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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2170 Bewertungen
Bewertung vom 01.03.2025
Del Amo, Jean-Baptiste

Der Menschensohn


ausgezeichnet

Eine Sprache der schillernden Opaleszenz

Jean-Baptiste Del Amo ist ein preisgekrönter französischer Autor auf der Suche nach dem Essentiellen. Das spürt man schon im ersten Abschnitt, kursiv gehalten und besonders beeindruckend.
Die herausragende Sprache prägt das Buch. Es ist anspruchsvolle Literatur, doch die Sprache nimmt den Leser schnell gefangen.
Erst dann setzt die eigentliche Romanhandlung ein.
Ein Mann war 6 Jahre verschwunden und taucht plötzlich bei Frau und dem 9jährigen Sohn wieder auf. Der ist geschockt, dass der Vater wieder da ist und einfach so seinen Platz wieder einnehmen will. Der Mann nimmt die beiden mit in eine abgelegene Gegend in den Bergen. Der Versuch eines Neuanfangs, doch schließlich kippt die Stimmung um. Eine bedrohliche Atmosphäre durchzieht den Roman.
Alle 3 Figuren sind übrigens namenlos. Das macht das ganze abstrakt.
Die Übersetzung erfolgt aus dem Französischen von Karin Uttendörfer und mein Eindruck ist, auch das eine große Leistung.

Bewertung vom 27.02.2025
Heichelbech, Elizabeth

Chopin in Kentucky


ausgezeichnet

Marie
Chopin in Kentucky ist ein kleiner, amüsanter Roman, der durch die umwerfende 10jährige Icherzählerin Marie getragen wird. Ein quirliges, phantasiebegabtes Mädchen, dass ausgerechnet Chopin als unsichtbaren Freund hat und mit ihm schlagfertige Dialoge austauscht.
Das Buch spielt 1977 und das prägt das Buch mit.
Marie ist lebhaft, leidet aber durch de Gewalttätigkeit des cholerischen Vaters. Dennoch kann sie sich furchtlos ein Stück weit befreien und beginnt sogar mit Ballett, während ihre beste Freundin Misty eine Elvis-Imitatorin wird. Die Handlung streckt sich über ca. 4 Jahre. Wie sich Marie weiter entwickelt, ist interessant zu lesen.

Elizabeth Heichelbech legt Tempo vor und entwickelt viel Wortwitz.
Eine vielversprechende Autorin, die ich gerne wieder lesen würde.

Bewertung vom 27.02.2025
waldis, angelika

Hier. Dort. Fort


sehr gut

Eine zerbrechliche Gemeinschaft

Angelika Waldi ist eine erfahrene Schweizer Autorin mit einem ganz eigenen, eigenwilligen Stil, an den man sich erst gewöhnen muss. Es sind kurze Sätze, prägnant. Die Perspektivern wechseln. Am wichtigsten sind Mina und ihr Mann Rick sowie die Jugendliche Effi, die schließlich aufeinandertreffen. Denn Mon ist bereit die elternloseund orientungslose Effi bei sich aufzunehmen. Und dann ist da noch Tom, in den Effi sich verliebt.
Wie es mit dieser zerbrechlich wirkenden Gemeinschaft weitergeht, sei hier noch nicht verraten.
Es ist ein interessantes Buch.

Bewertung vom 27.02.2025
Carrère, Emmanuel

Ich lebe und ihr seid tot


sehr gut

Ein Kultautor

Ich lebe und ihr seid tot
Die Parallelwelten des Philip K.Dicks.

Philip K. Dick war lange Zeit ein überaus wichtiger Science Fiction-Autor und mehr. Seine Ideen und Theorien vermochten zu faszinieren.
Uwe Anton hat mal eine großartige Biografie über ihn geschrieben, aber da stand in erster Linie das Werk im Vordergrund. Emmanuel Carrere hat in diesem im Original schon 1993 erschienen Buch einen anderen Ansatz. Er verquickt Dicks Leben mit seinem Werk und findet eine Form dafür, die funktioniert.
Über seine Romane hinaus tritt Dick hier als agierende Person, als Mensch auf. Man erlebt ihn m it seinen Stärken und Schwächen.

Ein verdienstvolles Buch. Man kann froh sein, dass es jetzt in Deutsch vorliegt, denn Philip K.Dick ist immer noch ein Schriftsteller von Relevanz und einige Bücher von ihm sind unvergessen:
Das Orakel vom Berge, Do Android dream of electric sheep bekannt als Bladerunner, Ubik, Valis und A Scanner darkly.

Bewertung vom 27.02.2025
Wiener, Gabriela

Unentdeckt


sehr gut

Der Familiengeschichte auf der Spur

Gabriela Wiener vereint mehrere Themen in ihrem ungewöhnlichen, autofiktionalen Buch.
Zum einen ist es die Geschichte ihres Vaters, der lange Jahre eine Geliebte hatte, mit der auch ein Kind und der gerade gestorben ist.
Zudem spürt Wiener der Geschichte ihres Urgroßvaters, Charles Wiener nach.
Und zuletzt ist es auch ihre Geschichte zwischen Peru und Spanien, z.B. wie sie schon als Kind Rassismus erlebte oder wie sie in Madrid in einer Dreierbeziehung Freiheit empfand.

Einiges an dem Buch fand ich interessant, stilistisch blieb ich etwas skeptisch. Manches erreichte mich, anderes weniger. Insgesamt ist es aber eine gute Arbeit.

Das Buch war auf der Longlist des Booker Awards und hatte viel Aufmerksamkeit bekommen.

Bewertung vom 27.02.2025
Stabenow, Dana

Weit draußen in Alaska / Kate Shugak Bd.2


sehr gut

Mit Weit draußen in Alaska geht Dana Stabenows Reihe um Kate Shugak weiter. Es ist der direkter Nachfolger von In der Kälte Alaskas, kann aber vollkommen unabhängig gelesen werden.
Noch immer lebt Kate mit ihrer Hündin Mutt in der abgelegene Wildnis von Alaska, mit gelegentlich Besuchen ihres on-off-Boyfriends Jack.
Es geht schon ziemlich dramatisch los. Ein geradliniger Plot. Es wird sehr konzentriert, vor allem im letzten Drittel des Buches.
Kates Kaltschnäuzigkeit ist imponierend. Doch thematisch tiefer wird es nicht, dabei gäbe es einiges an Potential, der im ersten Teil angelegt wurde. Es bleibt also noch viel in den kommenden Teilen auszuschöpfen.

Bewertung vom 26.02.2025
Liepold, Annegret

Unter Grund


ausgezeichnet

Frankas Weg

Unter Grund ist ein Buch, das Sogwirkung hat und mich sehr gefesselt hat.
Die Protagonistin Franka ist junge Lehrerin, die durch ein Wort getriggert wird, das bei ihr Erinnerung an ihre Zeit als Jugendliche auslöst. Man taucht mit ihr ein in die Vergangenheit, in der sie durch Einfluß ihrer Frteunde Jana und Patrick in die rechte Szene abrutscht. Sie ist in einem Dorf aufgewachsen, dass auch eine Vergangenheit aus der schlimmen Zeit hatte. Dazu gehörte auch die Füchsiin, wie Frankas Großmutter genannt wurde.
Man kann verfolgen, wie Franka sich immer tiewfer verstrickt, schließlich auch gewalttätig wird.
Annegret Liepold hat mich mit ihren suggestiven, eindringlichen Stil überzeugt und begeistert. Es ist ein düsterer Stoff, aber wie Franka dargestellt wird, ist realistsich und glaubhaft.
Es bleibt einiges hängen. Man wünscht sich als Leser, das man Franka helfen könnte, ihren richtigen Weg zu finden. Diese Zuversicht lässt einen die Autorin.

Bewertung vom 26.02.2025
Würger, Takis

Für Polina


sehr gut

Hannes

Für Polina ist eine große, leidenschaftliche Liebesgeschichte. Schon als Junge, ist das musikalische Wunderkind Hannes in Polina verliebt. Kurzen Annäherungen folgt jahrelanger Trennung. Doch Hannes, der zwischendurch das Klavierspiele aufgibt, sucht noch lange nach ihr. Seine tiefen Gefühle für Polina sind unvergänglich.

Takis Würger spielt ein wenig mit Klischees, wie er es schon in Stella getan hat, und er macht das so geschickt, dass es sich beim Leser verfängt. Da sind zum Beispiel die großartigen Nebenfiguren, die einem länger im Gedächtnis bleiben sollten.
Hannes ist keine ganz einfache Hauptfigur. Anfangs zaudernd, sind sowohl sein Talent als auch seine Liebe zu Polina sein Lebensmittelpunkt, aber er kann sich da schlecht ausdrücken. Deswegen ist sein Weg kein leichter.

Viel Atmosphäre durchzieht den dichten Text. Hannes starke Gefühle sind von Kontinuität geprägt.

Bewertung vom 25.02.2025
Moll, Sebastian

Das Würfelhaus


ausgezeichnet

Heinz und Erika
Das Würfelhaus ist ein intelligentes Sachbuch mit autobiografischen Bezug, aber über das Individuelle hinaus übertragbar.
Sebastian Moll reise 2009 aus New York zurück nach Frankfurt, um sein Elternhaus aufzulösen, nachdem auch die Mutter gestorben war. Der Vater, 1927 geboren, war schon Jahre vorher verstorben.
Doch diese Aufgabe wird zu einem Auseinandersetzen mit den Eltern und ihren Rollen in Kriegs- und Nachkriegszeit. Sie waren keine Täter, da auch zu jung, aber gläubige Mitläufer. Der Autor widmete sich besonders dem Vater, der als Jugendliche begeisterter HJ war. Er war aber gebildet und auch intellektuell ausgerichtet, es gab z.B. einige Gedichte und Briefe, die er schrieb. Gegen Kriegsende war er Flaghelkfer, ging zur Marine und war dann noch kurz in Kriegsgefangenschaft.
Sebastian Moll stellt viele Bezüge her, z.B. zu Klaus Theweleits Männerphantasien.
Der Untertitel des Buches „Mein Vater und die Architektur der Verdrängung“ ist auch stimmig für das Buch und die Zeit noch lange nach dem Krieg.
Ich denke, es ist eine absolut glaubwürdige Darstellung einer Generation, überwiegend packend geschrieben. Es ist auch wichtig, zu betonen, dass das Buch keine Abrechnung mit den Eltern ist. Es geht vielmehr nur um das Verstehen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.02.2025
Sanders, Nicola

Don't Let Her Stay


gut

Die Stieftochter

Dieser Roman hat eine Variante des beliebten Thrillerplots, der in familiären Kreis spielt.
Die Icherzählerin Joanne, ist eine junge Mutter, die mit dem Geschäftsmann Richard verheiratet und das Baby Evie hat. Ihr Leben ändert sich, als Richards Tochter Chloe aus erster Ehe zu ihnen zieht. Chloe ist feindselig. Doch der Schein kann auch trügen. Von wem geht wirklich die Gefahr aus? Von dieser Frage lässt man sich als Leser durch das Buch treiben. Es ist gefällig geschrieben, nicht sehr elegant, aber zugänglich.
Dieser Plot funktioniert. Eher skeptisch bin ich bei der Protagonistin. Sie ist eher unterwürfig gegenüber ihren Mann und der Stieftochter Chloe nicht gewachsen. Als Leser ist man hauptsächlich an ihrer Seite aus Sorge um das Baby. Vermutlich ist das von der Autorin Nicola Sanders so geplant, aber mir persönlich war Joanne doch zu wenig empathisch. Eine wirklich schwache Hauptfigur.
Die psychologische Note war mir auch nicht schlüssig genug.
Davon abgesehen, geht der Plot seinen Weg auf einen Höhepunkt zu und Spannung kann man dem Buch nicht absprechen. Trotzdem ist nur eine mittlere Bewertung möglich.