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carola1475

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Insgesamt 208 Bewertungen
Bewertung vom 09.07.2022
Ericson, Pernilla

Im Feuer / Lilly Hed Bd.1


ausgezeichnet

Spannend, aktuell, überzeugend

Auch in Schweden und den USA hat der Klimawandel in der nahen Zukunft des Jahres 2023 zu Hitzewellen mit anhaltender Dürre und vielen verheerenden Feuern geführt. Die Ermittlerin Lilly Hed hat sich aus Stockholm in das 60 km entfernte Nynäshamn versetzen lassen, um Abstand zu ihrem Leben in der Hauptstadt zu gewinnen und wieder zu sich zu kommen. Sie nimmt ihren Dienst in dem idyllischen Ort auf und muss sich mit aufgebrachten Menschen auseinandersetzen, die das Verbot von offenem Feuer und der Bewässerung des Gartens nicht akzeptieren wollen. Und dann ereignen sich mehrere Brände, die auch Menschenleben fordern. Waren das Unfälle oder Brandanschläge?

Lillys Ermittlungen und mehr noch die gefährliche und kräftezehrende Arbeit der Feuerwehrleute werden packend und spannend beschrieben, die Bedrohung durch die Naturgewalt Feuer wird sehr greifbar.

Jesper, der Chef der Feuerwehr, wird etwas klischeehaft beschrieben in seinen Bemühungen um Lilly, die beruflich eine toughe und doch einfühlsame Polizistin, aber privat eine sehr verletzte und verunsicherte Frau ist. Sie ist eine glaubhaft und nahbar dargestellte Protagonistin, deren Ängste und Zweifel ich nachvollziehen konnte.

Der Schreibstil ist einfach und lebendig, angenehm und flüssig zu lesen, der Spannungsbogen bleibt bis zum Ende erhalten. Das Cover gefällt mir mit seiner passenden Gestaltung und der bedrohlich wirkenden Farbgebung.
Rückblenden in die Zeit vor über 20 Jahren aus der Perspektive einer zunächst unbenannten Person lassen den Leser über die Zusammenhänge rätseln.

Gelungen umgesetzte Themen sind nicht nur der Klimawandel, sondern auch Mobbing und Ausgrenzung, manipulative, toxische Männer und Gewalt gegen Frauen.
Dieser Auftakt zu einer neuen skandinavischen Krimi-Reihe hat mich bis zur überraschenden Auflösung gut unterhalten und ich kann ihn jedem Krimi-Fan empfehlen.

Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 05.07.2022
Amerein, R. M.

Roboter: Fading Smoke


ausgezeichnet

Spannender Auftakt einer Sci-Fi-Trilogie mit ungewöhnlichem Weltenbau

Roboter: Fading Smoke ist der Auftakt einer Science-Fiction-Trilogie von R. M. Amerein und entführt den Leser auf den Planeten Keld. Seit Solarenergie künstlichem Leben nicht mehr zur Verfügung steht, beziehen die Roboter ihre Energie aus Biomasse. Ein Koexistenzvertrag ermöglicht Menschen und Robotern ein weitgehend friedliches und gleichberechtigtes Miteinander, das ist eine überraschende und eher seltene Grundlage für einen Sci-Fi-Roman über Roboter und gefällt mir sehr.
Der vereinbarten Weltordnung droht jedoch Gefahr durch rätselhafte neue Lebewesen.

Der Roboter Smoke erzählt mit Witz und Ironie aus der Ich-Perspektive, locker, und geradlinig spricht er mich als Leser direkt an und ganz schnell kann ich mich seiner faszinierenden Welt nicht mehr entziehen und muss dabei sein, als Smoke und seine Kameraden versuchen, Rätsel zu lösen und Antworten zu finden. Seine Gedanken und Vergleiche zwischen Mensch und Roboter sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch berührend. Die Autorin ist ihren Figuren sehr nah, sie sind sorgfältig ausgearbeitete authentische Charaktere und auch die Herleitung und Entwicklung der entstehenden Emotionen ist glaubhaft.
Der dystopische Weltenbau ist anschaulich gelungen, die Struktur der verschiedensten Kasten der Roboter oder auch die Biotope werden lebendig dank Amereins klarem, bildhaftem Schreibstil und auch das großartige Cover von Timo Kümmel macht es mir leicht, mir Smoke und das ganze Setting vorzustellen.

Spannung ist von Anfang an vorhanden und steigert sich noch im Lauf der temporeichen Geschichte. Viel zu schnell ist das dramatische Ende des Romans erreicht und nun heißt es warten auf den zweiten Teil, denn es bleiben Geheimnisse und Fragen.

Bewertung vom 01.07.2022
Olszakiewiecz, Lisa Maria

Der Tod, der mal vom Leben träumte


ausgezeichnet

Über die Liebe, das Leben, den Tod und das Loslassen

Nepomuk ist ein Jahrtausende alter Todesdiener des Kollektivs und tötet Menschen, deren Zeit gekommen ist. Aus Gründen des Selbstschutzes hält er emotionale Distanz zu den „Objekten“, deren Leben er beendet und hat kein Verständnis für das Verhalten, die Hoffnungen und Ängste der Menschen.
Als er in der Onkologie auf Isabel trifft und er nicht mehr aufhören kann, an sie zu denken und bisher ungekannte Gefühle entstehen, ändert sich für ihn alles.

Die Geschichte wird aus Nepomuks Ich-Perspektive erzählt, der Schreibstil ist flüssig, angenehm zu lesen, lebendig, bildhaft und humorvoll, auch witzig, da Nepomuk die Menschen sozusagen von außen betrachtet. Je mehr er eigene Emotionen zulässt, umso nachdenklicher und verständnisvoller wird er den Menschen gegenüber. Die Liebe zu Isabel lässt Nepomuk tatsächlich menschlich werden. Diese Figurenentwicklung wird von Lisa Maria Olszakiewiecz glaubhaft und in die Tiefe gehend geschildert, wie auch die anderen Charaktere authentisch erscheinen, auch auf Grund von Nepomuks feiner Beobachtungsgabe.

Die fantastische Geschichte ist in sich logisch aufgebaut und thematisiert auch die Entstehung des Kollektivs und die Grundlage seiner Arbeitsweise, den Sinn von Bestattungen und die Bedeutung von Familie und Freunden, die in der Trauer Halt und Unterstützung geben. In die packende Erzählung fließen berührende Gedanken der Autorin ein zum Menschsein, zur Liebe, zum Loslassen und der Notwendigkeit des Todes, unterhaltsam, einfallsreich und mit leichter Hand geschrieben.

Meine Aufmerksamkeit hat zuerst das bezaubernde Cover erregt, es passt mit seiner Gestaltung ausgezeichnet zum Buch und gefällt mir ebenso gut wie der ganze Roman. „Der Tod, der mal vom Leben träumte“ hat mich berührt, beeindruckt und auch sehr gut unterhalten. Ich empfehle das Buch jedem Leser von humorvoller Fantasy mit Tiefgang.

Bewertung vom 29.06.2022
Menger, Ivar Leon

Als das Böse kam


gut

Enttäuschend

Das Cover mit dem einsamen Haus unter bedrohlich hohen dunklen Bäumen macht durch die unterschiedlichen Schrifttypen einen beunruhigenden Eindruck auf mich, es passt zum Buch.

Mutter, Vater und zwei heranwachsende Kinder führen ein einfaches Leben in völliger Isolation in den Wäldern einer kleinen Insel. Die 16-jährige Juno und ihr Bruder leben in ständiger Angst, Fremde könnten vom gegenüberliegenden Ufer kommen, um sich an der ganzen Familie für etwas zu rächen, was der Vater vor langer Zeit getan hat. Es gibt einen geheimen Schutzraum und regelmäßige Übungen „für den Ernstfall“. Außerdem gibt es 7 strenge Gebote der Eltern einzuhalten.

Die sechzehnjährige, noch recht kindliche Juno ist die Ich-Erzählerin der Geschichte, dementsprechend ist der Schreibstil einfach. Juno erscheint naiv, ist aber auch neugierig auf die Welt am anderen Seeufer und beginnt, ihr Leben auf der Insel zu hinterfragen.
Der Figurenzeichnung der Charaktere bleibt durchgehend schwach, während ansprechende Naturbeschreibungen der Insel das Leben in den Wäldern greifbarer machen.
Die langsam entstehende Spannung flacht wieder ab, nachdem Juno herausfindet, wieso die Kinder so versteckt leben müssen. Die Handlung entwickelt sich nur wenig packend, ich wartete vergeblich auf überraschende Wendungen.
Die unerwartet actionreiche Auflösung lässt mich mit einigen Fragen zurück, die auch im epilogartigen letzten Kapitel nicht beantwortet werden.

Der Geschichte liegt eine gute Idee zugrunde, sie weist jedoch einige Logikfehler auf und schöpft durchaus vorhandenes Potential nicht aus.

Bewertung vom 26.06.2022
Getz, Kristine

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. / Emer Murphy Bd.1


ausgezeichnet

Ein überzeugendes Debüt - spannend, überraschend und aktuell

Kurz nachdem die berühmte Influencerin Lotte Wiig ein Bild ihrer zweijährigen Tochter Poppy vor dem Haus der Großeltern gepostet hat, verschwindet das Kind. Die Entführung erschüttert ganz Norwegen, jeder kennt Poppy und viele Millionen folgen dem Blog, in dem das Leben von Mutter und Kind, durch den Vater inszeniert, in der Öffentlichkeit stattfindet. Poppys Vermarktung sichert den Lebensunterhalt der Familie.
Kommissarin Emer Murphy, gerade nach 6 Wochen in der Psychiatrie wieder zu Hause und krankgeschrieben, setzt eigenmächtig die verschriebenen Psychopharmaka ab und bringt sich in die Ermittlungen ein, der Fall berührt sie im Innersten.

Von Anfang an herrscht eine unterschwellige Spannung, es gibt Geheimnisse in Lottes Vergangenheit, die zuerst nur angedeutet werden, erst später wird eine erschütternde Wahrheit offenbar. Auch die polizeilichen Ermittlungen verlaufen spannend, Emer arbeitet sehr intuitiv, vertieft sich völlig in den Fall und bringt sich dadurch mehr als einmal an den Rand des Zusammenbruchs, von den nicht eingenommenen Medikamenten ganz abgesehen. Sie ist für mich die faszinierendste Figur des Buchs.

Alle Protagonisten sind interessante Charaktere und werden authentisch und glaubwürdig beschrieben, das Verhältnis von polizeilichen Ermittlungen und privaten Hintergründen ist ausgewogen. Perspektivwechsel und viele Wendungen der Geschichte halten den Spannungsbogen durchgehend hoch, passend eingestreute Twittermeldungen und Forenbeiträge fügen weitere Perspektiven bei.

Das Cover ist außergewöhnlich und erst auf den zweiten Blick ist das Genre zu erkennen, das finde ich sehr gut gemacht. Kristine Getz' Schreibstil ist klar und einfach, aber auch lebendig und bildhaft und sehr angenehm zu lesen. Mit „Poppy“ ist ihr ein überzeugender Debütroman gelungen.

Neben Social Media spielen auch andere aktuelle Themen wie Pädophilie eine Rolle. Der Thriller bietet nicht nur gute Unterhaltung, sondern vermittelt auch Denkanstöße. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es jedem Leser von Spannungsliteratur mit aktuellem gesellschaftlichem Bezug empfehlen.

Bewertung vom 26.06.2022
Brand, Christine

Der Unbekannte / Milla Nova ermittelt Bd.4


sehr gut

Spannende Reise in die Vergangenheit

Nathaniel, seit dem 11. Lebensjahr erblindet, beschließt, sich seiner traumatischen Vergangenheit zu stellen. Er hat keine Erinnerung an den Mord an seiner Familie, den nur er schwer verletzt überlebte. Bei der Polizei ist seine Fallakte nach fast 30 Jahren nicht mehr auffindbar und Milla, eine befreundete Journalistin, muss sich um eigene und familiäre Probleme kümmern, mit denen sich nach kurzer Zeit auch ihr Lebensgefährte Sandro von der Kantonspolizei Bern beschäftigen muss. Also stellt Nathaniel vorerst auf sich allein gestellt Ermittlungen an.

Alle Protagonisten werden kurz vorgestellt, so dass sich auch ein Neueinsteiger in die Reihe zurecht finden kann, denke ich, wobei man aber an der Entwicklung der Charaktere sicherlich mehr Spaß hat, wenn man auch zumindest einen der Vorgängerbände gelesen hat. Die Autorin ist gerade in diesem Buch ihren Figuren sehr nah, sie sind alle interessante und besondere Charaktere, die einfühlsam und glaubhaft beschrieben werden. Christine Brands Schreibstil ist lebendig und fesselnd, gleichzeitig auch humorvoll, sogar Situationskomik kommt in einzelnen Szenen auf. Für Spannung sorgen auch die Cliffhanger am Ende der Kapitel und die wechselnden Perspektiven. Die dramatische Geschichte überrascht mit vielen Wendungen, es gibt aber auch unüberlegte Aktionen, die für einen beeinträchtigten Menschen wie Nathaniel gefährlich sind, es werden nicht nachvollziehbare Entscheidungen getroffen und auch glückliche Zufälle gibt es viele.

Mir ist eine zeitliche Unstimmigkeit hinsichtlich der Ereignisse 1992 aufgefallen, so etwas finde ich ärgerlich, das hätte auch das Lektorat finden müssen.

Die Autorin hat verschiedene Themen in der Geschichte verarbeitet und auch wenn jedes davon einen wahren Hintergrund hat, war mir der Thriller fast schon überfrachtet. Doch am Schluss vereinen sich die Erzählstränge zu einem runden Ende und der Epilog hat bei mir noch für ein überraschtes Grinsen gesorgt.

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.06.2022
Eggers, Meike

Cybionic - Der unabwendbare Anfang


ausgezeichnet

Intelligente und spannende Science-Fiction

In diesem Sci-Fi-Tech-Thriller begleitet der Leser Sala auf der Suche nach seiner spurlos verschwundenen Schwester. Die hochbegabte Informatikstudentin hat zuletzt über künstliche Intelligenz und selbstlernende Algorithmen geforscht.

Bei Einblicken in sein Studentenleben und Salas Suche quer durch die Stadt entsteht ein authentisches Berlin-Gefühl, und ebenso sind die technischen Beschreibungen sehr gut und glaubhaft recherchiert. Die Entwicklung der Algorithmen von der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis heute hat mich fasziniert.
Spannung ist von Anfang an da und wird immer weiter aufgebaut. Dazu trägt auch eine zweite, zunächst mysteriöse Erzählperspektive bei. Zu Beginn findet Sala nur häppchenweise Informationen. Großartig, wie es Meike Eggers gelingt, ausgehend nur von Ellas Foto und ihrem Wohnhaus, ein Rätsel zu entwickeln, wobei Sala sich beobachtet und zunehmend bedroht fühlt, je mehr er herausfindet.

Theoretische und technische Einzelheiten zu künstlicher Intelligenz werden auch für den Laien verständlich und mit scheinbarer Leichtigkeit erklärt und bringen die Handlung voran und ein lebendiger, angenehm zu lesender Schreibstil lässt im Kopf des Lesers Bilder entstehen. Um so bedauerlicher ist es, dass bei den Protagonisten keinerlei Emotionen geschildert werden, so dass vom Leser eine Beziehung zu den Charakteren nicht aufgebaut wird. Merkwürdigerweise werden Gefühle nur beim Antagonisten Steve beschrieben, der Menschen verachtet und nur „seiner“ KI zugetan ist und dabei Grenzen überschreitet.

Meike Eggers wirft in ihrem Buch nicht nur zukunftsgerichtete Fragen auf wie die nach einer vielleicht unaufhaltsamen Symbiogenese zwischen Mensch und selbstlernendem Algorithmus, sondern stellt auch ethische Fragen, z.B. wo ist der Sitz der Seele, was ist das Bewusstsein und gibt es ein Weltbewusstsein.

Titel (eine gelungene Wortschöpfung!) und Cover mit angedeutetem Schaltplan globaler Vernetzung und, im Dunklen kaum zu erkennen, dem Berliner Fernsehturm, sind sehr gut gewählt und gefallen mir.
„Cybionic – Der unabwendbare Anfang“ ist der erste Teil einer Trilogie, und hat ein nicht ganz rundes Ende, einige Entwicklungen werden nicht abgeschlossen. Dennoch hat das Buch mich bestens unterhalten und mir viel zu denken gegeben, und ich freue mich auf den Folgeband.

Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 15.06.2022
Nitrak, Alex J.

Yo


sehr gut

Entwicklungsgeschichte voller Magie in einer fantastischen Welt

Schon das schöne Cover mit seinem ungewöhnlichen Layout hat mich neugierig auf das Buch gemacht.
Yosephiné ist eine einsame, unsichere und mutlose junge Frau, die sich am Abend ihres 23. Geburtstages plötzlich in Pardalis wiederfindet, einer ganz anderen Welt, in der große Aufgaben auf sie warten.

Erzählt wird aus Yos Ich-Perspektive, so dass der Leser unmittelbar an ihren Gedanken und Selbstzweifeln teilnimmt und so sehr einbezogen wird.

Der Schreibstil ist lebhaft, voller Bilder, der Weltenbau sehr einfallsreich und vielschichtig. Es macht Spaß, die verschiedenen Bereiche von Pardalis zu entdecken, ihre erstaunlichen facettenreichen Bewohner kennenzulernen und Yo bei ihren Abenteuern zu begleiten. Die Beschreibungen sind faszinierend und glaubwürdig, Pardalis wird dadurch lebendig.
Yo wächst an ihren Aufgaben, reflektiert und entwickelt sich, staunt selbst über ihre wachsenden Fähigkeiten und überwindet Grenzen. Auch mit der am Ende von Yo gezogenen Schlussfolgerung kann diese märchenhafte Fantasygeschichte in unserer realen Welt Anstoß und Aufmunterung sein. Das gefällt mir sehr, genau wie das unerwartete und überraschende Ende der Erzählung.

Zu Abstrichen führen die stellenweise detaillierte Blutrünstigkeit und die wenig überzeugende Liebesgeschichte. Trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und ich habe es mit Vergnügen gelesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.06.2022
Balzer, Jens

Schmalz und Rebellion


ausgezeichnet

Unterhaltsamer Überblick über 70 Jahre Sprache in der deutschen Popmusik

Aus dem Verlagstext: Jens Balzer beleuchtet das spannungsreiche Verhältnis von Popmusik und deutscher Sprache: Die ersten Rockbands singen natürlich auf Englisch, als Rebellion gegen die spießigen Eltern. Politische Liedermacher entdecken Mundarten und Dialekte. In der Neuen Deutschen Welle wird das Spiel mit der Sprache ironisch und kunstvoll. Im Hip-Hop der Gegenwart zeigt sich, wie divers, vielstimmig und auch widersprüchlich die Gesellschaft geworden ist. So entsteht eine Geschichte der Sprache im deutschen Pop – und wie nebenbei eine Gesellschafts- und Kulturgeschichte.

Das Cover mit seinem Orange zieht die Aufmerksamkeit auf sich und die abgebildete Schallplatte bietet eine haptische Überraschung, die Rillen sind fühlbar!
Jens Balzer, geboren 1969, ist erfolgreicher Autor und Kulturjournalist für ZEIT, Rolling Stone und radioeins und hat bereits mehrere Bücher über verschiedene Aspekte des Pop geschrieben.
In Schmalz und Rebellion präsentiert er in Zusammenarbeit mit dem Duden-Verlag die Entwicklung der Sprache der Popmusik unterhaltsam, mit vielen Textbeispielen und betrachtet die Sprache im Kontext des Zeitgeschehen.
Von Caterina Valente, Freddy Quinn und Peter Kraus über Beat, Krautrock und Ton Steine Scherben bis Rammstein und Helene Fischer spannt Jens Balzer einen weiten Bogen über Jahrzehnte der deutschen Popmusik. Zur Sprache kommt auch Musik abseits des Mainstream: türkische „Gastarbeiter“-Musik, Lieder auf plattdeutsch und die Geschichte des Punk in der DDR haben mir Überraschendes und Neues nahe gebracht.

Eine Playlist und informative Anhänge wie auch eine Liste von Literatur zum Weiterlesen vervollständigen dieses äußerst unterhaltsame und interessante Buch, das ich mit Vergnügen gelesen habe und gern jedem Leser empfehle, der sich nicht nur für Musikgeschichte, sondern auch für Sprache interessiert.

Bewertung vom 20.05.2022
Krist, Martin

Wunderland


ausgezeichnet

Erschütternder Thriller nach wahren Begebenheiten

Der lang erwartete achte Fall der Kalkbrenner-Reihe beginnt für den Kommissar mit dem Fund eines Toten in einer Mülldeponie, während die Potsdamer Kollegin Jamina Stark mit dem plötzlichen Tod ihres Bruders konfrontiert wird.
Ein weiterer Ezählstrang verdichtet sich rasch zu einer schockierenden Erzählung um das Leid, das Kindern in einem „christlich“ geführten Kinderheim angetan wird.
Kalkbrenner ist mir aus früheren Büchern der Reihe bekannt, es ist schön, diesen sympathischen integren Kommissar wieder zu treffen. Kenntnisse der Vorgängerbänden sind zum Verständnis nicht notwendig. Die neue Protagonistin Jamina unternimmt unbeirrt und eigenmächtig Ermittlungen zum Tod ihres Bruders.

Verschiedene Perspektiven und der Wechsel von Ich-Erzähler und personalem Erzähler, kurze Abschnitte, die mit einem Cliffhanger enden, und häufige Szenenwechsel sorgen für ein hohes Erzähltempo und anhaltende Spannung.
Der Autor ist seinen Figuren sehr zugewandt und stellt sie glaubwürdig und authentisch dar. Auch die Entwicklung und Beschreibung der Emotionen und psychologischen Aspekte ist glaubhaft und so sehr berührend.

Martin Krists Schreibstil ist angenehm zu lesen, er ist lebendig und bildhaft. Schonungslos und realistisch beschreibt er die Zustände im Kinderheim. Atmosphärisch dicht, ergreifend und gut recherchiert beruht dieser fesselnde Thriller auf wahren Begebenheiten, von denen jeder schon gehört hat, die ich mir aber nie in ihrem ganzen Ausmaß vorstellen wollte oder konnte.

Die unterschiedlichen Erzählstränge und auch Zeitebenen laufen schließlich zusammen und lassen mich auch am Ende noch lange nicht los. Martin Krist hat mit diesem vielschichtigen und raffiniert aufgebauten Thriller ein aufrüttelndes Buch vorgelegt, dem viele Leser zu wünschen sind.