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Benutzername: 
Fannie
Wohnort: 
Oelsnitz/Erzgebirge

Bewertungen

Insgesamt 153 Bewertungen
Bewertung vom 09.07.2013
Genau mein Beutelschema
Lehmann, Sebastian

Genau mein Beutelschema


ausgezeichnet

*Zugabe, Herr Lehmann!*

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf dem Kandidatenstuhl bei einer dieser Fernsehquizshows und werden gefragt: „Der angesagteste Bezirk Berlins ist…?“ Na? Richtig, Neukölln. Und wie bezeichnet man die jungen Eingeborenen dieses trendigen Stadtteils? Das ist der gemeine Hipster. Vertreter dieser Spezies zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass sie liebend gern schicke Stoffbeutel tragen, die sie bevorzugt mit knallengen Hosen und Oversized-Shirts kombinieren. Selbstverständlich sind Hipster zumeist (selbsternannte) Künstler, machen gerne Party und schlürfen literweise Club-Mate.

Mark ist allerdings keiner von denen. Er wohnt im langweiligen Bezirk Tiergarten, hat die 30 jüngst hinter sich gelassen und sein Job als Kleinanzeigenbetreuer ist nicht unbedingt das, was man in Neukölln unter Kunst versteht. Als er auf einer Party die zehn Jahre jüngere Christina kennenlernt und sich in sie verliebt, stürzt er kopfüber und vollkommen unvorbereitet in die Hipster-Szene. Sein geregeltes Leben wird plötzlich gewaltig auf den Kopf gestellt – und irgendwann ist nichts mehr, wie es war.

Poetry-Slammer und Autor Sebastian Lehmann liefert mit „Genau mein Beutelschema“ ein hinreißendes Roman-Debüt ab! Besonders Kinder der Neunziger werden dieses Buch von Anfang an ins Herz schließen, denn die überaus liebenswerte Hauptfigur Mark hegt vielfältige musikalische Erinnerungen an Größen wie die Backstreet Boys, Scooter, DJ Bobo und Marky Mark. Dabei wird Mark gleichzeitig bewusst, dass er inzwischen auch nicht mehr ganz taufrisch ist. „Genau mein Beutelschema“ ist eine spaßige Story über das Älterwerden und Jungbleiben, über die Liebe, über Trends und Veränderungen im Leben. Sebastian Lehmann schafft beim Erzählen spielend die Quadratur des Kreises, nämlich Tiefgang mit Witz! Seine Heimatstadt Berlin nimmt er gehörig auf die Schippe und spielt dabei munter mit Vorurteilen. Der Schreibstil des Autors ist herrlich entspannt und locker. Dieser Roman hat richtig Spaß gemacht! Ich habe letztlich nur einen einzigen Kritikpunkt: Das Buch war definitiv zu kurz! Zugabe, Herr Lehmann! :-)

Bewertung vom 28.04.2013
Die Verstummten / Carina Kyreleis Bd.2
Fey, Stephanie

Die Verstummten / Carina Kyreleis Bd.2


sehr gut

Ein wirklich guter Thriller, aber leider überladen

Die junge Carina Kyreleis arbeitet als Rechtsmedizinerin in München. Zu ihrem Vater Matte, der bei der Kriminalpolizei tätig ist, hat sie ein gespaltenes Verhältnis. Durch einen mysteriösen Doppelmord im Stadtgebiet Menterschwaige wird dieses zusätzlich belastet, denn Carina gerät in die Ermittlungen hinein - und das heißt ihr Vater anfangs gar nicht gut.

"Die Verstummten" ist nach "Die Gesichtslosen" der zweite Thriller von Stephanie Fey, in dem die Gerichtsmedizin und Carina Kyreleis die Hauptrolle spielen. Den ersten Band habe ich nicht gelesen - ein Umstand, den ich bei "Die Verstummten" nachteilig fand. Deshalb empfehle vor "Die Verstummten" die Lektüre von "Die Gesichtslosen".

Die Autorin hat einen schnörkellosen Schreibstil und hält die Spannung bis zum Schluss aufrecht. Stephanie Fey gewährt dabei sehr interessante Einblicke in die vielfältige Arbeit der Gerichtsmedizin, die so viel mehr beinhaltet, als ausschließlich Tote zu obduzieren. Und doch kann ich nicht restlos begeistert sein von diesem Buch, denn der Plot ist für meinen Geschmack schlicht und einfach überladen. Die Geschichte besteht aus zu vielen Handlungssträngen und Geschichten, die teilweise von der Aufklärung des Doppelmordes ablenken und diese Tat in den Hintergrund rücken. Letztlich bringt Stephanie Fey die Haupt- und Nebenhandlungen zusammen, dennoch wäre weniger hier mehr gewesen. Mein Fazit: "Die Verstummten" ist ein wirklich guter Thriller, aber leider überladen.

Bewertung vom 28.04.2013
Bürokrankheiten
Krauleidis, Raymund

Bürokrankheiten


ausgezeichnet

100 Prozent der deutschen Büro-Angestellten leiden darunter

Kennen Sie Drill-Damage? Nein? Die Türrahmenskoliose vielleicht? Auch nicht? Und doch könnte es gut möglich sein, dass Sie daran erkrankt sind, ohne es zu wissen. Aber es gibt Abhilfe, denn der Autor Raymund Krauleidis öffnet den Angestellten in deutschen Büros mit seinem Buch „Bürokrankheiten“ die Augen für sämtliche Leiden, von denen man im Dienst befallen werden kann. Selbstverständlich alphabetisch geordnet sind die heimlichen und doch so offensichtlichen Office-Leiden nachvollziehbar dargestellt. Dabei informiert Raymund Krauleidis umfassend über die Symptome, die Verbreitung, die unterschiedlichen Erscheinungsformen und gibt dem Leser Ratschläge für den Umgang mit den Erkrankten an die Hand. Absonderliche Urteile und eine reiche Bebilderung sorgen für zusätzliche Unterhaltung.

Ziemlich spitz, mit viel Ironie und unglaublichem Wortwitz nimmt der Autor die absurden Marotten der lieben Kollegen auf die Schippe. Wer ehrlich zu sich selbst ist, wird sich auch oft genug selbst wiedererkennen. „Bürokrankheiten“ ist viel mehr als nur ein auf Vorurteilen basierendes Krankheitslexikon. Davon, dass der Autor auf jahrelange Büro-Erfahrung zurückblicken kann, profitiert der Leser, indem Raymund Krauleidis mit viel Liebe zum Detail und (leider) sehr realitätsnah die zahlreichen Verrücktheiten zwischen Schreibtisch und Kaffeeküche analysiert. Ich persönlich habe bei der Lektüre teilweise Tränen gelacht. „Bürokrankheiten“ wird bei der nächsten Weihnachtsfeier zum Einsatz kommen. Dann werde ich mir einzelne Krankheiten herauspicken, diese vorlesen und die Kollegen müssen raten, wer gemeint ist. Mein Fazit: Höchstunterhaltsam! Lesen Sie dieses Buch aber lieber zuhause im stillen Kämmerlein. Denn wenn Sie „Bürokrankheiten“ in der Öffentlichkeit lesen, kann es zu unkontrollierten Lachanfällen bei Ihnen und (im mildesten Fall) fragenden Blicken ihrer Umgebung kommen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2013
Allein unter Schildkröten
Kaldhol, Marit

Allein unter Schildkröten


ausgezeichnet

*Unzählige Fragen - und keine Antworten*

Mikke lebt in Norwegen und ist 18 Jahre alt. Er ist ein kluger und nachdenklicher Junge, der kurz vor seinem Abitur steht. Danach wird er Biologie studieren, so sein Entschluss. Er ist ein sensibler Typ, schreibt Tagebuch und stellt sich und dem Leben unzählige Fragen. Gemeinsam mit seinem Kumpel Sverre, der am Down-Syndrom leidet, sieht er sich gern Tierdokumentationen an. Besonders angetan haben es ihm die Meeresschildkröten. Doch mit der Zeit wird Mikke selbst mehr und mehr zur Schildkröte, denn er zieht sich - einem Panzer gleich - vollständig in die schützende Umgebung seines Zimmers zurück. Zur Schule geht er nicht mehr, er meldet sich weder bei seiner Freundin Siri noch bei seinen Kumpels. Als seine Mutter mit ihrem Lebensgefährten aus dem Urlaub zurückkehrt, finden sie Mikke tot in seinem Zimmer. Für alle Menschen, die entsetzt zurückbleiben, stellt sich vor allem eine Frage: Warum?

"Allein unter Schildkröten" von Marit Kaldhol ist ein bemerkenswertes Buch! Es ist kein Roman, aber dennoch zutiefst berührend. Der erste Teil besteht aus Mikkes Tagebuchaufzeichnungen. Im zweiten Abschnitt erinnert sich seine Mutter an viele gemeinsame Ereignisse und versucht, das Unfassbare zu begreifen. In Teil drei finden sich Briefe der Menschen, die Mikke zurückließ. "Allein unter Schildkröten" ist ein ungewöhnliches Buch, das ich ohne eine einzige Unterbrechung gelesen habe. Zugegeben, bei nur 136 Seiten ist das nichts Besonderes, dennoch: Mich nahm die tragische Geschichte um Mikke von der ersten Seite an gefangen. Dieses Buch strahlt eine ungeheure Kraft aus. Es ist faszinierend, dass Autorin Marit Kaldhol mit wenigen Worten eine beeindruckende Kulisse entstehen lässt und von einer solchen Tragödie erzählt - allerdings niemals kitschig. Sie widmet sich den Themen Depression, Selbstmord, Trauer, Tod und Verlust anrührend, sensibel und wiederum doch auf eine ganz eigene Art und Weise schonungslos. Beim Lesen von "Allein unter Schildkröten" habe ich eine große innere Ruhe verspürt, wie ich es bei noch keinem Buch zuvor erlebt habe. Dieses Gefühl bei mir als Leserin und der Stil der Schriftstellerin bildeten hier eine wunderbare Einheit: Man besinnt sich auf das Wesentliche, denkt nach, stellt elementare Fragen und beachtet alles Überflüssige einfach nicht. Mein Fazit: Still, bewegend, großartig!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2013
Das Nebelhaus
Berg, Eric

Das Nebelhaus


ausgezeichnet

Atmosphäre und Spannung pur: Für mich der Krimi des Jahres!

Einige Jahre sind ins Land gegangen, da treffen sich die ehemaligen Aktivisten-Freunde Timo, Yasmin, Philipp und Leonie auf der Ostseeinsel Hiddensee wieder. Philipp - inzwischen Architekt - hat es dort zu Ansehen und Wohlstand gebracht. Er lebt mit seiner Frau Genoveva und dem gemeinsamen Töchterchen Clarissa in einem noblen Haus. Yasmin ist eine alternative Überlebenskünstlerin, Leonie Kindergärtnerin und Timo ein ebenso ambitionierter wie erfolgloser Schriftsteller. Das Wiedersehen nach so langer Zeit birgt eine Menge Zündstoff, vor allem deshalb, weil die psychisch kranke Leonie ihre Waffe verliert, die sie stets in ihrer Handtasche bei sich trägt. Ein toter Kater scheint der traurige Höhepunkt eines vermaledeiten Herbst-Wochenendes zu sein, doch es soll noch weitaus schlimmer kommen. Die kleine Clarissa verschwindet spurlos - und am Ende sind drei Menschen tot...

"Das Nebelhaus" von Eric Berg ist ein Buch, das Krimi- und Thriller-Fans auf gar keinen Fall versäumen dürfen. Dieser Roman strotzt nur so vor lauter Atmosphäre und garantiert bis zum Schluss absolute Hochspannung. Zwischendurch meint man, dem Mörder endlich auf der Spur zu sein, denn Motive gibt es genügend. Doch immer wieder muss man erkennen, dass man auf dem Holzweg war... Abwechselnd geschrieben aus der heutigen Sicht der Journalistin Doro Kagel, die den Fall des Dreifach-Mordes von Hiddensee neu aufrollt, und der Perspektive der dramatischen Ereignisse im September 2010, wird "Das Nebelhaus" an keiner einzigen Stelle langweilig. Man kann sich der Faszination der Geschichte und dem Schreibstil des Autors, der mitunter sogar poetisch anmutet, einfach nicht entziehen. Besonders gelungen fand ich die Tatsache, dass die Charaktere sehr tiefgehend illustriert sind. Alle haben sie ihre Fehler, ihre Unzulänglichkeiten sowie eine teils dramatische Vergangenheit.

Außerdem kommen noch zwei rein äußerliche Dinge dazu, die mich begeistert haben: Einerseits ist es das grandiose Cover, das perfekt zur Geschichte passt. Die Gestalter vom bürosüd° haben hier wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Zweitens riecht das gedruckte Buch wunderbar. Ich als leidenschaftliche Buch-Schnüfflerin empfehle deshalb ganz dringend die Print-Ausgabe!

"Das Nebelhaus" ist für mich schon jetzt der Krimi des Jahres! Tosende Stürme, Blut, allerhand zwischenmenschliche Brüche und gefährliche Geheimnisse: Autor Eric Berg, der als Eric Walz für historische Romane bekannt ist, muss sich bitte auch in Zukunft unbedingt dem Krimi-Genre widmen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2013
Der Kreuzworträtselmord
Apel, Kerstin

Der Kreuzworträtselmord


schlecht

*Widerwärtig!*

Die junge Journalistin Shiva aus Berlin unterbricht ihren Winterurlaub in Oberhof, denn ihr Chef schlägt Alarm: Die Verkaufszahlen ihres Blattes sinken rapide! Deshalb erhalten die Redakteure die Aufgabe, sich mit lange zurückliegenden Kriminalfällen zu befassen und gleichzeitig den Auftrag, neue Informationen ans Tageslicht zu bringen. Shiva wird der sogenannte „Kreuzworträtselmord“ zugeteilt. 1981 wurde in Halle-Neustadt ein kleiner Junge umgebracht. Seine Leiche fand man in einem Koffer am Bahndamm. Auf die Spur des Täters gelangten die Ermittler nur, weil sich im Koffer ausgefüllte Kreuzworträtsel befanden. Der Täter wurde nach aufwändiger Ermittlungsarbeit gefasst, schließlich verurteilt und befindet sich inzwischen wieder in Freiheit. Wie soll Shiva in diesem abgeschlossenen Fall noch neue Fakten sammeln? Sie glaubt selbst nicht daran, doch schließlich kommt sie hinter ein ebenso gut gehütetes wie grausames Geheimnis…

Schon im Vorfeld schlugen die Wellen hoch: Nicht Wenige forderten, das Buch „Der Kreuzworträtselmord – Die wahre Geschichte“ von Kerstin Apel müsse man verbieten. Es folgten Drohungen gegen die Autorin und den Verlag, Lesungen wurden abgesagt. Das Buch befasst sich mit dem Fall des 1981 in Halle-Neustadt ermordeten Lars Bense. Das ist insofern kein Novum, denn auch der Kriminalist Hans Girod sowie Erfolgsautor Kai Meyer haben sich dem Kreuzworträtselmord bereits in Buchform gewidmet. Das Pikante an diesem neuen Werk ist, dass die Autorin gleichzeitig die Ex-Freundin des Täters ist. Nach über 30 Jahren bekennt Frau Apel, zu der abscheulichen Tat, die sich in der Wohnung ihrer Mutter ereignete, hinzugekommen zu sein und bei der Beseitigung der Leiche des kleinen Jungen - widerwillig zwar, aber immerhin - geholfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen Kerstin Apel.

Meine Intention war es, das Buch objektiv zu bewerten und mich möglichst nicht von der aktuellen Debatte um Frau Apel beeinflussen zu lassen. Ihr Erstlingswerk ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Abschnitt macht sie uns mit ihrer Hauptfigur, der Journalistin Shiva bekannt. Seit Nina Hagens nahezu gleichnamige Tochter in der Öffentlichkeit steht, sollte den Leser dieser Name nicht mehr befremden, dennoch: Ich finde ihn reichlich aufgesetzt. Hinzu kommt, dass Shiva keinen Nachnamen hat und albernerweise stets mit „Frau Shiva“ angesprochen wird. Die Journalistin wirkt künstlich, bemüht und alles andere als sympathisch. In der Krimihandlung erkennt man ansatzweise Potential, obwohl das Geschehen eher seicht dahinplätschert. Im zweiten Teil habe ich hingegen mehrfach überlegt, das mit 155 Seiten sehr schmale Büchlein abzubrechen. Die auf den tatsächlichen Ereignissen basierenden Schilderungen der Ex-Freundin des Täters - im Buch Susanna genannt - konnte ich nur schwer ertragen. Sie beschreibt den grausamen Todeskampf des kleinen Lars, ist in erster Linie besorgt um die blutbesudelte Wohnungseinrichtung, für die die Mutter doch so schwer schuften musste und wäscht sich gebetsmühlenartig damit rein, dass sie mit all dem nichts zu tun hat. Ganz ehrlich: Selbst wenn es ein Roman ist - die Tatsache, dass die Ex-Freundin des Täters darin ihre persönlichen Erfahrungen niederschreibt, macht das Buch in gewisser Weise auch zu einem authentischen Bericht. Und zwar zu einem, den man als Leser nur schwer verarbeiten kann! Aus meiner Sicht hat das mit der Aufarbeitung von Erlebtem nichts zu tun. Der zweite Teil ist widerwärtig und muss für die Angehörigen des Opfers furchtbar sein. Es bleibt zu hoffen, dass sie dieses Buch nicht lesen!

7 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2013
Das Glücksbüro
Izquierdo, Andreas

Das Glücksbüro


ausgezeichnet

Märchenhaft und voller Emotionen

Albert Glück ist mit Leib und Seele Beamter. Anträge sind nicht nur sein tägliches Brot, nein, sie sind Poesie für ihn. Der beflissene Albert wohnt sogar im Amt - und das seit über 30 Jahren, unentdeckt in einem kleinem Raum im Kellerarchiv. Die Welt draußen hat sich in dieser ganzen Zeit ohne ihn weitergedreht. Doch eines Tages verfolgt ihn ein seltsamer Antrag, mit dem er nichts anzufangen weiß. Die Hölle für Albert! Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Antragstellerin persönlich aufzusuchen. Nach drei Jahrzehnten Verpuppung verlässt Albert die schützenden Mauern des Amtes - und ahnt nicht, dass sich damit sein ganzes Leben ändert...

Für den Roman "Das Glücksbüro" von Andreas Izquierdo fallen mir auf Anhieb zahllose schwärmerische Adjektive ein. Dieses Buch ist zutiefst berührend, aber niemals schmalzig. Es ist lustig, ohne plump zu sein. Es stimmt nachdenklich, macht zuweilen sprachlos und lässt den Leser staunen. Mit Leichtigkeit spielt der Autor auf der Klaviatur der Emotionen - von beschwingt-heiter bis tieftraurig. In 68 Kapiteln zeigt uns Albert Glück seine Welt. Dank des lebendigen und bildhaften Schreibstils von Andreas Izquierdo atmet der Leser Aktenstaub und hört deutlich das Gurgeln der Kaffeemaschine. "Das Glücksbüro" ist ein wundervolles Buch. Die darin beschriebene Magie des Amts-Alltags und der Liebe lässt daraus ein Märchen für Erwachsene werden, in das man mit Leib und Seele eintaucht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.03.2013
Schürzenjäger
Gerwens, Katharina

Schürzenjäger


sehr gut

*Die Puppen-Morde von Kalverode*

Back to the roots: Die junge Kriminalhauptkommissarin Annalena Brandt tritt nach ihrem erfolgreich absolvierten Studium in Wiesbaden eine Stelle bei der Polizei in ihrer Heimatstadt Kalverode an. Das westfälische Kalverode ist klein und beschaulich, man kennt sich, begegnet einander auf dem Wochenmarkt. Doch die Idylle bekommt einen tiefen Riss, nachdem zuerst eine Puppe mit leeren Augenhöhlen gefunden wird – und wenig später die Leiche einer Frau, der ebenfalls die Augen fehlen. Aber damit nicht genug: Bald schon taucht eine zweite, verstümmelte Puppe auf…

Im Westfalen-Krimi “Schürzenjäger” von Katharina Gerwens ermittelt Annalena Brandt in ihrem ersten Fall. Die Hauptfigur hat darin keinen leichten Start, denn die männlichen Kollegen der Polizeidienststelle Kalverode beäugen die Neue misstrauisch. Doch mit dem Fortgang der Geschichte wächst auch Annalena.

Die Charaktere sind unverwechselbar: Mitunter sind sie herrlich spleenig, aber es handelt sich zum Teil auch um tragische Gestalten.

Einen kleinen Punktabzug gibt es, denn für Nicht-Westfalen wie mich hätte ich ein Glossar als günstig empfunden – manche Begriffe und Redensarten sind schon recht speziell.

Trotzdem: “Schürzenjäger” liest sich einfach wunderbar! Katharina Gerwens beweist in ihrem Westfalen-Krimi Sinn für Humor, jedoch schlägt sie auch ernste Töne an und verleiht damit der Geschichte Tiefgang. “Schürzenjäger” ist also kein Klamauk-Krimi, aber dennoch höchst unterhaltsam.

Mein Fazit: “Schürzenjäger” kann ich allen Krimi-Fans nur ans Herz legen – Spannung garantiert! Es bleibt zu hoffen, dass im idyllischen Kalverode auch weiterhin fleißig gemordet wird.

Bewertung vom 19.03.2013
Wenn die Nacht am stillsten ist
Weitholz, Arezu

Wenn die Nacht am stillsten ist


gut

*Anna erzählt*

Anna steht nicht auf der Sonnenseite des Lebens: Ihr Vater hat sich das Leben genommen, ihre Mutter lebt in einem Pflegeheim. Dann beendet Annas Freund Ludwig eines Tages ihre gemeinsame Beziehung knapp mit den Worten "Es ist aus." Kurze Zeit später findet sie ihn bewusstlos in seiner Wohnung, vollgepumpt mit Tabletten. Sie setzt sich neben ihn und erzählt. Berichtet aus ihrem Leben, spricht von der Zeit, als sie in Südafrika gelebt hat, redet vom Selbstmord des Vaters und über sich. Damit bricht sie die Sprachlosigkeit, die das ungleiche Paar im Alltag überzogen hat.

"Wenn die Nacht am Stillsten ist" von Arezu Weitholz ist ein ungewöhnliches Buch. Der Teil "Die Nacht" ist ein Monolog, den Protagonistin Anna am Bett des bewusstlosen Ludwig hält. Ihr Bericht sprudelt förmlich aus ihr heraus. Die Frage, inwieweit es realistisch ist, sich in einer solchen Situation hinzusetzen, dabei seelenruhig zu erzählen und nicht einfach den Notarzt zu rufen, soll hier einmal außen vor bleiben.

Der zweite Teil mit dem Titel "Der Tag zuvor" schildert, wie der Tag vor dem Ende der Beziehung und der Verzweiflungstat Ludwigs verlaufen ist. Anna besucht ihre Mutter im Pflegeheim. Der Leser erhascht dabei einen Blick auf die Insassen von "Sankt Annen", die Probleme vor Ort und das Leben der Pflegebedürftigen, das so ganz anders verläuft als das der Menschen außerhalb der Mauern der Seniorenresidenz.

Ich persönlich hätte mir in diesem Buch mehr Struktur gewünscht und ein wenig mehr Atmosphäre. Teilweise wirkt der Roman bemüht, gekünstelt. Dennoch übt "Wenn die Nacht am Stillsten ist" eine ganz eigene, ja fast magische Faszination auf den Leser aus, die es nicht erlaubt, das Buch aus der Hand zu legen.

Bewertung vom 07.03.2013
Das bisschen Kuchen
Berg, Ellen

Das bisschen Kuchen


ausgezeichnet

*Erste Sahne!*

98 Kilo. Und das bei einer Größe von 1,64 Meter. Mächtig gewaltig! Die Anzeige ihrer Waage haut die Mittvierzigerin Niki beinahe um. Kein Wunder, dass ihr Ehemann Wolfgang angesichts dieser Wucht seine Aufmerksamkeit lieber einer jungen Tussi in Size Zero schenkt. Ausgerechnet kurz vor der Silberhochzeit erwischt Niki ihn beim Fremdgehen, diesen Schuft! Kurzentschlossen packt die korpulente Hausfrau ihre Sachen und checkt in einem sündhaft teuren Abnehm-Resort in der Schweiz ein. Dort lernt sie nicht nur die fatale Wirkung von Glaubersalz kennen, sondern auch liebenswürdige, wenn auch nicht weniger gewichtige Leidensgenossen – und schließlich sich selbst… Die Autorin Ellen Berg brennt in „Das bisschen Kuchen“ ein Gag-Feuerwerk nach dem anderen ab. Dialoge wie Kanonenschläge und wunderbar schräge Charaktere machen aus dem „K(ein) Diät-Roman“ ein Lesevergnügen, bei dem die Seiten nur so fliegen. Mit einem fröhlichen Augenzwinkern werden Jojo-Effekt und Fressorgien auf die Schippe genommen. Doch wer meint, Ellen Berg mache sich über die Abnehmwilligen lustig, der irrt. Sie beleuchtet den Diät-Wahn in einem wirklich liebevoll-humorigen Licht. Mit der wunderbaren Hauptfigur Niki leidet man förmlich mit bei Nulldiät und Liebeskummer. Ihre skurrile Freundin Walburga hingegen löst bei jedem ihrer Auftritte regelrechte Lachsalven beim Leser aus. Mit dem fantastischen Buch „Das bisschen Kuchen“ verhält es sich wie bei einer Tafel zartschmelzender Schokolade: Man kann einfach nicht aufhören! Mein Fazit: „Das bisschen Kuchen“ von Ellen Berg sind 285 Seiten praller Spaß!

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.