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gagiju
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Kaiserslautern

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Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2022
Lind, Hera

Mit dem Rücken zur Wand


sehr gut

Ich kannte Hera Lind bisher hauptsächlich aus ihren heiteren Frauenromanen mit viel Witz und Ironie aus den Neunzigern, die damals auch voll meinem Lebensgefühl entsprachen. „Mit dem Rücken zur Wand“ ist der erste ihrer Romane nach wahren Geschichten, den ich gelesen habe.
Das Cover finde ich sehr ansprechend, eine jüngere Frau, hübsch und blond, im roten Kleid, die bei zugezogenen Vorhängen an einem Fenster lehnt und zu Boden schaut. Traurig, eingeschüchtert, Kontrast zum blauen Himmel draußen und zwei spielenden Kindern mit Hund im Garten. Das Nachbarhaus ist nur etwas verschwommen zu sehen, scheint im Nebel zu liegen. - Passt sehr gut zu dem Inhalt des Buches.
Ich habe mir am Anfang etwas schwer getan, mich in den Stil hinein zu lesen. Sehr anders als der Stil von Hera Lind von vor 25 / 30 Jahren. Ernster, ausführlicher, ohne jede Ironie. Anfangs hat es mich ein wenig gestört, WIE ausführlich alles berichtet wird, viele Dialoge, Gespräche um Kleinigkeiten, Detailbeschreibungen. Das nimmt dem Geschehen etwas die Spannung. Aber es ist ja auch kein fiktiver Roman, bei dem es um Spritzigkeit geht, sondern eine wahre und sehr tragische Geschichte.
Später im Buch wird auch erwähnt, dass die Protagonistin von ihrem Anwalt aufgefordert wird, alles im Detail aufzuschreiben, was passiert ist, weil die Dokumentation für das Gericht wichtig ist.
Und Hera Lind selbst äußert sich dazu, dass ihre Real-Erzählerin auf vielen Details um der Genauigkeit willen bestanden hat. Was ich verstehen kann, was aber dem Buch und der Spannung m.E. etwas schadet. Aber das ist auch eine Frage der Zielsetzung.
Die Geschichte selbst ist ungeheuerlich und doch so realistisch und weit verbreitet.
Sehr gut beschrieben finde ich die permanent vorhandene Angst vor neuer Gewalt, neuen Schlägen und Brutalität ohne wirklichen Grund. Auch dass die Tochter sich verzweifelt einen „guten“ Vater und Opa für ihre Kinder wünscht. Weniger verständlich, aber wohl genauso häufig ist das Verhalten der Lebensgefährtin, die sich trotz allem nicht von dem Mann wirklich lossagen kann.
Ich finde, es ist ein sehr wichtiges Buch, weil dieses Thema – Gewalt in der Familie und in Partnerschaften – immer noch zuviel unter den Tisch gekehrt wird, der Justiz aber auch oft wirklich die Hände gebunden sind, weil die Opfer aus Angst vor noch schlimmeren Übergriffen schweigen und Nachbarn, Freunde, Familie, die vielleicht etwas mit bekommen, ebenfalls aus Angst oder einfach Feigheit oder Gleichgültigkeit weg schauen.
Macht betroffen, macht aber auch Mut. Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.12.2021
Strout, Elizabeth

Oh, William!


ausgezeichnet

Ich habe bisher schon einige der Bücher von Elizabeth Strout gelesen; insofern ist Lucy Barton für mich keine neue Figur.

Ich war sehr gespannt, was in "Oh William!" noch Neues kommt, und wurde nicht enttäuscht.

Lucy Barton ist älter und sehr viel reifer, aber keineswegs langweiliger, geworden. Es werden immer wieder Rückblicke aus ihrem Leben - teils mit, teils ohne William - erzählt, in anekdotenhafter Form. Das macht die erzählte Gegenwart verständlicher, frischt die Erinnerung des Lesers nochmal auf und macht das Buch m.E. auch zu einer interessanten Lektüre für diejenigen, die die "Vorgänger"-Bücher nicht kennen.

Nicht nur Lucy, sondern auch William und die Töchter werden teils unter anderen Aspekten betrachtet als in den Büchern vorher.

Sehr gut nachvollziehbar, feinfühlig, intelligent und mit einem ganz leisen Humor erzählt Elizabeth Strout von der Reise zur Halbschwester, flicht Gedanken, Philosophisches und Emotionales, auf ihre wunderbare Art mit ein. Sie kann sich sehr gut in eine Frau des Alters von Lucy und ihres bisher gelebten Lebens hinein versetzen und dies widerspiegeln, ohne Klischees und laute Töne. Es geht auch um Schuld und Verzeihung und Vergessen.

Für mich ein sehr angenehmes Buch, auch passend zur ruhigen Jahreszeit.

Ausgesprochen schön finde ich auch das Cover, zarte gezeichnete Blumen im provencalischen Stil, passen gut zum INhalt.

Bewertung vom 13.11.2021
Rygiert, Beate

Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher


ausgezeichnet

Das Buch „beginnt“ schon mit einem wunderschönen Cover. Jugendstilmäßig inspiriert, passend zu den 20er Jahren, in denen es spielt, mit hübschen ornamental-floralen Verzierungen.
2 Frauen, die sich gegenüber stehen, beide auf ihre eigenwillige Art schön, gut gekleidet und aufwändig frisiert und „geschmückt“ im Stil der damaligen Mode. Sie schauen sich nicht direkt an, eher etwas aneinander vorbei, erstaunt, kritisch, aber durchaus nicht unfreundlich.
Im Hintergrund in Sepia und Pastell Szenen aus dem alten Berlin.mit Gebäuden, Droschken, Pferdefuhrwerken und noblen Automobil-Karossen.

Das Buch hat mich von der ersten Seite an gepackt. Der Stil der Autorin ist flüssig und äußerst lebendig. Die Figuren entstanden direkt vor meinem inneren Auge, sind sehr gut charakterisiert. Vicki Baum, Rosalie Gräfenberg und Lilli sind aktive Frauen, beruflich und amourös gesehen, eigenwillig und interessant, jede auf eine ganz andere, eigen Art..
Selbst die 5 Ullstein-Brüder stürzen einen als Leser nicht gleich ins große Verwirrspiel („Wer ist nochmal wer und arbeitet warum gegen wen?“), sondern sind klar und gut gegeneinander abgegrenzt.
Auch die Liebesgeschichten von Rosalie und Lilli sind glaubwürdig und spannend, ohne Kitschverbrämung.
Die ganze Geschichte ist sehr gut und glaubwürdig erzählt. Menschliche Abgründe werden beleuchtet. Die Menschen verändern sich in ihren Verhaltensweisen und Charakterzügen, immer logisch und spannend aufgebaut, was ich sehr zu schätzen weiß.
Die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe der 20er Jahre in Berlin fließen sehr gut mit ein.
Die Konstellationen der einzelnen Personen untereinander verändern sich, und in den familiären, amourösen und geschäftlichen Gruppierungen ändern und verschieben sich immer wieder die Machtverhältnisse. Die Autorin schildert das sehr lebendig und für mich als Leserin sehr gut nachvollziehbar.
Nur für einen Teil der Hauptpersonen gibt es ein „Happy End“, auch das gefällt mir gut.
Die Personen fand ich so interessant, dass ich mich nach dem Beenden des Buches tatsächlich im Internet über die „wirklichen“ Mitglieder der Familie Ullstein informiert habe.
Insgesamt war das Buch für mich eine sehr angenehme Überraschung; ich hätte relativ „leichte Kost“ erwartet; und nun war es für mich richtig gute Unterhaltung mit einigen „Tiefgängen“.

Bewertung vom 03.11.2021
Johannsen, Anna

Die Frau aus der Nordsee


sehr gut

Das Buch hat ein sehr schönes Cover. Etwas rauchige Farben, Grau und Blau hauptsächlich in verschiedenen Schattierungen. Ein Steg, ein paar Möwen, ein kleineres Schiff - ein Fischkutter? -, der sich gerade zum Anlegen bereit macht.

Das Cover strahlt auch ein bisschen Novemberstimmung aus, obwohl es eher im Sommer spielt. Aber für die momentane Lesestimmung passt es gut. Man wünscht sich dort ans Meer, mit Gummistiefeln und wasserdichter Jacke.

Ich habe die vorherigen Bände der „Inselkommissarin“ nicht gelesen und fand es anfänglich gut gelungen, wie Lena Lorenzen und ihr Umfeld eingeführt werden. Die Vorgeschichte kommt - immer wieder in kleinen Teilen - nur in Kürze, aber ausreichend verständlich. Die Personen – Kollegen, Verdächtige, Zeugen – werden ganz gut charakterisiert, und man „sieht“ sie vor sich. Von Anfang an war das Buch relativ spannend und gut zu lesen. Man ahnte, dass hinter den Fassaden der netten und weniger netten Menschen noch einiges an Geheimnissen schlummert.

Dass die Kriminalkommissarin des Genitivs nicht mächtig ist (u.a. S. 84 oben), hat mich allerdings gestört.

Für mich hat das Buch nach dem ersten Viertel deutlich an Fahrt verloren, auch wenn es realistisch sein mag, dass es langsam und eher zäh und nicht wirklich voran geht mit den Ermittlungen.

Ich finde auch die Namensähnlichkeiten - Lena, Lisa, Luna - irritierend und erschwerend. Wenn man schnell liest und nicht hoch konzentriert ist, passiert es schon mal, dass man den falschen Namen "liest" und dann ins Stolpern kommt.

Im letzten Teil des Buches wird es noch einmal spannender, und die Ereignisse spitzen sich etwas zu.

Trotzdem geht mir alles zu leicht. Diese lockere Entschärfung der Geiselnahme, auch dann der Tod des Geiselnehmers im Krankenhaus, so völlig undramatisch passiert und zur Kenntnis genommen.

Es gibt dann noch eine - etwas - überraschende Wendung, indem ein neuer "Böser" ins Spiel kommt.

Tja - wirklich glücklich hat mich das Buch nicht gemacht.

Vor allem Lena, die ja eigentlich die Hauptfigur ist, ebenso ihr Verlobter Erck, bleiben für mich blass und nicht richtig "greifbar". Es fehlen so die richtigen Ecken und Kanten, kleine Marotten o.ä., die einen Menschen charakterisieren. Genauso die Kollegen der Kommissarin, die sind alle einfach nett, hilfsbereit, eifrig.

Die Geschichte an sich hat ja durchaus Potential, das Thema ist akut, real und schwer, aber erzählt ist sie alles in allem nicht super spannend. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass ich die 7 Bände vorher nicht gelesen habe, vielleicht werden daraus einige der auftretenden Personen klarer und schärfer und damit auch interessanter, aber wenn es nun mal 8 Bände gibt, sollte auch im 8.Teil m.E. die Spannung und die Farbigkeit des Erzählten gehalten werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.10.2021
Merchant, Judith

SCHWEIG!


sehr gut

Sehr schön finde ich das Cover, im Stil ähnlich wie bei "Atme!", knapp, schwarz, weiß, ein Tupfer Rot, ein "Trauerrand" - lässt auf einen tiefgründigen Krimi hoffen....Geheimnisvoll die Baumwurzel und der einzelne rote Baum, etwas skurrile, unheimliche Weihnachtsbäume, was gut zum Thema passt.

Wie immer bei Judith Merchant nimmt das Buch sofort rasant Fahrt auf...

Ich habe den Text in eineinhalb Tagen gelesen und konnte das Buch kaum weg legen.

Das Versteckspiel und Verwirrspiel zwischen den beiden Schwestern ist gut und geschickt angelegt, Mehrmals wechseln bis zum Schluss die Machtverhältnisse und die Rollen der "Normalen" und der "Gestörten". Auch bezüglich des braven Ehemannes wird man zunächst und dann noch mehrmals auf eine falsche Fährte gelockt.

Gut gemacht ist die Erzählperspektive aus den 3 verschiedenen Sichten, immer abwechselnd, das ist kurzweilig, flüssig und superspannend zu lesen.

Im mittleren Drittel des Buches waren allerdings einige Passagen, die mich, ehrlich gesagt, gelangweilt haben. Es wird manches einfach mehrfach erzählt bzw. in den Dialogen untergebracht. Das bremst die Spnannung. So kenne ich Judith Merchant eigentlich nicht.

Hatte zwischendurch auch mal vermutet, dass Sue und Esther ein und dieselbe Person sind - Schizophrenie - , vielleicht die jüngere Schwester tatsächlich als Kind gestorben ist - oder irgend eine ganz andere unerwartete Auflösung...

Das letzte Drittel beschert dann noch so mache Überraschung und einen unerwarteten Schluss.

Ein etwas anderes "Weihnachtsbuch", spannend, aber für mich dennoch nicht so packend wie "Atme!"

Bewertung vom 26.10.2021
Hannah, Kristin

Die vier Winde


ausgezeichnet

Wunderschönes Cover. Das Schwarz symbolisiert für mich die Düsternis, in der Elsas Leben zu Beginn liegt, das Trübe. Die im strukturierten Print aufgedruckten goldenen Ähren machen Hoffnung, stehen einerseits für die zunächst üppigen reichen Getreidefelder in Texas, aber auch im übertragenen Sinn für Aufbruch und Ernte.

Kristin Hannah versteht es meisterhaft, die Emotionen von Elsa zu erfassen, ihre Sehnsucht nach Liebe und Gesehen-Werden, die sie zunächst wider ihren Willen in eine Schwangerschaft, Ehe und eine neue Familie treiben. In der sie dann wiederum um Anerkennung und Liebe Kämpft, diese zumindest teilweise auch erhält.

Wir begleiten Elsa weiter auf ihrem Weg mit Mann und Kindern, der sie irgendwann aus wirtschaftlichen Gründen zur Flucht nach Kalifornien zwingt. Dabei scheint sie zunächst jede Art von Liebe und Geborgenheit wieder zu verlieren. Dann aber findet sie unerwartet das, was sie bei Eltern und Ehemann vermisst, nach anfänglicher Zurückweisung bei ihren Schwiegereltern und Kindern.

Die Autorin schafft es mit ihrer lebendigen und eindringlichen Sprache, uns alles hautnah mit erleben zu lassen, wir hungern, frieren, zittern, freuen uns, schöpfen Hoffnung, finden Mut, stürzen immer wieder in Verzweiflung, schreien an gegen Ungerechtigkeit.

Es ist alles sehr spannend geschrieben, dazu gefühlvoll und durchaus nicht oberflächlich. Die einzelnen Charaktere sind gut beschrieben und verändern sich, entwickeln sich. Alle haben Ecken und Kanten, Macken und Schwächen, es gibt kein reines Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse.

Jede einzelne der Figuren war mir nahe beim Lesen, nicht unbedingt sympathisch, das wäre ja auch nicht der Sinn, aber nachvollziehbar, verständlich, Emotionen der unterschiedlichsten Art weckend.

Der Lebensweg von Elsa und ihren Kindern ist sehr eindringlich beschrieben, flüssig und schlüssig, spannend und aufregend bis zur letzten Seite.

Bewertung vom 21.10.2021
Bauer, Irmgard Rosina

Muttl auf Reisen


ausgezeichnet

Mir hat das ganze Buch sehr viel Spaß gemacht.

Schon das Cover macht gute Laune und versetzt einen in Aufbruchstimmung. Der Bus, der "rund" um den Globus zu krabbeln scheint, suggeriert sowohl Reiselust als auch Individualismus und die Einstellung, das Leben und auch das Reisen nicht allzu eng zu sehen und nicht allzu ernst zu nehmen.

Schon aber durchaus von seiner schönen Seite.

Die Erzählungen spielen an sehr unterschiedlichen Orten. Die Geschichten sind in munterem Ton erzählt, aber durch aus nicht oberflächlich - was ich sehr bewundere. Die "Mutti" klingt immer durch, auch wenn sie selbst absolut keine Glucke sein will und sich auch ernsthaft darum bemüht.

Sie versucht im Gegenteil, zu leben und leben zu lassen, aber es geht halt doch um ihr(e) Kind(er).

Vielleicht hat mir das Ganze auch deshalb so supergut gefallen, weil ich selbst Mutter eines sehr reiselustigen und sehr auf Individualität bedachten 26jährigen bin - mir sprach so vieles aus der Seele - und aus meinen Erlebnissen und Erfahrungen.

Absolut lesenswert - macht wirklich Freude!

Bewertung vom 21.10.2021
Carsta, Ellin

Der große Aufbruch


gut

Ich hatte vorher noch nie etwas von Ellin Carsta gelesen, insofern bin ich auch mit dem letzten Band in die Hansen-Saga eingestiegen. Ich war sehr neugierig darauf und sehr gespannt auf das Buch, habe gehofft, es würde mit Rückblicken erläutert, was in etwa vorher war. Ausserdem dachte ich, man bekommt als "Quereinstieger" oft gerade sehr interessante Perspektiven…


Das Cover ist sehr schön, in Pastellfarben gehalten, eine Mischung aus Romantik und Melancholie. Eine Frau steht an der Reling eines Schiffes, blickt- zurück? - auf die Silhouette einer Stadt, die vom Licht her nordisch wirkt - Hamburg?


Von Anfang an war die Anzahl der auftretenden Personen für mich etwas anstrengend. Aber es war wohl auch nötig, vor allem, wenn man die vorhergehenden Bände nicht oder vor längerem zeitlichen Abstand gelesen hat. Die Einführung in die Vorgeschichten der verschiedenen Familien beurteile ich als gut gelungen und flüssig zu lesen, allerdings hätte ich mir zusätzlich eine Art Stammbaum über die familiären Verflechtungen gewünscht.


Die Handlung kommt wegen der vielen Rückblenden, die allerdings zum Verständnis erforderlich sind, zunächst nur minimal in Gang.


Quer durch das ganze Buch werden für meinen Geschmack entschieden zu viele Mäntel an- und ausgezogen, über den Arm gelegt, aufgehängt. vor allem von Bediensteten. Das fiel mir wirklich auf, und ich fand diese Häufung nervig - und auch nichtssagend...

Ich hätte mir an vielen Stellen gewünscht, dass mehr Dinge geschildert werden, die die einzelnen Personen charakterlich voneinander abgrenzen. Ich musste immer wieder überlegen, wer wer ist und zu wem gehört.


In der zweiten Buchhälfte kommt aber Schwung und Spannung in die Handlung. INtrigen, böses Blut, Ungerechtigkeiten, Verzwieflung und Hoffnung fingen an, mich zu fesseln. Die vorher noch teils parallel laufenden Geschichten verweben sich und werden interessanter.


Den letzten Teil fand ich richtig spannend. Man sorgt sich, zittert mit, hofft auf Rettung.

Das Ende hat mir ganz gut gefallen, auch wenn es mir ehrlich gesagt etwas zu rosarot war. Die Bösen kommen nicht zum Ziel, die Guten werden belohnt, Aschenputtel bekommt seinen Prinzen.

Was mich wirklich richtig gestört hat, war, WIE das Hinwenden von Florentinus zu Emilia beschrieben wurde. Die Wandlung eines homosexuell orientierten Mannes, der sich in eine Frau verliebt, und damit endlich auf den "richtigen" Weg kommt, ""vielleicht die Hoffnung auf ein normales Leben erhält". Das fand ich hart an der Grenze zur Diskriminierung.


Vielleicht hätte ich das Buch nicht lesen sollen, ohne die Bände vorher zu kennen. Mich hat es zwar vor allem in der zweiten Hälfte ganz nett und oberflächlich unterhalten, aber letztlich mehr angestrengt als berührt.

Bewertung vom 14.10.2021
Hoeder, Ciani-Sophia

Wut und Böse


sehr gut

Mir hat – im Gegensatz zu vielen meiner „Mitleser“ das Cover sehr gut gefallen. Ja, es sind Farben, die auf den ersten Blick eher fröhlich erscheinen und „feminin“ – autsch ;-) - dazu, 3 verschiedene Rosétöne UND Violett, u.a.. Zum anderen sind da aber wilde Wogen, die durcheinander wabern, alles andere als geglättet. Und – warum soll man Wut immer schwarz und rot darstellen? Zeigt das Buch nicht gerade, dass Wut nicht einem Klischee entspricht, durchaus ihre Daseinsberechtigung hat, ja sogar ein Leben erst richtig bunt – weil ehrlich – macht?
Das Buch ist nach meiner Meinung gut und flüssig geschrieben. Gut gemischt sind persönliche Erfahrungen und Fragestellungen, wissenschaftliche Erkenntnisse oder Analysen, Rückblicke, statistische Aussagen. Man kann es gut runter lesen, ohne dass man allzu sehr in tiefenpsychologische Ausführungen einsteigen muss.
Sehr wichtig finde ich die angeführten Beispiele und immer wieder den Hinweis darauf, dass es -nach Meinung der Autorin und meiner eigenen auch – hauptsächlich Erziehungssache ist, die für Frauen keinen vernünftigen Umgang mit ihrer eigenen Wut und ihrem Zorn zulässt. Es gehört nicht zu den Dingen, die bei Frauen von klein auf auch nur toleriert geschweige denn gefördert werden.
Wer jemals in einer Vorstandssitzung mit überwiegend Männern gesessen und erlebt hat, wie sogenannte „Alphatiere“ es verstehen, ihre eigenen Interessen „durchzuboxen“ und die konträr Denkender (vor allem wenn jene Frauen sind) „in Grund und Boden zu treten“, während kompetente und faktisch in keiner Weise unterlegene Frauen NICHT aggressiv werden, sondern zu einem einheitlichen Ergebnis „im Sinne der Zielsetzung“ zu kommen versuchen, der weiß, wovon ich spreche. - Es muss übrigens keine Vorstandssitzung sein, das funktioniert in Schule, Kindergarten, Supermarkt genauso…
Insofern ist das Thema immens wichtig und verdient es unbedingt, immer wieder auch schriftstellerisch präsentiert zu werden.
Ein wichtiges Buch in meinen Augen – auch wenn es für mich keine NEUEN Erkenntnisse gebracht hat...

Bewertung vom 06.10.2021
Revedin, Jana

Flucht nach Patagonien


sehr gut

Das Cover spricht für Aufbruch und. Hoffnung. Es dominieren helle freundliche Farben, gleichzeitig wirkt die Szenerie etwas unwirklich, das viele Weiß, fast wie ein Traum, eine Illusion. Es scheint ein frischer Wind zu wehen. Eine Frau an Deck winkt einem anderen, vorbei fahrenden Schiff zu. Etwas irritierend, da es ja in der Hauptsache im Buch um einen Mann gehen soll.
Ich habe das Buch mit großer Freude in die Hand genommen, da mich die Thematik der Zeit und der Spiel-Raum in Argentinien sehr interessieren.
Das Bombardement mit prominenten Namen hat mich von Anfang an, und sich quer durch das ganze Buch ziehend, schlicht überfordert und leicht genervt. Jean und Eugenia begegnen, mehr oder weniger intensiv, Jean Cocteau, Coco Chanel, Marcel Proust, Poulenc, Guerlain, Stravinsky, Pablo Picasso, Hermès, Gertrude Stein, Aldous Huxley, Hemingway, Aragon, Mies, Walter und Ise Gropius, Giacometti, Rochas, Schiaparelli, Cole Porter, André Gide, Ilja Ehrenburg, Bertolt Brecht, Musil, Anna Seghers, Heinrich Mann, Klaus Mann, Amelia Earhart,.....
Ob es diese Bekanntschaften, Freundschaften, Geschäftsbeziehungen tatsächlich gab, weiß ich nicht. Das Buch ist ein Roman. Auch wenn die Zeit-Genossenschaft stimmt, könnte doch ein Teil dichterischer Freiheit dabei sein. Es hat mich immerhin neugierig genug gemacht, mir demnächst eine Dokumentation über Jean Michel Frank anzusehen, um dem ein wenig auf den Grund zu gehen. Das ist ja auch schon ein Erfolg eines Buches, wenn es zu weiteren Fragen und zum Recherchieren anregt...
Der erste Teil las sich für mich etwas schwerfällig, die von Jean erzählten Rückblicke in seine Kindheit und seine Familiengeschichte sind sicher wichtig. Aber weder die Schauplätze Paris, Capri, Biarritz etc. noch die Schiffsbibliothek als Schreib-Ort wirken sehr lebendig.
Danach hat das Buch für mich aber sehr gewonnen. Der Stil wird flüssiger, lebendiger, eleganter (oder ich habe mich mehr daran gewöhnt), Buenos Aires, und Patagonien sind nicht nur im realen Sinn wärmer, lebendiger, tropischer.
Die Entwicklung von Jean-Michel Frank vom durch Krankheit gezeichneten und beeinträchtigten Menschen zu einem, der in seiner Kunst, seinem Handwerk, lebt und liebt und immer besser und immer anerkannter wird, ist gut gezeichnet. Sehr interessant für mich auch, wie er seine spezielle Art des Arbeitens entwickelt.
Eugenia in ihren - scheinbaren - Widersprüchen ist ebenfalls für mich gut sichtbar und fühlbar. Die Kontraste zwischen Operngeträller, der einfachen Einrichtung ihres Kutscherhauses in Paris, zwischen Kräutern, Kochen, Gemüse, illustren Empfängen und einfach unerschöpflich viel Geld, mit dem sie viel Gutes tun will, lassen ein gut greifbares Bild entstehen.
Die schreckliche Zeit des Naziregimes, die politischen drohenden Szenerien laufen eher im Hintergrund ab, obwohl es thematisch auch viel um Repressalien, Flucht und Fluchthilfe geht.
Mir hat das Buch gut gefallen, ich halte es für eine interessante Art, sich dieser geschichtlich so düsteren Zeit einmal von einer anderen Seite zu nähern.
Für die ganz große Begeisterung und 5 Sterne reicht es bei mir aber nicht.