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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 178 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2022
Groff, Lauren

Matrix


gut

Ein nicht ganz gelungener feministischer Blick auf Nonnen im 12. Jahrhundert

„Matrix“ von Lauren Groff spielt im 12. Jahrhundert. Im Alter von siebzehn Jahren wird die Protagonistin Marie de France von Eleanor von Aquitanien vom französischen Hof verbannt und in eine abgelegene englische Abtei geschickt. Mit den Jahren erlangt sie immer mehr Einfluss und Macht in bis sie die Leitung der Abtei erlangt. Sie erlebt religiöse Visionen, die sie zum Bau von zahlreichen Projekten im und um das Kloster herum anregt und sie schreibt Gedichte. Auch versucht Marie, die Abtei vor dem Einfluss Außenstehender zu schützen.

Von der Grundidee her ist „Matrix“ ein interessantes Buch. Die Autorin fiktionalisiert das Leben von Marie de France, einer Figur, über die man eher wenig weiß, und verwirft die bekannten Kenntnisse zugunsten der Erstellung ihrer eigenen Version der Geschichte. So muss man „Matrix“ eher als eine feministische Fantasie des mittelalterlichen Lebens als ein Versuch, historische Details genau nachzubilden, betrachten. Groff ist nicht so sehr daran interessiert, Marie zu vermenschlichen bzw. als Person nahbar zu machen, sie stellt sie mehr als Heldin bzw. Heilige dar. So werden Konflikte, die innerhalb der Erzählung auftreten, nur als kleine Hürden angesehen, die Marie zu überwinden hat, auch ihr Weg zur mächtigen Frau im Kloster verlief ohne großartige Hindernisse. Ebenso mäanderte die Handlung teilweise stark und einiges wurde sehr verkürzt dargestellt, so wurden z. B. Jahre aus Maries Leben innerhalb einer Seite abgehandelt.
All das führte leider dazu, dass eine vielversprechende Handlung an Spannung und Tiefe verlor und Marie und die anderen Frauen mir emotional fremd blieben, sodass mich das Buch insgesamt nicht wirklich begeistern konnte.
Einzig der Schreibstil sprach mich an, er war sehr bildlich und stimmungsvoll. Auch gab es tolle Beschreibungen der Natur und der Umgebung im Kloster.

Alles in allem eine tolle Prämisse, deren Umsetzung leider nur bedingt überzeugen konnte. Sprachlich und inhaltlich wäre das Potenzial definitiv vorhanden gewesen.

Bewertung vom 01.08.2022
Stern, Anne

Drei Tage im August


sehr gut

3.5/5 Sterne

Glückliche Momente in schweren Zeiten

Es sind Olympische Spiele in Berlin im Jahre 1936. In dieser Zeit gibt sich Nazideutschland weltoffen. Doch es liegt eine Vorahnung von kommenden dunklen Zeiten in der Luft, es herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist die Chocolaterie Sawade, die auf der Straße „Unter den Linden“ zu finden ist. Dort arbeitet die fast 40-jährige Elfie, die von Schwermut gezeichnet ist und deren Leben die Chocolaterie ist. In der kurzen Zeit, in der die Leser*innen Elfie ihren Nachbarn und anderen Personen folgen, die mit der Chocolaterie irgendwie verbunden sind, erfährt Elfie von Madame Conte, welches Geheimnis sich hinter einer Praline der Chocolaterie verbirgt und lernt außerdem den Nachtklubbesitzer El-Hammady näher kennen. Neben Elfie wäre da noch Trude, eine Mitarbeiterin von ihr, die für den jüdischen Buchhändler Franz Marcus mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegt. Doch ist ihre gemeinsame Zukunft ungewiss. Zeuge dieser und andere Geschichten sind die Linden der Straße „Unter den Linden“.

So wie es Elfie versucht, mit den schokoladigen Genüssen der Chocolaterie Sawade den Menschen schöne Momente zu bereiten, so schafft das auch der Roman „Drei Tage im August“ von Anne Stern. Besonders der atmosphärisch und unaufgeregte Schreibstil tragen dazu bei. Insgesamt lebt die ruhige Erzählung weniger von einer alles umspannenden Handlung, sondern vielmehr von den gut dargestellten Charakteren, deren Gedanken, Gefühle und Ängste man gut nachempfinden kann. Man folgt ihnen gern drei Tage lang durch Berlin und wünscht ihnen das Beste in den unsicheren und immer dunkleren Zeiten in Deutschland.

Alles in allem ist der Roman „Drei Tage im August“ eine bezaubernde und kurzweilige Geschichte, die über drei Tage hinweg einen Einblick in das Leben der handelnden Personen mit all seinen glücklichen und traurigen Momenten gewährt und dabei ohne einen großartigen Spannungsbogen auskommt und vor allem durch seine bildliche Sprache und seinen tollen Charakteren zu überzeugen weiß. Sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber für mich ein unerwarteter Lesegenuss.

Bewertung vom 28.07.2022
Litteken, Erin

Denk ich an Kiew


sehr gut

Bewegende Erzählung über den Holodomor

3.5/5 Sterne

„Denk ich an Kiew“ wird abwechselnd in zwei Zeitebenen aus der Perspektiven von Katya ab den 1920er-Jahren und Cassie, ihre Enkelin, in der Gegenwart erzählt. Der historische Roman von Erin Litteken ist ein persönlicher und emotionaler Roman über den Holodomor und Generationentraumata.

Zur Handlung:
Cassie trauert immer noch um ihren Mann, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Seitdem spricht auch ihre Tochter Birdie nicht mehr. Als ihre Mutter sie ermutigt, nach Hause zu ziehen, um sich um ihre kranke Großmutter zu kümmern, stimmt Cassie widerwillig zu. Was sie entdeckt, sind die Tagebücher ihrer Großmutter über ihre Kindheit und ihr (Über)leben während der menschengemachten Hungersnot in der damaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, der Millionen von Ukrainern das Leben kostete.

Vor allem Katyas Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Sie ist bedrückend, voll von Leid, Hunger, Verlust und Tod. Trotz vieler persönlicher Verluste findet Katya die innere Stärke, um zu überleben, und findet an den dunkelsten Tagen Hoffnung.
Katyas Geschichte hat mir im Vergleich zu Cassies insgesamt auch besser gefallen. Der Erzählungsstrang in der Gegenwart verblasst im Gegensatz zu dem in der Vergangenheit. Für mich war die gegenwärtige Handlung weniger tief und teils zu konstruiert. So fand ich z. B. wenig glaubhaft, dass Cassies Familie, insbesondere ihre Mutter, nichts über die ukrainische Herkunft der Großmutter wusste. Auch schien Cassie nicht in der Lage zu sein, selbst sehr offensichtliche Zusammenhänge zu verstehen.

Trotz der Probleme, die ich mit der Zeitebene in der Gegenwart hatte, konnte mich das Buch im Ganzen überzeugen. Es ist eine berührende Geschichte von Tapferkeit und extremen Prüfungen, von Liebe, Überleben und Freude nach Leid.
„Denk ich an Kiew“ ist zwar eine historische Fiktion, aber wie die Autorin anmerkt, waren viele der beschriebenen Erfahrungen während des Völkermords für Millionen von Menschen in der Ukraine sehr real.

Bewertung vom 25.07.2022
McCulloch, Amy

Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod


sehr gut

Wenn die Todeszone ihren Namen alle Ehre macht

Die Journalistin Cecily Wong ist nach eigenen Angaben eine Anfängerin im Bergsteigen, aber sie ist auf Einladung des weltberühmten Bergsteigers Charles McVeigh auf den achthöchsten Gipfel der Welt, den Manaslu, gekommen. Er hat ihr gesagt, dass er ihr ein Interview gewähren wird, wenn sie den Aufstieg schafft, und für Cecily, die kurz vor einer schlimmen Trennung steht und ihren letzten Cent für die Reise ausgegeben hat, wäre das Interview eine Karriere – Gelegenheit machen. Doch dann stirbt ein Kletterkollege bei einem ungewöhnlichen Unfall und Cecily beginnt an ihrer Entscheidung zu zweifeln. Aber als ein zweiter Bergsteiger stirbt, und es besteht kein Zweifel, dass es kein Unfall war, wird Cecily klar, dass sie, wenn sie auf einem abgelegenen Berg gestrandet ist, mehr als nur gegen die Elemente kämpfen muss, da ein Mörder unter ihnen ist.

Die Gesamthandlung ist faszinierend, und man merkt, dass Amy McCulloch wirklich eine Leidenschaft für das Bergsteigen und die Umgebung hat, in der sich die Charaktere befinden. McCulloch schreibt sehr atmosphärisch und sie schafft es mit den wunderbaren Beschreibungen der Landschaft ein realistisches Bild von der Situation am Berg zu erzeugen, sodass es sich anfühlt, als wäre man selbst dabei. Gut gefallen haben mir auch die Einblicke in die technischen Aspekte des Bergsteigens und was es braucht, um ein Bergsteiger der Spitzenklasse zu sein. Besonders am Anfang tritt die eigentliche Thriller-Handlung zugunsten der Beschreibung der Vorbereitung auf die Bergbesteigung zurück, was für den ein oder anderen wenig interessant sein wird und die Spannung wegnimmt. Unterschwellig ist aber ständig eine gewisse Gefahr zu spüren. Richtig an Fahrt nimmt die Handlung dann wieder zum Ende hin auf, um in einem tollen Finale zu enden. Jedoch auch hier wird nicht jeder mit dem eher offenen Ende zufrieden sein.

Alles in allem ist „Der Aufstieg“ von Amy McCulloch ein fesselnd geschriebener Thriller, der sich beim Erzählen zwar Zeit lässt, bis es zu den eigentlichen spannenden Thriller-Elementen kommt, aber insgesamt durch seine Atmosphäre und dem Thema des Bergsteigens zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 21.07.2022
Silva, Daniel

Die Cellistin / Gabriel Allon Bd.21


gut

Spannend, aber oberflächlich

Ein vergifteter russischer Dissident, eine investigative Journalistin auf der Flucht und ein unscheinbarer deutscher Banker. Die Spuren führen Gabriel Allon bald zu Isabel Brenner, die bei der RhineBank in Zürich arbeitet, der dreckigsten Bank der Welt. Neben Risikokalkulation und Geldwäsche spielt sie Cello wie ein Profi. Gabriel kann sie überzeugen, mit ihm zusammenzuarbeiten, um die Bank und die Russen zu Fall zu bringen. Ihr Hauptziel ist Arkadi Akimow, aber er selbst ist eigentlich nur eine kleine Figur, es ist jemand viel Größeres und viel Einflussreicheres, der hinter dem russischen Geld steckt.

Was „Die Cellistin“ von Daniel Silva auszeichnet, ist das für einen Agenten-Thriller, die Handlung plausibel ist und der Buchinhalt eng mit der realen Welt verbunden ist (auch wenn ich gerne auf den COVID-Teil verzichtet hätte). Es könnte direkt aus den aktuellen Schlagzeilen stammen, da das Buch den Einfluss des schmutzigen Geldes, die russische Einmischung in globale Angelegenheiten und den fragilen Zustand der Demokratie aufzeigt.

Insgesamt war für mich „Die Cellistin“ gut, aber nicht herausragend. Die Handlung war da, aber die Umsetzung konnte mich nicht vollständig überzeugen. Die Spannung war da und Silva ist ein guter Autor, das Buch ist gut recherchiert und hat ein gutes Tempo. Aber es waren mir zu viele Themen, das ganze wirkte mir persönlich zu oberflächlich. Es kommt Kunstrestaurierung und klassische Musik vor, dann sind da zwielichtige internationale Bankiers, Verweise auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, mutige Journalisten, russische Oligarchen, Nowitschok-Vergiftung, Q-Anon und einiges mehr. In diesem Fall wäre definitiv weniger mehr gewesen.
Zudem kommen viele neue und alte Charaktere vor, manche nur kurz und ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Auch blieb mir titelgebenden Cellistin als Charakter fremd, da hätte ich mir noch mehr Hintergrundgeschichte oder Erklärung für ihr Handeln gewünscht.

Für Fans von David Silva bestimmt lesenswert.

Bewertung vom 20.07.2022
Schäfer, Andreas

Die Schuhe meines Vaters


sehr gut

In "Die Schuhe meines Vaters" ist Andreas Schäfer auf knapp 200 Seiten ein bewegendes und wortgewaltiges Denkmal seines verstorbenen Vaters gelungen. Es ist ein Erinnern an den Vater und die gemeinsam verbrachte Zeit, eine ehrliche Reflexion über die nicht immer einfache Vater-Sohn-Beziehung und auch eine Reise zu sich selbst. Es ist kein verklärtes Porträt des Vaters, der seine Eigenheiten hatte und nicht ohne Fehler war, der Autor ist schonungslos offen über sich und seinen Vater und ihr zwiespältiges Verhältnis zueinander, aber dennoch ist die Liebe zum Vater und die Trauer und der Schmerz über seinen Tod deutlich spürbar. Er zeichnet den Vater so wie er in Erinnerung hat und schafft so ein authentisches und bewegendes Bild von einem Mann, der sich für Kunst interessierte, gern reiste und eher ein Einzelgänger war.

In drei Kapiteln wird vom Tod des Vaters, der nach einer eine Hirnblutung in ein Koma fällt und nur noch von Maschinen am Leben erhalten wird, von der Kindheit des Vaters und seinem späteren Leben sowie der versöhnlichen Annäherung des Sohnes mit dem Vater erzählt. Besonders das erste Kapitel, das kurz die Zeit vor der Operation und dann die Zeit nach der Operation und der Hirnblutung erzählt, ist emotional sehr bewegend und traurig. Der Schock, das Nicht-wahr-haben-wollen, das Verdrängen und schließlich die Konfrontation mit dem Tod des Vaters ist nicht leicht zu lesen, aber sprachlich toll umgesetzt. Die Beklemmung und Ohnmacht ist förmlich spürbar. Auch die literarische Aufarbeitung und Rekonstruktion der Lebensgeschichte des Vaters von dessen Kindheit in Berlin an während des zweiten Weltkrieges über das Gründen einer eigenen Familie bis zur Scheidung und die Zeit danach kann durch den fesselnden und poetischen Schreibstil überzeugen. Noch mal sehr persönlich wird es im letzten Kapitel, als es auf einer Griechenlandreise zur Aussöhnung mit dem verstorbenen Vater kommt.

Alles in allem, eine sehr persönliche, bewegende und melancholische Annäherung und Würdigung des toten Vaters, die durch ihre bildliche und ausdrucksstarke Sprache zu überzeugen weiß. Lesenswert!

Bewertung vom 20.07.2022
Kurkow, Andrej

Samson und Nadjeschda


sehr gut

Ruhiger, aber eindringlicher historischer Kriminalroman

Wir schreiben das Jahr 1919 in Kiew. Die Zeit nach der Russischen Revolution ist eine Zeit des Umbruchs, so auch für Samson. Während sein Vater von Rotarmisten ermordet wird, verliert Samson in dem Straßenkampf sein Ohr, dass er daraufhin in einer Blechdose aufbewahrt. Das Ohr wird in Zukunft noch wichtige Dienste erweisen, scheint es doch noch mit ihm in Verbindung zu stehen. Zufällig findet er eine Anstellung bei der Miliz und wird gleich in einen mysteriösen Kriminalfall hineingezogen, bei dem Knochen aus Silber eine wichtige Rolle spielen. Mit teils unkonventionellen Methoden versucht er das Rätsel zu lösen. Nebenbei lernt er auch Nadjeschda, eine junge und intelligente Frau kennen, die weiß was sie will, und beide kommen sich langsam näher.

Anfangs etwas gemächlich nimmt der Roman mit der Zeit an Fahrt auf und man wird in die zum Teil groteske Handlung mit Krimielementen hineingezogen. Hierbei beschreibt Kurkow nüchtern, aber durchaus atmosphärisch die unsichere Lage in Kiew, die von Gewalt und Willkür geprägt ist. Auch die Charaktere sind gut gezeichnet und beschrieben, Samson und Nadjeschda wachsen einen schnell ans Herz.

„Samson und Nadjeschda“ von Andrej Kurkow ist ein ruhiger, aber eindringlicher historischer Kriminalroman, der eingebettet in einen außergewöhnlichen Kriminalfall interessante Einblicke in die Zeit kurz nach der Russischen Revolution in Kiew gibt und Lust auf mehr zukünftige Abenteuer mit Samson und Nadjeschda macht.

Bewertung vom 20.07.2022
Penner, Sarah

Die versteckte Apotheke


weniger gut

Missratene Mixtur

Der Inhalt von „Die versteckte Apotheke“ klingt zunächst vielversprechend. Erzählt wird die Geschichte mittels zwei Zeitsträngen, einen in der Vergangenheit und einen in der Gegenwart. Im 18. Jahrhundert treffen wir auf Nella, eine Apothekerin, die seit Jahrzehnten Giftmischungen herstellt. Frauen kommen zu ihr, wenn sie sich nirgendwo anders hinwenden können, und sie gibt ihnen Mixturen an die Hand, die ihre Probleme beseitigen. Als ein junges Mädchen namens Eliza ihren Laden betritt, setzt das eine Kette von Ereignissen in Gang, von denen es kein Zurück mehr gibt. In der Gegenwart folgen wir der Geschichtsliebhaberin Caroline, die in London Urlaub macht und auf die Spur der Apothekerin Nella kommt.

Ich erhoffte mir eine spannende und interessante Geschichte über drei außergewöhnliche Frauen mit Mystery-Elementen, doch leider wurde ich zutiefst enttäuscht. Die Geschichte konnte mich zu keinem Zeitpunkt in ihren Bann ziehen, noch empfand ich sie insgesamt als spannend.
Mein größtes Problem hatte ich mit den zwei Zeitebenen. Bei zwei Zeitebenen besteht immer die Gefahr, dass eine von ihnen überzeugender sein könnte als die andere und genau das ist hier definitiv passiert. Die Handlung mit Nella und Eliza steht im Mittelpunkt des Romans und war deutlich die faszinierendere von beiden. Aber selbst diese wurde schnell schwerfällig und eher langweilig. Es fühlte sich an, als würden die aufregenden Momente zu schnell und zu einfach gelöst und die weniger interessanten dafür in die Länge gezogen.
Völlig unnötig war in meinen Augen Carolines Geschichte in der Gegenwart. Ich wurde zu keinem Zeitpunkt warm mit ihr, sie war mir vor allem anfangs zu weinerlich, noch verstand ich ihre Motivation hinter ihren Handlungen. Meiner Meinung nach hätte die Handlung davon profitiert, wenn Carolines Handlungsstrang komplett weggelassen worden wäre und sich die Handlung nur auf Eliza und Nella fokussiert hätte, so hätte die Geschichte der beiden auch mehr an Tiefe und Plausibilität gewonnen. Nämlich viele Handlungspunkte machten für mich einfach keinen Sinn und wirkten zu konstruiert.

„Die versteckte Apotheke“ ist für mich leider eine große Enttäuschung und ein Beispiel für ein Buch, das zu viel versprochen und zu wenig geliefert hat.

Bewertung vom 18.07.2022
Raimondi, Daniela

An den Ufern von Stellata


sehr gut

Eine fesselnde italienische Familiensaga - wunderschön erzählt

Daniela Raimondi entführt in „An den Ufern von Stellata“ die Leser*innen nach Italien in der Zeit zwischen 1800 und 2000 und erzählt die Geschichte der Familie Casadio von dem Tag an, als sich ein Giacomo Casadio in Viollca verliebte. Mit ihr gehen Mystik, Aberglaube und Magie einher, die das Schicksal der Casadio über Jahrhunderte prägen. Die ganze Geschichte der Familie Casadio ist eine Geschichte geprägt von dem Land, auf dem sie wohnen, dem Mühsal und dem Leid, das sie durchleben, von verzweifelter Liebe, Todesfällen, aber auch glücklichen Momenten und Geburten.

Es ist eine Geschichte voller lebhafter Erinnerungen und voller Leidenschaft, die jede erzählte Figur auszeichnet. Jeder Charakter ist in einer seiner Art einzigartig und authentisch beschrieben, der Familiensinn und ein Gefühl der Zugehörigkeit eint sie alle. Nahtlos fügen sich die fiktionalen Mitglieder der Familie Casadio in die historischen Ereignisse der beschriebenen Zeit ein und gemeinsam mit ihnen geht man auf eine wunderbar erzählte historische Reise durch Norditalien.
Bedingt durch die Vielzahl an handelnden Personen und der Zeitspanne der Handlung fehlt es an manchen Stellen an Tiefe, Stoff für eine mehrbändige Geschichte ist auf jeden Fall vorhanden, was dem Lesegenuss insgesamt jedoch nicht im Wege steht.

„An den Ufern von Stellata“ ist für Liebhaber von gut erzählten Familiensagas definitiv ein Muss!

Bewertung vom 17.07.2022
Allende, Isabel

Violeta


sehr gut

Violeta - Ein Leben, fesselnd erzählt

„Violeta“ von Isabel Allende ist eine von Herzen kommende, intensive, sentimentale und fesselnde Lebensgeschichte von Violeta Del Valle.

Violeta wird in Südamerika als jüngstes Kind einer Familie mit fünf älteren Brüdern geboren, kurz nach dem Ersten Weltkrieg und während der Zeit der Spanischen Grippeepidemie. Sie lebt 100 Jahre und stirbt 2020, als das Coronavirus zuschlägt. Violetas Lebensgeschichte wird von ihr durch Briefe an ihren Enkel erzählt, beginnend in den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart, und in denen hält sie nichts zurück: ihre leidenschaftlichen Affären, Herzschmerz, Armut, Reichtum, verheerende Verluste und die politischen Umwälzungen, die sie miterlebt hat.

Mir hat das Buch gut gefallen, besonders die erste Hälfte, in der es mehr um sie selbst als Person mit all ihren Gedanken und Gefühlen geht sowie um ihre Familie und ihre engen Freunden. Allein der atmosphärische und teils auch leicht poetische Sprachstil machen das Buch lesenswert, man fühlt sich beim Lesen der lebendigen, farbenfrohen und detaillierten Beschreibungen direkt in eine andere Zeit, in ein anderes Land , in eine andere Kultur und Gesellschaft versetzt.
In der zweiten Hälfte des Buches lies der Spannungsbogen für mich dann etwas nach, nichtsdestotrotz insgesamt eine fesselnde Geschichte über eine außergewöhnliche Frau und ihr Leben.