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Anne Lay

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Insgesamt 160 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2014
Zannini, Patrizia

Meine Schwester, die Hummelkönigin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ally kommt nach Hause, Jahre nachdem sie ihr Elternhaus fluchtartig verlassen hat. Ihr Mutter ist gestorben und zu diesem traurigen Anlass stellt sie sich ihrer Vergangenheit.
Warum sie gegangen ist, erfahre ich erst nach und nach. Zunächst stehen die Begegnungen mit wichtigen Menschen "von früher" im Mittelpunkt, das Eintauchen in Gegend, Haus und Gepflogenheiten ihrer Kindheit.

Eindrucksvoll wird hier ein Bild entworfen, das mich vom ersten Moment an in seinen Bann zieht. Die Fahrt auf die (Halb)Insel, meine erste Begegnung mit Emma, die Beerdigung, die so gar nicht alltäglich ist... Ich leide mit Ally, wenn sie hin- und hergerissen zwischen alten Gefühlen, Peinlichkeiten und dem Ärger über ihre Schwester verzweifelt.
Patrizia Zannini gelingt es mit ihrer einfühlsamen Erzählweise, mich in Allys Welt mitzunehmen. Immer wieder knüpfen ihre Details an meine Erfahrungen an, so dass ich förmlich höre, rieche und schmecke, was sie beschreibt. Sinneseindrücke dieser Art spielen eine große Rolle in der Geschichte. Blaubeeren, die Ally auch im fernen Los Angeles an ihre Herkunft erinnerten, der Hummer, dem ein ganzes Fest gewidmet ist, Gewürze, die Emma einzeln herausschmecken kann, und immer wieder die Nähe zum Meer, dessen Rauschen ich fast höre.

Die Figuren des Romans sind liebevoll entworfen und agieren authentisch, sei es das schwule Nachbarpärchen, die ältere Nachbarin, die immer nach Kampfer riecht, Freunde aus Kindheit und Jugend und natürlich die beiden Schwestern. Mit gelingt es schnell, mich in Ally, aus deren Sicht erzählt wird, hineinzuversetzen. Ich fühle mich ihr nah.

Im Mittelteil dachte ich kurz, das Spiel mit Klischees sei ausgereizt und das Werk insgesamt vorhersehbar. In Teilen ist es auch so. Oft hatte ich eine Idee, wie es weitergeht und es kam tatsächlich so. Aber es gab auch überraschende Momente, so dass für mich die Mischung insgesamt stimmte.

Mit Bedauern schaltete ich meinen Reader nach den letzten Zeilen aus.

Wer eine einfühlsam geschriebene Geschichte um ein Leben in einer Küstenkleinstadt lesen mag, die sich um die Beziehungen der Menschen zueinander rankt, wer Menschen und ihre Besonderheiten mag, der wird hier auf seine Kosten kommen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.09.2014
Ziebula, Thomas

Die Hure und der Spielmann


ausgezeichnet

Zwei Menschen, die eine aus Stockholm, der andere aus Prag, stoßen in den Wirren des dreißigjährigen Krieges aufeinander.
Krinstina ist die Tochter eines Kaufmanns aus Stockholm. Um dem ihr zugedachten Schicksal, einer günstigen Heirat mit einem älteren einflussreichen Mann zu entkommen, stürzt sie sich in ein unüberschaubares Abenteuer und gerät so mitten in das Kriegsgeschehen, lange bevor Schweden in den den Krieg eintritt.
Auch Tonda hat es zu Hause schwer. Nachdem sein leiblicher Vater gestorben ist, wird er von seinem Stiefvater drangsaliert und gerät unter die Fittiche eines freundlichen Magisters. Dieser erkennt die vielfältigen Talente und die Haltlosigkeit des Jungen und macht sich diese zu nutze, im Sinne seines Auftraggebers...

Ausgehend von der Nacht, nach der Schlacht, in der König Gustav Adolf von Schweden getötet wird, springt die Handlung Jahre zurück zu den beiden jugendlichen Protagonisten. Abwechselnd folge ich ihnen durch ihr Leben, erlebe ihre Nöte und auch was und wer ihnen hilft.
Schnell wird Spannung aufgebaut und ich möchte mehr erfahren, wissen, wie es den beiden sympathischen jungen Menschen ergeht.
Nebenbei werden nach und nach die Gräuel dieses Krieges, die Hintergründe, die Philosophie der Kriegstreiber beschrieben. Ohne zu ausschweifend zu werden, fließt diese Information in die Handlung und die Gespräche ein, so dass ich nie in Versuchung komme, Passagen zu überblättern.
Schnell gerate ich in einen Sog, kann das Buch immer schlechter weglegen.

Genau so mag ich historische Romane. Eingebettet in historische Gegebenhieten agieren fiktive Personen und lassen so ein Bild entstehen, wie es gewesen sein könnte. Geschichte wird lebendig.
Was hat die Menschen damals bewegt? Wie haben sie gedacht?

Mein Fazit: Wer sich für die Zeit des dreißigjährigen Krieges interessiert, vielleicht ein wenig für Kirchengeschichte(n), und bereit ist, eine faszinierende Geschichte zweier Menschen zu lesen, kommt hier voll auf seine Kosten.

Bewertung vom 14.08.2014
Oelker, Petra

Das klare Sommerlicht des Nordens


sehr gut

Zwei für ihre Zeit ungewöhnliche Frauengestalten werden hier beschrieben.
Auf der einen Seite Sidonie Wartberger, vom Schicksal nicht nur verwöhnt, obwohl sie aus gutem Hause stammt und sich daher nicht um ihren Lebenunterhalt sorgen muss.
Dora, die andere junge Frau, muss genau dies: Ihre eigenen Ideen immer wieder hintenanstellend, verdient sie ihren Lebensunterhalt als Akkordnäherin in einer Manufaktur.
Immer wieder wechseln die Erzählstränge und zu Beginn fiel es mir etwas schwer, die vielen Personen und Schauplätze zu sortieren, dann aber war ich im Geschehen angekommen und habe gespannt verfolgt, was den beiden Frauen widerfährt.
Für mich ist das eine der Stärken dieses Buches. Die Figuren sind lebensnah und mitreißend gezeichnet und quasi nebenbei entsteht ein Bild der damaligen Gesellschaft aus zwei vollständig unterschiedlichen Perspektiven. Einfühlsam werden die Veränderungen in Kunst, Arbeitswelt und Gesellschaft beschrieben, die sich vollziehen und die sich für die nahe Zukunft andeuten.
Für mich ist das Buch aber nicht abgeschlossen. Abrupt endet der Roman mit einem Epilog, in dem die meisten Erzählstränge beendet werden. Gerade noch in der sorgsam aufgebauten Welt schwelgend, wurde ich herausgerissen. Zwar habe ich "das Ende" erfahren (einige Fäden werden auch offen gelassen), aber zumindest einige der beschriebenen Entwicklungen hätte ich mir auch innerhalb des Romans beendet gewünscht. Schade.
Die Erzählkunst der Autorin hat mich sehr beeindruckt. Ihr Wissen über Zeit, Kunst und Gesellschaft machen einen großen Reiz in diesem Werk aus.
Für den etwas schwierigen Einstieg und das abrupte Ende ziehe ich jedoch einen Stern ab. Andere Leser mögen dies anders empfinden, insofern kann ich nur empfehlen, sich selbst ein Bild zu machen und das Werk zu lesen.

Bewertung vom 28.07.2014
Schiewe, Ulf

Die Rache des Normannen / Normannensaga Bd.2


ausgezeichnet

Eine gelungene Fortsetzung
Italien im 11. Jahrhundert: Zunächst als Söldner ins Land gekommen, errichteten Normannen mitten im Land zwischen kleinen Fürstentümern, dem Papst und dem Kaiser in Byzanz ihr eigenes kleines Reich.
Im zweiten Band soll Gilbert nun die Gattin des normannischen Fürsten, Gaitelgrima, in ihre Geburtsstadt Salerno begleiten. Dort soll der Sohn und Erbe des kleinen Normannischen Reiches getauft werden.
Robert Guiscard gibt seinem Schildträger jedoch ein besonderes Geschenk für den Bruder seiner Schwägerin mit...
Auch im zweiten Band werden die Figuren, wird die Geschichte des 11. Jahrhunderts schnell lebendig. Gern folge ich Gilbert durch seine Abenteuer vom ersten Kampf, mit dem das Buch gleich spannend beginnt. über das Staunen über die große Stadt Salerno bis zu seiner ganz eigenen Entscheidung, die in den dritten Band verweist.
Über den Inhalt möchte ich hier nicht mehr verraten.
Die Sprache ist anschaulich und bietet Stoff für mein Kopfkino, das ohne Verzögerung von der ersten Seite an läuft.
Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.
Ein Grund ist natürlich, endlich zu erfahren, wie es den "alten Bekannten" aus dem ersten Band in der Fremde ergeht. Insbesondere Gilbert ist mir aus Band 1 in so guter Erinnerung, dass ich ihn wie einen guten Bekannten begrüße. Die Anlage, den historisch verbrieften Personen Robert und Gaitelgrima einen fiktiven Charakter an die Seite zu geben und aus dessen Sicht die Geschehnisse zu erzählen, gefällt mir.

So komme ich auch zu dem Fazit, dass es Ulf Schiewe hier gelungen ist, eine spannende Fortsetzung zu präsentieren, die mich ungeduldig auf den nächsten Band warten lässt.

Bewertung vom 29.11.2013
Wilcke, Michael

Die Frau des Täuferkönigs


ausgezeichnet

Eine zwielichtige Gauklertruppe wird erwischt, als sie einen Einbruch bzw. Raub in Osnabrück durchführen wollen. Dummerweise hat sie jemand geschnappt, der noch eine alte Rechnung offen hat und diese nun beglichen sehen will. So kommt Emanuel mit seinen Gefährten nach Münster, genaugenommen mitten hinein in die Wirren des Wiedertäuferreiches im 16. Jahrhunderts.
Auch wenn ich kurz Schwierigkeiten hatte, diesem Emaunel zu folgen, habe ich doch schnell in die Geschichte und die Zeit hineingefunden. Unterhaltsam und humorvoll wird beschrieben, wie Pläne schiefgehen und die Protagonisten dennoch dem gewünschten Ziel näherkommen.
"Nebenbei" wird das Leben in Münster zu Zeiten des Wiedertäufer lebendig. Wie lebt es sich in einer Stadt mit einem religiös motivierten König?
"Die Frau des Täuferkönigs" ist ein mitreißend geschriebenes Beispiel eines gelungenen historischen Romans. Zwischen historischen und fiktiven Figuren entsteht ein lebendiges Bild vergangener Tage.
Dass ich dabei die Schauplätze vor Augen haben konnte war ein zusätzliches Bonbon. Lesern, die Münster nicht kennen, kann ich nur sagen: Ein Besuch lohnt sich.