerhard wird tot im Watt gefunden.  Hängen diese beiden Todesfälle zusammen? Wenn ja, wie ? 

Bei Hobbydetektivin Rosa ist sofort der Spürsinn geweckt. Zusammen mit Dorfpolizist Rudi und Postbote Henner macht sie sich auf die Suche nach Verdächtigen und Motiven für diese Morde. Denn ihr ist sofort klar, daß auch Gerhard nicht von alleine aus dem Leben geschieden ist. Da man sich im Ort untereinander genau kennt, kommen bald verschiedene Theorien und Verdächtige zum Vorschein.  Eine dubiose Immobilienfirma und  Wolfsgegner geraten schnell in den Fokus der Ermittlungen. Spürnase Rosa nimmt ihre Freunde mit in ihre Ermittlungen und gerät sogar selbst in Gefahr . Der Hörer / Leser wird in mehrmals in die Irre geführt,  bis erst kurz vor dem Ende sich abzeichnet, wer für die Todesfälle verantwortlich ist. 

Die einzigartigen Charaktere,  originell und warmherzig beschrieben,  sind mir schnell ans Herz gewachsen.  Mit eingestreuten Sätzen im landestypischen Plattdeutsch entsteht ostfriesisches Flair,  den Ort konnte ich mir durch die anschaulichen Beschreibungen genau vorstellen.  

Die Geschichte wird in einem leichten und flüssigen Erzählstil, gewürzt mit einer Prise Humor, spannungsreich  dargestellt.  Bei den abwechslungsreichen Ermittlungen wurde ich geschickt auch falsche Fährten gelenkt , um dann eine überraschende aber schlüssige Lösung des Falls präsentiert zu bekommen.  

Da ich die Geschichte als Hörbuch genossen habe, war ich von der ersten bis zur letzten Minute von der spannungsreichen und unterhaltsamen Ermittlerarbeit gefesselt.  

Der Sprecher hat eine überaus angenehme Stimme und hat für jede einzelne Person eine passende Stimmlage . Es hat soviel Spaß gemacht ,ihm zu lauschen.  

Für mich war es die erste Geschichte um Rosa, Henner und Rudi,  obwohl es schon ihr 10. Fall ist. Ich werde mit Sicherheit die anderen Teile der Reihe anhören bzw lesen. 

Ich empfehle diese grandiose Geschichte , mit äußerst sympathischen Protagonisten und viel ostfriesischeem Lokalkolorit uneingeschränkt weiter. Es macht unglaublich viel Freunde mit Rosa und ihren Freunden auf spannungsreiche Ermittlungen zu gehen. 

Bewertung vom 19.03.2023
Vanek, Tereza

Die Magdalenenschwestern. Das gestohlene Leben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Autorin Tereza Vanek  nimmt den Leser mit in die erschreckend und furchtbare Zeit der Magdalenenheime Irlands in den 60er  Jahren. , als die katholische Kirche  willkürlich und unbarmherzig junge Frauen und Mädchen in diesen Institutionen als unentgeltliche Arbeitskraft ausgebeutet und um ihr Leben gebracht haben. Diese jungen Frauen haben angeblich ein sündiges Leben geführt oder waren nach einer Vergewaltigung schwanger. Oftmals reichte es schon , wenn sie aus ärmlichen Verhältnissen kamen,   auffallend hübsch sind  oder gerne lächeln.  Auch wer selbstbewusst seine eigene Meinung kund tat, lief Gefahr im Heim zu landen. Und kam dort oft nie wieder heraus. 

Diese Geschichte über Cathy und Rose , stellvertretend für unzählige Frauen und Mädchen,  die in den Magdalenenheimen unter unvorstellbaren Bedingungen leben und arbeiten mussten, hat mich sehr berührt und zum großen Teil schockiert und fassungslos gemacht. 

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebebenen erzählt. Ab 1966 wird die Geschichte von Cathy , Tochter eines vermögende Unternehmers  , und von Rose , welche aus ärmlichen Verhältnissen,  der Vater trinkt zuviel,  erzählt.  Obwohl die beiden 14 jährigen Mädchen sehr unterschiedlich sind, verbindet sie eine innige Freundschaft,  sie sind fast so eng wie Schwestern.  Auch ihre Zukunftsträume sind weit voneinander entfernt.  Während Cathy, intelligent und in Bücher vernarrt, sehr selbstbewusst, ist , sie   spricht gerne laut aus , was sie denkt , eines Tages studieren und Schriftstellerin werden möchte, träumt  Rose von einer Ehe , mit Haus und Kind. 

Der zweite Handlungsstrang spielt in der Gegenwart.  Da Leah noch nicht weiß, was sie mit ihrem Abitur machen möchte,  Arzt wie ihr Vater ist keine Option,  nimmt sie eine Stelle als Au-Pair in Dublin an. 

Die Freundinnen werden plötzlich getrennt,. Rosies Mutter verstirbt früh , der Vater kann sich nicht um sie kümmern, so daß sie in die Obhut der Kirche  kommt . Im Magdalenenheim muß sie von da an in der Wäscherei arbeiten und wird  unter unvorstellbar furchtbaren Verhältnissen wie eine Sünderin von den Nonnen behandelt.  Dabei hat sie nichts verbrochen, außer ein hübsches Mädchen zu sein. Sie verkümmert immer mehr ,bis sie heimlich Cathy um Hilfe bitten kann , sie aus dieser Gefangenschaft herauszuholen.  Als Hausangestellte bei Cathys Vater kann sie diese schreckliche Zeit ein klein wenig verdrängen und die Freundschaft wieder aufleben lassen.  Alles scheint zunächst gut zu verlaufen,  bis Cathy ein Unglück widerfährt und ihr Vater sie auf Anraten eines Pfarrers ins Magdalenenheim bringen lässt, damit sie ihr für ihre Sünden büßt und wieder vernünftig wird, also so wie die Gesellschaft es von ihr erwartet . 

Als Leah Rose , sie ist die Großmutter ihrer Gastfamilie, kennenlernt,  ist sie mit ihren 67 Jahren bereits dementsprechend und von zuviel Alkoholkonsum gezeichnet.  Leah erfährt,  daß Rose etwas aus ihrer Vergangenheit sehr belastet  und so macht sie sich mit ihrem Enkel Shaun auf die Suche nach Spuren . So nach und nach können sie Puzzleteile  aus Rosies Leben zusammen setzen.  Wird es Rose helfen, ihren Frieden zu finden? 

Auf eindrucksvolle und auch schonungslose  Weise beschreibt Tereza Vanek das Geschehen den Magdalenenheimen. Ein dunkles Stück Zeitgeschichte Irlands unter dem Namen und Einfluss der Kirche wird durch die Geschichte von Cathy und Rose greifbar gemacht. Der Schreibstil ist so lebendig,  daß ich stets Bilder vor Augen hatte. Die Zeitebebenen sind so geschickt miteinander verwoben,  daß die Spannung durchgehend hoch ist und ich nicht aufhören konnte zu lesen. Ich war so gefesselt und gleichzeitig schockiert ,  ich musste unbedingt wissen,  wie die Geschichte weitergeht.  Ganz nebenbei entwickelt auch eine zarte Liebesgeschichte . Es gibt einige Wendungen und Entwicklungen  mit denen ich nicht gerechnet habe.  

Die Protagonisten habe ich schnell liebgewonnen und gerne hätte ich sowohl Rose als auch Cathy tröstend gehalten und Tränen getrocknet.  

Diese Geschichte hat mich tief berührt.  Die Schilderungen aus den Magdalenenheimen , wie die Nonnen dort mit unnachgiebiger Härte und Brutalität mit den Frauen umgingen, hat mich schockiert.  Sie wurden dort wie Sklavinnen gehalten,  durften das Gelände nicht verlassen,  ihr Leben wurde zerstört. Erst als 1996 das letzte Heim geschlossen wurde und unzählige namenlose Gräber entdeckt wurden,  hat man mit der Aufarbeitung dieses schrecklichen Kapitels begonnen.  Eine furchtbare Zeit, die sich nie , in keinem Land wiederholen darf. So manches Mal hatte ich beim Lesen Tränen in den Augen und Gänsehaut.  

Im Nachwort finden sich noch einige interessante Fakten zu diesen Heimen. 

Sehr gerne empfehle ich diese spannende,  berührende und auch schockierende Geschichte weiter. 

Bewertung vom 13.03.2023
Burton, Jessie

Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2


sehr gut

In ihrem Roman ,, Das Haus an der Herengracht " nimmt die Autorin Jessie Burton den Leser mit auf eine Reise nach Amsterdam ins Jahr 1705.

Der Roman beginnt mit dem 18. Geburtstag von Thea Brandt. Sie wächst wohlbehütet von ihrer Familie im Haus an der Herengracht auf. Ihre Mutter Marin verstarb bei ihrer Geburt, seitdem kümmert sich ihre Tante Nella sowie Cornelia, die gute Seele des Haushaltes , zusammen mit ihrem Vater Otto um sie. Die Familie hat es in der Amsterdamer Gesellschaft sehr schwer, da der Mann von Nella wegen Sodomie zum Tode verurteilt wurde.
Außerdem wurde Thea unehelich geboren und hat durch ihren Vater , einem ehemaligen Sklaven, dunklere Haut. Die ehemals reiche Kaufmannsfamilie ist nunmehr verarmt und verkauft nach und nach ihren prunkvollen Hausrat, um über die Runden zu kommen. Nach außen hin , darf keiner von dieser Misere erfahren. Damit es wieder aufwärts gehen kann, sucht Nella einen reichen Ehemann für Thea. Tatsächlich findet sich ein Interessent, Jacob van Loos, Advocat aus reichem Hause. Thea liebt jedoch heimlich den Kulissenmaler Walter, den sie bei ihren häufigen Theaterbesuchen in der Shouwburg kennengelernt hat. Sie träumt von einem aufregenden Leben mit ihm in Paris oder London.
Wie sie sich entscheiden wird, für die Liebe oder für das Wohl der Familie, oder was auf diesem Weg noch geschehen wird, muß der Leser selbst herausfinden. Da möchte ich nicht zuviel verraten.
Die Autorin gewährt durch detaillierte Beschreibungen Einblick in das Leben der Amsterdamer Familien des 18. Jahrhunderts. Sehr gut konnte ich mir die Häuser, die Einrichtungen, die Kleidung, das Essen , die Straßen und auch das Theater-Leben in der Shouwburg vorstellen. Die Protagonisten werden authentisch dargestellt und ich kann mich durchaus in ihr Denken hineinversetzen.
Etwas schwierig war es anfangs , in die Familienverhältnisse und die geheimnisvolle Vergangenheit, insbesondere von Nella, hinein zu finden, da ich den vorangegangenen Roman ,, Die Magie der kleinen Dinge " nicht kenne. Im Verlauf der Geschichte wurde es dann einfacher, da einiges angesprochen wurde.
Der Schreibstil ist gut zu lesen, erforderte von mir aber etwas mehr Konzentration und Zeit. Die Geschichte ist spannend und die Charaktere machen eine interessante Entwicklung durch.
Wer gerne in eine historische und interessante Familiengeschichte mit Geheimnissen und Magie eintauchen möchte, ist mit diesem Roman gut beraten. Ich würde allerdings zuerst ,, Die Magie der kleinen Dinge " empfehlen, um besser in Theas Geschichte anzukommen.

Bewertung vom 26.02.2023
Haigh, Tara

Das schwarze Gold des Südens


ausgezeichnet

,, Das schwarze Gold des Südens " von Tara Haigh erschien 2020 als Buch und nun auch als Hörbuch. Der Sprecher Matthias Ernst Holzmamn hat eine angenehm sympathische Stimme.  Sehr gut gefallen hat mir, daß er jedem Charakter eine andere Stimme verliehen hat. 

Im Jahr 1887 führt die Familie Imhoff in Bamberg  ein Süßholzimperium, stellt Lakritzpastillen her und vermarktet sie unter anderem an hiesige Apotheker. Während  die  pflichtbewusste ältere Tochter Amalie im  Familienunternehmen ihren Platz sieht und daher auch  den langjährigen Mitarbeiter Hermann heiratet,  träumt Elise davon , eine eigene Confiserie zu haben, um Pralinen , Gebäck und andere Köstlichkeiten mit Lakritz anzubieten.  Das Verhältnis der Schwestern zueinander ist nicht besonders eng.  Nach dem unerwarteten Tod ihrer Mutter , packt sie über Nacht ihre Sachen und nimmt mit ihrem  Freund Ferdinand Reißaus,  um in Paris ein gemeinsames neues Leben zu beginnen.  Das Glück scheint auf ihrer Seite zu sein. Ferdinand findet schnell Arbeit bei Gustav Eiffel und Elise kann ihre Confiserie eröffnen.  Schnell spricht sich herum , wie fantastisch ihre Kreationen sind. 

Amalie reist mit ihrem Vater und Hermann nach Kalabrien, um nach Missernten und Verlust vieler Pflanzen nach neuen Quellen für Süßholz zu suchen. Hatte sie zunächst gar kein großes Interesse nach Italien zu reisen, ändert sich dieses als sie dort Marcello Sorace und seine Familie kennenlernt. Plötzlich steht ihr ganzes Leben kopf.  

Tara Haigh lässt den Hörer tief in die Geschichte des Süßholzes und der Herstellung von Lakritz eintauchen, verbunden mit der Geschichte der zwei sehr unterschiedlichen Schwestern.  Die Charaktere sind so liebevoll und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet,  daß man das Gefühl hat, sie persönlich zu kennen. Ich habe sie jedenfalls schnell ins Herz geschlossen  und mich mit ihnen gefreut, gelitten , geweint ihre Ängste gespürt und mit ihnen geliebt. 

Die Geschichte wird spannungsreich aus den Perspektiven von Amalie und Elise erzählt. Es gibt einige unerwartete Wendungen,  so daß ich so sehr gefesselt war, daß ich die Geschichte am liebsten in  einem Rutsch  gehört hätte.  Die Hörstunden vergingen wie im Flug. 

Tara Haigh hat auf beeindruckende Weise die historische Geschichte des Süßholz-Anbaus in Bamberg mit der Familiengeschichte der Schwestern,  sowie einer Liebesgeschichte verknüpft. Dank der äußerst bildhaften und authentischen Beschreibung der Protagonisten konnte ich mich sehr gut in die jeweiligen Situationen, Gedanken und Gefühle hineinversetzen.  

Die  Reise mit Amalie und Elise ins beschauliche Bamberg,  ins sonnige Kalabrien und ins aufstrebende , moderne und quirlige Paris, wo gerade der Eiffelturm gebaut wird, hat  mich gefesselt und sehr gut unterhalten.  Auch die Betrachtung und Entwicklung des Verhältnisses der unterschiedlichen Schwestern fand ich spannend.  

Sehr interessant ist auch die Beschreibung vom Anbau und Verarbeitung von Süßholz,  zu Lakritz, Pulver,  Saft , Pastillen  bis hin zu köstlichsten Pralinen und Gebäck. . Am liebsten hätte ich alles davon probiert. 

Sehr gerne empfehle ich  diese toll recherchierte, ,, köstliche " und spannende Geschichte um die Träume der beiden Schwestern weiter. Für mich war es ein richtiger Hörgenuss.  

Bewertung vom 24.02.2023
Wolf, Lilly

Papierblüten. Schatten über der Villa Brendl


ausgezeichnet

In ihrem Roman ,, Papierblüten - Schatten über Villa Brendl "  nimmt die Autorin Lilly Wolf den Leser mit in die Geschichte der künstlerisch begabten Familie Brendl, die in Stuttgart eine Tapetenmanufaktur besitzt.  

Zum 100jährigen Bestehen plant Marion Brendl , das älteste Familienmitglied,  Ausstellung über die Geschichte der Tapetenmanufaktur in der Villa. Zu diesem Anlass finden sich alle Familienmitglieder in diesem herrschaftlichen Anwesen , welches hoch über Stuttgart liegt, zusammen.  Die Firma läuft längst nicht mehr so gut wie damals. Die einzelnen Mitglieder der Familie gehen ihre eigenen Wege und sind nicht mehr so eng miteinander verbunden.  

Seit 1939 liegt ein düsteres Geheimnis über der Familie. In diesem Jahr verstarb in der Villa die Halbjüdin Camille , eine talentierte Malerin ,die als Mündel in der Familie lebte. Alice, Fotografin und Rebellin , die älteste Nichte von Marion , hat in der Vergangenheit geforscht und will am Tag der Ausstellungseröffnung ihre wohl schockierenden Ergebnisse veröffentlichen.  Doch dazu kommt es nicht : sie stürzt die Treppe hinunter und verstirbt.  Ihre jüngeren Geschwister Mathies und Lisann versuchen,  ihre Ergebnisse herauszufinden. Können sie sich durch die gemeinsame Suche wieder aneinander annähern und als  Familie wieder zusammen rücken.? Oder zerreißt es sie endgültig? 

Die Geschichte wird auf den zwei Zeitebebenen,  von 1939 und der Gegenwart ,erzählt.  Durch den sehr flüssigen und bildhaften Schreibstil konnte ich mir das Leben in der Villa, die Staffeln,  so nennt man die vielen Treppenstufen hinauf zur Villa, und auch die wundervollen Tapetendesigns hervorragend vorstellen.  Auch die  Personen sind äußerst liebevoll und realistisch dargestellt.  Ihre Freude, ihre Sorgen und Ängste ließen sich praktisch fühlen. Da sie so lebensecht dargestellt sind, habe ich sie schnell in mein Herz geschlossen.  Ich fühlte mich , wie ein Teil der Familie. Und André kann so wunderbar kochen, daß ich Appetit bekam. 

Die zwei Erzählstrange sind so geschickt miteinander verwoben, so daß die Geschichte mich ganz schnell in den Bann gezogen hat. Im Verlauf des Romans kommen immer mehr Einzelheiten zu dem ungeklärten Tod von Camille heraus, der schon so viele Jahre Schatten auf die Familie geworfen hat. Auch andere schwierige Begebenheiten aus der NS - Zeit werden angesprochen und geschickt in die Geschichte eingefügt.  

Mich hat die Familiengeschichte  von der ersten Seite an gefesselt.  Es war so spannend in die Vergangenheit und die Gegenwart der Brendls einzutauchen,  daß ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Die  unerwartete Wendung am Ende hat mich sehr überrascht. Ein gelungenes Ende.  

Ich empfehle diese überaus gelungene Familiengeschichte von ganzem Herzen weiter. Den Leser erwartet eine beeindruckende und berührende Reise in die Welt der Kunst  und des Geheimnisses der Familie. 

Bewertung vom 23.02.2023
Franke, Christiane;Kuhnert, Cornelia

Frisch ermittelt: Der Fall Kaltwasser / Heißmangel-Krimi Bd.2


ausgezeichnet

Das Autorenduo Christiane Franke und Cornelia Kuhnert nimmt den Leser mit ins Jahr 1958 nach Leer in Ostfriesland. Eine beschauliche Kleinstadt, wo nichts Aufregendes passiert? Weit gefehlt, denn als die Heißmangel- Beditzerin Martha Frisch morgens vor der Arbeit auf den Friedhof geht, um ihrem verstorbenen Mann Blumen zum Geburtstag zu bringen, macht sie eine furchtbare Entdeckung. Sie findet dort ihren Schwager , den Richter Siegfried Kaltwasser , ermordet vor. Stranguliert und die Hand fast abgehackt.

Die Polizei beginnt zu ermitteln und schnell scheinen einige Personen verdächtig zu sein, als ,, Richter Gnadenlos " hat man so einige Feinde. Als ein zweiter Mord am Lehrer Oltmann geschieht, wird es noch spannender. Wie passen diese beiden Taten zusammen? Beide Männer waren Mitglied in neu gegründeten ,, Verein zur Wahrung von Sitte und Anstand ". Wird es noch mehr Opfer geben ?

Wie schon im ersten Teil ,, Frisch ermittelt - Der Fall Vera Malottke " macht sich die 58jährige Martha Frisch so ihre Gedanken, entlockt ihrem Großneffen Hans, der als Polizeiwachtmeister an den Ermittlungen beteiligt ist, einige Informationen. Auch bei ihren Kunden in ihrer Heißmangel kann sie so an brisante Informationen herankommen und zieht ihre eigenen Schlüsse.

Kann sie durch ihre Nachforschungen zum Lösen des Falls beitragen ?

Martha ist mir schnell an Herz gewachsen. Sie ist eine starke Frau, die sich durch ihre eigenen Schicksalsschläge nicht unterkriegen lässt.. Sie hat das Herz am rechten Fleck , während sie mutig nachhakt und sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden gibt.

Die Protagonisten sind sehr gut ausgearbeitet und die meisten sind mir sympathisch. Durch die detaillierten Beschreibungen konnte ich mir von allen Personen und den Handlungsorten ein genaues Bild machen. Das Städtchen mit den Gassen, die Heißmangel, den Friedhof und die Villa sind vor meinen Augen entstanden und so konnte ich mit Martha und Hsns nach dem Täter suchen.

Der Schreibstil ist so leicht und locker ,flüssig zu lesen, daß die Seiten nur so dahin flogen. Die Geschichte wird aus den Perspektiven von Martha und Hans erzählt. Durch diesen Wechsel sind mit viel Humor gespickt, die mitreißenden Ereignisse dargestellt. Ich musste so häufig schmunzeln. Die Autorinnen haben mit viel Herz den Charme der 50 er Jahre eingefangen, z. Bsp Mode, Automodelle, leckere Gerichte und gemeinsame Fernsehstunden mit Nachbarin Traudel . Auch die unschöne Nazi- Vergangenheit einiger Mitbürger sowie Erlebnisse , Verluste und auch Handlungen der letzten Kriegsjahre werden mit der Geschichte verwoben.

Durch unvorhersehbare Wendungen und mitreißende Erlebnisse wird der Leser bis zum Schluss bei der Ermittlung des Täters immer wieder auf falsche Fährten gelockt . Bis zur letzten Seite bleibt die Geschichte äußerst spannend.

Ich habe diese tolle Geschichte sehr genossen und empfehle diesen spannenden Krimi der 50er Jahre mit viel Herz, Zeit -und Lokalkolorit uneingeschränkt weiter. Schon jetzt freue ich mich auf den nächsten Fall , wenn Martha Frisch wieder ermittelt. Dann geht es um den Fall Hartnagel, wie es im Nachwort angekündigt wird.

Bewertung vom 15.02.2023
Grünig, Michaela

Licht und Schatten / Blankenese - Zwei Familien Bd.1


ausgezeichnet

Mit ihrem Roman ,, Blankenese- Zwei Familien-Licht und Schatten " nimmt die Autorin Michaela Grüning den Leser mit in die Zeit von 1919 bis 1939 nach Blankenese bei Hamburg.
Dort lebt in einem Tweehuus im Treppenviertel die Witwe Irma mit ihren Kindern. Sie betreibt das kleines Lokal ,, Elbrauschen " am Elbstrand, womit sie ihre Familie so gerade ernähren kann. Sie ist eine liebevolle Mutter ,die möchte , daß es ihren Kindern im Leben besser geht als ihr.
Daher ermutigt sie ihre Tochter Leni, den Reedereisohn John Casparius zu heiraten, der sich schon beim ersten Anblick von Leni in sie verliebt hat.
Die beiden Frischvermählten haben zunächst keine Ahnung, daß ihre Familien durch einen Vorfall miteinander verbunden sind, bei dem Lenis Vater ums Leben gekommen ist.
Leni kämpft sich durch die Abneigung und Geringschätzung der Familie Casprius durch und entwickelt sich zu einer selbstbewussten Frau, die weiß wie sie sich durchsetzen kann. John dagegen, geprägt von seiner relativ gefühllosen Kindheit - seine Mutter starb bei der Geburt seiner jüngeren Schwester- und traumatisiert durch seinen Kriegseinsatz, lässt sich durch Gerede und Gerüchten verunsichern. Er zweifelt an der Echtheit von Lenis Liebe.
Durch die Wirtschaftskrise, Intrigen, auch innerhalb der Familie, und dem aufkommenden Antisemitismus , John und seine Schwester Felicitas sind Halbjuden haben sie viele Hürden in ihrem Leben zu überwinden.
Werden sie es schaffen, trotz aller Hindernisse und Anfeindungen, ihre Zuneigung zu bewahren und ihr Glück finden?

Michaela Grüning hat die Charaktere so realistisch und authentisch beschrieben daß ich schnell das Gefühl hatte, ein Teil dieser Familie zu sein. Auch die Handlungsorte , das Treppenviertel , den Elbstrand und die Villen sind so toll beschrieben, daß ich genaue Bilder vor Augen hatte.
Geschickt hat sie die äußerst genau recherchierten historischen Fakten mit der Geschichte verwoben. Gerade der aufkommende Hass auf die jüdische Bevölkerung , das Erstarken der Nazis und die bildhafte Darstellung der unterschiedlichen Lebenswelten von arm und reich sind so gut dargestellt, daß ich mitunter richtig Gänsehaut hatte. Zu lesen, wie einzelne Personen behandelt, verschleppt und deren Leben zerstört wird, hat mich sehr berührt. Das Schicksal macht auch vor Lenis und Johns Familien nicht Halt.
In der Erzählung befinden sich einige Zeitsprünge, die mich nicht gestört haben, da dadurch die Entwicklung der einzelnen Personen und die politischen Umstände noch deutlicher wurden.
Der Schreibstil ist so flüssig und toll zu lesen, daß die Zeit bei der Lektüre nur so fliegt. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Besonders gut hat mir gefallen, daß das Geschehen aus den Perspektiven der unterschiedlichen Protagonisten geschildert ist. So kann man sich noch stärker in die einzelnen Personen hineinversetzen. Auch die authentischen plattdeutschen Sätze bei Gesprächen finde ich klasse.
Die Geschichte ist durchgehend spannend, im letzten Teil noch mal mehr.
Das etwas offene Ende lässt auf eine spannende Fortsetzung hoffen.

Michaela Grüning hat mit ,, Blankenese- Zwei Familien " einen grandiosen Roman im historischen Kontext geschaffen. Von ganzem Herzen empfehle ich ihn an alle weiter, die historische Geschichten aus Hamburg ( wobei Blankenese erst seit 1938 zu Hamburg gehört ) interessiert.

Bewertung vom 12.02.2023
Oswald, Katharina

Ein Neuanfang für uns / Die Frauen vom Lindenhof Bd.1


ausgezeichnet

Die Frauen vom Lindenhof- Ein Neuanfang für uns "  ist der Auftakt einer Trilogie von Katharina Oswald. Unter  diesem Pseudonym haben die Autorinnen Andrea Bottlinger und Claudia Hornung ihr erstes gemeinsames Werk geschaffen.  


In diesem ersten Teil,  der die Zeit von 1953 bis 1957 umfasst,  wird die Geschichte von Marianne und ihrer Familie erzählt.  Nachdem der Vater verstorben ist und der Großvater traumatisiert aus dem KZ zurück  gekommen ist, steht die Schreinerei der Familie still und verfällt.  Finanziell kommt die Familie mit Aushilfsarbeiten nur  knapp über die Runden. Marianne, die Älteste von den drei Töchtern, hat den Traum, die Schreinerei wieder aufzubauen,  obwohl ihr Vater ihr das Talent absprach,  mit Holz zu arbeiten.  Doch ohne Geld kann nicht einmal das Gebäude nutzbar gemacht werden. Mit dem Geld, daß der Großvater als Entschädigung für die Inhaftierung im   KZ  bekommt , rückt die Erfüllung ihres Traumes näher.Mit der Unterstützung von Ludwig , einem kriegsversehrten Nachbar und einigen Arbeitern  kann nach der Renovierung mit der Herstellung von Puppenmöbeln aus Holz begonnen werden. Als Alexandre auf dem Lindenhof kommt , lernt sie behutsam das Gefühl der Liebe kennen. 


Ihre jüngere Schwester Henriette zieht es 15 jährig in die Stadt  Schwäbisch Hall ,  wo sie bei ihrer Tante im Geschäft hilft. Sie ist hingerissen von dem um einige Jahre älteren,  gut  situierten  Theodor,  dem Erben eines Fuhrunternehmens. Er versucht sich im Mariannes Betrieb zu drängen. Wie viele andere ist er der Meinung,  daß Frauen nicht in der Lage sind,  einen Betrieb zu führen.  Auch im Dorf hat Marianne es nicht leicht, da ihr die Schuld am Tod von Fritz,  ihrem Kindheits- und Jugendfreund,  gegeben wird. Durch ihre sympathische Führung und das kollegiale  Miteinander in der Schreinerei geht es mit dem Betrieb aufwärts.  Die Teilnahme an der Spielzeugmesse in Nürnberg steht bevor. Da trifft sie Schicksal hart . Sie muß einen persönlichen  und materiellen Verlust verkraften  . Ist dies das Ende von ihrem Traum, das Erbe des Vaters weiter zu führen ? 


Marianne ist eine sehr sympathische junge Frau, die mit viel Willensstärke  gegen Widerstände ankämpfen muß.  Dabei entwickelt sie sich zu einer starken selbstbewussten Frau.  Sie führt ihre Schreinerei in einer bewundernsweten Art, geht respektvoll und modern mit ihren Mitarbeitern um, so daß ein tolles Team entstehen kann. 


Alle Personen sind lebendig und authentisch beschrieben, sie sind mir ( fast ) alle ans Herz gewachsen.  Die Lebensumstände der 50er Jahre, auch die Folgen des Krieges sind realistisch dargestellt.  Ich konnte mich schnell in die Geschichte und in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten hineinversetzen.  


Die wunderbare flüssige , lebhafte und warmherzige Schreibweise hat mich nur so durch die Seiten fliegen lassen. Die Geschichte hat mich gefesselt und die Spannung,  was als nächstes passiert war durchgehend präsent.  Ich habe mich mit Marianne , Henni und den weiteren Personen gefreut, war enttäuscht,  habe gezittert und auch geweint.  


Es ist dem Autorenduo gelungen , einen großartigen Auftakt zur Lindenhof-Saga zu schaffen.  Am Ende des Buches gibt es schon eine Leseprobe zum nächsten Teil ,, Zusammen können wir träumen " , in dem  in die 80er Jahre und das Leben der nächsten  Generation  geht . Er wird am 23.5 2023 erscheinen und ich freue mich schon jetzt auf ein Wiedersehen mit den liebgewonnenen Familienmitgliedern vom Lindenhof. 


Sehr gerne empfehle ich diese großartige Geschichte weiter.  Lasst Euch entführen in die Welt der Schreinerei und riecht den Geruch von Holz, hört das Sägen und Feilen  und begleitet die Entstehung von wunderschönen Puppenmöbeln